Die Klägerin ist Arbeitgeberin
der Geschädigten, die vor dem Hausgrundstück des Beklagten am 22.01.2013 gegen
7.20 Uhr auf dem Gehweg auf einer weder geräumten noch gestreuten
Glatteisfläche stürzte und aufgrund Bruchs des Handgelenks arbeitsunfähig
erkrankte. Von der Klägerin werden Schadensersatzansprüche aus übergegangen
Recht im Hinblick auf die Entgeltfortzahlungspflicht (§ 6 Abs. 1 EFZG) geltend
gemacht. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht gab ihr im
wesentlichen statt. Auf die (zugelassene) Revision änderte der BGH das Urteil
des Landgerichts ab und wies die Klage ab.
Dass grundsätzlich durch eine
gemeindliche Satzung die Pflicht zur Gehwegreinigung herangezogen werden können
und so die Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht auf den Anlieger abwälzen
kann, wird vom BGH bestätigt. Dies gilt
auch für die winterliche Räum- und Streupflicht. Voraussetzung der winterlichen
Räum- Streupflicht sei allerdings das Vorliegen einer „allgemeinen Glätte“;
nicht ausreichend wäre das Vorliegen vereinzelter Glatteisflächen.
Nach den vom Amtsgericht
vorgenommenen und vom Landgericht übernommenen Feststellungen, lag am
fraglichen Tag keine allgemeine Glätte vor. Lediglich vor dem Grundstück des
Beklagten soll sich eine Eisfläche von ca. 1 x 1m befunden haben, die sich
allerdings über die gesamte Breite des Gehweges erstreckt haben soll. Ansonsten
sei der Gehweg vor dem Grundstück des Beklagten und allgemein geräumt und
trocken gewesen. Feststellungen zur Entstehung der Glatteisfläche oder dazu,
dass der Beklagte mit ihr hätte rechnen müssen, wurden von den Vorinstanzen
nicht getroffen. Da nach den Witterungsverhältnissen weder mit einer
allgemeinen Glätte noch sonst Anhaltspunkte für eine drohende Gefahr bestand,
war der Beklagte auch aus der ihm obliegenden allgemeinen
Verkehrssicherungspflicht des § 823 BGB zu einer eingehenderen Überprüfung als
ein Passant.
Das Berufungsgericht wollte eine
weitergehende Prüfpflicht des Beklagten aus der Verkehrssicherungspflicht nach
§ 823 BGB iVm § 3 der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Gemeinde
annehmen. Dort wurde nicht das Erfordernis der „allgemeinen Glätte“ benannt.
Alleine dadurch, dass die Satzung dies nicht ausdrücklich benenne, könne aber
nach Auffassung des BGH eine weitergehende Verpflichtung des Anliegers nicht
erwachsen. Eine Gemeindesatzung müsse nach den Grundsätzen gesetzeskonformer
Auslegung so verstanden werden, dass keine Verpflichtungen aufgenommen werden,
die über die Grenze der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit hinausgehen. Damit
könne die Gemeinde keine Streu- und Räumpflicht für Anlieger begründen, die
über die sie selbst treffende allgemeine Verkehrssicherungspflicht hinausgeht.
Damit sei davon auszugehen, dass die Gemeinde nur die
Verkehrssicherungspflichten der Anlieger bei Schnee- und Eisglätte
konkretisieren, nicht aber weiter fassen wollte, als sie der bestehenden
Gesetzes- und Rechtslage entsprachen.
BGH, Urteil vom 14.02.2017 – VI ZR 254/16 -