Über die Antragstellerin (AS) wurde in den sozialen Medien seit ihrer Teilnahme an einer TV-Show berichtet, seit 2016 auf einer bestimmten Internetseite verschiedene, meist negative Berichte veröffentlicht. Nach Mutmaßung der AS wird die Internetseite von dem Antragsgegner (AG) betrieben. Die AS plante am 01.09.2020 die Veröffentlichung eines Buches. Im Vorfeld dazu schrieb der AG am 28.08.2020 den Verlag an und kündigte diesem für den Fall der Veröffentlichung Konsequenzen an. Darauf beendete der Verlag noch im August 2020 die Zusammenarbeit mit der AS; das Buch ist bisher nicht erschienen. In der Mail des AG an den Verlag hieß es, es sei nicht wahr dass ein B… D…. nicht ernstgenommen worden sei und die Polizei ihr (der AS) immer wieder sagen würde, es gäbe keinen Handlungsbedarf, es sei auch nicht wahr, dass die AAS von ihr bekannten Personen verfolgt, beleidigt und bedroht würde, vielmehr beschimpfe die AS ihn (den AG) mit faschistischen Äußerungen in den sozialen Medien mit Termine wie „Lügenpresse“ und habe gegen einen Moderator Morddrohungen geäußert. Auf Facebook teilte der AG mit, selbst ein Buch geschrieben zu haben.
Die AS behauptete, sie habe von den den Streitgegenstand des Verfügungsverfahrens bildendenden Ankündigungen des AG seit dem 13.04.2021 Kenntnis, da eine Teilnehmerin der Facebook-Gruppe ihr diese habe zukommen lassen.
Am 21.05.2021 beantragte die AS bei dem LG Frankfurt (Oder) den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der sie dem AG untersagen lassen wollte, insgesamt 5 Äußerungen zu verbreiten und ferner den AG untersagen lassen wollte, sich auf der Internetseite über sie zu äußern. Das LG wies den Antrag ab, da ein Teil der beanstandeten Äußerungen Meinungsäußerungen darstellen würden und noch nicht die Grenze der unzulässigen Schmähkritik erreicht hätten, i Übrigen es sich zwar um eine Tatsachenbehauptung handele, hier aber - da die Behauptung bereits 2020 aufgestellt worden sei - der Verfügungsgrund fehle.
Die zulässige Beschwerde der AS gegen den den Erlass der einstweiligen Verfügung ablehnenden Beschluss des LG wurde vom OLG zurückgewiesen.
Für eine einstweilige Verfügung sei eine Eildürftigkeit / Dringlichkeit erforderlich. Für drei der beanstandeten Äußerungen könne dies nicht angenommen werden. Damit würde es an einem Verfügungsgrund fehlen. Diese Äußerungen seien im August 2020 getätigt worden, mithin ca. neun Monate vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Eine für die Dringlichkeit sprechende Vermutung sei damit durch das Verhalten der AS widerlegt, da sie mit der Rechtsverfolgung zu lange zugewartet habe (BGH, Beschluss vom 01.07.1999 - IZB 7/99 -). Voraussetzung für die erforderliche Dringlichkeit sei, dass die objektiv begründete Gefahr bestünde, dass durch eine Veränderung des Status quo eine Rechtsverwirklichung der AS in einem möglichen Hauptsachverfahren vereitelt oder erschwert würde und die einstweilige Verfügung zur Abwendung einer Gefährdung der Gläubigerinteressen zur vorläufigen Sicherung im Eilverfahren dringlich geboten sei. Das lange Zuwarten manifestiere, dass die AS selbst die Angelegenheit nicht für eilbedürftig halte (KG, Urteil vom 09.02.2001 - 5 U 9667/00 -; OLG Hamburg, Beschluss vom 20.03.2008 – 7 W 19/08 -). Es könne auf sich beruhen, ob entsprechend der Rechtsprechung zu Wettbewerbssachen eine Frist von einem Monat zwischen Verstoß und Antragstellung erforderlich sei (so auch teilweise angenommen für Verfügungen nach §§ 935, 940 ZPO) oder bei Anträgen (wie hier) nach §§ 935, 940 ZPO sechs bis acht Wochen der Dringlichkeit nicht entgegenstehen, könne auf sich beruhen, da die AS zeitnah von den Mails des AG vom 28.08.2020 Kenntnis erlangt habe, da sonst ihr Buch zum 01.09.2020 wie beabsichtigt erschienen wäre.
Gründe, die gegen die Annahme der fehlenden Dringlichkeit sprechen könnten (wie Verhandlungen der Parteien über die Verbreitung der Äußerungen mit der begründeten Hoffnung, dass damit der drohenden bzw. behaupteten Rechtsgutverletzung abgeholfen werden könne, OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2018 - 3 W 2064/18 -), wären von der AS vorzutragen und glaubhaft zu machen gewesen, was nicht erfolgt sei.
Die Dringlichkeit habe auch nicht dadurch wideraufleben können, dass der AG die ihm übersandte Unterlassungserklärung, in der die beanstandeten Behauptungen aufgenommen worden seien, auf der streitgegenständlichen Internetseite veröffentlicht habe. Es habe sich damit nur die seit August 2020 bestehende konkrete Gefahr der jederzeitigen Wiederholung verwirklicht. Es hätten sich hier auch nicht Umstände geändert, da der Text der gleiche gewesen sei, weshalb die AS auch nicht schwerer als 2020 betroffen gewesen sei (im Gegenteil, in 2020 habe dies die Veröffentlichung des Buches verhindert).
Soweit darüber hinaus der Antrag wegen Meinungsfreiheit abgewiesen worden sei, sei dies auch nicht zu beanstanden. Die Meinungsäußerung unterscheide sich von einer Tatsachenbehauptung dadurch, dass die subjektive Beziehung zwischen Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund stünde, hingegen für die Tatsachenbehauptung die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch sei. Ein Tatsachenbehauptung sei einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich, was bei Meinungsäußerungen nicht der Falls sei, die durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sei und sich von daher nicht als wahr oder unwahr erweisen könne. Für die Ermittlung des Aussagegehalts sei auf den allgemeinen Sprachgebrauch im betreffenden Kontext zurückzugreifen.
Enthalte eine Äußerung sowohl Tatsachenbehauptungen wie auch Meinungsäußerungen/Werturteile, sei ein Herausgreifen einzelner Elemente unzulässig. Entscheidend sei, ob die Tatsachenbehauptung so substanzarm ist, dass die Äußerung insgesamt durch die Elemente der Stellungnahm, des Dafürhaltens und Meinens geprägt sei. Bei Zweifel sei insgesamt von einer Meinungsäußerung auszugehen, wobei Wahrheit oder Unwahrheit dann im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der schutzwürdigen Belange vorzunehmen sei (BGH, Urteil vom 17.11.2009 – VI ZR 226/08 -).
Die Meinungsäußerung sei durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet, unabhängig davon, ob sie wertlos oder wertvoll, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational sei. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen würden darunter fallen. Nur dann, wenn nicht die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Herabsetzung einer Person im Vordergrund stünde, würde die als Schmähung anzusehende Äußerung hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurücktreten.
Für den Antrag, dem AG zu untersagen, sich überhaupt auf der Internetseite über sie zu äußern, sei kein Raum. Es könne ihm nicht untersagt werden, sich in öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen im Rahmen der rechtlichen Grenzen (wie aufgezeigt) wertend über die AS (auch der Internetseite) zu äußern.
Brandenburgisches OLG,
Beschluss vom 19.07.2021 - 1 W 23/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die
sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts
Frankfurt (Oder) vom 26. Mai 2021, Az. 13 O 115/21, wird zurückgewiesen.
2. Die
Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die
Antragstellerin nimmt den Antragsgegner auf Unterlassung vermeintlich
ehrenverletzender Äußerungen in Anspruch.
Seitdem die
Antragstellerin im Jahr 2015 an einer TV-Show mit dem Titel „…“ teilgenommen
hatte, wird in den sozialen Medien über sie berichtet. Im Internet wird unter
anderem seit 2016 die Seite www. … .com betrieben, auf der verschiedene -
zumeist negativ berichtende - Artikel über die Antragstellerin veröffentlicht
werden. Die Antragstellerin vermutet, der Antragsgegner betreibe diese Seite.
Die
Antragstellerin plante am 1. September 2020 ein von ihr verfasstes Buch mit dem
Titel „…“ beim Verlag … GmbH zu veröffentlichen. Im Vorfeld dieser
Veröffentlichungen schrieb der Antragsgegner am 28. August 2020 den Verlag an
und kündigte Konsequenzen für den Fall der Veröffentlichung des Buches an.
Daraufhin beendete der Verlag noch im August 2020 die Zusammenarbeit mit der Antragstellerin,
das Buch ist bisher nicht erschienen. In der entsprechenden E-Mail an den
Verlag heißt es unter anderem:
„Es ist nicht
wahr, dass die benannte Person B… D… von der Justiz nicht ernstgenommen wurde
und die Polizei immer wieder zu ihr sagen soll, es gäbe keinen Handlungsbedarf“
„es ist nicht
wahr, dass ihre Autorin von ihr bekannten Personen verfolgt, beleidigt und
bedroht wurde“
„Nachweislich
beschimpft mich ihre Autorin mit faschistischen Äußerungen in den sozialen
Medien mit Begriffen wie „Lügenpresse“. Zudem äußert sie gegen einen Moderator
Morddrohungen.“
Zudem kündigte
der Antragsgegner auf Facebook unter dem Titel „…“ an, selbst ein Buch
geschrieben zu haben. Die Antragstellerin behauptet, sie habe von diesen
Ankündigungen am 13. April 2021 Kenntnis erlangt. Eine Teilnehmerin der
entsprechenden Facebook-Gruppe habe ihr diese zukommen lassen und mitgeteilt,
dass der Antragsgegner der Verfasser sei. In diesen Ankündigungen befinden sich
die folgenden Textpassagen:
„Hier erzähle
ich über meine Arbeit als Journalist und wie ich von einer TV-Teilnehmerin seit
6 Jahren bedroht, gejagt und gedemütigt werde“,
„In meinem Buch
kommen Menschen zu Wort, die das angebliche Opfer kannten. Studioinhaber, die
von Steinwürfen nichts wussten. Polizisten, denen ein Überfall bis zurück ins
Jahr 2001 nicht bekannt war. Versicherungen, die keinen Autovandalismus
registrierten und Nachbarn, die keine Täter vor dem Haus gesehen haben wollen.
Ein Buch über einen Menschen, der sich selbst zu wichtig nimmt.“
Die Antragstellerin
hat am 21. Mai 2021 bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) den Erlass einer
einstweiligen Verfügung beantragt, mit dem sie dem Antragsgegner untersagen
lassen wollte, die genannten fünf Äußerungen zu verbreiten. Zudem wollte sie
dem Antragsgegner insgesamt untersagen lassen, sich auf der genannten
Internetseite über sie zu äußern. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat mit
Beschluss vom 26. Mai 2021 den Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt.
Die Kammer ist davon ausgegangen, dass es sich bei den streitgegenständlichen
Äußerung zu a) aa), a) bb) sowie b) aa) und b) bb) um Meinungsäußerungen
handle, die unter den Schutz der freien Meinungsäußerung fallen, weil die
Grenze zur unzulässigen Schmähkritik nicht erreicht sei. Hinsichtlich der Äußerung
zu a) cc) handle es sich zwar um eine Tatsachenbehauptung. Insoweit fehle es
jedoch an einem Verfügungsgrund, weil diese Behauptung bereits in 2020
aufgestellt worden sei.
Dagegen richtet
sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der das Landgericht nicht
abgeholfen und dem Senat zu Entscheidung vorgelegt hat.
II.
Die zulässige,
insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete sofortige
Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das
Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Hinsichtlich der mit den Anträgen zu a) geltend gemachten Ansprüche fehlt es
jedenfalls an einem Verfügungsgrund. Ob der Antragstellerin insoweit ein
Verfügungsanspruch zukommt, bedarf deshalb keiner Entscheidung. Hinsichtlich
der mit den Anträgen zu b) und c) geltend gemachten Ansprüche fehlt es an einem
Verfügungsanspruch.
1.)
Die
Antragstellerin kann dem Antragsgegner die in den Anträgen zu a) genannten
Äußerungen nicht im Wege der einstweiligen Verfügung untersagen lassen.
Insoweit fehlt es an dem für den Erlass einer Untersagungsverfügung
erforderlichen Verfügungsgrund.
Die für den
Rechtsschutz einer einstweiligen Verfügung erforderliche Eilbedürftigkeit bzw.
Dringlichkeit kann hinsichtlich der ersten drei Äußerungen nicht festgestellt
werden, weil der Antragsgegner diese Äußerungen bereits im August 2020 getätigt
hatte, somit etwa neun Monate, bevor der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung gestellt wurde. Die zugunsten der Antragstellerin bestehende
Vermutung der Dringlichkeit ist insoweit durch ihr eigenes Verhalten widerlegt
und insbesondere dadurch entfallen, dass diese mit der Rechtsverfolgung zu
lange gewartet hat (BGH, Beschluss vom 01. Juli 1999 – I ZB 7/99 –, juris).
Denn eine einstweilige Verfügung setzt voraus, dass die objektiv begründete
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des Status quo die Rechtsverwirklichung
der Antragstellerin in einem möglichen Hauptsacheverfahren vereitelt oder
erschwert werden könnte, sie ist nur dann zu erlassen, wenn sie zur Abwendung
einer Gefährdung des Gläubigerinteresses zur vorläufigen Sicherung im
Eilverfahren dringlich geboten und notwendig ist. Als besondere Form des
Rechtschutzinteresses und damit als Prozessvoraussetzung ist das Vorliegen
eines Verfügungsgrundes von Amts wegen zu prüfen, wobei es der Antragstellerin
obliegt, das Vorliegen des Verfügungsgrundes mit den Beweismitteln des
§ 294 ZPO hinreichend glaubhaft zu machen.
Es entspricht
einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass ein Verfügungsgrund dann nicht besteht,
wenn eine Antragstellerin trotz ursprünglich bestehenden Sicherungsbedürfnisses
zu lange zugewartet hat, bevor sie die einstweilige Verfügung beantragt, weil
sie durch ihre Untätigkeit manifestiert, dass sie die Angelegenheit nicht für
eilbedürftig hält (KG, Urteil vom 09.02.2001 - 5 U 9667/00 OLG Hamburg,
Beschluss vom 20. 03.2008 - 7 W 19/08 Rn. 8 jeweils juris; Zöller-G.
Vollkommer, ZPO, 33. Aufl. 2018, § 935 Rn. 10, § 940 Rn 4). Ob auf
Unterlassungsverfügungen der vorliegenden Art die von einem Teil der
Rechtsprechung im Wettbewerbsrecht für die Annahme einer solchen
Selbstwiderlegung zugrunde gelegte Monatsfrist zwischen Kenntnis vom Verstoß
und Antragstellung (Hanseatisches OLG, Beschluss vom 12.02.2007 - 5 U 189/06 -
juris Beschluss vom 07.02.2007 - 5 U 140/06 - juris) auch bei einstweiligen
Verfügungen nach §§ 935, 940 ZPO zu Grunde zu legen ist (OLG Nürnberg,
Beschluss vom 13.11.2018 - 3 W 2064/18 – juris KG, Beschluss vom 02.11.2015 -
10 W 35/15 - juris), oder ob in diesen Fällen aufgrund einer Gesamtwürdigung
aller Umstände noch Fristen von 6 bis 8 Wochen dringlichkeitsunschädlich sein
können (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.08.2010 - 4 U 106/10 - juris Beschluss
vom 25.02.2009 - 4 U 204/08 - juris Hanseatisches OLG, Urteil vom 21.03.2019 -
3 U 105/18 - juris), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn es
entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine Dringlichkeit der
Rechtsverfolgung nach Ablauf mehrerer Wochen nach Kenntnisnahme von der
Rechtsverletzung nicht mehr gegeben ist, da die Betroffene durch ihre
Untätigkeit manifestiert, dass sie die Angelegenheit nicht für eilbedürftig
hält. Im vorliegenden Fall muss die Antragstellerin nach ihrem eigenen
Sachvortrag von den Emails des Antragsgegners vom 28. August 2020 - somit neun
Monate vor Antragstellung - zeitnah Kenntnis erlangt haben, sonst wäre ihr Buch
- wie geplant - zum 1. September 2020 erschienen. Sie hat auch nicht geltend
gemacht, dass sie von diesem Schreiben erst sehr viel später Kenntnis erlangt
hat. Das monatelange Zuwarten der Antragstellerin zeigt, dass sie seinerzeit
der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen keine besondere Dringlichkeit
beigemessen hat.
Die
Antragstellerin hat auch keine Umstände vorgetragen und glaubhaft gemacht, aus
denen sich eine so wesentliche Verlängerung der Frist, aufgrund derer von einer
dringlichkeitsschädigenden Selbstwiderlegung auszugehen ist, ergeben könnte.
Insbesondere ist nicht dargetan, dass etwa Verhandlungen der Parteien über die
Verbreitung der Äußerungen stattgefunden haben, aus denen sich die begründete
Hoffnung ergeben konnte, dass der drohenden oder behaupteten Rechtsverletzung
abgeholfen wird (OLG Schleswig, Beschluss vom 07.10.2014 - 5 W 37/14 - juris
OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2018 - 3 W 2064/18 - juris). Vielmehr besteht
der Zustand der gegenseitigen Kommentare und Vorwürfe bereits seit mehreren
Jahren, seit 2016 existiert auch die streitgegenständliche Internetseite.
Insoweit ist nicht ersichtlich, ob es in der Wartezeit überhaupt
Kontaktaufnahmen der Antragstellerin zu dem Antragsgegner in Bezug auf die
gegenständlichen Äußerungen gab und ob ihr dieser überhaupt geantwortet hat.
Eine
Dringlichkeit konnte auch nicht dadurch wieder „aufleben“, dass der
Antragsgegner die ihm vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin
übersandte Unterlassungserklärung auf der streitgegenständlichen Internetseite
veröffentlicht und die Äußerungen damit wiederholt hat. Durch diese
Veröffentlichung realisierte sich nämlich die bereits seit August 2020
bestehende konkrete Gefahr der jederzeitigen Wiederholung, deren Beseitigung
die Antragstellerin während des Ablaufs von mehr als neun Monaten nicht für
dringlich erachtet hatte.
Etwas anderes
könnte allenfalls dann gelten, wenn sich in der Zwischenzeit wesentliche
Umstände geändert hätten oder wenn sich die jetzt veröffentlichten Äußerungen
von den ursprünglichen zu Lasten der Antragstellerin wesentlich unterschieden.
Die neuen Veröffentlichungen entsprechen jedoch denen aus 2020 und belasten die
Antragstellerin nicht schwerer als in 2020. Es ist eher das Gegenteil der Fall,
denn die früheren Äußerungen haben seinerzeit das Erscheinen des Buches der
Antragstellerin verhindert und ihr damit geschadet, eine Veröffentlichung ihres
Buches in einem Buchverlag steht aktuell nicht unmittelbar bevor.
2.)
Die
Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner auch keinen Anspruch auf
Unterlassung der mit dem Antrag b) beanstandeten Äußerungen entsprechend
§ 1004 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 823
Abs. 1 BGB. Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung
zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei den maßgeblichen Äußerungen
nicht um dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptungen, sondern um
Meinungsäußerungen, die als solche zulässig sind und die Grenze der
Formalbeleidigung oder Schmähkritik nicht erreichen.
Meinungsäußerungen
und Tatsachenbehauptungen unterscheiden sich darin, dass bei Meinungsäußerungen
die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im
Vordergrund steht, wohingegen für Tatsachenbehauptungen die objektive Beziehung
des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist. Für die Einstufung
als Tatsachenbehauptung kommt es wesentlich darauf an, ob die Aussage einer
Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist,
was bei Meinungsäußerungen ausscheidet, weil sie durch das Element der
Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht
als wahr oder unwahr erweisen lassen. Für die dafür vorzunehmende Ermittlung
des Aussagegehalts einer Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie unter
Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen
Durchschnittsrezipienten verstanden wird. Dazu muss die Äußerung vom Wortlaut
ausgehend in dem Zusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist; sie
darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten
Betrachtung zugeführt werden (zum Ganzen: BGH, NJW 2009, 1872, 1873; 2006, 830,
836; 2005, 279, 280 f.; Palandt/Sprau, a. a. O., § 824, Rn. 3; jeweils m.
w. N.). Bei alledem sind fernliegende Deutungen ebenso auszuscheiden wie nicht
tragfähige Annahmen einer verdeckten Äußerung (statt vieler: BVerfG, NJW 2008,
1654, 1655, m. w. N.); andererseits behält auch eine Behauptung in „verdeckter
Gestalt“ als Verdachtsäußerung, Vermutung oder Möglichkeit ihren Charakter als
Tatsachenbehauptung, wenn der Äußernde das Mitgeteilte als wahr suggeriert und
dem Zuhörer als Schlussfolgerung nahelegt (BGH, NJW 2006, 601, 602 f.; 2004,
598, 599; Senat, Urteil vom 05.03.2012, 1 U 8/11; Urteil vom 12.06.2002, 1 U
6/02; Palandt/ Sprau, a. a. O., § 824, Rn. 5).
Bei
Mischtatbeständen, d. h. bei Äußerungen, die sowohl Tatsachenbehauptungen als
auch Elemente der Meinungsäußerung oder Werturteils enthalten, ist ein
Herausgreifen einzelner Elemente nicht zulässig; für die vorzunehmende
Abgrenzung ist vielmehr entscheidend, ob der Tatsachengehalt so substanzarm
ist, dass die Äußerung insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des
Dafürhaltens und des Meinens geprägt ist, oder ob die Äußerung überwiegend
durch den Bericht tatsächlicher Vorgänge ihre Prägung erfährt und beim Adressaten
als Darstellung in die Wertung eingekleideter Vorgänge, die als solche einer
Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind, verstanden wird
(BVerfG, NJW 1983, 1415, 1416; BGH, NJW 2010, 760, 762; 2006, 830, 836;
Palandt/Sprau, a. a. O., § 824, Rn. 4); in Zweifelsfällen, in denen eine
Trennung des wertenden vom tatsächlichen Gehalt den Sinn der Äußerung aufheben
oder verfälschen würde, ist insgesamt von einer Meinungsäußerung auszugehen,
wobei die Wahrheit oder Unwahrheit des Tatsachenkerns dann im Rahmen der
vorzunehmenden Abwägung der schutzwürdigen Belange der streitenden Parteien zu
berücksichtigen ist (BGH, NJW 2010, 760, 762; 2009, 915, 916; Palandt/Sprau, a.
a. O.).
Nach diesen
Grundsätzen ergibt sich für die streitgegenständlichen Äußerungen das eingangs
genannte Ergebnis. Unter Würdigung der Umstände zielt die erste Äußerung des
Antragsgegners nicht auf die Beschreibung eines tatsächlichen, konkret
fassbaren Handelns der Antragstellerin im Zusammenhang mit der gegenseitigen
Berichterstattung über den jeweils anderen. Unter den Begriffen „bedroht,
gejagt und gedemütigt“ kann ein objektiver Erklärungsadressat keine
tatsächlichen, dem Beweis zugänglichen Vorgänge erkennen. Vielmehr wertet der
Antragsgegner damit die Gesamtheit des Verhaltens der Antragstellerin, somit
ihre öffentlichen Auftritte und Äußerungen und beschreibt die (negative)
Wirkung, die er diesen beimisst. Entsprechendes gilt auch für die zweite
Äußerung, die im Hinblick auf die Antragstellerin lediglich die Aussage enthält,
dass diese ein „angebliches Opfer“ ist und „sich selbst zu wichtig nimmt“. Auch
diese beide Äußerungen stellen keinen dem Beweis zugänglichen Sachverhalt dar,
sondern sind vom Meinen, Werten und Dafürhalten geprägt. Konkrete - unwahre -
Tatsachen werden damit nicht beschrieben, somit auch nicht behauptet.
Das Landgericht
hat die genannten Äußerungen auch zutreffend nicht als Diffamierung oder
Schmähkritik gewertet. Insoweit sind die streitgegenständlichen Äußerungen des
Antragsgegners vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt.
Art. 5
Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung
frei zu äußern und zu verbreiten. Dabei genießen Meinungen den Schutz des
Grundrechts, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos,
richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational ist. Auch
scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen grundsätzlich in den Schutzbereich
des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Erst wenn bei einer Äußerung nicht
mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person
im Vordergrund steht, hat eine solche Äußerung als Schmähung regelmäßig hinter
dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten. Gleiches gilt für
Formalbeleidigungen und Anprangerungen. Wegen seines die Meinungsfreiheit
verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik allerdings eng
auszulegen. Danach macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine
Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr,
dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern
die Diffamierung im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und
überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen bzw. gleichsam an den Pranger
stellen soll (BGH, NJW 2009, S. 1872). Wertungen können demnach nur dann
rechtswidrig sein, wenn die Aussage entweder die Intim- oder Privatsphäre oder
eine andere besonders geschützte Sphäre betrifft oder wenn der betreffenden
Person ein besonderer Schaden droht, der außer Verhältnis zur Verbreitung der
Wahrheit steht.
Bei der
Beurteilung, ob die Grenze zum Schmähkritik erreicht wird, muss insbesondere
berücksichtigt werden, in welchem Kontext die Äußerung gefallen ist und ob sie
für den Empfänger in den Rahmen einer sachthemenbezogenen Auseinandersetzung
eingeordnet werden kann. Bei Äußerungen im Rahmen der öffentlichen medialen
Auseinandersetzung muss beachtet werden, dass allein die bloße
„Unangemessenheit“ oder „Unnötigkeit“ für ein Verbot nicht ausreichend sein
kann. Rechtsschutz gegenüber solchen Äußerungen kann vielmehr nur gegeben sein,
wenn die Unhaltbarkeit der Äußerung auf der Hand liegt oder sich ihre
Mitteilung als missbräuchlich darstellt (vgl. BVerfG NJW 2013, 3021). Im
vorliegenden Fall ordnen sich die streitgegenständlichen Meinungen in eine
offenbar seit Jahren bestehende Situation wechselseitiger öffentlicher
Auseinandersetzungen ein, an dem - jedenfalls nach öffentlichen Angaben der
Antragstellerin - auch andere „Täter“ beteiligt sind (krimineller Täterkreis).
Die Gegenseitigkeit dieser Situation ergibt sich auch aus dem Umstand, dass
nach dem Beschwerdevorbringen auch die Antragstellerin bereits (offenbar
erfolgreich) auf Unterlassung in Anspruch genommen wurde, wobei sie darauf
verzichtet, zu der genannten Entscheidung des Landgerichts Hannover vom 28.
April 2021 näher vorzutragen und die Beiziehung der Verfahrensakte im Verfahren
auf einstweiligen Rechtsschutz auch nicht geboten ist. In dieser Konstellation
der gegenseitigen öffentlich erhobenen „Angriffe“ und Vorwürfe muss das
Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin hinter dem Recht auf freie
Meinungsäußerung des Antragsgegners zurückstehen und sie muss die angegriffenen
Äußerungen, die weder ihre Privatsphäre betreffen noch erkennbare Auswirkungen
auf ihr berufliches Fortkommen haben, hinnehmen. Das berechtigte Interesse
besteht gerade darin, sich im öffentlichen Kampf der unterschiedlichen Meinung
frei äußern zu können und seine Meinungen verbreiten zu dürfen und schützt
schließlich auch die Antragstellerin, insbesondere auch als Buchautorin.
3.)
Für den mit dem
Antrag zu c) geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin, dem Antragsgegner
untersagen zu lassen, sich überhaupt auf der genannten Internetseite über sie
zu äußern, ist nach den unter 2.) dargestellten Erwägungen keine
Rechtsgrundlage ersichtlich. Es kann dem Antragsgegner nicht untersagt werden,
sich in der öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung - im Rahmen der
rechtlichen Grenzen - wertend über die Antragstellerin zu äußern. Dass er sich
dabei der genannten Internetseite bedient, die offenbar öffentlich ist, kann
ihm ebenfalls nicht untersagt werden. Dass es der Antragsgegner war, der diese
Seite eröffnet hat er und sie weiter betreibt sowie rechtlich dafür
verantwortlich ist, beliebt im vorliegenden Verfahren eine nicht näher belegte
Vermutung.
III.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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