Der Kläger verlangte von der
beklagten Gemeinde, dass diese einen Rückstau von von der Gemeindestraße abfließendes
Wasser auf seinem Grundstück verhindert. Nach seiner Behauptung seien die Böden
oberhalb seines Grundstücks (Felder) bei stärkeren Regen nicht mehr in der Lage,
anfallendes Wasser aufzunehmen, welches dann über sein Grundstück und die Gemeindestraße
auf tiefer gelegene Felder abfließe. Er habe schon zur Vorsicht das Fußbodenniveau
seines Bungalows 15cm über den Scheitelpunkt des Straßenniveaus anlegen lassen.
Doch nach einem Sommerhochwasser 2011 habe die Gemeinde bei der Beseitigung der
Schäden an der Straße deren Gradiente um 14,5cm erhöht und damit faktisch einen Damm
errichtet, der den Abfluss von Niederschlagwasser auf die benachbarten Felder
(unterhalb der Straße) verhindere, was bei Extremregen wie 2011 dann zu einer Überflutung
seines Grundstücks führen würde.
Landgericht (LG) und
Oberlandesgericht (OLG), letzteres durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO,
wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des
Beschlusses des OLG und Zurückverweisung an dieses.
Die Rechtsbeziehung der Parteien
beurteile sich nach §§ 903ff, 1004 BGB iVm. § 37 Wasserhaushaltsgesetz (WHG).
Der bisherige Sach- und Streitstand ließe nach dem im Revisionsverfahren
mangels Prüfung durch LG und OLG zugrunde zu legenden Vortrag des Klägers den
geltend gemachten vorbeugenden (verschuldensunabhängigen) Abwehranspruch des
Klägers gegen die Beklagte nicht verneinen. Ein Eigentümer könne such grundsätzlich
gegen Einwirkungen auf sein Grundstück (auch durch wild abfließendes Niederschlagwasser),
die von einem Nachbargrundstück ausgehen, grundsätzlich mit dem auf
Unterlassung gerichteten Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zur Wehr
setzen, wobei mit dem vorbeugenden Unterlassungsanspruch auch künftige
Störungen abgewehrt werden könnten, wenn die erstmalige Beeinträchtigung
ernsthaft drohe. Lasse sich die drohende Beeinträchtigung nicht anders
verhindern, könne er auch der Betroffene auch ein aktives Eingreifen in Form „geeigneter
Maßnahmen“, wie hier beantragt, verlangen. Soweit das OLG die Annahme vertreten
habe, der Unterlieger sei in Ermangelung landesrechtlicher Vorschriften
berechtigt, Niederschlagwasser abzuwehren, während spiegelbildlich der
Oberlieger dies für den Fall der dadurch bedingten Beeinträchtigung seines
Grundstücks hinzunehmen habe, auch wenn dort das Niederschlagwasser nicht
primär angefallen sei, beruhe dies auf einer Verkennung von § 37 Abs. 1 S. 1
WHG. Danach dürfe wild abfließendes Wasser auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht
zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks behindert werden. Die Beklagte sei
als Störerin iSv. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen, weil sie bei der Planung
und Ausführung der Sanierung der Straße § 37 Abs. 1 S. 1 WHG nicht beachtet habe.
Hier hätte die Beklagte die anerkannten Regeln der Straßenbautechnik und der
Wasserwirtschaft zu beachten gehabt. Dazu würden auch die Vorschriften des
Wasser- und Nachbarrechts über Veränderungen des Ablaufs wild abfließenden
Wassers gehören (BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 397/13 -; BGH, Beschluss
vom 29.06.2006 - III ZR 269/05 -). Niederschlagwasser gehöre zum wild
ablaufenden, nicht in einem Bett fließenden Oberflächenwasser (s. § 37 Abs. 4
WHG), solange es nicht (wie hier nicht vorliegend) gem. § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
WHG aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließen
würde und damit dem Regime der Abwasserbeseitigung nach §§ 54ff WHG unterfalle.
Eine künstliche Veränderung des natürlichen Ablaufs wild abfließenden Wassers
zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks sei verboten. Auszugehen sei vom
natürlichen Geländegefälle, wobei vorliegend der Zustand vor der Sanierung der
Straße entscheidend sei. Entscheidend sei der natürliche Abflusszustand im Zeitpunkt
der Geltendmachung des Abwehranspruchs durch den Nachbarn. Deshalb sei auch
dann ein natürlicher Ablauf gegeben, wenn der natürliche Ursprungszustand in
der Vergangenheit durch künstliche Eingriffe verändert worden sei oder über
einen längeren Zeitraum widerspruchslos hingenommen worden sei. Entscheidend
sei, ob der vorhandene Zustand in seiner Gesamtheit rechtmäßig bestünde und
damit zugleich das natürliche Gefälle mitbestimme.
Der Nachteil iSv. § 37 Abs. 1 S.
1 WHG sei objektiv grundstücksbezogen festzustellen. Die Nutzbarkeit des
betroffenen Grundstücks müsse gegenüber dem bisherigen Zustand eingeschränkt
sein, wobei dies von einigem Gewicht und spürbar sein müsse und das Grundstück
erheblich beeinträchtigen müsse. Nur drohende Nachteile würden allerdings nicht
ausreichen; sie müssten tatsächlich eintreten oder zumindest mit Sicherheit zu
erwarten sein, wobei ausreichend sei, wenn sich die Wasserzufuhr nur bei
stärkeren Regen nachteilig auswirke. Lediglich dann, wenn eine Beeinträchtigung
des betroffenen Grundstücks nur bei ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen
(Katastrophenregen) zu erwarten sei, sei ein Nachteil zu verneinen, da sich in
einem solchen Fall weniger die durch Rückstau geschaffene latente Gefahr
verwirkliche, sondern die in einem
Katastrophenregen zum Ausdruck kommende höhere Gewalt. Höhere Gewalt aber
können den Anspruch nicht begründen. Es würde aber ebenfalls insoweit eine
Rolle spielen, ob ein (drohendes) Schadensereignis nicht gleichwohl mit
wirtschaftlich zumutbaren Mitteln abgewendet werden könne (BGH, Urteil vom
19.01.2006 - III ZR 121/05 -).
§ 907 BGB sei wegen der
spezielleren Regelung in § 37 WHG nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 12-11-1999 –
V ZR 229/98 – zu § 21 HessNachbG). Die wassernachbarrechtlichen Vorschriften würden
insoweit sondergesetzlich und abschließend bestimmen, was als unzulässige
Einwirkung iSv. § 907 BGB anzusehen sei.
BGH, Urteil vom 09.05.2019 - III ZR 388/17 -