Mittwoch, 6. Juli 2022

Ladung zur Eigentümerversammlung bei verwalterloser Wohnungseigentümergemeinschaft durch einen Miteigentümer

Die Wohnungseigentümergemeinschaft war verwalterlos. Der Antragsgegner zu 1. lud zu einer Eigentümerversammlung in die Wohnung der Antragsgegnerin zu 2. ein. Vom Antragsgegner wurde bei Amtsgericht der Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der den übrigen drei Eigentümern die Durchführung der Eigentümerversammlung untersagt werden sollte. Dem Gab das Amtsgericht statt. Im darauf folgendem Widerspruchsverfahren erklärten die Parteien übereinstimmend die Hauptsache für erledigt. Das Amtsgericht musste daher nur nach gem. § 91a ZPO über die Kosten entscheiden und erlegte diese dem Antragsteller mit der Begründung auf, die Antragsgegner seien nicht passivlegitimiert gewesen (mithin: der Antrag hätte sich nicht gegen diese richten dürfen).

Die gegen die Entscheidung vom Antragsteller eingelegte zulässige sofortige Beschwerde wurde vom Berufungsgericht zurückgewiesen.

Nah § 91a ZPO ist bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung nach billigem Ermessen nach bisherigen Sach- und Streitstand über die Kosten zu entscheiden. Dabei, so das Landgericht zutreffend, sei lediglich eine summarische Prüfung vorzunehmen, bei der das Gericht in einer rechtlich schwierigen Sache  nur wegen der Verteilung der Kosten bedeutsame Rechtsfragen zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 28.10.2008 - VIII ZB 28/08 -). Danach sei die Entscheidung des Amtsgerichts ermessensfehlerfrei.

Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums obliege nicht den Wohnungseigentümern, sondern (nach des Gesetzesänderung) nur noch der Wohnungseigentümergemeinschaft, § 18 Abs. 1 WEG. Damit sei auch der Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung (§ 18 Abs. 2 WEG) gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft zu richten. Mithin obläge es der Wohnungseigentümergemeinschaft (die aktiv du passiv Prozessführungsbefugt ist)  die erforderlichen Maßnahmen für eine ordnungsgemäße Verwaltung zu ergreifen, wozu auch die Durchführung der Eigentümerversammlung gehöre (LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.11.2021 - 2-13 T 69/21 -).

Daraus folge, dass Ansprüche auf Durchführung oder Unterlassung von Eigentümerversammlungen nicht mehr zwischen den beteiligten Eigentümern oder (wenn bestellt) Verwalter oder dem Verwaltungsbeirat auszutragen seien. Andernfalls würden Organe einer Gemeinschaft oder (bei Beteiligung der Eigentümer) sogar nur Organmitglieder über interne Rechte und Pflichten streiten. Ein Innerorganstreit sei aber gesellschaftsrechtlich unzulässig (BGH, Urteil vom 28.11.1988 - II ZR 57/88 -), was nach der neuen Struktur des WEG-Rechts auf die WEG zu übertragen sei. Hier habe der Antragsteller Rechte des Verbandes geltend gemacht; nach dem neuen WEG-Recht könnten Eigentümer gegen den zulässig Einladenden keine rechtlichen Ansprüche (selbst) geltend machen.  

Der Anspruch gegen den Einladenden hätte mithin von der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden müssen. Da der Gemeinschaft Ersatzansprüche gegen ihre Organe zustünden, wenn diese Pflichtwidrigkeiten begehen und sie nach § 31 BGB für deren Pflichtverletzung haften würden, wäre es ein Wertungswiderspruch, den Verband mangels Klagebefugnis zu zwingen, Pflichtverletzungen ihrer Organe tatenlos hinzunehmen um sodann Schadensersatzansprüche geltend zu machen oder für diese einzustehen. Mithin könnten durch den Verwalter (§ 9b Abs. 1 WEG) oder dem Verwaltungsbeirat Ansprüche auf Durchführung oder Unterlassung von Eigentümerversammlungen durchgesetzt werden. Erfolgt hier keine Klage, könne der einzelne Eigentümer (auch ggf. im Rahmen einer einstweiligen Verfügung) gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft vorgehen und diese anhalten, die Ansprüche geltend zu machen. Ein Klagerecht des einzelnen Eigentümers bestünde auch nicht im Wege der actio pro societate.

Vorliegend handelte es sich um eine verwalterlose Wohnungseigentümergemeinschaft. In diesem Fall könnten im Falle der Kompetenzüberschreitung eines Eigentümers die verbliebenen Eigentümer die Wohnungseigentümergemeinschaft vertreten und so für diese den Anspruch geltend machen (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.07.2021 - 2-13 S 5/21 -). Ob vorliegend der Antragsteller die Wohnungseigentümergemeinschaft hätte vertreten können, müsse nicht geprüft werden, da der Antragsteller ausdrücklich den Antrag im eigenen Namen und nicht für die Wohnungseigentümergemeinschaft gestellt habe.

Das Landgericht resümiert, dass die gesetzlich in § 9b Abs. 1 S. 2 WEG angeordnete Gesamtvertretung bei der verwalterlosen WEG zu Koordinierungsproblemen führen könne. Damit könne eine Verhinderung der fehlerhaft einberufenen Versammlung im Vorfeld praktisch unmöglich werden. Damit würde aber kein Rechtsverlust einhergehen, da die Möglichkeit bestünde, auf der Versammlung gefasste Beschlüsse anzufechten und ggf. im Rahmen der einstweiligen Verfügung einstweilen aussetzen zu lassen. Ausdrücklich weist das Berufungsgericht darauf hin, dass entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht, es nicht der Annahme ist, dass gefasste Beschlüsse auf dieser fehlerhaft geladenen Eigentümerversammlung rechtlich wirkungslose Nichtbeschlüsse seien (so auch bereits LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.04.2021 - 2-13 S 87/20 -).

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.02.2022 - 2-13 T 85/21 -


Aus den Gründen

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des AG Bad Hersfeld vom 5.11.2021 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien bilden eine verwalterlose WEG. Der Antragsgegner zu 1) lud die übrigen Eigentümer zu einer Eigentümerversammlung in die Wohnung der Antragsgegnerin zu 2) ein. Die Antragstellerin hat - soweit für das Beschwerdeverfahren noch von Interesse – mit der einstweiligen Verfügung u.a. begehrt, den übrigen drei Eigentümern als Antragsgegner die Durchführung der Eigentümerversammlung zu untersagen. Nachdem das Amtsgericht zunächst eine entsprechende einstweilige Verfügung erlassen hat, haben die Parteien im Widerspruchsverfahren den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Amtsgericht hat, soweit für die Beschwerde relevant, die Kosten des Rechtsstreits der Antragstellerin auferlegt, weil eine Passivlegitimation der Antragsgegner nicht bestanden habe. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 91a Abs. 2, 569 ZPO statthaft und zulässig. Sie hat keinen Erfolg.

In Folge der übereinstimmenden Erledigungserklärung (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO) war nur noch über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Grundlage der Entscheidung ist lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht grundsätzlich davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten bedeutsame Rechtsfragen zu entscheiden (vgl. nur BGH NJW-RR 2009, 422).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich die Entscheidung des Amtsgerichts als ermessensfehlerfrei.

Der Antrag konnte in der Sache keinen Erfolg haben. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt gemäß § 18 Abs. 1 WEG nicht mehr - wie früher - den Wohnungseigentümern, sondern nur noch der Wohnungseigentümergemeinschaft, weshalb der Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung in § 18 Abs. 2 WEG auch nur gegenüber dem Verband begründet wird. Damit ist es auch lediglich Aufgabe der Wohnungseigentümergemeinschaft die zu einer derartigen Verwaltung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, wozu auch die Durchführung von Eigentümerversammlungen gehört (Kammer WuM 2022, 65).

Hieraus folgt allerdings nach Auffassung der Kammer auch, dass Ansprüche auf Durchführung oder Unterlassung einer Eigentümerversammlung nicht mehr zwischen den beteiligten Eigentümern oder – wenn ein solcher bestellt ist – Verwalter (Kammer WuM 2022, 65) oder dem Verwaltungsbeirat zu führen ist. Denn ein derartiger Prozess würde darauf hinauslaufen, dass die Organe einer Gemeinschaft, bzw. im Falle der Eigentümer sogar nur Organmitglieder (der Eigentümerversammlung) über interne Pflichten und Rechte streiten. Ein derartiger Innerorganstreit ist jedoch in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten unzulässig (vgl. nur BGHZ 106, 54 = NJW 1989, 979). Dies ist auf die neue Struktur des WEG-Rechts zu übertragen (vgl. etwa AG Wiesbaden ZWE 2022, 98; ähnl. AG Mainz ZMR 2021, 1020; Skauradszun in SEHR WEG-Reform 2020 § 1 Rn. 96; Dötsch/Schultzky/Zschieschack WEG-Recht 2021 § 3 Rn. 54; BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann, 61. Ed. 1.2.2022, WEG § 44 Rn. 56; aA AG Tettnag ZWE 2021, 419 dagegen Schultzky MietRB 2022, 55). Individualansprüche zwischen den Organen der WEG sind dem neuen WEG-Recht, dass sich insoweit durch klare und eindeutige Rechtsbeziehungen auszeichnet, in dessen Mittelpunkt nunmehr der Verband steht (instruktiv Lehmann-Richter/Wobst, WEG Reform 2020, Rn. 32 ff.), fremd. Auch in der Sache besteht hierfür kein Bedürfnis, da mit derartigen Klagen keine originären eigenen Rechte geltend gemacht werden, sondern letztlich solche des Verbandes, die dieser allerdings selbst (dazu sogleich) geltend machen kann.

Ein Anspruch eines Eigentümers gegen den Einladenden im Falle einer unzulässigen Einladung kann daher nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden.

Ein Rechtsverlust ist damit nicht verbunden, denn ein Rechtsschutz wird damit nicht unmöglich gemacht. Möglich bleibt – auch im Gesellschaftsrecht (dazu näher Koch MhdbGesR VII § 30 Rn. 94) – eine Klage des Verbandes gegen das vermeintlich rechtswidrig handelnde Organ. Da die Rechtsmäßigkeitskontrolle für Verwaltungsmaßnahmen (nur) der WEG zukommt, kann diese einen Anspruch auf eine Verwaltungshandlung oder dessen Unterlassen gegen ihre Organe geltend machen (AG Ludwigshafen Urteil vom 04.06.2021 – 2p C 37/21; Elzer ZMR 2021, 953; BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann, 61. Ed. 1.2.2022, WEG § 44 Rn. 57; zweifelnd aber Dötsch IMR 2021, 169). Einer klageweisen Geltendmachung steht die Organeigenschaft nicht entgegen. Da der Gemeinschaft unzweifelhaft Ersatzansprüche gegen ihre Organe zustehen, wenn diese Pflichtwidrigkeiten begehen und sie nach § 31 BGB für deren Pflichtverletzung haften, wäre es aus Sicht der Kammer ein nicht hinzunehmender Wertungswiderspruch, den Verband – mangels Klagebefugnis – zu zwingen, Pflichtverletzungen ihrer Organe tatenlos hinzunehmen, um sodann Schadensersatzansprüche aus der Vertragsverletzung geltend zu machen oder für diese einstehen zu müssen (Elzer ZMR 2021, 953 (954); BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann, 61. Ed. 1.2.2022, WEG § 44 Rn. 57). Demzufolge kann die WEG, vertreten durch den Verwalter (§ 9b Abs. 1 WEG) oder den Beirat im Falle der Inanspruchnahme des Verwalters (§ 9b Abs. 2 WEG) derartige Ansprüche, wozu auch Ansprüche auf Durchführung oder Unterlassung einer Eigentümerversammlung gehören, durchsetzen. Erfolgt eine derartige Klage nicht, kann ein einzelner Eigentümer ggf. im Rahmen des Anspruchs auf ordnungsmäßige Verwaltung – auch mit einer einstweiligen Verfügung – gegen die Gemeinschaft vorgehen und diese anhalten, die Ansprüche geltend zu machen (Schultzky MietRB 2022, 54). Eine eigene Klagebefugnis – etwa im Wege der actio pro societate – besteht auch dann nicht.

In der verwalterlosen Gemeinschaft bedeutet dies, dass im Falle der Kompetenzüberschreitung durch einen Eigentümer, die verbliebenen Eigentümer die Gemeinschaft vertreten und so den Anspruch geltend machen können (dazu Kammer ZWE 2021, 467 mwN).

Ob im vorliegenden Fall der Antragsteller die WEG hätte vertreten können und den Unterlassungsanspruch gegen alle Antragsgegner hätte geltend machen können, bedarf keiner Entscheidung, da ausdrücklich im eigenen Namen geklagt wurde. Damit konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Zutreffend ist, dass die Geltendmachung der Ansprüche bei verwalterlosen Gemeinschaften angesichts der gesetzlich angeordneten Gesamtvertretung (§ 9b Abs. 1 S. 2 WEG) in der Praxis zu erheblichen Koordinierungsproblemen führt, dies ist aber ein – in der WEG-Reform angelegtes - Problem, was sich in allen Vertretungsfällen stellt (näher dazu Zschieschack ZMR 2021, 367) und nicht zu prozessualen Sonderstellungen der Eigentümer zwingt. Selbst wenn damit in manchen Fällen eine Untersagung einer fehlerhaft einberufenen Versammlung im Vorfeld praktisch nicht möglich ist, geht hiermit allerdings kein endgültiger Rechtsverlust einher, da die Anfechtungsmöglichkeit für die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse bleibt, ggf. könnte der Vollzug der Beschlüsse im Wege einstweiligen Rechtsschutzes ausgesetzt werden (noch weiter Lehmann-Richter ZWE 2021, 419 wonach auf einer von einem Unzuständigen einberufene Versammlung lediglich rechtlich wirkungslose „Nichtbeschlüsse“ hervorgebracht werden können; aA Kammer ZWE 2021, 418; Schultzky MietRB 2022, 54 mwN).

Nach alledem war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Eine Möglichkeit die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, da in Verfahren nach § 91a ZPO die Rechtsbeschwerde nicht zur Klärung von materiellen Fragen zugelassen werden darf, zumal es sich um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelt (§ 574 Abs. 1 S. 2 ZPO).


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