Das Amtsgericht hatte auf einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Bestellung eines Verwalters für die WEG einen solche für die Dauer von drei Jahren bestellt. Die dagegen von der Verfügungsbeklagten eingelegte Berufung war erfolgreich.
Das Berufungsreicht verwies darauf, dass für eine einstweilige Verfügung ein Verfügungsgrund (neben dem Verfügungsanspruch) erforderlich sei, der vorläge, wenn aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei eine Veränderung des Zustands oder eine Verwirklichung eines Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert oder die Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig sei. Damit umschrieb das Berufungsgericht die Notwendigkeit der Dringlichkeit.
Eine im Einzelfall mögliche Dringlichkeit kann aber auch durch das Verhalten der antragstellenden Partei selbst (wieder) ausgeschlossen werden; so könne, so das Landgericht, ein Verfügungsgrund durch Selbstwiderlegung fehlen oder entfallen, wenn der Antragsteller die Annahme der Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten ausgeschlossen habe. Als Beispiel nannte das Landgericht den Fall, dass der Antragsteller von einer erlassenen einstweiligen Verfügung lange Zeit keinen Gebrauch mache (weshalb nach Widerspruch des Gegners diese mangels Dringlichkeit wieder aufzuheben ist, OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.03.2010 - 6 U 219/09 -).
Das Landgericht nahm vorliegend auch eine Selbstwiderlegung an, da der vom Amtsgericht mit einstweiliger Verfügung bestellte Verwalter noch nicht informiert bzw. zur Tätigkeit aufgefordert worden sei. Damit passe die Argumentation der Antragstellerseite bei Antragstellung zum dringenden Bedarf nicht zusammen, da über einige Monate kein gebrauch von der einstweiligen Verfügung gemacht worden sei. Ein Abwarten des Berufungsverfahrens rechtfertige dies ebenso wenig wie (letztlich gescheitere) Einigungsversuche.
Als obiter dictum wies das Landgericht noch darauf hin, dass nach seiner Auffassung eine Verwalterbestellung qua einstweiliger Verfügung nicht über ein Jahr erfolgen dürfe, im Rahmen einer Beschlussersetzungsklage auch nur auf ein bis maximal zwei Jahre angenommen würde. Bei der einstweiligen Verfügung sei zu beachten, dass die Hauptsache nicht vorweggenommen werden dürfe, von daher längstens bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens und auf eine gewisse Zeit zu bestreiten sei. An seiner bisherigen Auffassung zu zwei Jahren halte die Kammer des Berufungsgerichts nicht mehr fest.
LG Karlsruhe, Urteil vom 01.12.2023 - 11 S 12/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Auf die Berufung der
Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Weinheim vom 21.12.2022,
Az. 2 C 261/22 WEG, abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten
des Rechtsstreits zu tragen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 19.278,00 € festgesetzt.
Gründe
(abgekürzt nach
§§ 540, 313a Abs. 1 ZPO)
I.
Die zulässige
Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet. Die in erster Instanz erlassene
einstweilige Verfügung (§ 935 ff. ZPO) konnte nicht aufrechterhalten
bleiben. Die vom Amtsgericht im Wege der einstweiligen Verfügung vorgenommene
Verwalterbestellung ist hinsichtlich ihrer Dauer (3 Jahre) dabei so zu
verstehen sein, dass sie sich ab der Verkündung der Entscheidung (21.12.2022)
errechnet.
1. Ein
Verfügungsgrund besteht nicht bzw. jedenfalls nicht mehr.
Ein
Verfügungsgrund liegt vor, wenn aus der Sicht eines vernünftig Denkenden zu
besorgen ist, dass eine Veränderung des Zustandes die Verwirklichung des Rechts
einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert oder die Abwendung
wesentlicher Nachteile notwendig ist.
Infolge
Selbstwiderlegung kann ein Verfügungsgrund fehlen oder entfallen, wenn der
Antragsteller die Annahme der Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten
ausgeschlossen hat (vgl. BeckOK ZPO/Mayer, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 935 Rn.
16). Dies kann auch der Fall sein, wenn der Antragsteller von der erlassenen
einstweiligen Verfügung lange Zeit keinen Gebrauch macht, etwa um das Risiko
der Schadensersatzpflicht aus § 945 ZPO zu vermeiden (vgl. KG BeckRS 2011,
9414; 2010, 13662; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2010, 16885; BeckOK ZPO/Mayer,
49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 935 Rn. 20).
So liegt der
Fall hier. Dass bisher der vom Amtsgericht bestellte Verwalter nicht informiert
wurde bzw. zur Tätigkeit aufgefordert wurde, führt zur Selbstwiderlegung der
Dringlichkeit. Die klägerischen Darstellungen zum dringenden Bedarf für den
ursprünglichen Erlass der einstweiligen Verfügung, die nahelegen mögen, dass
angesichts der Vorgeschichte dem Antrag zunächst stattzugeben war, passen nicht
damit zusammen, dass dann von der einstweiligen Verfügung über viele Monate
hinweg keinerlei Gebrauch gemacht wird. Das Abwarten des Ausgangs der
Berufungsinstanz (mit letztlich gescheiterten Einigungsbemühungen) rechtfertigt
dieses Zögern nicht. Denn dann hätte auch das Hauptsacheverfahren betrieben
werden können.
2. Der
Verfügungsanspruch war im Übrigen allenfalls teilweise gegeben.
Die vom
Amtsgericht angeordnete Dauer dürfte selbst für eine Hauptsacheentscheidung zu
lange sein. Selbst für Beschlussersetzungsklagen in der Hauptsache werden
maximale Bestellzeiten von nur ein bis zwei Jahre angenommen (vgl. Bruns, ZWE
2022, 67, 72, bei Fn. 81: zwei Jahre; ähnlich Küttner ZMR 2021, 285, 289: ein
bis zwei Jahre).
Für
einstweilige Verfügungen kommen nur kürzere Bestellzeiten in Betracht. Eine
Regelungsverfügung darf die Hauptsache nicht vorwegnehmen; sie ist daher
längstens bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens und auf eine gewisse
Zeit zu befristen (die Angaben zur möglichen Dauer schwanken: s. BayObLG NJW-RR
1989, 461, 462; Bruns, ZWE 2022, 67, 74, bei Fn. 107: maximal 1 Jahr;
Anders/Gehle/U. Becker ZPO § 940 Rn. 46: allenfalls 3-6 Monate;
Briesemeister NZM 2009, 64, 69: Dauer darf nicht zu kurz bemessen sein; gegen
eine Befristung: Beck’sches Prozessformularbuch/Elzer, 15. Aufl. 2022, Formular
II J 6 Anm. 10). Soweit die Kammer es in einer früheren Entscheidung für
möglich hielt, im Wege der einstweiligen Verfügung einen Verwalter auf die
Dauer von zwei Jahren - vorbehaltlich einer Neuwahl eines Verwalters durch die
Wohnungseigentümer - zu bestellen (vgl. LG Karlsruhe, Beschl. v. 23.11.2012 –
11 T 419/12, BeckRS 2012, 211628, beck-online), kann daran nicht festgehalten
werden. Die juristisch gut darstellbare Ein-Jahres-Frist ist bereits jetzt im
Herbst 2023 erreicht.
Die Klage war
daher abzuweisen. Eine Erledigterklärung war nicht erfolgt.
II.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Revision
ist von Gesetzes wegen ausgeschlossen (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Daher wird die vorliegende Entscheidung mit ihrer Verkündung rechtskräftig und
einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht.
Der Streitwert
wird in Anlehnung an die Streitwertfestsetzung in erster Instanz festgesetzt.
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