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Samstag, 8. Juni 2024

Problem: Zugangsnachweis für E-Mails

In dem zu entscheidenden Rechtstreit war für den Erfolg der Klage erforderlich, dass zwischen den Parteien ein von der Klägerin behaupteter Vertrag abgeschlossen war. Für den bestrittenen Vertragsabschluss war die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet. U.a. stützte sie sich auf die Grundsätze zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben und behauptete, der Beklagtenseite eine Mail zur Bestätigung des mündlich besprochenen Vertrages gesandt zu haben, der nicht widersprochen worden sei. Die Klage wurde abgewiesen. Mit seinem Hinweisbeschluss gem. § 522 ZPO teilte das Berufungsgericht mit, dass es beabsichtige, die Berufung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Die Beklagtenseite hatte den Zugang einer entsprechenden Mail bestritten. Das Berufungsgericht negierte Beweiserleichterungen für die Klägern mittels der Annahme eines Anscheinsbeweises und wies darauf hin, dass „taugliche Beweismittel“ nicht vorlägen.

Selbst wenn feststeht, dass eine E-Mail abgesandt wurde (wie im vorliegenden Fall) schloss das Berufungsgericht bei einer einfachen, insbesondere ohne Empfangs- oder Lesebestätigung übermittelten E-Mail die Anwendung des Anscheinsbeweises aus. Es entspräche der (insbesondere) obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur nahezu einhelliger Auffassung, dass eine entsprechende Mail alleine deshalb, da die Absendung feststehen würde und eine Nichtzustellbarkeitsbescheinigung dem Absender nicht zugegangen sei, kein Anscheinsbeweis für den Zugang streite (z.B.  OLG Hamm, Beschluss vom 10.08.2023 – I-26 W 13/23 -). Selbst wenn der Zugang unter den benannten Umständen die Regele darstellen würde, sei dies aber „jedenfalls  unter den gegenwärtigen technischen Bedingungen (noch) nicht in einem Maße typisch“, dass dies die prima-facie-Beweiserleichterung rechtfertige.

Dem von der Klägerin gestellten Beweisantrag für den Zugang auf Vorlage/Offenlegung der gesamten elektronischen Posteingänge der Beklagten im fraglichen Zeitraum sei nicht nachzugehen gewesen. Auch in der „analogen Welt“ könne ein bestrittener Zugang nicht dadurch bewiesen werden, dass die Briefkästen oder sogar Wohn- und Geschäftsräume des angeblichen Empfängers umfassend auf den fraglichen Brief durchsucht würden und er Prozessgegner (angeblicher Empfänger) dies zu dulden, gar etwas dabei mitzuwirken habe. Entsprechendes gelte hier: Der Beweis des Zugangs könne der Mail könne nicht dadurch erbracht werden, dass der angebliche Empfänger selbst seinen E-Mail-Account mit dem virtuellem Posteingangskorb und ggf. weiteren Ablageordnern (wie „Gelöschte Elemente“ o.ä.) zu Beweiszwecken zur Verfügung stellen müsse, wobei auf sich beruhen könne, ob für den Beklagte eine steuer- oder handelsrechtliche Aufbewahrungspflicht bestanden habe.

Anmerkung: Die Entscheidung verdeutlicht, dass zwar die elektronische Korrespondenz im Hinblick auf Schnelligkeit und Leichtigkeit einen Vorzug gegenüber dem früher üblichen Briefverkehr hat, allerdings im Hinblick auf die Nachweisführung eines Zugangs ähnliche Schwierigkeiten bietet, wie der Briefverkehr als solcher, es sei denn, der Absender des Briefes wählt die Form des Einschreiben-Rückscheins oder Einwurf-Einschreibens. Während das Einschreiben-Rückschein evtl. nicht abgenommen oder abgefordert wird, bietet das Einwurf-Einschreiben eine Möglichkeit, den Zugang eines Schreibens im Wege des Anscheinsbeweises gleichwohl zu belegen, wenn der Absender den Einlieferungsbeleg zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs vorlegt (vgl. auch BGH, Urteil vom 27.09.2016 - II ZR 299/15 -; LAG Nürnberg, Urteil vom 15.06.2023 – 5 Sa 1/23 -).

OLG Rostock, Hinweisbeschluss vom 03.04.2024 - 7 U 2/24 -

Dienstag, 9. Januar 2024

Beweis für den Zugang eines Einwurf-Einschreibens

Immer wieder stellt sich die Frage, wie ein Schreiben einem Dritten zugestellt werden kann, dass der Zugang bei Bestreiten des Erhalts nachgewiesen werden kann. Im vorliegend vom Rechtstreit vor dem LAG Nürnberg wurde eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (Beklagter) ausgesprochen worden. Vertraglich war eine vierteljährliche Kündigungsfrist zum Quartalsende vereinbart gewesen. Mit einem Einwurf-Einschreiben vom 28.09.2021, welches nach dem Zustellungsnachweis der Deutschen Post AG am 30.09.2023 in den Briefkasten der Klägerin geworfen worden sein soll, kündigte der Beklagte zum 31.12.2023. Die Klägerin wandte sich mit der Klage gegen die Kündigung insoweit, als sie die Feststellung begehrte, dass durch die Kündigung das Arbeitsverhältnis erst zum 31.03.2022 aufgelöst worden sei. Das Arbeitsgericht wies die Klage unter Bezugnahme auf ein Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 18.01.2022 – 1 Sa 159/21 mit der Begründung ab, dass bei Übersendung eines Einwurf-Einschreibens und Vorlage des Einlieferungsbelegs sowie unter Reproduktion des ordnungsgemäß unterzeichneten Auslieferungsbelegs ein Nachweis des ersten Anscheins für den Zugang des Schriftstücks beim Empfänger spreche.  Zwar seien fehlerhafte Zustellungen naturgesetzlich nicht auszuschließen, aber nach der Erfahrung so unwahrscheinlich, dass ein Anscheinsbeweis gerechtfertigt sei. Da das Schreiben von einem Bediensteten der Deutschen Post AG eingeworfen worden sei, sei auch davon auszugehen, dass es zu einer Tageszeit eingeworfen wurde, zu der nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs mit einer Entnahme am gleichen Tag aus dem Briefkasten zu rechnen sei.  Das LAG wies die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil zurück, ließ aber die Revision zu, die derzeit bei dem BAG zu 2 AZR 213/23 anhängig ist (Termin dort: 20.06.2024).

Das LAG folgte der Annahme des Arbeitsgerichts, dass durch die Vorlage der genannten Belge der Beweis des ersten Anscheins für den rechtzeitigen Zugang des Schreibens bei der Klägerin spreche (und verwies dabei u.a. auf die Urteil des BGH vom 27.09.2016 - II ZR 299/15 - und des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 12.03.2019 - 2 Sa 130/18 -. Der erste Anschein spreche auch dafür, dass die Zustellung zu den üblichen Postzustellzeiten erfolgte, da die Zustellung durch einen Mitarbeiter der Deutschen Post AG und nicht durch einen anderen Versanddienstleister oder -boten erfolgt sei; es könne davon ausgegangen werden,  dass der Mitarbeiter die Zustellungen im Rahmen seiner zugewiesenen Arbeitszeiten vornehme; nach der allgemeinen Verkehrsanschauung sei damit zu rechnen, dass bei Hausbriefkästen eine Leerung unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten erfolge (BAG, Urteil vom 22.03.2012 - 2 AZR 224/11 -). Damit würde der Klägerin obliegen, einen Sachverhalt aufzuzeigen, demzufolge das Kündigungsschreiben außerhalb der gewöhnlichen Postzustellzeiten in ihren Briefkasten gelangt sei. Anhaltspunkte für einen späteren Zugang lägen nicht vor, weshalb nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB der Zugang am 30.09.2021 anzunehmen sei und die vertraglich vereinbaret Kündigungsfrist mithin eingehalten worden sei.

Anmerkung: Vorliegend ging es nicht um die Frage, ob das Kündigungsschreiben überhaupt zugegangen ist, sondern ob das vom Mitarbeiter der Deutschen Post AG angegebene Datum stimmte bzw. der Einwurf tatsächlich in den Briefkasten der Klägerin erfolgte. Zweifelhaft halte ich die Annahme eines Beweises des ersten Anscheins. Der Unterzeichner erlebt häufig fehlerhafte Zustellungen, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. So finden sich immer wieder (mindestens einmal in zwei Wochen) Schreiben im Kanzleibriefkasten, die nicht nur an eine Dritten adressiert sind, der im gleichen Haus tätig ist, sondern auch gänzlich andere Anschriften benennen. Privat wird in meinen Briefkasten ständig, im rechnerischen Schnitt 1,5 mal die Woche, die Post einer anderen Mitbewohnerin geworfen, wie auch meine Post bei ihr eingeworfen wird, was dazu führt, dass wir insoweit jeweils mit einer Verzögerung von mindestens einen Tag die Post empfangen (bei Eingabe auf Google „Fehlzustellungen der Post“ kann man sehr viele Beschwerden, die sogar Ortsgemeinden zum Tätigwerden veranlassten, finden). Auch was die Richtigkeit von Angaben der Mitarbeiter der Deutschen Post AG anbelangt, kann nicht nur im Hinblick auf die Fehleinwürfe nicht gefolgt werden. So hatte ich den letzten Monaten zwei Zustellungen im Büro, bei denen vermerkt war, dass niemand angetroffen worden sei und deshalb der Einwurf in den Briefkasten erfolge – obwohl das Büro von Montag bis Freitag ab spätestens sieben Uhr bis nach 18.00 Uhr besetzt ist und diese Zustellungen zwischen Montag und Freitag erfolgten. Beschwerden bei der Post der der Bundesnetzagentur als zuständig Aufsichtsbehörde bewirken, wie ich feststellte, nichts. Gleichwohl rate ich dringend an, bei festgestellten Fehlzustellungen (Sie bekommen ihre Post vom Nachbarn, bei dem der Einwurf erfolgte, oder Sie erhalten die Post Dritter pp.) dies sowohl gegenüber der Post als auch der Bundesnetzagentur zu monieren. Kommt es häufig bei Ihnen zu Fehlzustellungen, können sie damit möglicherweise den Anscheinsbeweis, der hier vom LAG angenommen wird, entkräften, unabhängig davon, dass ich der Annahme bin, dass der Anscheinsbeweis im Hinblick auf die Zunahme der Fehlleitungen nicht mehr greifen kann.

LAG Nürnberg, Urteil vom 15.06.2023 - 5 Sa 1/23 -

Donnerstag, 16. Juni 2022

Abmahnung per Anhang zur E-Mail und dessen Zugang

Mit einer E-Mail sandte der Verfügungskläger über seinem Rechtsanwalt dem Verfügungsbeklagten (beide Internetverand-händler) ein Abmahnschreiben. In der Mail wurde um Beachtung des im Anhang befindlichen Dokuments gebeten, welches „zur Entlastung der angespannten Infrastruktur im Versandwesen nur auf elektronischen Weg zur Verfügung gestellt würde“. Die Mail war mit den Kontaktdaten des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers versehen, in der Betreffzeile stand „Unser Zeichen: A ./. B 67/20-EU“. Zwei PDF-Dateien waren beigefügt, die eine mit der Bezeichnung „20…EZ12984.pdf“ und die andere mit der Bezeichnung „Unterlassung.pdf“, wobei letztere den Entwurf für eine strafbewehrte Unterlassungserklärung enthielt.  Nachdem der Verfügungsbeklagte nicht reagierte, sandte der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers mit der gleichen Betreffzeile eine neue Mail, in der er lediglich schrieb: „Zur Erfüllung diesseitiger Ansprüche setzen wir eine Nachfrist bis zum 03.04.2020.“

Das Landgericht erließ die dann vom Verfügungskläger beantragte einstweilige Verfügung. Nach Zustellung derselben gab der Verfügungsbeklagte eine Abschlusserklärung (mit der er den letztlich anerkannte), behielt sich aber einen Kostenwiderspruch vor. Er legte gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch, beschränkt auf die Kostenentscheidung ein und behauptete, er habe von beiden Mails keine Kenntnis erlangt, könne aber nicht ausschließen, dass diese im Spam-Ordner gelandet wären (was er nicht prüfen könne, da er diesen alle zehn Tage lösche). Das Landgericht erlegte ihm die Kosten auf. Dagegen wandte sich der Verfügungsbeklagte erfolgreich mit seiner sofortigen Beschwerde.

Das Beschwerdegericht vertrat die Ansicht, der Verfügungsbeklagte habe dem Verfügungskläger keine Veranlassung zur Klage gegeben, weshalb der Verfügungskläger in analoger Anwendung des § 93 ZPO die Kosten zu tragen habe. Es könne dem Verfügungsbeklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe auf die Anmahnung nicht reagiert.

Es könne dahinstehen, ob die Mails überhaupt bei dem Verfügungsbeklagten (ggf. im Spam-Ordner) zugegangen seien. Ein Zugang eine als Dateianhang zu einer Mail gesandtes Abmahnschreiben sei erst zugegangen, wenn der Empfänger den Dateianhang auch wirklich geöffnet habe. Da allgemein im Hinblick auf Virenrisiken gewarnt würde, Anhänge von E-Mails unbekannter Absender zu öffnen, könne von dem Empfänger nicht dessen Öffnung verlangt werden. Der Verfügungsbeklagte habe durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass er von beiden E-Mails des ihm zuvor nicht bekannten Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers keine Kenntnis erlangt und deshalb auch nicht geöffnet habe.

Anmerkung: Selbst wenn mithin vorliegend der Verfügungsbeklagte von beiden Mails Kenntnis gehabt haben sollte, hätte er die Kosten nicht zu tragen, da der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers ihm unbekannt war und er damit nicht hätte einschätzen können, ob sich nicht bei Öffnung des Anhangs Viren auf seinem PC ausbreiten.

OLG Hamm, Beschluss vom 09.03.2022 - 4 W 119/20 -