In den AGB der klagenden gewerblichen Autovermietung hieß es unter der Überschrift „Wesentliche Pflichten des Mieters“
„Der Mieter hat jeden Diebstahl oder Verlust (oder gegebenenfalls jeden Unfall) sofort der Polizei anzuzeigen und den Vermieter unverzüglich in Textform über die Anzeige zu unterrichten.“
Der Beklagte hatte einen Unfall nicht sofort der Polizei angezeigt. Die Kosten der Reparatur, die der Beklagte nur in Höhe der vereinbarten Selbstbeteiligung zahlte, waren Streitgenstand. Nach seiner Ansicht kann sich der Autovermieter nicht auf die benannte Klausel berufen, um die weiteren Reparaturkosten von ihm zu fordern, da diese Klausel AGB-widrig sei.
Das Landgericht schloss sich der Rechtsansicht des Beklagten an.
Der Klägerin stünde zwar wegen Verletzung einer Obhutspflicht ein Schadensersatzanspruch zu, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 28.02.2018 – VIII ZR 157/17 -). Dieser Anspruch sei hier aber auf die gezahlte Selbstbeteiligung begrenzt. Unabhängig davon, ob die Klausel bereits wegen Mehrdeutigkeit nach § 305c Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB nicht greife, sei sie jedenfalls nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Danach seien Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam, wenn sie den Vertragspartners des Verwenders der AGB entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, wobei sich eine Unangemessenheit auch daraus ergeben könne, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich sei.
Grundsätzlich bestünden keine Bedenken gegen eine sogen. Polizeiklausel (BGH, Urteil vom 01.12.2009 – XII ZR 117/09 -). Vorliegend weiche die Klausel aber von jener, die der BGH zu beurteilen hatte ab.
Schon die in Klammern gesetzte Formulierung „gegebenenfalls jeden Unfall“ sei nicht klar und verständlich. Die Formulierung „gegebenenfalls“ würde vom Kunden dahingehend verstanden werden können, dass die Verpflichtung nur eingeschränkt gilt. Verstärkt würde dies noch dadurch, dass dies in Klammern gesetzt wurde, demgegenüber die beiden weiteren Ereignisse, die sofort der Polizei zu melden seien (Diebstahl oder Verlust) ohne Klammern genannt seien.
Dieser Eindruck des typischerweise angesprochenen Kunden zu einem Stufenverhältnis zwischen Unfall und Diebstahl/Verlust würde sich würde sich auch dadurch verfestigen, dass es in demselben Paragrafen, einen Abschnitt darüber hieß: „Der Mieter hat dem Vermieter den Unfall, Diebstahl oder Verlust unverzüglich – gleich auf welche Weise – anzuzeigen.“ Da dort die Ereignisse gleichberechtigt nebeneinander genannt wurden, vermute der typischerweise angesprochene Mieter einen Unterschied zu der Polizeiklausel. Ansonsten hätte es heißen können: „Der Mieter hat jeden Diebstahl, Verlust oder Unfall sofort der Polizei anzuzeigen und den Vermieter unverzüglich in Textform über die Anzeige zu unterrichten.“
Es sei auch nicht fernliegend, einen Unterschied zwischen Diebstahl/Verlust und Unfall zumachen. Da Diebstahl eine Straftat sei und auch der Verlust eines Fahrzeugs fast immer auf einer Straftat beruht, mithin die Hinzuziehung der Polizei eine natürliche Erstreaktion sei, sei es bei kleineren Unfällen ohne Personenschaden, bei denen auch keine Verkehrsstraftat (z.B. § 142 StGB, § 315b StGB) in Betracht käme, oder – wie wohl vorliegend – kein Dritter beteiligt war, untypisch die Polizei hinzuzuziehen.
Die Konsequenz der Unwirksamkeit sei, dass sich das Verhältnis der Parteien nach den gesetzlichen Vorschriften orientiere, § 306 Abs. 2 BGB. Hier allerdings würde die Obliegenheit für den Mieter eines Fahrzeugs, die Polizei bei einem Unfall sofort zu informieren, nicht bestehen. Anderes könne auch nicht aus § 28 Abs. 2 und Abs. 3 VVG abgeleitet werden, denn diese Normen setzen eine wirksame und ausdrückliche vertragliche Vereinbarung der Anzeigenobliegenheit voraus, an der es hier in Ansehung der Unwirksamkeit der Polizeiklausel ermangele.
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 04.08.2021 - 2-13 O
333/20 -