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Dienstag, 9. April 2024

Vollstreckungsauftrag für Gerichtskostenanforderung in elektronischer Form

Der Gläubiger (hier der Freistaat Thüringen) vollstreckte gegen die Schuldnerin eine Gerichtskostenforderung gem. § 6 JBeitrG iVm. §§ 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 4m 803 ZPO (Pfändung und Verwertung beweglicher körperlicher Sachen der Schuldnerin). Der aus dem elektronischen Behördenpostfach (beBPO) erteilte Auftrag wurde elektronisch signiert und trug den Namen des Bearbeiters, aber weder ein Dienstsiegel noch eine Unterschrift. Es erging durch den Gerichtsvollzieher die Aufforderung, den Vollstreckungsauftrag auf dem Postweg im Original als vollstreckbare Ausfertigung zu übersenden. Die dagegen von dem Gläubiger eingelegte Erinnerung wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Eine dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Gläubigers zum Landgericht wurde auch zurückgewiesen. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde half der BGH dieser ab und hob die Anforderung des Gerichtsvollziehers auf.

Gerichtskosten würden von den Gerichtskassen nach dem Justizbeitreibungsgesetz vollstreckt, § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 2 Abs. 1 JBeitrG (bestimmt die Landesregierung keine andere Stelle). Zur Pfändung und Verwertung müsse die Vollstreckungsbehörde gem. § 6 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 JBeitrG, § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO einen schriftlichen Vollstreckungsauftrag an den Vollziehungsbeamten richten. Zwingend hebe dies nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, § 753 Abs. 5, § 130d Satz 1 ZPO in Form eines elektronischen Dokuments zu erfolgen, welches mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen oder von der verantwortenden Person zu signieren sei und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden müsse.

Diese Form der Übermittlung genüge in Ermangelung weiterer Formerfordernisse und es bedürfe nicht der zusätzlichen Einreichung des Vollstreckungsauftrags in Papierform mit Unterschrift und Dienstsiegel. 

Der BGH habe für einen auf Abnahme der Vermögensauskunft nach § 7 S. 1 Hs. 1 JBeitrG gerichteten Vollstreckungsauftrag diese Vorgehensweise als ausreichend angesehen. Damit habe der Gesetzgeber die formellen Anforderungen abschließend festgelegt (BGH, Beschluss vom 06.04.2023 - I ZB 84/22 -).

Dass vorliegend keine Vermögensauskunft sondern ein Sachpfändungsauftrag erteilt worden sei, rechtfertige keine anderweitige Bewertung. Der Gerichtsvollzieher sei gemäß § 196 S. 1 GVGA zuständig, als Vollziehungsbeamter nach § 6 Abs. 3 S. 2 JBeitrG nach dem JBeitrG für diese nach dem JBeitrG beizutreibenden Ansprüche mitzuwirken.

In Ermangelung abweichender verfahrensrechtlicher Bestimmungen unterläge der Sachpfändungsauftrag keinen strengeren formellen Anforderungen als ein Vollstreckungsauftrag nach § 7 S. 2 Hs. 1 JBeitrG. Um die Pflicht zur elektronischen Erteilung des Vollstreckungsauftrages nach § 6 Abs, 1 Nr, 1 JBeitrG, §§ 753 Abs. 5, 130d ZPO praktisch wirksam werden zu lassen und dem gesetzgeberischen Ziel zu entsprechen, den elektronischen Rechtsverkehr auch auf das Justizbeitreibungsverfahren zu erstrecken und dort eine Verwaltungsvereinfachung zu erzielen, sei eine zusätzliche Einreichung des Vollstreckungsauftrags in Papierform mit Unterschrift und Dienstsiegel nicht erforderlich.

BGH, Beschluss vom 17.01.2024 - VII ZB 2/13 -

Dienstag, 29. November 2022

Erfüllungseinwand in Zwangsmittelverfahren und Erhebung Vollstreckungsabwehrklage ?

Die Beklagten hatten ein rechtskräftiges Urteil auf Auskunftserteilung durch Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses erwirkt. Sie stellten am 05.03.2018 einen Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln zur Vollstreckung der Auskunftsverpflichtung (§ 888 ZPO), in dem der Kläger ein notarielles Nachlassverzeichnis vorlegte. Der Kläger ging davon aus, dass er damit den titulierten Anspruch erfüllt habe; die Beklagten sahen das Nachlassverzeichnis als lückenhaft an. Das zuständige Landgericht hatte zum Zeitpunkt der Entscheidung über die sodann vom Kläger erhobene Vollstreckungsabwehrklage noch nicht entschieden.  Die Beklagten erklärten in diesem neuen Verfahren, dass in älteren anhängigen Verfahren auf Zwangsmittel nach § 888 ZPO, dass sie für den Fall, dass dieser Antrag rechtskräftig mit der Begründung zurückgewiesen würde, dass der Auskunftsanspruch erfüllt sei, sie sich verpflichten würden, diese Entscheidung anzuerkennen. Das Landgericht wies die Vollstreckungsabwehrklage ab. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Im rahmen der vom OLG zugelassenen Revision wurde das klageabweisende Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.

Entgegen der Ansicht des OLG bejahte der BGH ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.

Ein Rechtsschutzbedürfnis würde fehlen, wenn eine Klage oder ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos sei. Für die Vollstreckungsabwehrklage würde solange ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen, solange der Gläubiger den Titel in seinen Händen halte, selbst dann, wenn der Gläubiger auf seine Rechte aus dem Titel verzichte und/oder Einigkeit bestünde, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht mehr in Betracht kommen. Dies basiere darauf, dass der Schuldner alleine durch Vorlage einer öffentlichen oder vom Gläubiger ausgestellten privaten Urkunde, aus der sich die Erfüllung der Forderung ergäbe, die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen nicht erreichen könne (§§ 775 Nr. 4, 776 ZPO) und ein Verzicht keine weitergehende Wirkung als die Erfüllung habe.  Dies entspräche der Norm des § 767 ZPO, die einem Vollstreckungstitel seine Vollstreckungsfähigkeit schlechthin nehmen würde. Die Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO würde grds. nicht davon abhängen, ob eine Vollstreckung drohe.

Damit bestünde hier das Rechtsschutzbedürfnis. Fehlerhaft habe das OLG darauf abgestellt, ob eine Zwangsvollstreckung gegen den Kläger drohe oder eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme bevorstehe, da es darauf nicht ankäme. Zudem nähme das OLG unzutreffend an, es drohe keine Vollstreckungsmaßnahme, da die beklagten doch das Verfahren nach § 888 ZPO eingeleitet hätten.

Weiterhin negierte der BGH ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage nach § 767 ZPO vor dem Hintergrund, dass der Kläger den Erfüllungseinwand auch im Verfahren nach § 888 ZPO geltend machen könne und geltend gemacht habe. Es handele sich nicht um gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeiten.

In beiden Verfahren (§§ 887, 888 ZPO und § 767 ZPO) sei der Schuldner mit dem Einwand der Erfüllung zu hören. Ein anhängiges Zwangsmittelverfahren wie hier sperre gleichwohl nicht die Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage.

Dabei sei schon bedeutsam, dass die Entscheidung im Zwangsmittelverfahren, ob die Titelforderung erfüllt ist, nicht in Rechtskraft erwachse. Streitgegenstand sei hier nur die Festsetzung des Zwangsmittels. Die Feststellung der Erfüllung sei Teil der Entscheidung, würde aber nicht tituliert. Der Beschluss stünde zwar einem neuen Zwangsmittelantrag mit gleicher Begründung entgegen, könne aber aus Gründen der materiellen Rechtskraft nicht der Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage entgegenstehen.

Weiterhin seien auch praktische Gründe zu beachten. Das Zwangsmittelverfahren würde nur auf Antrag des Gläubigers eingeleitet und dieser könne den Antrag auch jederzeit zurücknehmen.  Schon deshalb sei es für den Schuldner, der in diesem Verfahren den Erfüllungseinwand erhebt, nicht gesichert, dass das Gericht darüber auch entscheidet. Neben der Zurücknahme des Antrages durch den Gläubiger kämen auch Zurückweisungen durch das Gericht wegen Fehlens allgemeiner Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen in Betracht; dies würden einer neuen Antragstellung durch den Gläubiger nicht entgegenstehen. Hingegen könne der Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage aktiv das Ziel verfolgen, laufende oder zukünftige Zwangsvollstreckungen den Boden entziehen, da ein dieser Klage rechtkräftig stattgegebenes Urteil die Vollstreckbarkeit des Titels beseitige.

Die Erklärung der Beklagten sei rechtlich belanglos. Der erklärte Verzicht auf die rechte aus dem Titel ließe das Rechtsschutzbedürfnis nach § 676 ZPO nicht entfallen, solange der Gläubiger den Titel noch habe. Zudem hätten hier die beklagten nicht einmal verzichtet, sondern dem Kläger nur einen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch eingeräumt, zudem unter einer aufschiebenden Bedingung.

BGH, Beschluss vom 29.09.2022 - I ZR 180/21 -

Donnerstag, 2. Dezember 2021

Grenzen der Vollstreckung mit elektronisch übermittelten Vollstreckungsbescheiden

Der Gläubiger hatte gegen die Schuldnerin einen Vollstreckungsbescheid erwirkt. Auf dem elektronischen Weg erteilte er bei Amtsgericht einen Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher, bei dem er zugleich die Abnahme der Vermögenauskunft bei der Schuldnerin und, falls die Schuldnerin dem Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleiben würde, den Erlass eines Haftbefehls gegen sie beantragt. Dem Antrag lag der Vollstreckungsbescheid als elektronische Dokument bei und es wurde versichert, dass das Original des Titels nebst Zustellungsbescheinigung vorläge und die Forderung gemäß dem Vollstreckungsauftrag noch bestünde.  Die Schuldnerin erschein zum Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft unentschuldigt nicht. Das Amtsgericht forderte nunmehr vom Gläubiger das Original des Vollstreckungsbescheides zur Prüfung des Erlasses des beantragten Haftbefehls an. Da dem der Gläubiger nicht nachkam, wies es den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurück. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers wurde zurückgewiesen. Im Verlauf des (vom Beschwerdegericht zugelassenen) Rechtsbeschwerdeverfahrens beglich die Schuldnerin die Forderung und die Hauptsache wurde für erledigt erklärt. Der BGH sah in der Sache die Rechtsbeschwerde nicht als erfolgversprechend an und erlegte dem Gläubiger die Kosten des Verfahrens auf.

Der BGH verwies darauf, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 802g Abs. 1 S. 1 ZP= oder § 802c ZPO zur Erzwingung der Abgabe des Vermögensverzeichnisses ein Haftbefehl erlassen werden könne. Das Vollstreckungsgericht habe dann zu prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen. Zum Nachweis könne das Vollstreckungsgericht die Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels verlangen. Es müsse sich nicht, anders als der Gerichtsvollzieher bei der Abnahme der Vermögensauskunft, nicht mit der Vorlage einer Abschrift des Vollstreckungsbescheides als elektronisches Dokument begnügen. Die Regelung des § 754a ZPO zum elektronischen Vollstreckungsauftrag sei nicht auf das richterliche verfahren zum Erlass eines Haftbefehls anwendbar. Auch der Umstand, dass der Antrag auf Erlass eines Haftbefehls bereits mit dem elektronisch möglichen Vollstreckungsauftrag möglich sei, beute nicht, dass deshalb § 754a ZPO hier auch anwendbar sei. Der Gesetzgeber habe mit § 754a ZPO eine Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens für geringwertige Forderungen (titulierter Anspruch von max. € 5.000,00 einschl. Nebenforderungen und Kosten) beabsichtigt, keine weiteren – außer dem elektronisch vorgelegten Vollstreckungsbescheid - Urkunden vorgelegt werden müssten. Demgegenüber handele es sich bei einem Haftbefehl, der vollzogen wird, um einen einschneidenden Grundrechtseingriff durch die freiheitsentziehende Maßnahme.

§ 754a Abs. 1 ZPO richte sich ausschließlich an den Gerichtsvollzieher im Hinblick auf dessen Vollstreckungsauftrag, nicht auch an das Vollstreckungsgericht gerichtete Anträge. Das folge bereits aus dem Wortlaut des § 754a Abs. 2 ZPO, der als Vollstreckungsorgan den Gerichtsvollzieher benennt. Ferner spreche die systematische Stellung des § 754a ZPO für dessen Unanwendbarkeit für das Vollstreckungsgericht. Es sei eine Reglung am Ende der Reglungen zur Zuständigkeit von Gerichtsvollziehern. Ferner enthalte § 829a ZPO eine ähnliche Regelung wie § 754a ZPO, allerdings in Bezug auf die elektronische Übermittlung des Vollstreckungsbescheides an das Vollstreckungsgericht zur Erwirkung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (§§ 829, 835 ZPO). Für den Haftbefehl nach § 802g Abs. 1 ZPO fehle eine solche Regelung.

Sinn und Zweck würden hier auch keine erweiternde Auslegung des § 754a ZPO gebieten. In diesem Zusammenhang wies der BGH auf der - trotz Schutzmechanismen wie in § 754a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 ZPO - bestehenden Missbrauchsgefahr hin, weshalb der Gesetzgeber das elektronische Auftragsverfahren auf bestimmte Fälle beschränkt habe.

BGH, Beschluss vom 24.09.2021 - 16 W 28/21 -

Sonntag, 16. August 2020

Zwangsversteigerung und Geldwäschegesetz: Besteht eine gerichtliche Prüfungspflicht ?

Die Antragsgegnerin, die ehemalige Eigentümerin der in der Zwangsvollstreckung befindlichen Immobilie, erhob gegen einen Zuschlagsbeschluss des AG Heilbronn, der in öffentlicher Sitzung vom 19.02.2019 verkündet wurde, fristgerecht sofortige Beschwerde. Diese begründete sie u.a. damit, dass unter der Adresse des Erstehers, der für sich als Privatmann auftrat, eine Vielzahl von Unternehmen (GmbHs, KGs, Stiftung bürgerlichen Rechts) ansässig seien und damit der Verdacht bestünde, dass die eingesetzten Mittel aus strafbaren Handlungen herrühren würden und mithin der Ersteher diese durch ihren Einsatz in der Versteigerung vom Makel befreien und legitimieren wolle (Geldwäsche). Die sofortige Beschwerde wurde zurückgewiesen.

Die sofortige Beschwerde kann nach § 100 Abs. 1 ZVG darauf gestützt werden, dass eine Vorschrift der §§ 81, 83 - 85a ZVG verletzt worden sei. In Betracht käme hier insoweit allenfalls § 83 Nr. 6 ZVG (Unzulässigkeit der Zwangsversteigerung oder deren Fortsetzung aus einem sonstigen Grund).

Das Landgericht wies darauf hin, dass hinreichende Anhaltspunkte, die auf eine rechtswidrige Herkunft der finanziellen Mittel des Erstehers schließen liegen, mit der Angabe zu den Unternehmen an der Adresse des Erstehers nicht dargetan worden seien. Von daher ergäbe sich keine Prüf- oder Ermittlungspflicht des Vollstreckungsgerichts. Die Gerichtskasse selbst, die das Geld vereinnahme und die Auszahlungen vornehme, unterläge nicht dem Geldwäschegesetz (BGH, Beshcluss vom 28.02.2013 - V B 164/12 -).

Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Bargebot nebst Zinsen, welches der Ersteher zahlen müsse, durch Überweisung zu erbringen sei. Dieser Betrag würde der Gerichtskasse vor dem Verteilungstermin gutgeschrieben und ein Nachweis hierfür spätestens im Verteilungstermin vorgelegt werden könne, §§ 107 Abs. 2, 49 Abs. 3 ZVG. Durch die zwingende Einbindung von Banken/Kreditinstituten, die dem Geldwäschegesetz unterliegen und Verpflichtete nach § 2 GwG seien, würde die gesetzeskonforme Überwachung des Zahlungsverkehrs sichergestellt. Lediglich in Eilfällen sei nach dem Landeshinterlegungsgesetz eine Bareinzahlung möglich, der hier aber nicht angesichts der Zahlung vom 21.09.2019 nicht vorgelegen habe, da der Verteilungstermin der 12.04.2019 war.

LG Heilbronn, Beschluss vom 02.04.2019 - 1 T 82/19 - 

Freitag, 23. August 2019

Zwangsvollstreckung – eine defekte Achillessehne des Rechtsstaats ?

Ein nicht seltener Vorgang: Nachdem die vollstreckbare Ausfertigung eines  Titels (hier: Vollstreckungsbescheid) vorlag, wurde Zwangsvollstreckungsauftrag erteilt. Dies erfolgte auf dem amtlich vorgeschriebenen Formular am 11.12.2018. Unter dem 05.03.2019 erfolgte über die zuständige Gerichtsvollzieherverteilerstelle eine Sachstandanfrage, auf die allerdings (wie meist in solchen Fällen) nicht reagiert wurde. Die Anfrage wurde daher am 02.04.2019 unter Fristsetzung zum 16.04.2019 wiederholt. Fad letzte Schreiben wurde vom zuständigen Obergerichtsvollzieher (OGV) per Fax retourniert und mit einem Stempelaufdruck versehen, in dem es hieß:

Ich bin um zügige Erledigung bemüht. Wegen Überlastung ist aber mit längeren Bearbeitungszeiten zu rechnen. Ich bitte um Verständnis. Sie hören automatisch von mir.

Die veranlasste, gegen den zuständigen OGV eine Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Nichtbearbeitung / Verzögerung zu erheben, die vom zuständigen Präsidenten des AG Darmstadt zurückgewiesen. Hier wird ein „überobligatorischer Einsatz“ des OGV versichert und u.a. ausgeführt:

Die Personalsituation im Gerichtsvollzieherdienst ist landesweit äußerst angespannt. Die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts Darmstadt sind seit langer Zeit aufgrund von krankheitsbedingten Personalausfällen besonders hoch belastet.
Die Justizverwaltung versucht Belastungen, so gut es geht, horizontal auszugleichen. So hat der Präsident des Oberlandesgerichts einen Teil des Vollstreckungsbezirks Pfungstadt dem Amtsgericht Groß-Gerau zur Bearbeitung übertragen. Sie mögen daran erkennen, dass alle Seiten im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür arbeiten, die Situation zu verbessern.

Dieses Schreiben vom 30.04.2019 wurde mit Schreiben vom 10.05.2019 ab das Hessische Ministerium der Justiz am 10.05.2019 mit der Frage überlassen, welche Maßnahmen vorgesehen seien, um kurzfristig für eine Wiederherstellung einer effektiven Vollstreckung zu sorgen. In dessen Antwortschreiben vom 05.06.2019 heißt es u.a.:

Die Belastung des Gerichtsvollzieherdienstes ist in den letzten Jahren insbesondere infolge des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung deutlich angestiegen. Bei beiden hier betroffenen Gerichten kamen längerfristige krankheitsbedingte Personalausfälle hinzu.

Ich kann versichern, dass … alle zuständigen Stellen mit Nachdruck bemüht sind, die Arbeitssituation der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher landesweit im Interesse kürzerer Erledigungszahlen zu verbessern. Hierzu wurde die Zahl der zum Vorbereitungsdienst zugelassener Nachwuchskräfte in den letzten Jahren deutlich erhöht und im Haushalt 2018 wurden insgesamt acht neue Stellen für den Gerichtsvollzieherdienst ausgebracht.  … Darüber hinaus werden hier auch strukturelle Überlegungen angestellt, um in Zukunft eine Verstärkung des Personalkörpers im Gerichtsvollzieherdienst zu erleichtern.

Wegen des zu durchlaufenden Vorbereitungsdienstes von 20 Monaten Dauer wird es jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis die getroffenen Maßnahmen nach und nach Wirkung entfalten…

Beachtlich ist sicherlich, dass sowohl das AG Darmstadt als auch das AG Groß-Gerau, welches nach Angaben des Präsidenten des AG Darmstadt durch den Präsidenten des OLG Frankfurt einen Teil des Vollstreckungsbezirks des AG Darmstadt (nämlich Pfungstadt) übernommen hat, personell durch krankheitsbedingte Ausfälle geschwächt sind. Diese Umstrukturierung scheint also wenig sinnvoll gewesen, da beide Amtsgerichte Schwierigkeiten bei der Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher haben. Es ist auch verwunderlich, dass „seit Jahren“ die Zahl der zum Vorbereitungsdienst zugelassener Nachwuchskräfte erhöht worden sein soll, da bei „Jahren“ sich der Vorbereitungsdienst von 20 Monaten bereits entlastend ausgewirkt haben müsste, was aber (landesweit) nicht festgestellt werden konnte. Und bezeichnend ist auch, dass auf den Haushalt 2018 im Jahr 2019 abgestellt wird, da dies doch wohl den Schluss zulässt, dass der Haushalt 2019 nichts vorsieht; allerdings wurde dies im nachfolgenden Schreiben des Ministeriums dahingehend korrigiert, dass es sich um einen Doppelhaushalt 2018/19 handele und ihm Rahmen dessen acht Planstellen in 2018 geschaffen worden seien. Und acht (!) Nachwuchskräfte können wohl bei einer landesweiten, seit Jahren bestehenden Misere in der Zwangsvollstreckung nicht als zielführend angesehen werden. (Das Schreiben ist im Anhang zu lesen).

Auf ein weiteres Schreiben vom 19.06.2019, in dem darauf hingewiesen wurde, dass das vom Ministerium als Begründung der Situation benannte Gesetz zur Reform der Sachaufklärung auf Initiative des Bundesrats (und auch Hessens) eingeführt wurde, nahm das Ministerium mit Schreiben vom 19.08.2019 Stellung. Ziel des Gesetzes sei die Beschleunigung und Erhöhung der Effektivität gewesen und Hessen habe dem (mit Ausnahme von drei Ziffern zur Abgabenordnung) zugestimmt.  Die Belastung der Gerichtsvollzieher sei in den Jahren vor dem Inkrafttreten des Gesetzes 2013 stark rückläufig gewesen. Der Belastungsanstieg sei mit 21% prognostiziert worden. 2017 sei eine Empfehlung zur Methode der künftigen Personalbedarfsberechnung erarbeitet worden. Diese sei in Hessen zum 01.01.2018 umgesetzt worden. Längerfristige Erkrankungen mit der Folge des Ausfalls im Gerichtsvollzieherdienst seien nicht nur in Darmstadt und Frankfurt am Main gegeben; allerdings bestünde seien aktuell Möglichkeiten, im Wege der Personallenkung über Abordnungen, vorübergehende Bezirkszuweisungen o.ä. Abhilfe zu schaffen, eingeschränkt.

Der Verfasser hatte bereits von den Problemen im Rahmen der Zwangsvollstreckung am 14.03.2019 berichtet (https://recht-kurz-gefasst.blogspot.com/2014/03/kommentar-zwangsvollstreckung-der.html). Und in der aktuellen Sache: Der Gerichtvollzieher war hier erfolglos tätig, da die Schuldnerin zwischenzeitlich verzogen war ….

Da der Verfasser viele Zwangsvollstreckungen zu betreiben hat, ist mithin schnell festzustellen, dass es häufig zu erheblichen Verzögerungen kommt, in Hessen aber auch in anderen Bundesländern. Dass die Gerichtsvollzieher mit dem Gesetz zur Reform der Sachaufklärung zusätzlich (erheblich) belastet wurden, ist ersichtlich. Es ist auch verständlich, dass viele Gerichtsvollzieher dem ständigen Druck gesundheitlich nicht gewachsen sind. Da die wirtschaftlichen Umstände darauf deuten, dass es vermehrt zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kommen wird, die durch die Reform der Sachaufklärung zusätzlich geschaffenen Möglichkeiten nicht ausreichend sind, eine Befriedigung des Gläubigers herbeizuführen, dürfte dieser Druck noch weiter zunehmen.

Es war einige Zeit üblich, Forderungen mittels des „schwarzen Mannes“ einzutreiben. Dieser wurde nicht handgreiflich. Er war nur in schwarz gekleidet und folgte dem Schuldner überall hin, wohin sich dieser begab. Letztlich sollte er durch on seiner Schulden bloßgestellt werden und so veranlasst werden, zu zahlen. Dies wurde als Verstoß gegen die guten Sitten und sogar als strafrechtlich relevant angesehen (vgl. z.B. Beschluss des LG Bonn vom 29.11.1994 - 4 T 742/94 -). Die Selbsthilfe könne nicht an die Stelle des staatlichen Gewaltenmonopols treten.

Die Zwangsvollstreckung gehört zu dem staatlichen Gewaltenmonopol (zu zutreffend das LG Bonn aaO.). Wenn aber der Staat ein Monopol hat, welches in die Rechtsordnung direkt eingreift, muss er dieses Monopol auch besetzen, d.h. hier dem Gläubiger die effektive Möglichkeit gibt, seinen Anspruch durch Nutzung dieses Monopols zu verwirklichen. Die derzeitige Situation in der Zwangsvollstreckung durch Gerichtsvollzieher wird dem nicht gerecht. Der Gläubiger muss sich häufig bereits mühselig durch langwierige Prozesse quälen, nicht notwendig bedingt durch den Prozessinhalt, sondern auch durch langfristige Terminierungen der Gerichte (die häufig genug nicht von den gesetzlichen Möglichkeiten zur Verfahrensbeschleunigung Gebrauch machen, z.B. Terminierung mit Ladung von Zeugen nach einem schriftlichen Vorverfahren, wie es das Gesetz vorsieht, § 276 ZPO), sondern muss dann auch noch eine unverhältnismäßige Verzögerung im Rahmen der Vollstreckung hinnehmen. Ein Rechtsstaat hat auf Grund seiner Monopolstellung gerade auch im Bereich der Zwangsvollstreckung dafür zu sorgen, dass ein Rechtsanspruch effektiv durchgesetzt werden kann. Und effektiv bedeutet nicht, dass wegen Personalmangels die Zwangsvollstreckung nur schleppend erfolgt. Wenn Ziel des vom Bundesrat initiierten Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung die Beschleunigung und Erhöhung der Effektivität gewesen sein sollen, wäre dieses Ziel nicht nur verfehlt worden, sondern das Gegenteil erreicht. Es wäre angezeigt, durch gesetzgeberische Maßnahmen, die Gerichtvollzieher wieder zu entlasten.


Die Vollstreckung eines Titels ist ein wesentlicher Teil des vorgegebenen Rechtsweges. Es handelt sich um eine Achillessehne im System. Wird die Vollstreckung (zeitlich) behindert, ist die Achillessehne defekt, das System erkrankt. Das gilt nicht nur für Hessen (vgl. WELT zu Hamburg vom 21.08.2017). 

Samstag, 6. Mai 2017

Weiterbeschäftigungsanspruch: Die Durchsetzung in der Zwangsvollstreckung richtet sich nach der konkreten Beschreibung in dem gerichtlichen Titel

Die Arbeitnehmerin hatte ihre Arbeitgeberin im Rahmen einer einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung in Anspruch genommen. U.a. wurde die Arbeitgeberin im Verfügungsverfahren  verurteilt,  die Arbeitnehmerin als Leiterin der nicht invasiven und ambulanten Kardiologie in der Abteilung Innere Medizin wieder einzusetzen. Da nach Auffassung der Arbeitnehmerin die Arbeitgeberin dem nicht voll umfänglich nachgekommen sei, beantragte sie die Festsetzung eines Zwangsgeldes, hilfsweise Zwangshaft, zu vollstrecken  an dem Vorstandsmitglied der Arbeitgeberin.

Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück. Die dagegen von der Arbeitnehmerin eingelegte Beschwerde wurde vom Landesarbeitsgericht (LAG) zurückgewiesen.

Das LAG hält in seiner Begründung fest, dass die formalen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gegeben wären, insbesondere der titulierte Anspruch hinreichend bestimmt sei. Allerdings habe die Arbeitgeberin diesen Anspruch auch erfüllt.

Von der Arbeitnehmerin wurde gerügt, sie sei nicht „offiziell“ in ihre Position wiedereingesetzt worden.  Nach Ansicht des LAG lässt sich aus dem Titel allerdings nicht ableiten, dass ein Anspruch auf eine „offiziellere“ Wiedereinsetzung als die Wiedereinsetzung selbst nicht bestünde. Auch soweit die Arbeitnehmerin ausführte, sie sei nur formal wiedereingesetzt worden, folgte dem das LAG nicht. Zwar würde die rein formale Wiedereinsetzung keine Erfüllung des Titels darstellen; formal sei die Wiedereinsetzung allerdings nur dann, wenn der Arbeitnehmer nicht an Arbeitsmittel käme oder der Zugang zu sonstigen Einrichtungen und Informationen versagt würde. Dies sei von der Arbeitnehmerin nicht behauptet worden.

Der Streit der Parteien ginge vielmehr um die Reichweite des Direktionsrechts der Arbeitgeberin. U.a. würde darum gestritten, ob sich der bis zum Erlass der Entscheidung eingesetzte Leiter der Ambulanz Dr. E. weiter in ihrer Nähe aufhalten dürfe, der ärztliche Direktor sie kritisieren dürfe, dieser Einfluss auf die Reihenfolge der durchzuführenden Untersuchungen nehmen dürfe, die Arbeitnehmerin an Budget-Gesprächen zu beteiligen sei, sie Patienten behandeln dürfe, ohne diese dem Ambulanzarzt vorzustellen, sie an allen Oberarztkonferenzen teilnehmen dürfe, sie sich nach Kritik an einem Assistenzarzt eine Zurechtweisung durch Dr. E. gefallen lassen müsse.

Das LAG wies darauf hin, dass diese im Vollstreckungsverfahren vorgebrachten Streitpunkte in diesem Verfahren nicht geklärt werden könnten. Zwar gebiete das Rechtsstaatsprinzip die effektive Durchsetzung materiell-rechtlicher Ansprüche auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung, was auch bedeuten würde, dass eine gegebenenfalls schwierig zu klärende Frage geklärt werden müsse, ob gegen einen titulierten Anspruch verstoßen wurde. Vorliegend gäbe aber der titulierte „Beschäftigungsanspruch“ nichts dafür hier, ob die im Einzelnen von der Arbeitnehmerin gerügten und von ihr behaupteten Eingriffe vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst wären oder nicht. Ob dieser oder ein von ihm Beauftragter von seinem Weisungsrecht korrekt Gebrauch gemacht hat, müsse im Erkenntnisverfahren, nicht im Vollstreckungsverfahren geklärt werden.


LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.04.2017 – 1 Ta 2/17 -

Dienstag, 18. Oktober 2016

Gerichtsvollzieher: Ermittlungspflicht zum Aufenthaltsort des Schuldners

Es ist keine Seltenheit, dass der Gläubiger erfolgreich einen Titel gegen den Schuldner (oft mühsam) erstreitet, um dann in der Vollstreckung deshalb nicht weiterzukommen, da der (neue) Aufenthaltsort des Schuldners unbekannt ist. Vorliegend betrieb der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus einem Titel über € € 163,63 zzgl Zinsen und Kosten. Er beauftragte den Gerichtsvollzieher, den Schuldner zur Abnahme der Vermögensauskunft zu laden. Die Gerichtsvollzieherin teilte mit, der Schuldner sei unbekannt verzogen; dies habe eine Nachbarin glaubhaft bekundet, die angegeben habe, dass der Schuldner unter der Meldeanschrift seit längerer Zeit nicht mehr wohne. Der Gläubiger beantragte gemäß § 766 ZPO (Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung) die Gerichtsvollzieherin anzuweisen, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen. Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen; die dagegen eingelegte Beschwerde hatte Erfolg.

Das Landgericht als Beschwerdegericht führte aus, die Gerichtsvollzieherin hätte ohne weitere Ermittlung des Aufenthaltsortes die Zwangsvollstreckung nicht einstellen dürfen. Mit der Befragung einer Nachbarin und der Kontrolle der Klingelschilder habe er seiner Verpflichtung zur Ermittlung einer neuen Anschrift noch nicht genügt. Denn alleine durch Befragen der Nachbarin konnte sie nicht zweifelsfrei feststellen, dass der Schuldner tatsächlich „unbekannt“ verzogen sei, wobei nicht einmal ermittelt wurde, dass unter der bisherigen Anschrift ein neuer Mieter wohnen würde. Auch wenn von einem Gerichtsvollzieher nicht verlangt werden könne, dass er zeitaufwendig investigativ tätig wird, muss er doch offenkundigen Anhaltspunkten und mühelos feststellbaren Äußerlichkeiten nachgehen. Da der Gerichtsvollzieher aktuelle Schuldneranschriften über bestimmte Behörden ermitteln lassen darf, so sei erst recht berechtigt und verpflichtet, die offiziell gültige Meldeanschrift selbst zu überprüfen.

Das Landgericht verweist darauf, dass der Gläubiger anders als der Gerichtsvollzieher nicht über staatliche Autorität verfüge. Dritte sind dem Gläubiger nicht zur Auskunft verpflichtet. Es könne von daher nicht die Aufgabe des Gläubigers sein, Meldeanschriften zu überprüfen. Dazu gehört auch die Befragung des festzustellenden Vermieters. Die hier von der Gerichtsvollzieherin vertretene Ansicht, es handele sich nur um eine Bagatellforderung, greife nicht. Bei der pflichtgemäßen Wahrnehmung und Bemühung des Gerichtsvollziehers ginge es nicht um die Höhe der Forderung, sondern um die Ermöglichung der Zwangsvollstreckung als solcher. Die Ermittlung des Vermieters wäre durch Befragen der Hausbewohner leicht möglich gewesen. Es bestünde eine Vermutung, dass der Vermieter wegen der Abwicklung des Mietverhältnisses (Mietkaution, Abrechnung der Mietnebenkosten) die neue Anschrift des Schuldners habe.


LG Verden, Beschluss vom 31.05.2016 – 6 T 2/16 -

Donnerstag, 7. Mai 2015

Räumungsdurchsetzung des Erstehers bei Suizidgefahr des bisherigen Eigentümers

Bild: Cornelia Menichelli  / pixelio.de
Der Erwerb einer Immobilie im Verfahren der Zwangsversteigerung führt zwar zu einem Räumungstitel gegen den bisherigen Eigentümer, kann aber in der Durchsetzung bei Suizidgefahr desselben in der Durchsetzung erschwert werden. Mit dieser Problematik haben sich das LG Kleve (Urteil vom 24.11.2014) und das LG Frankfurt a.M.  (Urteil vom 03.11.2014) auseinandergesetzt. Das LG Kleve sieht das Gericht vor einer Entscheidung über einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO als verpflichtet an, die zuständige Behörde zu informieren, damit diese geeignete Maßnahmen zum Schutz trifft; wird der Vollstreckungsschuldner dann geschlossen untergebracht, entfalle regelmäßig ein Grund zur Versagung des Zuschlages bzw. für eine Vollstreckungseinstellung. Das LG Frankfurt .M.  will dem Gläubiger eine Ankündigungsfrist auferlegen, um so dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, sich in einem psychiatrischen Krankenhaus vorzustellen; kommt er dem nicht nach, wären die öffentlichen Stellen zu benachrichtigen um erforderliche Maßnahmen zu ergreifen.

Beide Entscheidungen wollen mithin im Ergebnis die Durchsetzung des Räumungsanspruchs erzwingen, wobei zuvor die Sicherung des Schuldners hergestellt werden soll.

LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 03.11.2014 – 2-09 T 528/14 -
LG Kleve, Beschluss vom 24.11.2014 – 4 T 500/14 -

Montag, 16. Februar 2015

Kaufvertrag: Notarielle Vollstreckungsunterwerfung muss konkret sein

Es handelt sich um eine häufig geübte Praxis, in notariellen Kaufverträgen über Immobilien eine Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung des Inhalts aufzunehmen, dass sich der Erwerber „wegen der in dieser Urkunde eingegangenen Zahlungsverpflichtungen, die eine bestimmte Geldsumme zum Gegenstand haben“, der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft. Der BGH hat nunmehr mit Urteil vom 19.12.2014 – V ZR 82/13 – entschieden, dass diese Unterwerfungserklärung mit dem Konkretisierungsgebot des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht vereinbar wäre und der Verstoß zur Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung führt. Diese Unwirksamkeit kann vom Käufer mit der Titelgegenklage analog § 767 ZPO als auch mit der Herausgabeklage analog § 372 BGB geltend gemacht werden. Konkretisierung ist mehr als Bestimmtheit und stellt sich als zusätzliche formelle Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel dar.

Dem Rechtsstreit lag ein notarieller Kaufvertrag mit benannter Unterwerfungserklärung zugrunde. Der Verkäufer hatte auf Grund dieser Unterwerfungserklärung gegen den Käufer nicht wegen des (bezahlten) Kaufpreises vollstreckt, sondern machte Pachtzinsforderungen, die auch mit in dem Vertrag geregelt waren, geltend. Die Vorinstanzen haben die Vollstreckungsgegenklage (als gestaltungsklage analog § 767 ZPO) und Herausgabeklage des Titels durch den Käufer abgewiesen; mit der Revision wurde die Klage vom BGH aus den o.g. Gründen positiv verbeschieden.


BGH, Urteil vom 19.12.2014 – V ZR 82/13 -

Dienstag, 11. März 2014

Kommentar: Zwangsvollstreckung - der Rechtsstaat an seiner Grenze ?

Auf eine Anfrage, weshalb ein Zwangsvollstreckungsuftrag vom 14.11.2013 bisher nicht bearbeitet wurde erfolgte, teilte der Gerichtsvollzieher mit, in seinem Bezirk ruhe wegen Erkrankung seit dem 01.02.2014 die Zwangsvollstreckung. Der Verfasser wandte sich mit folgendem Schreiben an den Direktor des zuständigen Amtsgerichts: 
Sehr geehrter Herr Direktor,
in der Anlage überlasse ich Ihnen ein Schreiben des OGV .... vom 05.03.2014, welcher auf meine Anfrage in bezug auf einen Vollstreckungsauftrag vom 14.11.2013 geantwortet hat. Folgt man den dortigen Angaben, dürfte hier wohl von einem Stillstand der Rechtspflege ausgegangen werden, jedenfalls was Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anbelangt. Damit ist aber das Rechtsstaatsprinzip eklatant gestört, da die Zwangsvollstreckung im Rahmen des Gewaltenteilungsprinzips hier notwendigerweise durch Gerichtsvollzieher durchgeführt werden muss.
Ich bitte um Mitteilung, welche Maßnahmen Sie getroffen haben, um baldige Abhilfe zu schaffen und einen reibungslosen Vollzug zu ermöglichen. Ich bitte um Verständnis, dass ich eine kurzfristige Beantwortung erwarte.
Mit freundlichen Grüßen
Niehus
Rechtsanwalt
Die Antwort auf das Schreiben vom 07.03.2014 kam heute telefonisch vorab: Es wären einige Gerichtsvollzieher krank, die den Arbeitsaufwand nicht mehr schaffen würden. Es gäbe Stellensperrungen. Da (wie auch der Verfasser in anderen Amtsgerichtsbezirken feststellte, bei denen ähnliche Anfragen gestellt wurden) die Krankheiten wegen der ständigen Überbelastung zunehmen hätte auch die Präsidenten bzw. Direktoren von hessischen Amtsgerichten eine Resolution an das Justizministerium(ohne Ergebnis) verfasst. Immer weniger Gerichtsvollzieher mit teilweise nur unzureichender Ausstattung  wären nicht mehr in der Lage, die anfallende Arbeit zu erledigen. 
Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist der Gläubiger auf die Durchführung der Vollstreckung durch einen Gerichtsvollzieher angewiesen. Wenn aber der Staat hierfür nicht die notwendigen Mittel bereitstellt, um die Vollstreckung innerhalb angemessener Frist zu ermöglichen, wird von ihm selbst das Rechtsstaatsprinzip in seinem Kern verletzt. Da sich nach Annahme des Direktors dieses Amtsgerichts der derzeitige Zustand noch verschlimmern wird, dürfte künftighin mancher Gläubiger wohl die “Eigenvollstreckung” betreiben. Wird er nicht durch die staatliche Untätigkeit geradezu zu einem rechtswidrigen Verhalten gedrängt ? Weshalb soll er dann überhaupt noch eventuell langwierige (und teure) Prozesse führen, wenn er am Ende zwar einen Titel gegen den Schuldner hat, diesen aber deshalb nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln umsetzen kann, da der Staat hierfür nicht die sachlichen und personellen Möglichkeiten schafft ? 

Dienstag, 17. September 2013

Pfändung: Anspruch auf Aushändigung von Kontoauszügen

Thorben Wengert_pixelio.de
Wer einen Titel auf Zahlung hat will auch gerne in den Genuss des titulierten Betrages kommen. Ein probates Mittel ist hier die Pfändung des Kontos einschl. eines möglichen Kreditrahmens. Um die Möglichkeiten zu ersehen bietet es sich an, zusammen mit der Pfändung des Kontoguthabens einschl. einer möglichen Kreditlinie auch die Herausgabe von Kontoauszügen zu fordern. Dies ist grundsätzlich möglich, wie der BGH in seiner Entscheidung vom 09.02.2012 - VII ZB 49/10 -  entgegen der angefochtenen Entscheidung des LG Dresden feststellte. Der Schuldner könnte zwar eine Vollstreckungserinnerung einlegen; in dieser müsste er allerdings darlegen, dass unter Abwägung aller Umstände sein Interesse an einer informellen Selbstbestimmung über dem Interesse des Gläubigers an einer ausreichenden Information steht.  
BGH vom 09.02.2012 - VII ZB 49/10