Posts mit dem Label betriebsrisiko werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label betriebsrisiko werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 18. März 2024

Löschung negativer Bewertungen im Arbeitgeber-Bewertungsportal

Die Antragstellerin beschäftigte etwa 22 Mitarbeiter und unterhielt in Hamburg ein Ladengeschäft. Von der Antragsgegnerin wurde eine Arbeitgeber-Bewertungsportal betrieben. Bewertungen auf dem Portal können von (auch ehemaligen) Mitarbeitern. Bewerbern und Auszubildenden in verschiedenen Kategorien abgegeben werden.

U.a. wurden Bewertungen im Portal eingestellt, gegen die sich die Antragstellerin mit anwaltlichen Schreiben wandte. Darin hieß es jeweils: „Der genannte Bewerter hat unsere Mandantschaft negativ bewertet, Der Bewerber- und Mitarbeiter-Kontakt wird mit Nichtwissen bestritten, da er nicht zugeordnet werden kann.“ Die Antragsgegnerin forderte eine Substantiierung der unwahren Tatsachenbehauptungen und Rechtsverletzungen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Die dagegen von der Antragstellerin eingelegte sofortige Beschwerde führte zu deren Erlass. Rechtsgrundlage sei § 1004 BGB analog iVm. § 823 Abs. 1 BGB und dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs.1, 18 Abs. 3 GG) auf Unterlassung des weiteren Zugänglichmachens der beanstandeten Bewertung zu. Die Grundsätze würden auch bei einem Internet-Bewertungsportal greifen (BGH, Urteil vom 09.08.2022 - VI ZR 1244/20 -). Die Betreiberin sei mittelbare Störerin und hafte als solche eingeschränkt. Bei Beanstandungen eines Betroffenen die so konkret gefasst seien, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung unschwer bejaht werden könne, sei eine Ermittlung durch den Betreiber erforderlich, unabhängig davon, ob die Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil (aufbauend auf einem Tatsachenurteil) zu qualifizieren sei. Grundsätzlich sei (bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs) die Rüge ausreichend, dass der Bewertung kein tatsächlicher Kontakt zugrunde läge, wobei der Bewertete diese Rüge solange aufrechterhalten dürfe, bis ihm gegenüber der Bewerter soweit individualisiert würde, dass er das Vorliegen geschäftlicher Kontakte überprüfen könne. Das OLG trug damit dem Umstand Rechnung, dass der Bewerter anonym im Portal in Erscheinung tritt und von daher der Bewerte nichts zu Einzelheiten eines möglicherweise tatsächlichen Kontakts sagen kann, da er den Vorgang grundsätzlich nicht ohne Kenntnis des angebliche beteiligten Bewerters identifizieren können muss.

Eine solche Rüge wurde hier von der Antragstellerseite erhoben. Eine weitere Übermittlung von Informationen zu den Inhalten der Bewertungen, habe es von daher nicht bedurft. Da es sich hier überwiegend um Werturteile gehandelt habe, hätte der Antragsgegnerin die Übermittlung von weiteren Informationen durch die Antragstellerin kaum ermöglicht,  alleine aufgrund diese Informationen unschwer einen eventuellen Rechtsverstoß zu erkennen, weshalb die Antragsgegnerin auch in diesem Fall nicht darum herum gekommen wäre zu ermitteln, ob den Bewertungen tatsächliche geschäftliche Kontakte zugrunde gelegen hätten und insoweit Stellungnahmen von den Urhebern der Bewertungen einzuholen.

Die Anzahl mit gleicher Begründung des fehlenden geschäftlichen Kontakts sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass auf einem solchen Portal eine Vielzahl von nicht auf konkreten Kontakten beruhenden Bewertungen eingestellt würden. Auch die Vertretung der Antragstellerin durch eine Kanzlei, die offensiv damit werbe, gegen Festhonorar gegen Einträge in Bewertungsportalen vorzugehen, sei nicht rechtsmissbräuchlich, da das Bestreiten des Vorliegens eines geschäftlichen Kontakts durch die Antragstellerin keinen Rückschluss in jedem einzelnen Fall zuließe, ob das Bestreiten in der Sache begründet sei oder nicht. Der Umfang des Geschäftsbetriebs der Antragsgegnerin könne diese nicht von ihrer Überprüfungsobliegenheit entbinden, die jeden Betreiber eines Bewertungsportals treffe.

Von der Antragsgegnerin seien die Bewerter nicht identifizierbar gemacht worden, weshalb der Antragstellerin eine Prüfung tatsächlicher Kontakte nicht möglich gewesen sei.  Zwar könnten die eingereichten Unterlagen aus dem Geschäftsbereich der Antragstellerin stammen. Doch ließe sich für die Antragstellerin nicht erkennen, wer die betreffenden Mitarbeiter gewesen sein könnten, auf den sie sich beziehen, weshalb nicht überprüfbar sei, ob diese Urkunden wirklich die Urheber der Bewertungen betreffen und ob es sich tatsächlich um Personen handele, die für sie arbeiten oder gearbeitet hatten. Der Portalbetreiber dürfe die Überprüfung des geschäftlichen Kontakts durch den Betroffenen nicht in der Weise verhindern, dass er deren Vorliegen für sich selbst prüft und lediglich dessen positives Ergebnis bestätige. Dies würde eine effektive Verteidigung des Betroffenen verhindern.

Auch im Hinblick auf die (geringe) Anzahl von Mitarbeitern der Antragstellerin (22) ergäbe sich nichts anderes. Eine Kritik könne sich auf konkrete Einzelfälle beziehen die auf ihre tatsächliche Gegebenheiten vom Betroffenen nur geprüft werden könnten, wen die Person des angeblichen Arbeitnehmers bekannt sei oder jedenfalls die konkrete Situation die geschildert wird, bekannt wäre (so die Angabe „Einarbeitung? Fahlanzeige!  Am ersten Tag bekommt man ein paar Dokument(e), die man sich auf eigene Faust aneignen soll(m) und dann wird bitte losgelegt“, „Abmachungen wurden nicht eingehalten“), und sich auch aus allgemein gehaltenen Meinungsäußerungen wie zum Betriebsklima oder Betriebsmitteln (hier z.B. „Vorgesetztenverhalten … Empathie ist ein Fremdwort“, „Software auf Hobby-Niveau“ nicht ziehen ließen.

Auch wenn es für den Arbeitgeber-Bewertungsportal-Betreiber schwierig sein könne, Bewerter zu bewegen, sich zu erkennen zu geben da sie im Gegensatz zu Nutzern, die einmalige Geschäftskontakte wie Hotelbesuch, einen singulären Arztbesuch, oder den Ankauf von Ware bewerten, die Befürchtung hätten, Repressalien des negativ bewerteten Arbeitgebers ausgesetzt zu sein, rechtfertige nicht, dass ein betroffener Arbeitgeber diese öffentliche Kritik hinnehmen müsse, ohne die Möglichkeit zu erhalten, dies zu prüfen und sich dazu zu positionieren.

Aus diesem Grund könne sich auch die Antragsgegnerin nicht darauf berufen, dass sie ohne Zustimmung des Bewerters aus Datenschutzgründen diesen nicht namhaft machen dürfe. Auch wenn § 21 TTDSG in Ansehung des Erfordernisses des Verfahrens nach dessen Absätzen 2 bis 4 diese Konsequenz haben sollte, dürfe das nicht dazu führen, dass eine öffentliche Bewertung zugänglich gehalten werden dürfe, solange dem Bewerteten die Möglichkeit der Prüfung eines geschäftlichen Kontakts genommen ist. Bei der Verbreitung von Äußerungen trage der Verbreiter das Risiko, ob er den Urheber namhaft machen könne. Gesche die Verbreitung (wie hier) im Rahmen eines Geschäftsbetriebs, gehöre dieses Risiko zu den typischen Geschäftsrisiken, die jeden Unternehmer bei seiner Tätigkeit treffe.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 08.02.2024 - 7 W 11/24 -