Mit einer E-Mail sandte der Verfügungskläger über seinem Rechtsanwalt dem Verfügungsbeklagten (beide Internetverand-händler) ein Abmahnschreiben. In der Mail wurde um Beachtung des im Anhang befindlichen Dokuments gebeten, welches „zur Entlastung der angespannten Infrastruktur im Versandwesen nur auf elektronischen Weg zur Verfügung gestellt würde“. Die Mail war mit den Kontaktdaten des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers versehen, in der Betreffzeile stand „Unser Zeichen: A ./. B 67/20-EU“. Zwei PDF-Dateien waren beigefügt, die eine mit der Bezeichnung „20…EZ12984.pdf“ und die andere mit der Bezeichnung „Unterlassung.pdf“, wobei letztere den Entwurf für eine strafbewehrte Unterlassungserklärung enthielt. Nachdem der Verfügungsbeklagte nicht reagierte, sandte der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers mit der gleichen Betreffzeile eine neue Mail, in der er lediglich schrieb: „Zur Erfüllung diesseitiger Ansprüche setzen wir eine Nachfrist bis zum 03.04.2020.“
Das Landgericht erließ die dann vom Verfügungskläger beantragte einstweilige Verfügung. Nach Zustellung derselben gab der Verfügungsbeklagte eine Abschlusserklärung (mit der er den letztlich anerkannte), behielt sich aber einen Kostenwiderspruch vor. Er legte gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch, beschränkt auf die Kostenentscheidung ein und behauptete, er habe von beiden Mails keine Kenntnis erlangt, könne aber nicht ausschließen, dass diese im Spam-Ordner gelandet wären (was er nicht prüfen könne, da er diesen alle zehn Tage lösche). Das Landgericht erlegte ihm die Kosten auf. Dagegen wandte sich der Verfügungsbeklagte erfolgreich mit seiner sofortigen Beschwerde.
Das Beschwerdegericht vertrat die Ansicht, der Verfügungsbeklagte habe dem Verfügungskläger keine Veranlassung zur Klage gegeben, weshalb der Verfügungskläger in analoger Anwendung des § 93 ZPO die Kosten zu tragen habe. Es könne dem Verfügungsbeklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe auf die Anmahnung nicht reagiert.
Es könne dahinstehen, ob die Mails überhaupt bei dem Verfügungsbeklagten (ggf. im Spam-Ordner) zugegangen seien. Ein Zugang eine als Dateianhang zu einer Mail gesandtes Abmahnschreiben sei erst zugegangen, wenn der Empfänger den Dateianhang auch wirklich geöffnet habe. Da allgemein im Hinblick auf Virenrisiken gewarnt würde, Anhänge von E-Mails unbekannter Absender zu öffnen, könne von dem Empfänger nicht dessen Öffnung verlangt werden. Der Verfügungsbeklagte habe durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass er von beiden E-Mails des ihm zuvor nicht bekannten Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers keine Kenntnis erlangt und deshalb auch nicht geöffnet habe.
Anmerkung: Selbst wenn mithin vorliegend der Verfügungsbeklagte von beiden Mails Kenntnis gehabt haben sollte, hätte er die Kosten nicht zu tragen, da der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers ihm unbekannt war und er damit nicht hätte einschätzen können, ob sich nicht bei Öffnung des Anhangs Viren auf seinem PC ausbreiten.
OLG Hamm, Beschluss vom
09.03.2022 - 4 W 119/20 -