Nach einem beendeten Mietverhältnis stritten die Parteien u.a. darüber, ob die Kündigungserklärung der Mieterin (Klägerin) rechtzeitig dem Vermieter (Klägerin) zugegangen ist. Die Mieterin hatte gegen den Vermieter eine Kautionsrückzahlungsklage erhoben, gegen die der Beklaget u.a. Aufrechnung mit einer Mietforderung Mai 2020 mit der Begründung erklärte, die Kündigung sei ihm wirksam erst am 05.02.2020 zugegangen, weshalb das Mietverhältnis erst am 31.05.2020 geendet habe. Das Amtsgericht hat der Klage teilwiese stattgegeben, wobei es u.a. die Aufrechnungserklärung des Beklagten zu Lastend er Klägerin berücksichtigte. Die Berufung der Klägerin war, in Bezug auf die erklärte Aufrechnung, nicht erfolgreich.
Das Landgericht (LG) hat in seinem Berufungsurteil zunächst auf die allgemeine Regelung hingewiesen, derzufolge eine Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Monats zum Ablauf des übernächsten Monats in Schriftform (§ 568 BGB) erfolgen muss (§ 573a Abs. 1 S. 1 BGB). Die Wirksamkeit hängt von deren Zugang bei dem Kündigungsempfänger ab (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Strittig war der Zeitpunkt des Zugangs.
Nach der (vom Beklagten bestrittenen) Behauptung der Klägerin will diese die Kündigung am 04.02.2020 um 22.30 Uhr in den Briefkasten der Wohnung des Beklagten geworfen haben und diesen unmittelbar vor dem Einwurf über die Gegensprechanlage über den Einwurf die Kündigungsschreiben informiert haben. Das LG ließ es dahinstehen, ob es zu der behaupteten Information durch die Klägerin kam, da auch in diesem Fall der Zugang nicht vor dem 05.02.2020 erfolgt sei.
Zwar mag eine nicht verkörperte Willenserklärung über eine Gegensprechanlage ähnlich wie im Rahmen eines Telefonats als solche nach Annahme des LG als eine Willenserklärung unter Anwesenden zu beurteilen sein. Daraus folge aber nicht, dass eine verkörperte Willenserklärung (wie hier das Schreiben) alleine durch die vorherige Kontaktaufnahme zum Empfänger mittels Gegensprechanlage oder Telefon zu einer solchen unter Anwesenden würde. Vielmehr verbliebe es in diesem Fall dabei, dass unabhängig von der Kontaktaufnahme es dem Empfänger nicht möglich sei, die verkörperte Willenserklärung (das Schreiben) im unmittelbaren Kontakt zum Absender (hier Beklagten) in seinen Machtbereich zu verbringen.
Eine verkörperte Willenserklärung müsse gegenüber einem Anwesenden genauso zugehen wie verkörperte Willenserklärungen unter Abwesenden. In beiden Fällen käme § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zum Tragen. Damit müsse die Willenserklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangen, dass damit zu rechnen sei, der Empfänger könne von ihr Kenntnis nehmen. Bei Anwesenden würde die Abgabe der Willenserklärung und die erwartbare Kenntnisnahme zusammenfallen. Dies sei aber hier bei Abwesenden nicht der Fall, da die in Schriftform zufassende Kündigungserklärung durch Einlegung um 22.30 Uhr nicht trotz der telefonischen Information nicht entsprechend in den Machtbereich des Empfänger gelangt sei.
Vielmehr sei dem Beklagten am 3. Werktag, dem 04.02.2020, nur durch mündliche Information über den Einwurf des Kündigungsschreibens mitgeteilt worden, was als Kündigung wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 568 BGB nicht ausreichend sei.
Zwar sei die Kündigungserklärung durch Einwurf in den Briefkasten in den Machtbereich des Beklagten gelangt. Wann aber unter normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme vom Inhalt durch den Beklagten zu rechnen sei, richte sich danach, wann nach den gewöhnlichen Verhältnissen mit einer Leerung desselben zu rechnen sei. Dabei sei nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern es sei im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren (BGH, Urteil vom 21.01.2004 - XII ZR 214/00 -). Bis 18.00 Uhr werde in der Rechtsprechung danach noch ein Zugang am Tag des Einwurfs angenommen (BayVerfGH vom 15.10.1992 - Vf. 117-VI-91 -); erst erhebliche Zeit nach der allgemeinen Postzustellung in einen Wohnungsbriefkasten eingeworfene Schreiben würden erst als am nächsten Tag zugegangen gelten (BAG, Urteil vom 08.12.1983 - 2 AZR 337/82 -). Damit sei der beklagte nicht um 22.30 Uhr verpflichtet zu prüfen, ob bei ihm in den Wohnungsbriefkasten eine rechtserhebliche Erklärung in seinem Machtbereich eingegangen ist.
Auch durch die Mitteilung über die Gegensprechanlage ändere sich daran nichts. Dem Empfänger einer Erklärung sei zuzugestehen, sich zur Nachtzeit der Kenntnisnahme des Inhalts rechtserheblicher Erklärungen zu entziehen, auch wenn er darauf hingewiesen wird. Dies würde (in der Literatur) auch für via SMS eingehende Erklärungen angenommen, auch wenn der Empfänger einer SMS in der Regel durch einen Hinweiston auf einen Eingang einer Nachricht hingewiesen würde. Hier hätte der Beklagte zur Kenntnisnahme seine Wohnung verlassen müssen, also einen erheblichen Mehraufwand als gegenüber der Öffnung einer SMS betreiben müssen, was der Absender nicht erwarten könne.
LG Krefeld, Urteil vom
21.09.2022 - 2 S 27/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das
Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 30.11.2021 (Az. 12 C 99/21) unter
Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt abgeändert und insgesamt
wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die
Klägerin 158,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.03.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die
Klägerin zu 90 %, der Beklagte zu 10 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision der Klägerin wird in dem aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Umfang zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin
nimmt den Beklagten nach Beendigung ihres Wohnraumietverhältnisses auf
Rückzahlung der von ihr geleisteten Kaution in Anspruch. Nach Abrechnung der
Kaution durch den Beklagten streiten die Parteien nur noch darum, ob dieser zu
Recht mit einem Mietzinsanspruch für Mai 2020 in Höhe von 1.070,00 € nebst
Verzugszinsen und Rücklastschriftkosten sowie mit Ansprüchen aus den
Betriebskostenabrechnungen für 2019 und 2020 in Höhe von insgesamt 126,58 € für
die Kostenpositionen „Tiefgarage“ und „sonstige Betriebskosten“ aufgerechnet
hat.
Wegen des
erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1
Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Amtsgericht
hat mit dem angefochtenen Urteil den Beklagten verurteilt, an die Klägerin
31,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 13.03.2021 zu zahlen und die Klage im Übrigen
abgewiesen. Die Umlage der Betriebskostenpositionen „Tiefgarage“ und „sonstige
Betriebskosten“ sei hinreichend bestimmt durch die Regelung in § 24 des
Mietvertrags i. V. m. „Sonstigen Vereinbarungen und Erläuterungen“ vereinbart
worden. Danach sollten die umlagefähigen Betriebskosten gemäß einer
beispielhaften Abrechnung betreffend das Jahr 2013 berechnet werden. In dieser
beispielhaften Betriebskostenabrechnung seien die Positionen „Tiefgarage“ und
„sonstige Betriebskosten“ unstreitig enthalten. Ferner habe der Beklagte
hinsichtlich der Mietzahlung und der diesbezüglichen Verzugszinsen und der
Rücklastschriftgebühr für den Monat Mai 2020 einen Anspruch auf Zahlung von
insgesamt 1.102,83 EUR gehabt. Das Mietverhältnis sei durch die Kündigung der
Klägerin vom 04.02.2020 erst zum Ablauf des 31.05.2020 beendet worden, da die
Kündigung dem Beklagten erst am 05.02.2020 zugegangen sei. Zugang erfordere,
dass die Erklärung so in den Bereich des Empfängers gelangt, dass unter
normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen sei. Hier sei bei dem
unstreitigen Einwurf des Briefes am 04.02.2020 um 22:30 Uhr nicht mehr mit
einer Entnahme am selben Tag, sondern erst am darauffolgenden Tag zu rechnen
gewesen.
Gegen dieses
Urteil, zugestellt am 03.12.2021, hat die Klägerin mit am 09.12.2021 eingegangenen
Schriftsatz Berufung eingelegt und begründet.
Die Klägerin
meint, das Amtsgericht habe die Klage rechtsfehlerhaft teilweise abgewiesen.
Entgegen der Auffassung des Amtsgericht seien die Kostenpositionen „sonstige
Betriebskosten“ und „Tiefgarage“ im Rahmen der Betriebskostenabrechnungen der
Jahre 2019 und 2020 nicht umlagefähig, da diese nicht im Einzelnen aufgeführt
würden. Der Mieter könne sich durch die Einsichtnahme in die
Betriebskostenverordnung nicht darüber klar werden, welche Kostenpositionen
sich unter dem Begriff „sonstige Betriebskosten“ und „Tiefgarage“ verbergen
würden. Ferner sei durch die Kündigung der Klägerin das Mietverhältnis zum
30.04.2020 und nicht erst zum 31.05.2020 beendet worden, denn die Vorgänge am
04.02.2020 seien rechtlich als Willenserklärung unter Anwesenden anzusehen,
sodass der Zugang der Kündigungserklärung noch am 04.02.2020 erfolgt sei.
Die Klägerin beantragt,
unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Krefeld vom 30.11.2021 (Az.: 12 C 99/21) den Beklagten zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 1.191,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.03.2021 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.
Er verteidigt
das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seiner
erstinstanzlichen Argumentation.
II.
Die zulässige
Berufung ist teilweise begründet.
Der Beklagte
hat für die Jahre 2019 und 2020 einen um insgesamt 126,58 EUR zu hohen Betrag
an Betriebskosten gegenüber der Klägerin abgerechnet und dementsprechend in
dieser Höhe zu Unrecht gegenüber dem Kautionsrückzahlungsanspruch der Klägerin
aufgerechnet. Hingegen hat er zu Recht mit einem Mietzinsanspruch für Mai 2020
nebst Verzugszinsen und Rücklastschriftkosten in Höhe von insgesamt 1.102,83
EUR aufgerechnet.
1.
Die Position
„sonstige Betriebskosten“ ist in den Betriebskostenabrechnungen 2019 und 2020
nicht wirksam auf die Klägerin umgelegt worden. Der Saldo der Abrechnungen war
dementsprechend um insgesamt 34,83 EUR zu kürzen.
Gemäß
§ 556 Abs. 1 BGB können die Parteien eines Wohnraummietvertrages
vereinbaren, dass der Mieter bestimmte, in der Betriebskostenverordnung
bezeichnete Betriebskosten trägt. Erforderlich für eine wirksame Umlage auf den
Mieter gemäß § 556 Abs. 1 BGB ist indes, dass der Mieter durch die
der Umlage zugrundeliegende Vereinbarung in die Lage versetzt wird, zu ersehen,
welche Kosten auf ihn zukommen (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018, VIII ZR 254/17).
Gemessen daran genügt hier die Umlage hinsichtlich der Position „sonstige
Betriebskosten“ dem Bestimmtheitserfordernis nicht. Die Parteien haben nach den
erstinstanzlichen Feststellungen in § 24 des Mietvertrages i.V.m. den
„Sonstigen Vereinbarungen und Erläuterungen“ i. V. m. der beispielhaften
Betriebskostenabrechnung für 2013 vereinbart, dass „sonstige Betriebskosten“
vom Mieter zu tragen seien. Eine weitere Aufschlüsselung der „sonstigen
Betriebskosten“ erfolgte nicht. Mangels konkreter Bezeichnung der unter die
„sonstigen Betriebskosten“ fallenden Kostenarten wird indes nicht erkennbar,
welche der möglichen sonstigen Betriebskosten im Einzelfall tatsächlich in der
Beispielsabrechnung umgelegt wurden und in Zukunft gegenüber der Klägerin
umlegbar sein sollten.
2.
Auch die
Position „Tiefgarage“ ist in den Betriebskostenabrechnungen 2019 und 2020 nicht
wirksam auf die Klägerin umgelegt worden. Der Saldo der Abrechnungen war
dementsprechend um insgesamt 91,75 EUR zu kürzen.
Eine Umlage
dieser Kosten scheitert jedenfalls daran, dass die Betriebskostenabrechnungen
bezüglich der Position "Tiefgarage" die in formeller Hinsicht an eine
Betriebskostenabrechnung zu stellenden Anforderungen nicht erfüllen und die
Umlage insoweit unwirksam ist. Zur formellen Ordnungsmäßigkeit einer
Betriebskostenabrechnung ist es erforderlich, dass diese den Anforderungen des
§ 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen
und Ausgaben enthält (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2020, VIII ZR 244/18). Die in
dem Abrechnungszeitraum angefallenen Betriebskosten müssen in ihren
Einzelangaben wie auch in ihrer Gesamtheit derart klar, übersichtlich und aus
sich heraus verständlich abgerechnet werden, dass sie sich einem
durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht
geschulten Mieter gedanklich und rechnerisch erschließen und er dadurch in die
Lage versetzt wird, den auf das Abrechnungsjahr bezogenen Abrechnungssaldo des
Vermieters nachzuprüfen (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2008, VIII ZR 295/07).
Diesen Anforderungen genügen die Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2019
und 2020 hinsichtlich der Position „Tiefgarage“ nicht. Aus der Nennung dieser
Position heraus erschließt sich dem Mieter gemessen am dargelegten Maßstab
nicht, welche Kosten im Einzelnen durch die Vorhaltung der Tiefgarage
entstanden sind, sodass er nicht in die Lage versetzt wird die Berechtigung der
geltend gemachte Position zu überprüfen.
3.
Der
weitergehende Zinsanspruch folgt entsprechend der erstinstanzlichen
Feststellungen aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
4.
Zu Recht hat
hingegen der Beklagte gegenüber dem Kautionsrückzahlungsanspruch der Klägerin
mit seiner vom Amtsgericht festgestellten Forderung in Höhe von 1.102,83 EUR
wegen der Miete für den Monat Mai 2020 und der diesbezüglichen Verzugszinsen
und Rücklastschriftgebühren aufgerechnet. Der Beklagte hat gemäß § 535
Abs. 2 BGB gegen die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der Miete bis zur
Beendigung des Mietverhältnisses, das vorliegend durch die Kündigung der
Klägerin vom 04.02.2020 erst zum Ablauf des 31.05.2020 beendet wurde.
Die Kündigung
ist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des
übernächsten Monats zulässig (§ 573c Abs. 1 S. 1 BGB), wobei die
Wirksamkeit der Kündigungserklärung insbesondere deren Zugang voraussetzt
(§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Dem Amtsgericht ist darin zuzustimmen,
dass der Zugang hier erst am 05.02.2020, dem vierten Werktag des Monats,
erfolgte, sodass das Mietverhältnis erst zum Ablauf des 31.05.2020 sein Ende
fand.
Dabei kann
dahinstehen, ob die Klägerin - wie von dem Beklagten bestritten - am 04.02.2020
unmittelbar vor dem Einwurf der Kündigungserklärung in den Briefkasten der
Wohnung des Beklagten diesen über die Gegensprechanlage informiert hat, dass
sie in seinen Briefkasten ein Schreiben einwerfen wolle und dass es sich bei
diesem Schreiben um die Kündigung des streitgegenständlichen Mietvertrages
handele. Denn auch hiernach ist die Kündigung nicht vor dem 05.02.2020
zugegangen.
a.
Die Klägerin
meint, die Kündigungserklärung sei als eine verkörperte Willenserklärung unter
Anwesenden zu behandeln und bereits in dem Zeitpunkt als zugegangen anzusehen,
in dem sie in den in den Herrschaftsbereich des Beklagten gelangt sei, ohne
dass es darüber hinaus der Kenntnisnahme unter normalen Verhältnissen bedurft
hätte. Sie stützt ihre Ansicht darauf, dass sie über die Gegensprechanlage der
Wohnung des Beklagten in direktem akustischem Kontakt mit dem Beklagten
gestanden habe. Das greift im Ergebnis nicht durch.
Mag die Abgabe
einer nicht verkörperten Willenserklärung über eine Gegensprechanlage - ähnlich
wie im Rahmen eines Telefonats - als solche unter Anwesenden zu beurteilen
sein, so folgt daraus nicht, dass auch die Übermittlung einer verkörperten
Willenserklärung, wie hier der schriftlichen Kündigung, allein durch die
vorherige direkte Kontaktaufnahme zum Empfänger mittels Fernmeldetechnik zu
einer solchen unter Anwesenden wird. Vielmehr verbleibt es unabhängig von der
vorherigen Kontaktaufnahme dabei, dass es der Klägerin nicht möglich war, die
verkörperte Kündigungserklärung im unmittelbaren Kontakt zum Beklagten in
dessen Machtbereich zu verbringen.
Im Übrigen
müssen verkörperte Willenserklärungen gegenüber einem Anwesenden genauso
zugehen wie verkörperte Willenserklärungen unter Abwesenden, in beiden Fällen
gilt gleichermaßen § 130 Abs. 1 S. 1 BGB (vgl. MüKoBGB/Einsele,
BGB, 9. Aufl., § 130 Rn. 27). Die Willenserklärung muss daher in beiden
Fällen so in den Machtbereich des Empfängers gelangen, dass damit zu rechnen
ist, der Empfänger könne von ihr Kenntnis nehmen (vgl. MüKoBGB/Einsele, BGB, 9.
Aufl., § 130 Rn. 27). Zwar fallen unter Anwesenden die Abgabe der
Willenserklärung und der Zeitpunkt der erwartbaren Kenntnisnahme regelmäßig
zusammen. Entbehrlich ist letztere indes nicht. Etwas anderes vermag die Kammer
auch dem klägerseits zitierten Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil
vom 04.11.2004, 2 AZR 17/04) nicht zu entnehmen. Zwar führt dieses aus, es
entspreche allgemeiner Auffassung, dass eine verkörperte Willenserklärung unter
Anwesenden zugehe, wenn sie durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des
Empfängers gelange. Weiter führt es aber aus, für den Zugang einer verkörperten
Erklärung unter Anwesenden genüge die Aushändigung und Übergabe des
Schriftstücks, sodass der Empfänger in der Lage sei, vom Inhalt der Erklärung
Kenntnis zu nehmen. Auch das BAG setzt mithin die unmittelbare
Kenntnisnahmemöglichkeit des Erklärungsempfängers vom Inhalt der
Willenserklärung als für den Zugang einer verkörperten Willenserklärung unter
Anwesenden erforderlich voraus. Diese war vorliegend und anders als beim BAG
nicht gegeben, da der Beklagte die schriftliche Kündigung nicht ausgehändigt
erhalten hat, so dass ein Fall der Willenserklärung unter Abwesenden vorliegt.
Zugegangen ist
dem Beklagten am 04.05.2020 selbst bei Zugrundelegung des Klägervortrags damit
nur die (mündliche) Information über den Einwurf der Kündigung, nicht aber die
Kündigung selbst. Hieran ändert sich auch nichts deshalb, weil die Klägerin den
Beklagten über die Gegensprechanlage vollständig vom Inhalt des
Kündigungsschreibens informiert haben will. Denn eine solche mündliche
Kündigung wäre wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 568 BGB
unwirksam.
b.
Durch den
unstreitigen Einwurf der Kündigungserklärung am 04.02.2020 um 22:30 Uhr in den
Briefkasten der Wohnung des Beklagten ist diese in den Machtbereich des
Beklagten verbracht worden. Wann unter normalen Umständen mit einer
Kenntnisnahme vom Inhalt der Erklärung durch den Beklagten zu rechnen war,
richtet sich danach, wann nach den gewöhnlichen Verhältnissen mit der Leerung
des Briefkastens durch den Beklagten zu rechnen war, sodass sich dieser
Kenntnis vom Inhalt der Willenserklärung verschaffen konnte. Dabei ist nicht
auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im
Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren (vgl. BGH, Urteil vom 21.01.
2004, XII ZR 214/00). Bis um 18:00 Uhr in den Briefkasten eingeworfene Briefe
hat die Rechtsprechung als noch am selben Tag zugehend angesehen (vgl.
BayVerfGH, Entscheidung vom 15.10.1992, Vf. 117-VI-91), erst erhebliche Zeit
nach der allgemeinen Postzustellung in einen Wohnungsbriefkasten eingeworfene
dagegen als erst am nächsten Tag zugehend (vgl. BAG, Urteil vom 08.12.1983, 2
AZR 337/82).
Vorliegend war
mit einer Kenntnisnahme des Erklärungsinhaltes durch den Beklagten noch am
04.02.2020 nicht zu rechnen. Nach den entscheidenden gewöhnlichen Verhältnissen
ist es dem Empfänger einer Willenserklärung nicht zumutbar, sich zu jeder
Tageszeit zu versichern, ob rechtserhebliche Erklärungen in seinen Machtbereich
gelangt sind. Zwar ist ein konkreter Zeitpunkt, ab dem nach der
Verkehrsanschauung die Überprüfung eines zu einer Privatwohnung gehörenden
Briefkastens nicht mehr erwartet wird, insbesondere angesichts der zunehmenden
Ausdifferenzierung der Lebensgewohnheiten und der diesbezüglichen
Gepflogenheiten schwierig festzulegen. Jedenfalls um 22:30 Uhr war dieser
Zeitpunkt indes überschritten.
c.
Auch war nicht
aufgrund der konkreten Einzelfallumstände selbst bei Zugrundelegung des
Klägervortrags eine späte Leerung des Briefkastens durch den Beklagten
erwartbar.
Zwar hätte die
Klägerin dadurch, dass sie die Willenserklärung nicht nur in den Machtbereich
des Beklagten verbracht hat, sondern darüber hinaus den Beklagten über den
Einwurf der Erklärung in seinen Briefkasten zu später Stunde mündlich
informierte, umfassende Bemühungen unternommen, um dem Beklagten die
Kenntnisnahme der Erklärung zu ermöglichen. Dem Empfänger einer Erklärung ist
aber zuzugestehen, sich zur Nachtzeit der Zurkenntnisnahme des Inhalts
rechtserheblicher geschäftlicher Erklärungen zu entziehen, auch wenn er auf
deren Eingang in seinem Machtbereich ebenfalls zur Nachtzeit hingewiesen worden
ist. Entsprechend gelten zur Unzeit eingehende Erklärungen via SMS auch dann
erst am nächsten Tag zugegangen, wenn der Empfänger einer SMS in der Regel
durch einen Hinweiston auf den Eingang einer Nachricht in seinen Machtbereich
aufmerksam gemacht wird (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., § 130
Rn. 7 m.w.N.). Ähnlich ist es im vorliegenden Fall, in dem der Beklagte durch
das Klingeln der Klägerin informiert worden sein soll. Der Beklagte hätte zur
Kenntnisnahme des Inhalts der Kündigungserklärung seine Wohnung verlassen,
mithin gegenüber dem bloßen Öffnen einer SMS einen erheblichen Mehraufwand
vornehmen müssen. Ist bereits die inhaltliche Zurkenntnisnahme einer Erklärung
via SMS nicht mehr zu erwarten, ist dies erst Recht für die inhaltliche
Zurkenntnisnahme einer in einen Wohnungsbriefkasten eingeworfenen Erklärung
anzunehmen.
5.
Die
prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708
Nr. 11, 711 ZPO.
6.
Die Revision
wird zugelassen, soweit die Klägerin mit der Berufung ihre erstinstanzlich
geltend gemachte Forderung auf Rückzahlung der geleisteten Kaution in Höhe von
1.064,87 EUR hinsichtlich der Mietzahlung für den Monat Mai 2020
weiterverfolgt. Der Frage des Zeitpunktes des Zugangs der Kündigungserklärung
kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Im Übrigen wird die Revision nicht
zugelassen, da insoweit die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im
Sinne von § 543 ZPO nicht gegeben sind.
Streitwert für
das Berufungsverfahren: 1.191,45 EUR
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