Der Verfügungskläger verlangte, den Verfügungsbeklagten zu untersagen, dass bei Nutzung des Baukranes durch die Verfügungsbeklagten dessen Ausleger (Arm) in den Luftraum des Grundstücks des Verfügungsklägers reicht. Das Landgericht wies den Antrag ab. Die Berufung war erfolgreich.
Das Oberlandesgericht musste hier nicht die Voraussetzungen prüfen, unter denen eventuell die Verfügungsbeklagten ihren Baukran über den Luftraum des Grundstücks des Verfügungsklägers bewegen durften. Sie hatten es verabsäumt, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Denn selbst wenn ein Duldungsanspruch (z.B. gem. § 905 BGB) bestehen würde, könnten die Verfügungsbeklagten diesen hier nicht erfolgreich durchsetzen.
Das Einschwenken des Baukrans in den Luftraum über dem Grundstück des Verfügungsklägers stelle eine Beeinträchtigung des Besitzes des Verfügungsklägers nach § 858 BGB dar. Dieser Eingriff sei vom Verfügungskläger nicht erlaubt worden, der ihm sogar explizit untersagte. Daher läge eine verbotene Eigenmacht der Verfügungsbeklagten vor, § 858 Abs. 1 BGB, gegen die e sich der Verfügungsklägers mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wehren könne.
Die Verfügungsbeklagten könnte sich nicht erfolgreich auf das in § 7d NRG BW geregelte Hammerschlags- und Leiterrecht berufen. Denn sie hätten das dort genannte Verfahren jedenfalls zur Ankündigungsfrist von zwei Wochen vor Beginn der Nutzung des Nachbargrundstücks nicht eingehalten. Damit aber sei auch ein Duldungsanspruch ausgeschlossen.
Selbst wenn aber die Verfügungskläger die Voraussetzungen nach § 7d NRG BW eingehalten hätten, wäre dem Verfügungsantrag stattzugeben gewesen, wenn der Verfügungskläger (gleichwohl) nicht der Nutzung zugestimmt hätte und die Verfügungsbeklagten eigenmächtig dann gleichwohl die Nutzung ausüben. Denn selbst wenn materiellrechtlich ein Anspruch der Verfügungsbeklagten vorliegen sollte, dürften sie nicht ohne Zustimmung des Nachbarn oder einer gerichtlichen Entscheidung das Grundstück des Verfügungsklägers (zum Einschwenken des Kranes) nutzen (BGH, Urteil vom 14.12.2012 - V ZR 49/12 -) und könne ein entsprechender materieller Anspruch im Verfügungsverfahren nicht berücksichtigt werden.
OLG Stuttgart, Urteil vom
31.08.2022 - 4 U 74/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
1.
Auf die Berufung des Verfügungsklägers
vom 02.06.2022 wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 02.05.2022 - Az.
5 O 78/22 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a.
Die Verfügungsbeklagten - jeder für sich
- haben es zu unterlassen, von dem Grundstück G…str. xx in … E… (Flurstück Nr.:
…, …) aus, einen Baukran in den Luftbereich über dem Grundstück des
Verfügungsklägers in der G…str. .., … E… (Flurstück Nr.: …) zu schwenken oder
schwenken zu lassen.
b.
Den Verfügungsbeklagten wird für jeden
Fall der Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot in Ziffer 2 ein
Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht
beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten
angedroht.
2.
Die Verfügungsbeklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Von einer
Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313a Abs. 1 S. 1, 542
Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige
Berufung des Verfügungsklägers ist begründet.
I.
Das Landgericht
hat nur § 1004 BGB geprüft und übersehen, dass die Verfügungsbeklagten das
in § 7d NRG BW (Hammerschlags- und Leiterrecht) vorgesehene Verfahren für
eine Inanspruchnahme des Grundstücks des Verfügungsklägers nicht eingehalten
haben. Deshalb ist ihnen diese Inanspruchnahme derzeit schon wegen verbotener Eigenmacht
gemäß §§ 858, 862 BGB im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen,
ohne dass es darauf ankäme, ob den Verfügungskläger materiell-rechtlich eine
entsprechende Duldungspflicht - etwa aus § 905 S. 2 BGB - treffen
könnte (vgl. OLG München, Urteil vom 15.10.2020 - 8 U 5531/20, juris Rn. 8).
1.
Jedes
Einschwenken des Baukrans in den Luftraum über dem Grundstück des
Verfügungsklägers stellt - ob mit oder ohne Lasten - eine Beeinträchtigung des
Besitzes im Sinne des § 858 BGB dar. Es liegt ein Eingriff in die
tatsächliche Herrschaftsmacht und damit ein dem Inhalt des Besitzes
widersprechender Zustand vor (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.01.2011, 4 W
43/10, juris Rn. 12; OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.12.1991 - 6 U 121/91, juris
Rn. 17 ff; Staudinger/Bund, § 858 BGB Rn. 33).
2.
Das nicht von
einer Zustimmung des Verfügungsklägers gedeckte Verhalten der
Verfügungsbeklagten - die mit Anwaltsschreiben vom 10.11.2021 umgekehrt sogar
zur unverzüglichen Unterlassung des Überschwenkens des Grundstücks aufgefordert
wurden - stellt damit eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858
Abs. 1 BGB dar.
a.
Die
Verfügungsbeklagten können sich hinsichtlich des Überschwenkens, das sowohl mit
Last als auch ohne als „Übergreifen von Geräten“ auf das Nachbargrundstück im
Sinne des § 7d NRG BW anzusehen ist, nicht auf das sog. Hammerschlags- und
Leiterrecht gemäß § 7d NRG BW berufen, denn die Verfügungsbeklagten haben
das nach Absatz 2 dieser Vorschrift vorgegebene Verfahren zumindest nicht
vollständig eingehalten. Entgegen der gesetzlichen Vorgaben haben sie die
Absicht, das Nachbargrundstück benutzen zu wollen, unstreitig nicht zwei Wochen
vor Beginn der Benutzung angezeigt.
Selbst wenn die
Verfügungsbeklagten unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 7d
Abs. 2 NRG BW dem Verfügungskläger die beabsichtigte Inanspruchnahme
rechtzeitig angezeigt hätten, so wären die Verfügungsbeklagten - wenn der
Verfügungskläger dem widersprochen oder auf die Anzeige auch überhaupt nicht
geantwortet hätte - nicht berechtigt gewesen, das vermeintliche Recht gegenüber
dem Verfügungskläger eigenmächtig im Wege der Selbsthilfe durchzusetzen.
Vielmehr muss der Nachbar in einer solchen Situation notfalls Duldungsklage
erheben und darf das Nachbargrundstück dann erst auf Grund einer gerichtlichen
Entscheidung in Anspruch nehmen (BGH, Urteil vom 14.12.2012 - V ZR 49/12, juris
Rn. 15 zur inhaltsgleichen Regelung des § 16 NachbG NRW; OLG Hamm,
Beschluss vom 13.10.2011 - 5 W 48/11, juris Rn. 13 f; OLG München, Urteil vom
15.10.2020 - 8 U 5531/20, juris Rn. 18; Grüneberg/Herrler, 81. Aufl., § 858
BGB Rn. 6).
b)
Auf einen
Notstand i.S.v. § 904 BGB berufen sich die Verfügungsbeklagten nicht - ein
solcher ist auch nicht ersichtlich.
II.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Eines
Ausspruches zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil das
vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der
einstweiligen Verfügung keinem Rechtsmittel mehr unterliegt (§ 542
Abs. 2 S. 1 ZPO) und ohne besonderen Ausspruch endgültig
vollstreckbar ist.
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