Der Versicherungsnehmer der beklagten Haftpflichtversicherung brachte seinen E-Roller (nach Typenangabe in dem Urteil kein Tret-Elektroroller, sondern wohl ein dreirädriger Roller mit 45 km/h) zur Inspektion in eine Werkstatt. Ein Monteur entnahm sie dort zum Aufladen. Als dieser bemerkte dass die Batterie stark erhitzte, legte er sie nach Trennung vom Stromnetz zum Abkühlen auf den Boden, wo sie dann explodierte. Der dadurch am Werkstattgebäude entstandene Schaden wurde vom Gebäudeversicherer bei der Beklagten als Versicherer des Rollerhalters geltend gemacht.
Die Klage und die Berufung gegen das klageabweisende Urteil blieben erfolglos, ebenso die vom Berufungsgericht zugelassene Revision. Letztlich handelt es sich um die Frage, wieweit die in § 7 Abs. 1 StVG sanktionierte Betriebsgefahr greift. Das Berufungsgericht hatte entschieden, die Explosion sei nicht bei dem Betrieb (Betrieb iSv. § 7 Abs. 1 StVG) des Elektrorollers eingetreten. Nur wenn man eine Zurechnung zum Betrieb annehmen wollte, wäre die Klage (jedenfalls dem Grunde nach) begründet gewesen.
Der BGH verwies zunächst darauf, dass Voraussetzung der Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG sei, dass „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ Rechtsgüter verletzt oder beschädigt wurden. Die umfassende Haftung dort sein der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges (erlaubt) eine Gefahrenquelle eröffnet würde. Dies sei dann der Fall, wenn das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-) geprägt sei. Es müsse sich allerdings um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr schadlos gehalten werden soll, für die also die Norm erlassen wurde. Dies erfordere einen nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs (BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 319/18 -).
Dass Dritte durch einen Defekt einer Betriebseinrichtung (hier: Batterie) eines Kraftfahrzeuges einen Schaden erleiden, würde zu den speziellen Auswirkungen derjenigen Gefahren zählen, vor denen § 7 Abs. 1 StVG den Verkehr schadlos halten wolle. Gleichgültig sei dabei, ob der Brand unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach der Fahrt eintrete. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG könne nicht auf die Schadensfolgen durch Fahrbetrieb oder seine Nachwirkungen begrenzt werden, da die Norm dann in Fällen nicht greifen würde, in denen unabhängig vom Betriebsvorgang ein technischer Defekt einen Schaden verursache.
Vorliegend war zwar eine Betriebseinrichtung des E-Rollers ursächlich (Batterie), weshalb an sich dem Anspruch der Klägerin stattgegeben werden müssen - wäre da nicht der Ausbau der Batterie gewesen. Es sei von der Klägerin nicht dargelegt worden, dass die Erhitzung und die nachfolgende Explosion in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung iSv. § 7 Abs. 1 StVG gestanden habe; Die Batterie sei zu diesem Zeitpunkt bereits ausgebaut und ohne Verbindung zum Kraftfahrzeug (E-Roller) gewesen. Sie sei also nicht mehr Teil der Betriebseinrichtung gewesen (Anm.: wenn auch nur in Erwartung eines vorübergehenden Ausbaus), ebenso wie bei beabsichtigten Einbau einer Batterie die noch nicht eingebaute Batterie nicht Betriebseinrichtung sei.
Der bloße Ausbau der Batterie führt mithin nach dieser Entscheidung des BGH dazu, dass diese nicht mehr Betriebseinrichtung des E-Rollers war und damit deren zeitlich spätere Explosion nicht mehr dem Betrieb des Fahrzeugs nach § 7 Abs. 1 StrVG zugerechnet werden kann.
BGH, Urteil vom 24.01.2023
- VI ZR 1234/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen den
Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. September 2020
wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszuges trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der klagende
Gebäudeversicherer nimmt die Beklagte als Haftpflichtversicherer aus
übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch.
Ein Versicherungsnehmer
der Beklagten brachte seinen Elektroroller (Kleinkraftrad Marke Freeliner Lyric
A720) zur Inspektion in Werkstatträume, die bei der Klägerin versichert waren.
Dort entnahm ein Mitarbeiter der Werkstatt die Batterie des Elektrorollers und
begann sie aufzuladen. Als der Mitarbeiter bemerkte, dass sich die Batterie
stark erhitzte, trennte er sie vom Stromnetz und legte sie zur Abkühlung auf
den Boden der Werkstatt. Kurz darauf explodierte die Batterie und setzte das
Gebäude in Brand.
Das Landgericht
hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin
zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das
Berufungsgericht hat ausgeführt, die Explosion sei nicht im Sinne von § 7
Abs. 1 StVG bei dem Betrieb des Elektrorollers eingetreten. Der Betrieb
des Fahrzeugs ende regelmäßig dann, wenn es an einen Ort außerhalb des
allgemeinen Verkehrs gebracht worden sei, weshalb sich bei Schädigungen im Zusammenhang
mit Wartungsarbeiten im Regelfall keine Verkehrsgefahren realisierten. Durch
das Verbringen des Rollers in die Werkstatt habe die Gefährdung des allgemeinen
Verkehrs geendet. Die Entnahme der Batterie verdeutliche geradezu sinnfällig,
dass das Fahrzeug außer Betrieb gesetzt gewesen sei. Komme es an einem sich zur
Reparatur in einer Werkstatt befindlichen Fahrzeug zu einem Schaden, ohne dass
dabei eine durch einen vorherigen Betriebsvorgang entstandene Gefahrenlage
fort- bzw. nachwirke, fehle es an dem für eine Haftung aus § 7 Abs. 1
StVG erforderlichen Zusammenhang mit der Fortbewegungs- und Transportfunktion.
Es komme hinzu, dass das in Brand geratene Teil ausgebaut gewesen sei.
Unabhängig
davon habe die Klägerin nicht bewiesen, dass das Schadensereignis dem bei der
Beklagten haftpflichtversicherten Halter des Elektrorollers im Sinne
haftungsbegründender Kausalität zuzurechnen sei. Die Beklagte habe bestritten,
dass der Schaden durch eine fehlerhafte Batterie verursacht worden sei, und die
Möglichkeit einer Schadhaftigkeit des verwendeten Ladegeräts aufgezeigt.
Schließlich scheitere eine Haftung der Beklagten auch an der Ausnahmebestimmung
des § 8 Nr. 1 StVG. Es sei nämlich davon auszugehen, dass das
Fahrzeug bauartbedingt keine höhere Geschwindigkeit als 20 km/h habe erreichen
können.
II.
Die zulässige
Revision der Klägerin ist nicht begründet.
1. Das
Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Batterie nicht
im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG bei dem Betrieb des Elektrorollers
explodierte.
a)
Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten
Rechtsgüter "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" verletzt bzw.
beschädigt worden ist. Dieses Haftungsmerkmal ist entsprechend dem umfassenden
Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7
Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines
Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift
will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen.
Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines
Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug
ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, das heißt, wenn bei der insoweit
gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug
(mit)geprägt worden ist. Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem
Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren
handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos
gehalten werden soll, das heißt, die Schadensfolge muss in den Bereich der
Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die
Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die
Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem
bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des
Kraftfahrzeugs steht (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 2020 - VI ZR 319/18,
VersR 2021, 597 Rn. 7; - VI ZR 374/19, DAR 2021, 87 Rn. 7; - VI ZR 158/19, NJW
2021, 1157 Rn. 7 mAnm Makowsky, JR 2021, 386; jeweils mwN).
b) Zwar
ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts der Umstand, dass sich der
Elektroroller und die Batterie zur Inspektion in einer Werkstatt befanden, für die
Frage der Haftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG unerheblich. Denn dass Dritte
durch den Defekt einer Betriebseinrichtung eines Kraftfahrzeuges an ihren
Rechtsgütern einen Schaden erleiden, gehört zu den spezifischen Auswirkungen
derjenigen Gefahren, für die die Haftungsvorschrift des § 7 StVG den
Verkehr schadlos halten will. Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, ob
der Brand unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach einer Fahrt
eintritt. Wollte man die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG auf Schadensfolgen
begrenzen, die durch den Fahrbetrieb selbst und dessen Nachwirkungen verursacht
worden sind, liefe die Haftung in all den Fällen leer, in denen unabhängig von
einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung
für den Schaden eines Dritten ursächlich geworden ist. Bei der gebotenen
wertenden Betrachtung ist das Schadensgeschehen jedoch auch in diesen Fällen
durch das Kraftfahrzeug selbst und die von ihm ausgehenden Gefahren
entscheidend (mit)geprägt worden. Hierzu reicht es aus, dass der Brand oder
dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer
Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (vgl. die nach Verkündung des
Berufungsurteils ergangenen Senatsurteile vom 20. Oktober 2020 - VI ZR 319/18,
VersR 2021, 597 Rn. 8 [schwer beschädigtes und nicht fahrbereites Fahrzeug in
Lagerhalle]; - VI ZR 374/19, DAR 2021, 87 Rn. 8 ff. [in Werkstattgebäude zur
Reparatur aufgebockter LKW]; - VI ZR 158/19, NJW 2021, 1157 Rn. 13 ff. [zur
TÜV-Untersuchung in Werkstattgebäude abgestellter LKW]).
c)
Allerdings ist nicht festgestellt - und die Revision zeigt dazu auch keinen
übergangenen Vortrag auf -, dass die Erhitzung und die nachfolgende Explosion
der Batterie bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung in einem nahen
örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung im Sinne
von § 7 Abs. 1 StVG standen. Denn zu diesem Zeitpunkt war die
Batterie bereits aus dem Elektroroller ausgebaut und hatte zu diesem keine
Verbindung mehr. Bei dieser Sachlage besteht kein Unterschied zu der Situation,
in der eine zuvor nicht im Elektroroller befindliche Batterie dort eingebaut
werden soll und zu diesem Zweck vorher aufgeladen wird. In diesen Fällen ist
die Batterie nicht mehr bzw. noch nicht Teil der Betriebseinrichtung.
Weiter ist
nicht festgestellt - und die Revision zeigt auch dazu keinen übergangenen
Vortrag auf -, dass die Explosion der Batterie in einem nahen örtlichen und
zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang stand (vgl. dazu Senatsurteil
vom 26. März 2019 - VI ZR 236/18, NJW 2019, 2227 Rn. 9). Allein der Umstand,
dass sich die Batterie zuvor im Elektroroller befand und in diesem entladen
wurde, begründet nicht den erforderlichen Zurechnungszusammenhang.
2. Es
bedarf daher keiner Klärung, ob die von der Revision angegriffenen Erwägungen
des Berufungsgerichts zur möglichen Verursachung des Brandes durch ein
schadhaftes Ladegerät und zur bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit des
Elektrorollers revisionsrechtlicher Prüfung standhalten würden.
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