Mittwoch, 10. Juli 2019

Behinderung des natürlichen Abflusses von Niederschlagwasser auf das Nachbargrundstück


Der Kläger verlangte von der beklagten Gemeinde, dass diese einen Rückstau von von der Gemeindestraße abfließendes Wasser auf seinem Grundstück verhindert. Nach seiner Behauptung seien die Böden oberhalb seines Grundstücks (Felder) bei stärkeren Regen nicht mehr in der Lage, anfallendes Wasser aufzunehmen, welches dann über sein Grundstück und die Gemeindestraße auf tiefer gelegene Felder abfließe. Er habe schon zur Vorsicht das Fußbodenniveau seines Bungalows 15cm über den Scheitelpunkt des Straßenniveaus anlegen lassen. Doch nach einem Sommerhochwasser 2011 habe die Gemeinde bei der Beseitigung der  Schäden an der Straße deren Gradiente  um 14,5cm erhöht und damit faktisch einen Damm errichtet, der den Abfluss von Niederschlagwasser auf die benachbarten Felder (unterhalb der Straße) verhindere, was bei Extremregen wie 2011 dann zu einer Überflutung seines Grundstücks führen würde.

Landgericht (LG) und Oberlandesgericht (OLG), letzteres durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO, wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Beschlusses des OLG und Zurückverweisung an dieses.

Die Rechtsbeziehung der Parteien beurteile sich nach §§ 903ff, 1004 BGB iVm. § 37 Wasserhaushaltsgesetz (WHG). Der bisherige Sach- und Streitstand ließe nach dem im Revisionsverfahren mangels Prüfung durch LG und OLG zugrunde zu legenden Vortrag des Klägers den geltend gemachten vorbeugenden (verschuldensunabhängigen) Abwehranspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht verneinen. Ein Eigentümer könne such grundsätzlich gegen Einwirkungen auf sein Grundstück (auch durch wild abfließendes Niederschlagwasser), die von einem Nachbargrundstück ausgehen, grundsätzlich mit dem auf Unterlassung gerichteten Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zur Wehr setzen, wobei mit dem vorbeugenden Unterlassungsanspruch auch künftige Störungen abgewehrt werden könnten, wenn die erstmalige Beeinträchtigung ernsthaft drohe. Lasse sich die drohende Beeinträchtigung nicht anders verhindern, könne er auch der Betroffene auch ein aktives Eingreifen in Form „geeigneter Maßnahmen“, wie hier beantragt, verlangen. Soweit das OLG die Annahme vertreten habe, der Unterlieger sei in Ermangelung landesrechtlicher Vorschriften berechtigt, Niederschlagwasser abzuwehren, während spiegelbildlich der Oberlieger dies für den Fall der dadurch bedingten Beeinträchtigung seines Grundstücks hinzunehmen habe, auch wenn dort das Niederschlagwasser nicht primär angefallen sei, beruhe dies auf einer Verkennung von § 37 Abs. 1 S. 1 WHG. Danach dürfe wild abfließendes Wasser auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks behindert werden. Die Beklagte sei als Störerin iSv. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen, weil sie bei der Planung und Ausführung der Sanierung der Straße § 37 Abs. 1 S. 1 WHG nicht beachtet habe. Hier hätte die Beklagte die anerkannten Regeln der Straßenbautechnik und der Wasserwirtschaft zu beachten gehabt. Dazu würden auch die Vorschriften des Wasser- und Nachbarrechts über Veränderungen des Ablaufs wild abfließenden Wassers gehören (BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 397/13 -; BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - III ZR 269/05 -). Niederschlagwasser gehöre zum wild ablaufenden, nicht in einem Bett fließenden Oberflächenwasser (s. § 37 Abs. 4 WHG), solange es nicht (wie hier nicht vorliegend) gem. § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WHG aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließen würde und damit dem Regime der Abwasserbeseitigung nach §§ 54ff WHG unterfalle. Eine künstliche Veränderung des natürlichen Ablaufs wild abfließenden Wassers zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks sei verboten. Auszugehen sei vom natürlichen Geländegefälle, wobei vorliegend der Zustand vor der Sanierung der Straße entscheidend sei. Entscheidend sei der natürliche Abflusszustand im Zeitpunkt der Geltendmachung des Abwehranspruchs durch den Nachbarn. Deshalb sei auch dann ein natürlicher Ablauf gegeben, wenn der natürliche Ursprungszustand in der Vergangenheit durch künstliche Eingriffe verändert worden sei oder über einen längeren Zeitraum widerspruchslos hingenommen worden sei. Entscheidend sei, ob der vorhandene Zustand in seiner Gesamtheit rechtmäßig bestünde und damit zugleich das natürliche Gefälle mitbestimme.

Der Nachteil iSv. § 37 Abs. 1 S. 1 WHG sei objektiv grundstücksbezogen festzustellen. Die Nutzbarkeit des betroffenen Grundstücks müsse gegenüber dem bisherigen Zustand eingeschränkt sein, wobei dies von einigem Gewicht und spürbar sein müsse und das Grundstück erheblich beeinträchtigen müsse. Nur drohende Nachteile würden allerdings nicht ausreichen; sie müssten tatsächlich eintreten oder zumindest mit Sicherheit zu erwarten sein, wobei ausreichend sei, wenn sich die Wasserzufuhr nur bei stärkeren Regen nachteilig auswirke. Lediglich dann, wenn eine Beeinträchtigung des betroffenen Grundstücks nur bei ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen (Katastrophenregen) zu erwarten sei, sei ein Nachteil zu verneinen, da sich in einem solchen Fall weniger die durch Rückstau geschaffene latente Gefahr verwirkliche,  sondern die in einem Katastrophenregen zum Ausdruck kommende höhere Gewalt. Höhere Gewalt aber können den Anspruch nicht begründen. Es würde aber ebenfalls insoweit eine Rolle spielen, ob ein (drohendes) Schadensereignis nicht gleichwohl mit wirtschaftlich zumutbaren Mitteln abgewendet werden könne (BGH, Urteil vom 19.01.2006 - III ZR 121/05 -).

§ 907 BGB sei wegen der spezielleren Regelung in § 37 WHG nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 12-11-1999 – V ZR 229/98 – zu § 21 HessNachbG). Die wassernachbarrechtlichen Vorschriften würden insoweit sondergesetzlich und abschließend bestimmen, was als unzulässige Einwirkung iSv. § 907 BGB anzusehen sei.

BGH, Urteil vom 09.05.2019 - III ZR 388/17 -

Montag, 8. Juli 2019

Pedelec und Fußgänger: Rücksichtnahme auf kombinierten Fußgänger- und Radfahrweg


Auf einem Schotterweg neben dem Main-Donau-Kanal, der als Betriebsgelände von der Strompolizei nur für „Fußgänger und Radfahrer (ohne Motorkraft)“ freigegeben war kam es zu einem Zusammenstoß zwischen dem Kläger, der als Fußgänger unterwegs war, und der Beklagten, die mit einem Pedelec fuhr. Die Klage wurde erstinstanzlich abgewiesen; das OLG wies den Kläger darauf hin, dass es das Urteil bestätigen wolle und die Berufung abzuweisen gedenke (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1  ZPO).

Das OLG verwies darauf, dass ein Pedelec verkehrsrechtlich einem Fahrrad gleichgestellt sei, § 1 Abs. 3 StVG.
Im Hinblick auf den Batteriebetrieb des Pedelec führte das OLG aus, es handele sich hier um einen vergleichsweise schwachen Elektromotor, weshalb dem Zustand und der Sicherheit des Ufergrundstücks durch das Pedelec kein Schaden drohe. Es könne auf sich beruhen, ob das Wasser- und Schifffahrtsamt als Strompolizei ungeachtet dessen den Zweck verfolgt habe, durch Freigabe für „Radfahrer (ohne Motorkraft)“ die Nutzung durch Pedelec auszuschließen, da selbst in diesem Fall eine Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes gem. § 823 Abs. 2 BGB nicht gegeben wäre. Bei einem Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB handele es sich um eine Norm, die nach Sinn und Zweck auf den Schutz von Individualinteressen vor einer näher bestimmten Art ihrer Verletzung ausgerichtet sei. Nicht genügend sei, dass ein Individualschutz durch Befolgung der Norm als Reflex erreicht werden könne. Hier aber läge der Schutzzweck nicht im Normbereich. Das Schild als Allgemeinverfügung iSv. § 24 Abs. 1 WaStrG iVm. § 28 WaStrG diene nicht dem Schutz der Personen auf dem Weg, sondern dazu, die Bundeswasserstraße in einem für die Schifffahrt erforderlichen Zustand zu erhalten.

Auch wenn man von einer gesteigerten Pflicht der Beklagten als Fahrerin des Pedelec ausgehen würde, ergäbe sich daraus keine Haftung. Der Kläger hätte schon nach der Beschilderung davon ausgehen müssen, dass sich auf dem Schotterweg nicht nur Fußgänger befinden. Anhaltspunkte dafür, dass sich hier spezifische Gefahren des Pedelec ausgewirkt hätten, die nicht auch von einem normalen Fahrrad ausgehen würden, ergäben sich nicht.

Aus dem allgemeinen Gebot, auf kombinierten Fußgänger-/Radfahrwegen auf Fußgänger im besonderen Maße Rücksicht zu nehmen würde sich keine situationsunabhängige Pflicht ergeben, Fußgänger (z.B. durch Klingelzeichen) auf sich aufmerksam zu machen oder sich diesen nur mit Schrittgeschwindigkeit zu nähern, auch wenn die (abstrakte) Gefahr bestünde, dass ein Fußgänger unvermittelt zur Seite tritt und dadurch in das von hinten nahe Fahrrad hineinläuft. Zwar könne der Fußgänger den Weg auf seiner gesamten Breite nutzen und müsse nicht ständig nach eventuell von hinten nahenden Rädern Ausschau halten da Fahrräder keinen Vorrang hätten. Mit einer Sorglosigkeit, die hier den Fußgänger veranlasst plötzlich und unerwartet zur Seite zu gehen, müsse der Radfahrer aber nicht rechnen. Auch der Fußgänger müsse sich auf die besondere Situation des Mischverkehrs einrichten.

Allerdings könne der Fußgänger erwarten, dass der Radfahrer Abstand und Geschwindigkeit für eine gefahrlose Begegnung wählt. Dass dies von der Beklagten missachtet worden wäre, hätte der Kläger aber nicht nachgewiesen. Ausgehend vom Vortrag des Klägers läge hier ein ausreichender Abstand von 75cm bei einer vom Sachverständigen geschätzten Geschwindigkeit von 15 – 20km/h vor.

Auch hätte keine unklare Verkehrslage vorgelegen, die zu besonderen Sicherheitsmaßnahmen (wie klingeln oder abbremsen) Veranlassung gegeben habe. Der Schotterweg sei an der Unfallstelle ohne Abzweigung geradeaus verlaufen. Die Beklagte will den Kläger schon von weitem durchgängig auf der rechten Wegseite gehend gesehen haben, ohne dass es dabei Anzeichen für Unaufmerksamkeit, Unachtsamkeit oder Sorglosigkeit gegeben habe. Zwar habe der Kläger einen (nicht um Unfall involvierten) Hund mit sich geführt, der in Fahrtrichtung gesehen links im Grünstreifen der Uferböschung „umhergeschnüffelt“ hat, weshalb der Kläger, wenn er zu seinem Hund wollte, die Fahrtlinie der Beklagten hätte kreuzen müssen. Das aber alleine begründet keine unklare Verkehrslage, da die Parteien keinen Anlass beschreiben hätten, der den Kläger hätte motivieren können, seine Ausgangslage unvermittelt zu verändern.

OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 31.01.2019 - 2 U 1967/18 -

Donnerstag, 4. Juli 2019

Kasko- und Kfz-Haftpflichtversicherung und die Folgen bei Unfallflucht (§ 142 StGB)


Der Kläger, der bei der Beklagten eine Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung hatte, verunfallte mit dem versicherten Fahrzeug. Ohne die Polizei oder sonstige Dritte zu informieren verließ er die Unfallstelle. Zwei Stunden später wurde er von Polizeibeamten bei sich zu Hause aufgesucht, die eine Atemalkoholkontrolle mit einem Wert von 0,22mg/l durchführte (wobei er behauptete, er habe erst nach dem Unfall zu Hause 1 ¾ Flaschen Bier à 0,5 l getrunken). Es erging gegen den Kläger ein rechtskräftiger Strafbefehl wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Die Beklagte geht wegen mehrfacher Obliegenheitspflichtverletzungen des Klägers von einer Leistungsfreiheit aus. Diese wandte sie in der Klage auf Kaskoentschädigung ein und erhob Widerklage in Bezug auf die von ihr regulierten Haftpflichtansprüche. Das Landgericht (LG) gab der Klage und der Widerklage zu je ½ statt. Die Berufung beider Parteien wurde vom OLG zurückgewiesen.

Vom Ausgangspunkt habe, so das OLG, das LG zutreffend in der Unfallflucht (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) eine Verletzung der den Kläger treffenden Aufklärungsobliegenheit nach den den Versicherungsverhältnissen zugrunde liegenden AKB gesehen. Dies sei zwar vorsätzlich geschehen, nicht aber arglistig. Arglist läge nur vor, wenn der Versicherungsnehmer (VN) mit der Handlung  und zu diesem Zeitpunkt (Tathandlung des § 142 StGB) einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolge und wisse, dass sein Verhalten möglicherweise die Schadensregulierung beeinflussen kann. Grundsätzlich könne bei einer Unfallflucht nicht pauschal eine Arglist angenommen werden. Entscheidend seien die Umstände des Einzelfalls: Hier sei er zunächst am das Fahrzeug (welches nicht mehr gefahren werden konnte) am Unfallort geblieben, weshalb er mit einer Entdeckung rechnen musste, und er wart auch einige Zeit selbst am Unfallort verblieben, bis er abgeholt worden sei. Mit dem (vom Kläger organisierten) Abholen seiner Person vom Unfallort konnte er seine Pflichten nach § 142 StGB nicht mehr erfüllen, weshalb es auf seine späteren Handlungen nicht mehr ankäme.

Damit wäre die Obliegenheitspflichtverletzung, die in der Unfallflucht läge, für die Beklagte leistungsbefreiend, wenn diese kausal für fehlende Feststellungen durch den Versicherer wäre. Die Kausalität wird vermutet, weshalb der Beklagte den Kausalitätsgegenbeweis führen müsse.

Hier sei zu berücksichtigen, dass er nicht den Nachweis geführt habe, bei dem Verkehrsunfall nicht alkoholisiert zu sein. Die Angaben des Klägers in seiner Anhörung durch das Landgericht und des Zeugen G. sowie der als Zeugin gehörten Ehefrau des Klägers hätten nachvollziehbar für das LG nicht der erforderliche Gewissheit begründet, dass ein sogen. Nachtrunk vorgelegen habe. So waren insbesondere die Angaben des G. von Detailarmut geprägt und weichen bezüglich des jeweiligen Alkoholkonsums von dem Vortrag des Klägers ab.

Der Kläger habe aber den Nachweis erbracht, dass die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit jedenfalls teilweise nicht für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten ursächlich gewesen sei. Zutreffend habe das LG festgestellt, dass eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nur in dem Umfang, wie eine Ursächlichkeit anzunehmen ist bzw. ein Kausalitätsgegenbeweis nicht erbracht würde, zur Leistungsfreiheit führe. Dies ergäbe sich aus den AKB, die auch für die vorsätzliche Obliegenheitspflichtverletzung vorsähen, dass eine Verpflichtung zur Leistung weiterhin bestünde, als der VN nachweise, dass die Verletzung der Obliegenheit u.a. für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht nicht ursächlich wäre („… insoweit zur Leistung verpflichtet, als ….“).  

Da der Beklagte sogleich, als ihn die Polizei aufsuchte, seine schuldhafte Unfallverursachung eingeräumt habe, könnten Feststellungsnachteile für die Beklagte nicht entstehen. Auch Nachteile zu einer etwaigen  Haftungsquote seien nicht ersichtlich (hier: Abkommen von der Fahrbahn in einer Linkskurve). Es sei auch nicht erkennbar, dass eventuell innerhalb der Zeit, bis die Polizei den Unfall bemerkte (die schon 2 Stunden später bei dem Beklagten war) Spuren auf der Fahrbahn o.ä, verlorengegangen sein könnten.

Die Alkoholisierung des Klägers zum Unfallzeitpunkt könne mit höchstens 0,84 Promille angenommen werden, wie das LG zutreffend festgestellt. Damit sei nicht auszuschließen, dass es zu dem Unfall infolge der durch die Alkoholisierung bedingten relativen Fahruntüchtigkeit des Klägers gekommen sei. Mangels Angaben des diesbezüglich darlegungs- und beweisbelasteten Klägers dazu, was er wann vor dem Unfall getrunken habe, könne auch keine Berechnung der Alkoholkonzentration auf den Unfallzeitpunkt erfolgen, weshalb das angebotene Sachverständigengutachten nicht einzuholen gewesen sei. Da die Rückrechnung hier zum Unfallzeitpunkt mithin nicht möglich sei, treffe die Beklagte insoweit ein Feststellungsnachteil. Was gewesen wäre, wenn erst einige Tage später die Polizei auf den Kläger aufmerksam geworden wäre, ist hier nicht bedeutsam (Fall des Urteils OLG Stuttgart vom 16.10.2014 – 7 U 121/14 -), da zwei Stunden nach dem Vorfall noch Feststellungen möglich waren. Die Falschangabe des Klägers, erst nach dem Unfall Alkohol getrunken zu haben, stelle keine selbständige die Leistungsfreiheit begründende Obliegenheitspflichtverletzung dar.

Dies führe im Ergebnis zu einer Kürzung des Anspruchs des Klägers um 50% im Rahmen der Kaskoversicherung und zu einer Kürzung des widerklagend geltend gemachten Betrages auf Ersetzung des Haftpflichtschadens auch um 50% (der mit € 1.780,86, also im Rahmen der Höchstgrenze nach AKB, geltend gemacht worden war).

OLG Stuttgart, Urteil vom 13.12.2018 - 7 U 188/18 -

Montag, 1. Juli 2019

Verkehrssicherungspflicht und Stolperfalle Baumscheibe/-gitter


Die Klägerin stürzte im Bereich eines im Innenhof einer Wohnanlage befindlichen Baumgitters, welches sich deutlich von der umliegenden Pflasterung abhob. On der Mitte des Gitters war jedoch kein Baum; diese war, was nicht erkennbar war, nicht mit Erde ausgefüllt und wies zwischen Gitter und Erde eine Differenz von 10cm auf, weshalb die Klägerin stürzte.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Das OLG sah eine Haftung dem Grunde nach von 50% als gegeben an.  

Richtig habe allerdings das Landgericht die allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen für die Begründung einer Verkehrssicherungspflicht und die im öffentlichen Straßenverkehr zu erwartenden Sicherungserwartungen von Fußgängern dargelegt. Allerdings würden diese Sicherungserwartungen grundsätzlich nur für Unebenheiten auf den eigentlichen Laufflächen von Gehwegen mit einheitlicher und durchgehender Pflasterung (OLG Hamm, Urteil vom 15.12.1999 - 11 U 101/00 -).  Die zum Schutz oder zur Bewässerung eines Baumes eine vom Gehwegbelag sich optische deutlich unterscheidbare Baumscheibe eingebracht, diene diese erkennbar nicht als Gehfläche für Fußgänger, auch wenn im Hinblick darauf zwei entgegenkommende Fußgänger nicht aneinander vorbei kommen würden. Damit würde ein Fußgänger, der doch über eine entsprechende Baumscheibe geht und wegen des Niveauunterschieds zwischen Pflasterung und Baumscheibe zu Fall kommt, regelmäßig auf eigene Gefahr handeln (Saarl. OLG, Urteil vom 14.01.2016 - 4 U 49/15 -).

Vorliegend unterscheide sich der Vorgang aber dadurch, dass die Klägerin nicht im Bereich Gehweg / Baumgitter wegen eines dortigen Niveauunterschieds gefallen, sondern wegen eines von ihr nicht mehr zu erwartenden Nieveauunterschieds zwischen dem Metallgitter und dem unverfüllten Erdloch in dessen Mitte, welches sich nach der Entfernung des Baums ausweislich von Lichtbildern den Eindruck einer einheitlich begehbaren Fläche gemacht habe. Die Warnfunktion durch einen Bau, der erkennbar mache, dass der Fußgänger rund um den Baum herum nicht mit einer durchweg sicheren Verkehrsfläche rechnen könne, sei entfallen. Allerdings läge, da der Unterscheid zwischen Gehwegbelag und Baumscheibe deutlich sei, eine Mithaftung der Geschädigten in Höhe von 50% vor, § 254 BGB.

Es erscheint allerdings nicht nachvollziehbar, weshalb bei einem Sturz bei Betreten der Baumscheibe durch einen Niveauunterschied zum Pflaster, auch wenn ein Baum dort nicht stehen  sollte, eine Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen nicht bestehen soll, sie aber nach einem gleichwohl erfolgten Betreten der Baumscheibe wegen einer (evtl. nicht erkennbaren)  Vertiefung in der Mitte (Erdloch) wieder aufleben soll und nur noch ein Mitverschulden bestehen soll, welches hier   gerade aus dem Bereich stammt, der im Falle eines Sturzes bei Betreten der Scheibe sogar einen Haftungsausschluss des Verkehrssicherungspflichtigen (in Ansehung der Sichtbarkeit der Scheibe als für eine Begehung durch Fußgänger nicht geeignet) begründe.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.02.2019 - 7 U 128/18 -

Freitag, 28. Juni 2019

Werbungskosten: Doppelte Haushaltsführung und Anschaffungskosten für Einrichtungsgegenstände


Die Kläger (gemeinsam veranlagte Eheleute) haben einen Hausstand in A. Der Kläger mietete im Streitjahr in Ansehung einer beruflichen Tätigkeit in B.  eine weitere Wohnung in C. an, für die sich die Miete auf € 660,00 und die Betriebskostenvorauszahlungen auf € 120,00 monatlich beliefen. In der Einkommensteuererklärung wurden die Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung mit Mietkosten incl. Betriebskostenvorauszahlungen für sieben Monate mit € 5.460,00, Strom € 210,00, Telefon € 306,73, Rundfunkbeitrag € 125,86, Sonstiges € 65,55, Absetzung für Abnutzung (AfA) auf angeschaffte Einrichtungsgegenstände € 661,69 sowie Aufwendungen für geringwertige Wirtschaftsgüter mit € 3.495,60 geltend gemacht. Dem kam das beklagte Finanzamt (FA) nur teilweise nach. Insbesondere hatte das FA argumentiert, die Aufwendungen für die geringwertigen Wirtschaftsgüter (Möbel und Haushaltsartikel) seien zwar als Werbungskosten anzuerkennen, allerdings würden sie zu den beschränkt abziehbaren Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft iSv. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG. Unterkunftskosten seien insgesamt in Höhe von € 9.747,44 angefallen (wobei dem Finanzgericht ein Rechenfehler unterlief,. Als es acht Monate bei einer tatsächlichen Nutzung von 7 Monaten annahm, was sich aber im Übrigen nicht auswirkte), könnten aber nur in Höhe von € 8.000,00 (hier acht Monate à € 1.000,00) berücksichtigt werden. Die Klage, mit der weitere Werbungskosten in Höhe der Differenz geltend gemacht wurden, war erfolgreich; die Revision des beklagten FA wurde vom BFH zurückgewiesen.

Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, wobei vorliegend diese Voraussetzungen zwischen den Parteien unstreitig waren. In diesem Zusammenhang können aber bei einem doppelten Haushalt im Inland nach der benannten gesetzlichen Reglung  nur maximal € 1.000,00/Monat als Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden.

Der BFH verwies in seiner Entscheidung darauf, dass es sich bei den in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG benannten Mehraufwendungen z.B. um wöchentliche Familienheimfahrten, (zeitlich befristete) Verpflegungsmehraufwendungen und die notwendigen Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort handeln würde. Abzustellen sei hier auf die Gesetzesnovellierung ab dem Veranlagungszeitraum 2014, mit der auch die Kappung bei einem Betrag von € 1.000,00/Monat eingeführt worden sei. Allerdings habe der Gesetzgeber nicht bestimmt, welche Aufwendungen auf „die Nutzung der Unterkunft“ entfallen würden. In der Gesetzesbegründung (BTDrucks. 17,10774, S. 13) sei lediglich  darauf verwiesen worden, dass zur Vereinfachung nicht mehr eine Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete erforderlich sei, sondern auf die tatsächlichen Aufwendungen abgestellt werde und der Betrag von € 1.000,00/Monat alle für die Unterkunft entstehenden Aufwendungen wie Miete, Betriebskosten, Kfz-Stellplatz, Sondernutzungen (wie Garten) umfasse, die vom Arbeitnehmer zu tragen seien, wobei der Betrag von € 1.000,00 nach den vom Statistischen Bundesamt für eine durchschnittliche ca. 60qm große Wohnung in Deutschland ermittelten Kaltmietzins von unter € 1.000,00 berechnet worden sei.  Die Finanzverwaltung (Schreiben BMF vom 24.10.2014, BStBl I 2014, 1412 Rz. 104) habe die Ansicht vertreten, der Betrag umfasse neben der Miete und den Betriebskosten, Reinigung und Pflege der Unterkunft u.a. auch die AfA für notwendige Einrichtungsgegenstände, Zweiwohnungssteuer und  Rundfunkgebühren, wobei bei Anmietung einer möblierten Wohnung der gesamte Betrag bis zum Höchstbetrag ansetzbar sei, bei Eigentum an der Zweiwohnung die tatsächlichen Aufwendungen wie AfA, Schulzinsen, Reparaturkosten und Nebenkosten (entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des BFH).   

Der BFH sieht nach der hier besprochenen Entscheidung von dem Höchstbetrag gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG alle Aufwendungen zur Nutzung der Unterkunft durch den Steuerpflichtigen als umfasst, soweit sie ihr zugeordnet werden könnten. Dazu würden die Bruttokaltmiete, bei einer Eigentumswohnung die AfA auf die Anschaffungs-/Herstellungskosten und die Zinsen für das dazu aufgewandte Fremdkapital, soweit sie auf den Zeitraum der Nutzung als „doppelte Haushaltsführung“ entfallen würden, sowie die Betriebskosten und die Stromkosten gehören. Es würde sich um Kosten durch den Gebrauch der Unterkunft oder das ihre Nutzung ermöglichende Eigentum des Steuerpflichtigen an der Unterkunft handeln.

Auch wenn nach der Gesetzesbegründung der Gesetzgeber bei dem Höchstbetrag von € 1.000,00  die Bruttokaltmiete berücksichtigt worden sei, könne der Wille des Gesetzgebers nur insoweit bei der Gesetzesauslegung berücksichtigt werden, als er im Text selbst einen Niederschlag gefunden habe (BVerfG, Urteil vom 16.02.1983 - 2 BvF 1/83 -). Die Gesetzesmaterialien dürften nicht dazu verleiten, subjektive Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen (BVerfGE 62,1 unter C.II.3.a).

Die Nutzung von Einrichtungsgegenständen und der Haushaltsartikel sei nicht mit der Nutzung der Unterkunft gleichzusetzen. Auch die Gesetzesbegründung enthalte keinen Hinweis darauf, dass die Aufwendungen für Einrichtungsgegenstände und Hausrat zu den Kosten in Höhe von € 1.000,00 gehören würden. Angesichts der nur beispielhaft vorgenommenen Aufzählung hätte es nahegelegen, diese mit aufzunehmen, wenn sie nach Auffassung der Verfasser des Gesetzesentwurfs zu den Kosten der Unterkunft gehören sollten. Bestätigt sieht sich der BFH in seiner Annahme auch dadurch, dass in der beispielhaften Aufzählung nur typischerweise ratierlich anfallende Aufwendungen enthalten seien, während Kosten für Einrichtung und Haushaltsgegenstände üblicherweise „zusammengeballt“ anfallen würden, auch wenn sie (von geringwertigen Wirtschaftsgütern abgesehen) nur verteilt auf die Nutzungsdauer steuermindernd Berücksichtigung finden könnten.

Miete der Steuerpflichtige eine möblierte oder teilmöblierte Wohnung an, habe er idR. auch einen höheren Nutzungswert, der sich üblicherweise auch in einem erhöhten Mietzins niederschlagen würde. Wenn der Mietvertrag keine Aufteilung der Miete für die Überlassung der Wohnung und der Möbel enthalte, sei eine Schätzung (§ 162 AO, § 96 Abs. 1 FGG) vorzunehmen.

BFH, Urteil vom 04.04.2019 - VI R 18/17 -

Donnerstag, 27. Juni 2019

WEG: Berechnung der Frist für Anfechtungsklage, § 46 Abs. 1 S. 2 WEG


Auf der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 16.06.2016 wurden mehrere Beschlüsse gefasst, von denen der Kläger einige mit seiner am 13.07.2016 bei dem zuständigen Amtsgericht (AG) eingegangenen Klage angefochten hatte. Mit Schreiben der Geschäftsstelle des AG vom 15.07.2016 wurde ein Kostenvorschuss angefordert (§ 12 Abs. 1 GKG), den der Kläger eingehend bei der Justizkasse am 09.08.2016 zahlte. Die Klage wurde sodann dem Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft am 17.08.2016 zugestellt. Das Amtsgericht wies die Klage wegen Versäumung der Klagefrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG zurück. Die Berufung des Klägers vor dem Landgericht war nicht erfolgreich. Auf seine (vom Berufungsgericht zugelassene) Revision hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zurück.

Nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG muss die Beschlussanfechtungsklage „innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb zweier Monate nach der Beschlussfassung begründet werden.“

Vorliegend wurde die Monatsfrist für die Zustellung der Klage (das wäre der 16.07.2016 gewesen) nicht gewahrt. Allerdings greift vorliegend nach Auffassung des BGH § 167 ZPO, wonach die spätere Zustellung auf den Tag der Einreichung der Klage (13.07.2016) zurück wirke, an dem die vorliegend die Anfechtungsfrist noch nicht abgelaufen sei. § 167 ZPO lautet:

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Entscheidend ist dabei das Merkmal „demnächst“, welches erfüllt sei, wenn die eine der Partei zuzurechnende Verzögerung noch in einem hinnehmbaren Rahmen halte. Im Hinblick auf die notwendige Vorschusszahlung nach § 12 Abs. 1 GKG seien sich der 5. und 7. Zivilsenat des BGH darin einig, dass dies dann der Fall sei, wenn eine Frist von 2 Wochen eingehalten würde, die allerdings nicht auf die Zeitspanne zwischen Rechnungseingang und Zahlung abstelle, sondern darauf, um wie viele Tage sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert habe. Damit soll eine Überforderung des Klägers ausgeschlossen werden. Dies hätte zur Folge:

Geht man zugunsten des Klägers von einem Zugang der Gerichtskostenrechnung am 20.07.2016 und den Eingang der Gerichtskosten bei der Gerichtskasse am 09.08.2016 aus, würde der Annahme einer Zustellung „demnächst“ nichts im Wege stehen, da die Verfahrensverzögerung von mehr als 14 Tagen dem Kläger nicht vorgeworfen werden könnte. Ein Tätigwerden am Tag des Eingangs der Zahlungsaufforderung sei nämlich nicht erforderlich. Zu berücksichtigen sei auch die Zeitspanne, die die Partei für gewöhnlich benötige, um sich die finanziellen Mittel zu beschaffen und Zahlung zu veranlassen; hierzu sei der Partei eine Erledigungsfrist von einer Woche (nach den Umständen evtl. verlängerbar, vgl. BGH, Urteil vom 29.09.2017 – V ZR 103/15 -) zuzugestehen. Die Frist wär damit bei dieser Berechnung vorliegend am 10.08.2016 abgelaufen gewesen; das Geld ging mit dem 09.08.2016 daher rechtzeitig ein.

Aber auch wenn man mit dem Landgericht von einem (nicht näher dargelegten und mehr fiktiven) Zugang der Gerichtskostenanforderung am 18.07.2016 ausgehen wollte, könnte dem Kläger eine Verzögerung von mehr als 14 Tagen bei der Zustellung nicht zugerechnet werden, weshalb sich der BGH mit dieser Fiktion des Landgerichts nicht weiter auseinandersetzen musste und auseinandersetzte. Zwar sei dann der Zeitraum für die Zahlungsfrist nach einer Woche und der weitere Zeitraum von 14 Tagen am 08.08.2016 abgelaufen gewesen und der Zahlungseingang am 09.08.2016 verspätet gewesen. Allerdings könne dem Kläger kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er ab Eingang der Klage bei Gericht bis zum Ablauf der Klagefrist gem. § 46 Abs. 1 S. 2 WEG untätig bliebe, da bei Einreichung der Klage vor Ablauf der zu wahrenden Zustellungsfrist, die Zustellung aber erst danach erfolge, seien bis zum Fristablauf auftretende Versäumnisse nicht in die maßgebliche 14-Tages-Frist einzurechnen: Da hier die Klagefrist erst am 18.07.2016 (Fristablauf am Samstag, 16.07.2016, deshalb nach § 222 Abs. 2 ZPO nachfolgender Werktag) ablief, käme es auf bis dahin eingetretene Versäumnisse nicht an. Eine relevante Verzögerung sei nach § 167 ZPO erst für die nachfolgende Zeit (ab 19.07.2016) bedeutsam, weshalb auch in diesem Fall die Zahlung am 09.08.2016 noch innerhalb der zulässigen Frist von zwei Wochen sowie einer weiteren Woche erfolgt sei.

BGH, Urteil vom 17.05.2019 - V ZR 34/18 -

Samstag, 22. Juni 2019

WEG: Keine geborene Vergemeinschaftung für Schadensersatz/Beseitigung wegen baulicher Veränderungen (Rechtsprechungsänderung)


Die Beklagte ließ fünf Dachflächenfenster einbauen; ihr nachtäglicher Antrag auf Genehmigung wurde auf einer Eigentümerversammlung der Wohnungseigentumsgemeinschaft (WEG) zurückgewiesen. Nunmehr klagten einige Wohnungseigentümer auf Beseitigung dieser Fenster und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.

Mit Beschluss vom 25.07.2017 (nach Zustellung der Klage) fasste die Eigentümergemeinschaft den Beschluss, dass die Gemeinschaft den Rückbauanspruch der übrigen Eigentümer gegen die Beklagte an sich ziehe; unberührt bleiben sollte ein eventueller Schadensersatzanspruch der Gemeinschaft wegen des Einbaus. Gegen diesen Beschluss erhob der dortige Kläger Anfechtungsklage, der das Amtsgericht stattgab; auf die Berufung hob das Landgericht das Urteil auf und wies die Klage ab. Über die (zugelassene) Revision war noch zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH in dem vorliegenden ursprünglichen Rechtsstreit nicht entschieden.

In dem vorliegenden Rechtstreit hatte das Amtsgericht der Klage auch stattgegeben. Auch hier hob das Landgericht das Urteil auf und wies die Klage zurück. Auf die zugelassene Revision der Kläger hob der BGH das Urteil auf verwies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.

Das Landgericht hatte eine Prozessführungsbefugnis der Kläger verneint. Zwar handele es sich bei dem Einbau der Fenster um eine optische Änderung des Gesamteindrucks des Gebäudes und stelle daher eine unzulässige Maßnahme nach § 22 Abs. 1 S. 1 WEG dar. Den auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB könne aber nur die teilrechtsfähige WEG geltend machen, was auch für den konkurrierenden Anspruch gemäß § 1004 BGB auf Beseitigung und Wiederverschließung des Daches gelte. Zwar könnten Wohnungseigentümer selbst Ansprüche nach § 15 Abs. 3 WEG oder § 1004 BGB selbst geltend machen; im Falle einer Anspruchskonkurrenz sei aber eine einheitliche Betrachtungsweise geboten, weshalb zur Verhinderung der Vereitelung eines Anspruchs der WEG die Ansprüche insgesamt durch die WEG geltend gemacht werden müssten.

Dem folgte der BGH nicht. Für das geltend gemachte Recht bestünde keine geborene Ausübungsbefugnis der WEG.

Nur soweit Wiederherstellung begehrt würde, habe der entscheidende Senat des BGH eine geborene Ausübungsbefugnis der WEG angenommen (Urteil vom 07.02.2014 - V ZR 25/13 -). Daran halte er nicht mehr fest. Es läge bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung des Gemeinschaftseigentums ausnahmsweise keine geborene Ausübungsbefugnis (§ 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 1 WEG), sondern nur eine gekorene Ausübungsbefugnis der WEG (§ 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 2 WEG) vor, wenn und soweit (wie hier vom Landgericht angenommen) sie in Anspruchskonkurrenz zu Beseitigungsansprüchen aus dem Miteigentum am Grundstück gem. § 1004 BGB stünden, was auch gelte, wenn damit auch der Wiederherstellungsanspruch umfasst würde.

Die vom Landgericht zutreffend angesprochene Anspruchskonkurrenz, die mangels einer Vergemeinschaftung bestünde. Da aber ein gleichzeitig von der WEG ein Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB geltend gemacht werden könnte und damit für den Anspruch des Eigentümers nach § 1004 BGB und dem der WEG nach § 823 BGB derselbe Streitgegenstand bestünde. Könne die Rechtsverfolgung nur gebündelt von der WEG oder durch die einzelnen Wohnungseigentümer erfolgen. Bei wertender Betrachtung müsse die Prozessführungsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers betreffend den Beseitigungsanspruch aus dem Miteigentum am Grundstück gem. § 1004 BGB insgesamt umfassen, also auch, soweit er auf die Wiederherstellung gerichtet ist, weshalb hier ausnahmsweise nur eine gekorene Ausübungsbefugnis des Verbandes (der WEG) bestünde. Bei der gekorenen Ausübungsbefugnis sei ausreichend, dass die Tätigkeit des Verbandes förderlich ist, bei der geborenen Ausübungsbefugnis müsse sie hingegen nach der Interessenslage erforderlich sein. Man könne hier auch nicht von dem nach § 1004 BGB klagenden Eigentümer verlangen, dass er sich nur mit der Beseitigung zufrieden gibt und darauf hofft, dass die Gemeinschaft die Wiederherstellung beschließt bzw. er einen entsprechenden Beschluss einklagen müsse, zumal einige Eigentümer von der baulichen Veränderungen mehr, andere weniger betroffen seien, weshalb es weder erforderlich noch wünschenswert sei, den Verband von vornherein mit der Durchsetzung und dem damit zusammenhängenden Kostenrisiko zu belasten.

Dagegen spräche auch nicht, dass damit das Wahlrecht des Verbandes zwischen Naturalrestitution und Geldersatz vereitelt würde. Für § 1004 BGB bestünde ein solches Wahlrecht nicht. In Ansehung der konkurrierenden Schadensersatzansprüche sei es hinnehmbar, dass der Verband nicht ohne weiteres Geldersatz verlangen könne, unabhängig davon, ob sich dies mit dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung iSv. § 22 Abs. 1 WEG überhaupt vereinbaren ließe.  

Der BGH wies ergänzend darauf hin, dass das Landgericht nach Zurückverweisung prüfen müsse, ob der Beschluss nichtig sei, mit dem die WEG die Ansprüche an sich gezogen habe (- gekorene - Vergemeinschaftung). Die Nichtigkeit könne und müsse unabhängig von der Anfechtungsklage geprüft werden, da die Nichtigkeit für und gegen alle wirkt und keiner Geltendmachung bedürfe, unabhängig von der entsprechenden Möglichkeit gem. § 43 Nr. 4 WEG. Würde es die Nichtigkeit nicht feststellen, müsste es das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Anfechtungsprozess entsprechend § 148 ZPO aussetzen. Die entsprechende entsprechende Anwendung des § 148 ZPO sei geboten, da eine Entscheidung in der Sache mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar sei.

BGH, Urteil vom 26.10.2018 - V ZR 328/17 -