Ein Foto aus einer Foto-Plattform (Fotolia) wurde von der Antragsgegnerin auf einer Internetseite verwandt, ohne dass der Urheber des Fotos benannt wurde. Der Antragsteller verlangte im Rahmen eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der Antragsgegnerin zu untersagen, dass von ihm hergestellte Lichtbild ohne Urhebervermerk öffentlich zugänglich zu machen; vor der Antragstellung hatte die Antragsgegnerin (Anmerkung: Sie wurde wohl zuvor von dem Antraggegner qualifiziert abgemahnt) einen Urhebervermerk auf der Internetseite angebracht. Das Landgericht wies den Antrag zurück. Gegen die Zurückweisung legte der Antragsteller Beschwerde ein. Diese wurde vom OLG Köln zurückgewiesen.
Im Verfügungsverfahren ist zwischen dem Verfügungsanspruch und dem Verfügungsgrund zu unterscheiden. Der Verfügungsanspruch setzt die materielle Rechtsverletzung voraus. Diesen bejahte das OLG und wies darauf hin, dass der Verfügungsanspruch aus $$ 97 Abs. 1, 13, 15, 19a, 72 UrhG vorliegen dürfte, da die Antragsgegnerin den Eindruck erweckt habe, das Lichtbild stamme von ihr.
Allerdings würde es nach Annahme des OLG an dem Verfügungsgrund ermangeln. Ein solcher liegt nach §§ 935, 940 ZPO vor, wenn die objektiv begründete Besorgnis besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann. Die Dringlichkeit ist auch davon abhängig, wenn der Betroffene von der Rechtsverletzung Kenntnis erlangte und tätig wurde.
Vorliegend habe der Antragsteller zwar durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass er erst 16.07.2020 von der Rechtsverletzung erfahren habe. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ging am 14.08.2020 bei Gericht ein. Daraus ergäbe sich, dass der Antragsteller sein Recht iSv. §§ 935, 940 ZPO nachdrücklich betreibe. Allerdings habe die Antragsgegnerin nachträglich am 30.07.2020 einen Urhebervermerk aufgenommen. Es läge damit (zum Zeitpunkt der Antragstellung) keine aktuelle Rechtsverletzung vor. Allerdings führe (wie z.B. der BGH in seinem Beschluss vom 03.04.2014 - I ZB 42/11 - feststellte) die Bloße Einstellung oder Beendigung eines Verstoßes nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr. Eine bereits begangene Verletzungshandlung indiziere die Wiederholungsgefahr.
Nach Ansicht des OLG ergäbe sich bei Unterlassungsansprüchen die Dringlichkeit als Voraussetzung für des Verfügungsgrundes nicht schon aus Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr, weshalb im Rahmen des Verfügungsgrundes die rein tatsächliche Beendigung der Verletzungslage der Verfügungsgrund entfallen könne und dem Betroffenen nur das Hauptsacheverfahren verbleibe. Dies gelte jedenfalls für das Urheberrecht. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG würde hier nicht greifen (nach dem die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO nicht dargelegt und glaubhaft gemacht werden müssen). Hier sei die Dringlichkeit auch dahingehend darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der Weg ins Hauptsacheverfahren unzumutbar sei (OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.10.2018 – 3 W 1982/18 -). Bei einer fortbestehenden Rechtsverletzung würde sich zwar die Dringlichkeit in der Regel aus der Lage des Falles selbst ergeben; vorliegend habe die Rechtsverletzung aber nicht mehr angedauert, weshalb der Antragsteller näher hätte vortragen müssen, weshalb die Sache für ihn noch dringlich gewesen sei. Die theoretische Wiederholungsgefahr genüge hier nicht. Die zeitliche Komponente, ob zeitnah eine Wiederholung drohe, sei für den Verfügungsgrund relevant. Füge die Antragsgegner nach der Abmahnung den Urhebervermerk ein, bestünde zwar auch weiterhin die Gefahr einer Wiederholung der Rechtsverletzung, was allerdings nicht ausreichend wäre für die Annahme, dass auch konkret in unmittelbarer zeitlicher Nähe dies erfolge und deshalb ein Hauptsacheverfahren nicht durchgeführt werden könne. Für eine Wiederholung in zeitlicher Nähe bestünde auch keine Vermutung.
Der Antragsteller sei auch nicht schutzlos der Willkür des Verletztes ausgesetzt. Sollte die Antragsgegnerin vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens den Urhebervermerk wieder löschen und damit die Rechtsverletzung wiederholen, wäre eine zeitnahe Wiederholung offensichtlich und der Verfügungsgrund (Anmerkung: Für eine neue einstweilige Verfügung) gegeben.
Anmerkung: Eine bisher in der Regel stets angenommene Dringlichkeitsvermutung im Hinblick auf die Wiederholungsgefahr kann nach dieser Entscheidung so nicht mehr bestehen bleiben. Da die Regelung des § 12 Abs. 1 UWG im Urheberrecht nicht greift, hat das OLG Köln zutreffend auf die Umstände des Falls abgestellt und diese verneint, wenn der Verletzter (auch wenn er keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat) die Rechtswidrigkeit beseitigt.
OLG Köln, Beschluss vom 12.04.2021
- I-6 W 98/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die sofortige
Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 14. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 18. November 2015 - 14 O 304/20 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des
Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Gründe
I.
Die
Antragsgegnerin hat das vom Antragsteller hergestellte und auf der Plattform
Fotolia angebotene Lichtbild "XY-Trainer ..." auf der im Antrag
wiedergegebenen Internetseite verwendet und öffentlich zugänglich gemacht. Den
Urheber hat sie dabei nicht benannt.
Der
Antragsteller hat beantragt,
der
Antragsgegnerin bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu untersagen,
ohne Zustimmung
des Antragstellers das von ihm hergestellte Lichtbild mit dem Namen
"XY-Trainer ..." wie in Abbildung 1 und Anlage K1 abgebildet über das
Internet ohne Urhebervermerk öffentlich zugänglich zu machen, wenn dies
geschieht wie im Internetauftritt unter der Internetadresse
http://www.XY...
in Verbindung
mit dem Vermerk im Internet "Soweit die Inhalte auf dieser Seite nicht vom
Betreiber erstellt wurden, werden die Urheberrechte beachtet. Insbesondere
werden Inhalte Dritter als solche gekennzeichnet." geschehen.
Das Landgericht
hat mit Beschluss vom 9.10.2020 - 14 O 304/20 - in der Fassung des
Nichtabhilfebeschlusses vom 22.3.2021, auf den wegen der weiteren tatsächlichen
Feststellungen Bezug genommen wird, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung zurückgewiesen.
Das Landgericht
hat dies damit begründet, dass es sich bei der Verwendung auf der Internetseite
der Antragsgegnerin um eine nicht redaktionelle Nutzung handele. Nur bei einer
redaktionellen Nutzung sei nach den Nutzungsbedingungen von Fotolia eine
Urhebernennung vorgesehen. Vorliegend handele es sich um eine gewerbliche
Nutzung, nämlich eine solche zur Bewerbung von kostenpflichtigen
Ausbildungsangeboten. Der Antragsteller habe insoweit durch das Hochladen
seines Lichtbildes die Nutzungsbedingungen von Fotolia angenommen und auf die
Urhebernennung verzichtet. Da es sich um einen eingeschränkten Verzicht
handele, sei ein solcher auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig.
Soweit auf der Internetseite ein Copyright-Vermerk der Antragsgegnerin
vorhanden sei, beziehe sich dieser auf den Internetauftritt bzw. die
streitgegenständliche Seite der Antragsgegnerin und deren Inhalt. Aus dem
Impressum ergebe sich auch, dass die Antragsgegnerin zwischen eigenen und
fremden Inhalten unterscheide, weil dort von der Zustimmung des jeweiligen
Autors bzw. Erstellers die Rede sei.
Gegen den
zurückweisenden Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23.10.2020
und nochmals vom 2.3.2021 sofortige Beschwerde eingelegt. Er rügt, dass die
Versagung der einstweiligen Verfügung durch das Landgericht Köln auf der
unvollständigen Darstellung und Verkennung des Sachverhalts beruhe und gegen
ganz grundlegende Prinzipien des Urheberrechts verstieße. Im Schriftsatz vom
15.3.2021 hat er weiter zu der besonderen Konstellation des Falles vorgetragen,
in welchem der Verwender sich selbst zur Angabe des Urhebers verpflichtet habe.
Im Übrigen sei die Trennung zwischen redaktioneller Verwendung und gewerblicher
Verwendung kaum möglich, weil es auch redaktionelle Beiträge gäbe, die
Werbezwecken dienten. Bei der vorliegenden Seite handele es sich gerade um
redaktionelle Werbung wie verschiedene Indizien wie die Verwendung von
Begriffen wie Autor, Glossar, Artikel u.a. belegten.
II.
Die zulässige
sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Antragsteller dürfte
zwar ein Verfügungsanspruch zustehen aus §§ 97 Abs. 1, 13, 15, 19a,
72 UrhG, weil die Antragsgegnerin den Eindruck erweckt hat, dass alle nicht
gesondert gekennzeichneten Inhalte auf der streitgegenständlichen Internetseite
der Antragsgegnerin - wie das Lichtbild des Antragstellers - aus ihrem Hause
stammten und ihr zuzuordnen seien. Es fehlt jedoch an einem Verfügungsgrund.
Ein
Verfügungsgrund gem. §§ 935, 940 ZPO besteht in der (objektiv begründeten)
Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands
die
Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert
werden könnte (G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. § 935 Rn. 10
m.w.N.). Es ist durch eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom
14.8.2020 glaubhaft gemacht, dass er erst am 16.7.2020 Kenntnis von der Nutzung
des streitgegenständlichen Lichtbildes auf der im Antrag und Tenor
wiedergegebenen Internetseite erhalten hat. Der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung ist am 14.8.2020 beim Landgericht eingegangen. Daraus
ergibt sich, dass der Antragsteller die Verfolgung seiner Rechte nachdrücklich
betrieben hat.
Die
Antragsgegnerin hat jedoch am 30.7.2020, also vor Beantragung der einstweiligen
Verfügung, wie durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht und
letztlich unstreitig gestellt, nachträglich einen auf den Antragsteller
lautenden Urhebervermerk am streitgegenständlichen Lichtbild einfügen lassen.
Eine aktuelle Rechtsverletzung des Antragstellers liegt derzeit nicht vor. Zwar
führt materiell-rechtlich die bloße Einstellung oder Beendigung eines Verstoßes
nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr. Die bereits begangene
Verletzungshandlung indiziert die Wiederholungsgefahr; insoweit besteht eine
tatsächliche Vermutung (vgl. nur BGH GRUR 2014, 706 - Reichweite des
Unterlassungsgebots - juris Rn.12). Bei Unterlassungsansprüchen ergibt sich die
"Dringlichkeit" als Voraussetzung des Verfügungsgrundes jedoch nicht
schon aus der materiell-rechtlichen Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr
(vgl. G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. § 935 Rn. 10). Im Rahmen
des Verfügungsgrundes kann die rein tatsächliche Beendigung der Verletzungslage
dazu führen, dass der Verfügungsgrund entfällt und dem Verletzten nur das
Hauptsacheverfahren bleibt (vgl. Specht in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl.
§ 97 Rn. 114; Köhler in: KBF, UWG, 39. Aufl. § 12 Rn. 2.18 für
zeitbedingte Verstöße; ebenso: Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung
in Wettbewerbssachen, 4. Aufl. Kap. B III Rn. 139 m.w.N.).
Dies gilt
jedenfalls für das Urheberrecht. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12
Abs. 1 UWG greift hier nicht. Der Antragsteller hat vielmehr darzutun und
ggfls. glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO
vorliegen und der Weg ins Hauptsacheverfahren unzumutbar ist (vgl. OLG
Nürnberg, GRUR-RR 2019, 64; OLG München BeckRS 2008, 42109). Bei einer
fortbestehenden Rechtsverletzung wird sich die Dringlichkeit zwar auch ohne Vermutung
des § 12 Abs. 1 UWG in der Regel aus der Lage des Falles selbst
ergeben (vgl. Senat BeckRS 2016, 09601; OLG München BeckRS 2008, 42109; GRUR
2007, 184; Senat WRP 2014, 1085). Im vorliegenden Fall dauert die
Rechtsverletzung jedoch nicht mehr an, sodass es Sache des Antragstellers
gewesen wäre, näher vorzutragen, weshalb die Sache für ihn noch dringlich ist.
Allein dass die
Wiederholungsgefahr weiter besteht, genügt nicht. Denn zur Bejahung der
Wiederholungsgefahr bedarf es keiner zeitlichen Komponente. Für die
Wiederholungsgefahr ist der Zeitpunkt einer etwaigen weiteren Rechtsverletzung
irrelevant (vgl. Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in
Wettbewerbssachen, 4. Aufl. Kap. B III Rn. 139). Für die Frage des
Verfügungsgrundes hingegen ist die zeitliche Komponente, also ob zeitnah eine
Wiederholung droht, von entscheidender Bedeutung. Wenn die Antragsgegnerin nach
der Abmahnung den Urhebervermerk nachträglich einfügen lässt, besteht aufgrund
der vorangegangenen Verletzungshandlung zwar grundsätzlich weiter die Vermutung
zukünftiger Rechtsverletzungen, also die Wiederholungsgefahr. Dafür jedoch,
dass eine zukünftige Rechtsverletzung durch die Antragsgegnerin nicht nur als
solche wahrscheinlich, sondern auch konkret in unmittelbar zeitlicher Nähe stattfinden
wird, sodass ein Hauptsacheverfahren nicht durchgeführt werden könnte, sind
keine Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen. Für die zeitliche Nähe einer
weiteren Rechtsverletzung besteht, anders als für die Wiederholungsgefahr, auch
keine tatsächliche Vermutung. Insoweit wäre es Sache des Antragstellers gewesen
näher darzutun, weshalb es ihm, obwohl die Rechtsverletzung bereits eingestellt
worden ist, dennoch unzumutbar ist, im Hauptsacheverfahren eine abschließende
Klärung herbeizuführen. Soweit er auf den Hinweis des Amtsgerichts vom
21.8.2020 im Schriftsatz vom 7.9.2020 nähere Ausführungen macht, beziehen sich
diese im Wesentlichen auf das Fortbestehen der materiell-rechtlichen
Wiederholungsgefahr trotz rein tatsächlicher Aufgabe der Verletzungshandlung,
wobei er von einem Gleichlauf von Wiederholungsgefahr und Verfügungsgrund
ausgeht mit Ausnahme der zögerlichen Verfolgung durch den Verletzten selbst. Da
ein solcher Gleichlauf bei zeitbedingten Verstößen (etwa anlässlich von
Jubiläen) und bei Aufgabe einer Verletzungshandlung ausscheiden kann, hätte es
weiteren Vortrags zur Dringlichkeit bedurft.
Der
Antragsteller ist auch nicht schutzlos dem Willen oder der Willkür des
Verletzers ausgesetzt. Sollte die Antragsgegnerin den Urhebervermerk vor Abschluss
eines Hauptsacheverfahrens tatsächlich wieder entfernen und dadurch die
Rechtsverletzung wiederholen, wäre damit eine zeitnahe Wiederholung der
Rechtsverletzung offensichtlich und dann ein Verfügungsgrund unproblematisch
gegeben.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wert für das
Beschwerdeverfahren: 6.000 EUR
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