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Dienstag, 18. Oktober 2022

Voraussetzung für geschlossene Unterbringung des Betreuten (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB)

Auf Antrag des Betreuers der Betroffenen genehmigte das Amtsgericht die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Anstalt, wogegen die Betreute Beschwerde einlegte, die vom Landgericht zurückgewiesen wurde. Dabei verwies das Landgericht darauf, dass die Betreute seit Jahrzehnten an einer bipolaren Störung mit leichter Demenz leide, was sich durch Realitätsverkennung mit eigen- und fremdgefährdenden Verhalten auszeichne.

Die Rechtsbeschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung an das Landgericht.

Gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mir Freiheitsentziehung verbunden sei, nur zulässig, solange dies zum Wohl des Betreuten erforderlich sei um der Gefahr entgegenzuwirken, dass dieser aufgrund psychischer Krankheit oder Behinderung sich selbst töte oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufüge. Diese Gefahr müsse ernstlich und konkret sein. Erforderlich seien objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte. Eine notwendige Prognose des Tatrichters basiere auf der Anhörung des Betroffenen und der weiteren beteiligten sowie des nach § 321 FamFG einzuholenden Sachverständigengutachtens. Formelhafte Wendungen zur Begründung eine solchen Beschlusses seien unzulässig; vielmehr müssten in jedem Einzelfall die die Umstände begründenden Tatsachen konkret nachvollziehbar dargelegt werden.

Sowohl in der Entscheidung des Landgerichts als auch in dem von dem zugrunde gelegten Sachverständigengutachten würde es daran ermangeln; vielmehr beschränke sich die Begründung auf formelhafte Wendungen. Krankheitsbedingte Einschränkungen der Betreuten seien nicht auf eine konkrete Gefahrenlage der Betreuten übertragen worden. Es fehle zudem an der erforderlichen Relation zum möglichen Schaden für die Betroffene ohne Anordnung der geschlossenen Unterbringung. Soweit im Sachverständigengutachten als auch Beschluss selbst von einer möglichen Fremdgefährdung die Rede sei, sei dies für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB ohne Belang.

BGH, Beschluss vom 20.07.2022 - XII ZB 81/22 -

Freitag, 17. Dezember 2021

Unzulässige Verwerfung der Beschwerde und Sachentscheidung durch Beschwerdegericht

Der Sohn der Betroffenen (Beteiligter zu 1.) besaß eine Vorsorgevollmacht, auf Grund der er für sie tätig werden konnte. Auf Initiative von Nachbarn der Betroffenen, die diese häufiger orientierungslos und hilfsbedürftig im Haus und dessen Umgebung angetroffen wurde, wurde das Betreuungsverfahren eingeleitet, und das Amtsgericht als Betreuungsgericht hatte nach Anhörung der Betroffenen und ihres Sohnes und der Einholung eines Sachverständigengutachtens eine Kontrollbetreuung in der Person des Beteiligten zu 2.  angeordnet (§ 281 FamFG iVm. § 1896 Abs. 3 BGB).   

Das Landgericht wies die Beschwerde der Betroffenen zurück und verwarf die Beschwerde ihres Sohnes wegen mangelnder Beschwerdebefugnis. Die dagegen von der Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde blieb erfolgslos; allerdings wurde die Rechtsbeschwerde des Sohnes nicht wegen mangelnder Beschwerdebefugnis sondern in der Sache abgewiesen.

In der Sache wurde gerügt, dass der amtsgerichtliche Anhörungsvermerk (der Betroffenen) unvollständig sei. Nachdem die fehlende Seite überlassen wurde, wurde diese Rüge nicht weiter aufrechterhalten. Soweit gerügt wurde, dass es für die Betroffene eines Verfahrenspflegers bedurft hätte, sah dies der BGH anders: Weder sähe das Gesetz bei der angeordneten Kontrollbetreuung einen Regelfall der Beiordnung eines Verfahrenspflegers vor, § 276 Abs. 1  S. 2 Nr. 1 und 2 FamFG, noch sei dies gem. § 276 Abs. 1 S. 1 FamFG zur Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen erforderlich gewesen, da die Kontrollbetreuung keine Befugnis enthalte, die Vorsorgevollmacht zu widerrufen (BGH, Beschluss vom 28.07.2015 - XII ZB 674/14 -).  

Allerdings sei die Rüge, die Beschwerde des Sohnes zu verwerfen, gerechtfertigt (auch wenn dessen Beschwerde aus den obigen Gründen auch keinen Erfolg hatte). Seine Beschwerdebefugnis ergäbe sich bereits aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG als Abkömmling der Betroffenen, zumal er auch am erstinstanzlichen Betreuungsverfahren beteiligt gewesen sei (BGH, Beschluss vom 17.03.2021 - XII ZB 169/19 -). Zwar habe nicht der Sohn die Rechtsbeschwerde eingelegt, doch könne sich auch die Betroffene auf diesen Verfahrensfehler berufen. Da den Angehörigen und Vertrauenspersonen nach dem Beschwerderecht ausdrücklich im Interesse des Betroffenen eingeräumt sei, sei die Betroffene durch die Verwerfung der Beschwerde des Sohnes materiell beschwert, zumal über die in ihrem Interesse eingelegte Beschwerde nicht materiell entschieden worden sei (BGH, Beschluss vom 14.10.2020 - XII ZB 235/20 -).  

Verwerfe das Beschwerdegericht eine Beschwerde unzulässig, könne grundsätzlich in der Rechtsbeschwerde über diese nicht entschieden werden (was zur Zurückverweisung führen müsste). Ausnahmsweise sei aber das Rechtsbeschwerdegericht zu einer Sachentscheidung befugt, wenn dem angefochtenen Beschluss eine für die abschließende rechtliche Beurteilung ausreichende tatsächliche Grundlage dem angefochtenen Beschluss zu entnehmen sei und für den Fall einer Zurückverweisung an das Beschwerdegericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung des Sachverhalts ein anders Ergebnis als das vom Rechtsbeschwerdegericht für richtig erachtete nicht möglich erscheine (BGH, Beschluss vom 04.09.2013 - XII ZB 97/12 -).

Da vorliegend das Beschwerdegericht das einheitlich gehaltene Vorbringen der Betroffenen und ihres Sohnes vollumfänglich gewürdigt habe und seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, habe es seine Entscheidungsgrundlage nicht verkürzt. Das Landgericht als Beschwerdegericht habe ausführlich und richtig begründet, weshalb eine Kontrollbetreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB erforderlich sei, da der Sohn der Betroffenen die Interessen der Betroffenen nicht hinreichend wahrnehme (BGH, Beschluss vom 05.06.2019 - XII ZB 59/19 -).

BGH, Beschluss vom 25.08.2021 - XII ZB 436/20 -

Mittwoch, 25. Juli 2018

Zur Beachtlichkeit des Vorschlags zur Person des Betreuers durch den Betreuten nach § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB


Grundsätzlich ist bei der Auswahl des Betreuers dem Vorschlag des volljährigen Betreuten zu entsprechen, wenn es nicht dessen Wohl zuwiderläuft, § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB.

Die Betroffene war 99 Jahre alt und litt an einer Multimobidität sowie leichten kognitiven  Störung. Das Amtsgericht hatte den Beteiligten zu 1. zum Berufsbetreuer für den gesamten Aufgabenbereich Sorge für die Gesundheit, Vermögenssorge, Entgegennahme, öffnen und anhalten der Post sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt, die Beteiligte zu 2. (Enkelin der Betroffenen) für die Gesundheitsfürsorge. Zunächst hatte es die Beteiligte zu 2. Für alle Aufgabenbereiche bestellt, wegen familiärer Streitigkeiten aber dann beschränkt und den Beteiligten zu 1. bestellt. Dagegen wandten sich die Beteiligten zu 3. (weitere Einkelin) und 4. (Tochter) mit einer Beschwerde. Das Landgericht hat die Beteiligten zu 1. Und 2. Entlassen und als alleinige Betreuerin die Beteiligte zu 4. bestellt. Begründet wurde dies damit, dass dies dem Wunsch der Betroffenen entspräche und nicht einer momentanen Unstimmigkeit oder kurzfristigen Gefühlslage entspräche. Die dagegen von der Beteiligten zu 4. eingelegte Rechtsbeschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen.

Für den Vorschlag der Betroffenen sei weder deren Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit Voraussetzung. Sie müsse nur ihren Wunsch kundtun. So sei auch die Motivlage für den Wunsch ohne Bedeutung.

§ 1897 Abs. 4 S. 1 BGB räume dem Tatrichter bei der Auswahl kein Ermessen ein, weshalb der Wunsch nur dann unberücksichtigt bleiben dürfe, wenn die vorgeschlagene Person dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufe. Dafür müsste eine Abwägung aller relevanten Umstände Gründe ergeben von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die vorgeschlagene Person sprechen würden. Es müsste sich also die konkrete Gefahr dartun, dass der Vorgeschlagene die Betreuung nicht zu dessen Wohl führen kann oder will. Dazu sei eine Prognoseentscheidung notwendig, für die sich der Tatrichter auf Erkenntnisse stützen müsse, die in der näher oder weiter zurückliegenden Vergangenheit ihren Ursprung hätten. Diese Erkenntnisse müssten geeignet sein, einen das Wohl der Betroffenen Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuten umfassten Aufgabenbereich zu begründen.

Vorliegend habe die Betroffene auch gegenüber dem bisherigen Betreuer mehrfach den Wunsch geäußert, dass sich ihre Tochter (Beteiligte zu 4.) um alles kümmern solle, was vom Landgericht richtig als Vorschlag im Sinne des § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB gewertet worden sei.  Gründe, die darauf schließen ließen, dass die Bestellung der Beteiligten zu 4. dem Wohl der Betroffenen zuwiderliefen seien nicht ersichtlich und seien auch von der Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3. nicht aufgezeigt worden. Alleine der Umstand, dass die Tochter der Betroffenen und die Enkelinnen zerstritten seien, begründe noch nicht die Gefahr, die Beteiligte zu 4. Würde die Betreuung nicht zum Wohle der Betroffenen ausüben.

BGH, Beschluss vom 09.05.2018 - XII ZB 553/17 -