Der Kläger hatte im Prozess gegen die Beklagten, denen Prozesskostenhilfe (PKH) gewährt worden war, obsiegt und das Amtsgericht hatte den Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt. Kurz darauf hob es den Beschluss über die Bewilligung von PKH gegenüber dem Beklagten zu 1. auf, der amtsbekannt unpfändbar war. Sodann setzte das AG Gerichtskosten in Höhe von € 610,10 gegen den Kläger fest. Auf die Erinnerung des Klägers hob das AG die Kostenrechnung mit Beschluss vom 02.07.2020 auf. Die gegen diesen Beschluss von der Beschwerdeführerin eingelegte Beschwerde wies das Landgericht zurück. Die zugelassene sofortige weitere Beschwerde wurde vom OLG als unbegründet zurückgewiesen.
Das AG habe die Kostenrecht zu Recht aufgehoben, da der dortige Kostenansatz zu Unrecht ergangen sei. Der Kläger würde als sog. Veranlassungsschuldner zwar für die Gerichtskosten haften, § 22 Abs. 1 S. 1 GKG. Allerdings würde dem hier § 31 Abs. 2 S. 1 GKG entgegenstehen:
Hafte ein Kostenschuldner nach § 29 Nr. 1 oder 2 GKG (sog. Erstschuldner) soll die Haftung eines anderen Kostenschuldners (sog. Zweischuldner) nur geltend gemacht werden, wenn eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Erstschuldners erfolglos geblieben sei oder aussichtslos erscheine. Es handle sich bei dieser Ordnungsvorschrift um solche, die eine Amtspflicht der Staatskasse begründe, weshalb der Zweitschuldner nur bei deren Vorliegen in Anspruch genommen werden könne. Anm.: Erstschuldner ist derjenige, dem im Urteil die Kosten auferlegt werde, Zweitschuldner z.B. der Kläger, wenn er obsiegte.
§ 31 Abs. 2 S. 1 GKG sei hier einschlägig. Mit den Beklagten zu 1. und 2. gäbe es zwei Kostenschuldner, die nach § 29 Nr. 1 1. Var. GKG haften würden.
In der Person des Beklagten zu 1. erscheine die Zwangsvollstreckung in dessen bewegliches Vermögen in Ansehung der amtsbekannten Pfandlosigkeit aussichtslos, weshalb die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 S. 1 GKG vorlägen. Gleichwohl sei in diesem Fall entgegen dem Wortlaut hier eine Inanspruchnahme des Klägers nicht möglich. Letztlich sei § 31 Abs. 2 S. 1 GKG im Hinblick auf § 31 Abs. 3 S. 1 1. Hs. GKG so auszulegen, dass die Haftung eines anderen Kostenschuldners solange nicht geltend gemacht werden könne, soweit einem Kostenschuldner (der nach § 29 Nr. 1 GKG hafte) PKH bewilligt worden sei. Auch wenn hier nur (noch) der Beklagten zu 2. PKH gewährt ist, nicht dem mit ihm für die Kosten haftenden Beklagten zu 1., würden sie doch gesamtschuldnerisch für die Kosten einzustehen haben, § 31 Abs. 1 GKG, was bedeute, dass der Kostenansatz gegen den Kläger als Zweitschuldner und dessen Zahlung an die Gerichtskasse, auch für den Erstschuldner, dem PKH gewährt wurde, Tilgungswirkung zukäme, §§ 267, 422 BGB. Der Zweitschuldner würde mithin in diesem Fall für sämtliche Erstschuldner in Anspruch genommen.
Aus diesem Umstand sei zu folgern, dass die Gerichtskosten nur dann gem., § 31 Abs. 2 S. 1 GKG gegen den Zweischuldner festgesetzt werden können, wenn eine Zwangsvollstreckung auch in das bewegliche Vermögen der Beklagten zu 2. erfolglos geblieben sei oder aussichtslos erscheine. Dies sei hier nicht der Fall da einer Geltendmachung bei der Beklagten zu 2. § 122 Abs. 1 Nr. 1 a) ZPO entgegenstünde, weshalb eine Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte zu 2. nicht in Betracht käme (Begünstigung durch PKH). Von daher könne der Erstschuldner in diesem Fall nicht in Anspruch genommen werden.
OLG Frankfurt, Beschluss
vom 24.08.2021 - 18 W 44/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die weitere
Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 31.01.2021 gegen den Beschluss des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.01.2021 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren
zur Entscheidung über die weitere Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Kosten werden
nicht erstattet.
Gründe
I.
Mit
Klageschrift vom 12.07.2016 (Bl. 1 bis 3 d. A.) erhob der Kläger eine Klage auf
Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung gegen den Beklagten zu 1. und die
Beklagte zu 2. Nachdem das Amtsgericht zunächst mit Beschluss vom 17.10.2016
(Bl. 67 d. A.) beiden Beklagten für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe
bewilligt hatte, verurteilte es die Beklagten gemäß dem Klageantrag und
bestimmte, dass die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben. Mit
Beschluss vom 10.07.2018 (Bl. 116, 117 d. A.) hob das Amtsgericht die den
Beklagten zu 1. betreffende Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf. Dieser ist
amtsbekannt pfandlos.
Sodann hat das
Amtsgericht mit Kostenrechnung vom 30.06.2020 (Vorbl. XII) Gerichtskosten in
Höhe von € 610,10 gegen den Kläger festgesetzt. Auf die Erinnerung des Klägers
vom 02.07.2020 (Bl. 126 d. A.) hat das Amtsgericht die Kostenrechnung mit
Beschluss vom 10.08.2020 (Bl. 130, 131 d. A.) aufgehoben. Die von der
Beschwerdeführerin gegen diesen Beschluss mit Schriftsatz vom 18.08.2020 (Bl.
133 d. A.) erhobene Beschwerde hat das Landgericht nach mit Beschluss vom
08.01.2021 (Bl. 143, 144 d. A.) erfolgter Übertragung auf die Kammer mit
Beschluss vom 11.01.2021 (Bl. 145 bis 149 d. A.) zurückgewiesen und die weitere
Beschwerde zugelassen.
Mit Schriftsatz
vom 14.01.2021 (Bl. 151 d. A.) hat die Beschwerdeführerin weitere Beschwerde
gegen den Beschluss des Landgerichts vom 11.01.2021 eingelegt, der das
Landgericht mit Beschluss vom 17.02.2021 (Bl. 155, 156 d. A.) nicht abgeholfen
hat.
II.
1. Die
weitere Beschwerde ist zulässig, weil das Landgericht sie im angefochtenen
Beschluss zugelassen hat, § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG.
2. Das
Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da die mit dem
angefochtenen Beschluss getroffene Entscheidung des Landgerichts, die
Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 10.08.2020 zurückzuweisen,
nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 66 Abs. 4 Satz 2
GKG.
Denn die
Beschwerde ist unbegründet gewesen.
Das Amtsgericht
hat die Kostenrechnung vom 30.06.2020 zu Recht auf die Erinnerung des Klägers
vom 02.07.2020 aufgehoben, weil der mit der Kostenrechnung vom 30.06.2020
erfolgte Kostenansatz zu Unrecht ergangen ist.
Zwar haftet der
Kläger gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG als sogenannter
Veranlassungsschuldner für die Gerichtskosten.
Seiner
Inanspruchnahme steht jedoch § 31 Abs. 2 Satz 1 GKG entgegen.
Nach dieser Regelung soll in Fällen, in denen ein Kostenschuldner aufgrund von
§ 29 Nr. 1 oder 2 GKG haftet (sog. Erstschuldner), die Haftung eines
anderen Kostenschuldners (sog. Zweitschuldner) nur geltend gemacht werden, wenn
eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des ersteren erfolglos
geblieben ist oder aussichtslos erscheint. Auch wenn es sich bei § 31
Abs. 2 Satz 1 GKG um eine Ordnungsvorschrift handelt, folgt aus ihr
für die Staatskasse eine Amtspflicht (Toussaint/Toussaint, 51. Aufl. 2021, GKG
§ 31 Rnrn. 14 und 15, m. w. N.), so dass der Zweitschuldner nur bei
Vorliegen ihrer Voraussetzungen in Anspruch genommen werden darf.
a)
§ 31 Abs. 2 Satz 1 GKG ist einschlägig. Mit dem Beklagten zu 1.
und der Beklagten zu 2. sind zwei Kostenschuldner vorhanden, die gemäß
§ 29 Nr. 1, 1. Var. GKG als Entscheidungsschuldner haften.
b)
Bezüglich des Beklagten zu 1. erscheint die Zwangsvollstreckung in das bewegliche
Vermögen aufgrund dessen Pfandlosigkeit aussichtslos, sodass insoweit die
Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Satz 1 GKG gegeben sind.
Ausgehend vom
Wortlaut dieser Regelung wäre damit eine Inanspruchnahme des Klägers auf
Zahlung der Gerichtskosten möglich.
Indes ist
§ 31 Abs. 2 Satz 1 GKG dahin zu verstehen, dass ein Kostenansatz
gegen einen anderen Kostenschuldner erst dann erfolgen darf, wenn hinsichtlich
aller Entscheidungsschuldner eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche
Vermögen erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint (so im Ergebnis
auch Oberlandesgericht Naumburg, Beschluss vom 03. August 2011 - 2 W 77/10 -,
juris. Vgl. auch BeckOK KostR/Semmelbeck, 34. Ed. 1.7.2021, GKG § 31 Rn.
14. Andere Ansicht: Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 02. April 2009
- I-10 W 23/09 -, juris). Denn § 31 Abs. 2 Satz 1 GKG ist im
Lichte von § 31 Abs. 3 Satz 1, 1. Halbsatz GKG auszulegen, der
bestimmt, dass die Haftung eines anderen Kostenschuldners nicht geltend gemacht
werden darf, soweit einem Kostenschuldner, der aufgrund von § 29
Nr. 1 GKG haftet, Prozesskostenhilfe bewilligt ist. Diese Regelung hat den
Zweck, die bedürftige Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt ist, davor zu
schützen, dass die Gerichtskosten gegen den anderen Kostenschuldner angesetzt
werden und dieser die von ihm verauslagten Gerichtskosten gegen diese
bedürftige Partei festsetzen lässt - was möglich ist, weil § 123 ZPO
regelt, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Verpflichtung, die
dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss hat. Wäre in einem
Fall wie dem hier gegebenen, in dem die bedürftige Partei neben einer weiteren
Partei, der keine Prozesskostenhilfe bewilligt ist, als Erstschuldner für die
Gerichtskosten haftet, ein Kostenansatz gegen den Zweitschuldner möglich,
könnte dieser die Gerichtskosten nicht nur gegen die weitere Partei, sondern
auch gegen die bedürftige Partei festsetzen lassen. Damit wäre diese letztlich
trotz der Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit den Gerichtskosten belastet,
so dass § 31 Abs. 3 Satz 1, 1. Halbsatz GKG und auch § 122
Abs. 1 Nr. 1 a) ZPO keine Wirkung mehr hätten.
Dem lässt sich
nicht entgegenhalten, der Zweitschuldner werde nicht anstelle des
Erstschuldners in Anspruch genommen, dem Prozesskostenhilfe bewilligt ist,
sondern anstelle des Erstschuldners, bei dem dies nicht der Fall ist (so aber
Oberlandesgericht Düsseldorf, a. a. O.). Diese Sichtweise verkennt, dass beide
Erstschuldner gemäß § 31 Abs. 1 GKG als Gesamtschuldner für die Gerichtskosten
haften. Der Kostenansatz gegen den Zweitschuldner und dessen Zahlung an die
Gerichtskasse hätte deshalb auch für den Erstschuldner, dem Prozesskostenhilfe
bewilligt ist, Tilgungswirkung (§§ 267, 422 BGB), sodass der
Zweitschuldner mithin für sämtliche Erstschuldner in Anspruch genommen wird.
c) Damit
könnten wegen § 31 Abs. 2 Satz 1 GKG die Gerichtskosten
vorliegend nur dann gegen den Kläger festgesetzt werden, wenn eine
Zwangsvollstreckung auch in das bewegliche Vermögen der Beklagten zu 2.
erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint. Dies ist jedoch nicht der
Fall, weil einer Geltendmachung von Gerichtskosten bei der Beklagten zu 2.
§ 122 Abs. 1 Nr. 1 a) ZPO entgegensteht, weshalb eine
Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Beklagten zu 2. wegen der
Gerichtskosten schon gar nicht in Betracht kommt.
§ 31
Abs. 2 Satz 1 GKG ist auch nicht analog auf den Fall der Bewilligung
von Prozesskostenhilfe anzuwenden. Zum einen zeigt § 31 Abs. 3
Satz 1 GKG, dass dem Gesetzgeber die Probleme im Zusammenhang mit der
Bewilligung von Prozesskostenhilfe bewusst waren, so dass es an einer
planwidrigen Regelungslücke fehlt; zum anderen ist die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe nicht mit der Erfolglosigkeit oder der Aussichtslosigkeit
der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen vergleichbar (so auch
Oberlandesgericht Naumburg, a. a. O.). Letzteres ist der Fall, weil sich das
Unvermögen, die Prozesskosten im Sinne von § 114 Abs. 1 ZPO
aufzubringen, nicht nach dem Vorhandensein von pfändbarem beweglichen Vermögen
bestimmt, §§ 115, 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
3. Das Verfahren zur Entscheidung über die weitere Beschwerde ist gemäß § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG gerichtsgebührenfrei. Kosten werden gemäß § 66 Abs. 8 Satz 2 GKG nicht erstattet.
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