Der Sohn der Betroffenen (Beteiligter zu 1.) besaß eine Vorsorgevollmacht, auf Grund der er für sie tätig werden konnte. Auf Initiative von Nachbarn der Betroffenen, die diese häufiger orientierungslos und hilfsbedürftig im Haus und dessen Umgebung angetroffen wurde, wurde das Betreuungsverfahren eingeleitet, und das Amtsgericht als Betreuungsgericht hatte nach Anhörung der Betroffenen und ihres Sohnes und der Einholung eines Sachverständigengutachtens eine Kontrollbetreuung in der Person des Beteiligten zu 2. angeordnet (§ 281 FamFG iVm. § 1896 Abs. 3 BGB).
Das Landgericht wies die Beschwerde der Betroffenen zurück und verwarf die Beschwerde ihres Sohnes wegen mangelnder Beschwerdebefugnis. Die dagegen von der Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde blieb erfolgslos; allerdings wurde die Rechtsbeschwerde des Sohnes nicht wegen mangelnder Beschwerdebefugnis sondern in der Sache abgewiesen.
In der Sache wurde gerügt, dass der amtsgerichtliche Anhörungsvermerk (der Betroffenen) unvollständig sei. Nachdem die fehlende Seite überlassen wurde, wurde diese Rüge nicht weiter aufrechterhalten. Soweit gerügt wurde, dass es für die Betroffene eines Verfahrenspflegers bedurft hätte, sah dies der BGH anders: Weder sähe das Gesetz bei der angeordneten Kontrollbetreuung einen Regelfall der Beiordnung eines Verfahrenspflegers vor, § 276 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 FamFG, noch sei dies gem. § 276 Abs. 1 S. 1 FamFG zur Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen erforderlich gewesen, da die Kontrollbetreuung keine Befugnis enthalte, die Vorsorgevollmacht zu widerrufen (BGH, Beschluss vom 28.07.2015 - XII ZB 674/14 -).
Allerdings sei die Rüge, die Beschwerde des Sohnes zu verwerfen, gerechtfertigt (auch wenn dessen Beschwerde aus den obigen Gründen auch keinen Erfolg hatte). Seine Beschwerdebefugnis ergäbe sich bereits aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG als Abkömmling der Betroffenen, zumal er auch am erstinstanzlichen Betreuungsverfahren beteiligt gewesen sei (BGH, Beschluss vom 17.03.2021 - XII ZB 169/19 -). Zwar habe nicht der Sohn die Rechtsbeschwerde eingelegt, doch könne sich auch die Betroffene auf diesen Verfahrensfehler berufen. Da den Angehörigen und Vertrauenspersonen nach dem Beschwerderecht ausdrücklich im Interesse des Betroffenen eingeräumt sei, sei die Betroffene durch die Verwerfung der Beschwerde des Sohnes materiell beschwert, zumal über die in ihrem Interesse eingelegte Beschwerde nicht materiell entschieden worden sei (BGH, Beschluss vom 14.10.2020 - XII ZB 235/20 -).
Verwerfe das Beschwerdegericht eine Beschwerde unzulässig, könne grundsätzlich in der Rechtsbeschwerde über diese nicht entschieden werden (was zur Zurückverweisung führen müsste). Ausnahmsweise sei aber das Rechtsbeschwerdegericht zu einer Sachentscheidung befugt, wenn dem angefochtenen Beschluss eine für die abschließende rechtliche Beurteilung ausreichende tatsächliche Grundlage dem angefochtenen Beschluss zu entnehmen sei und für den Fall einer Zurückverweisung an das Beschwerdegericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung des Sachverhalts ein anders Ergebnis als das vom Rechtsbeschwerdegericht für richtig erachtete nicht möglich erscheine (BGH, Beschluss vom 04.09.2013 - XII ZB 97/12 -).
Da vorliegend das Beschwerdegericht das einheitlich gehaltene Vorbringen der Betroffenen und ihres Sohnes vollumfänglich gewürdigt habe und seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, habe es seine Entscheidungsgrundlage nicht verkürzt. Das Landgericht als Beschwerdegericht habe ausführlich und richtig begründet, weshalb eine Kontrollbetreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB erforderlich sei, da der Sohn der Betroffenen die Interessen der Betroffenen nicht hinreichend wahrnehme (BGH, Beschluss vom 05.06.2019 - XII ZB 59/19 -).
BGH, Beschluss vom 25.08.2021
- XII ZB 436/20 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die
Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des
Landgerichts Augsburg vom 31. August 2020 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Augsburg vom 27. Februar 2020 nicht verworfen, sondern
zurückgewiesen wird.
Das Verfahren
der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten sind
nicht zu erstatten.
Wert: 5.000 €
Gründe
I.
Gegenstand des
Verfahrens ist die Anordnung einer Kontrollbetreuung für die 1940 geborene
Betroffene, die an Demenz leidet.
Die Betroffene
erteilte ihrem Sohn (Beteiligter zu 1) im Januar 2016 eine Vorsorgevollmacht.
Auf Anregung von Nachbarn der Betroffenen ist das vorliegende
Betreuungsverfahren eingeleitet worden, nachdem die Betroffene im Haus und in
dessen Umgebung wiederholt orientierungslos und hilfsbedürftig angetroffen
worden war.
Das Amtsgericht
hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie Anhörung der
Betroffenen und ihres Sohnes eine Kontrollbetreuung angeordnet und den
Beteiligten zu 2 zum Betreuer bestellt. Das Landgericht hat die Beschwerde der
Betroffenen zurückgewiesen und die Beschwerde ihres Sohnes wegen mangelnder
Beschwerdebefugnis verworfen.
Dagegen richtet
sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen, welche den Wegfall der
Kontrollbetreuung erstrebt.
II.
Die
Rechtsbeschwerde führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses,
soweit die Beschwerde des Beteiligten zu 1 verworfen worden ist. Seine
zulässige Beschwerde ist jedoch in der Sache zurückzuweisen.
1. Die
von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rügen haben im Ergebnis keinen Erfolg.
a)
Soweit die Rechtsbeschwerde gerügt hat, dass der amtsgerichtliche
Anhörungsvermerk unvollständig sei und das Beschwerdegericht die Betroffene
daher erneut hätte anhören müssen, hat sie diese Rüge nach Übersendung der
fehlenden Seite des Anhörungsvermerks durch das Beschwerdegericht nicht mehr
aufrechterhalten.
b) Der
Bestellung eines Verfahrenspflegers bedurfte es entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde nach dem gegenwärtig geltenden Recht nicht. Bei der vorliegend
angeordneten Kontrollbetreuung handelt es sich weder um einen Regelfall nach
§ 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 FamFG, noch war die
Bestellung eines Verfahrenspflegers gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1
FamFG zur Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen erforderlich. Die
Kontrollbetreuung enthält keine Befugnis des Betreuers zum Widerruf der
Vorsorgevollmacht. An der von der Rechtsbeschwerde zitierten gegenläufigen
Senatsrechtsprechung im Senatsbeschluss vom 13. November 2013 (XII ZB 339/13 -
FamRZ 2014, 192 Rn. 13 ff.) hat der Senat nicht festgehalten (Senatsbeschluss
BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702 Rn. 18 mwN). Mithin rechtfertigt eine
Kontrollbetreuung entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde schon wegen der
deutlich geringeren Eingriffsintensität keine Gleichstellung mit einer
Betreuung in allen Angelegenheiten.
c) Die
Rechtsbeschwerde rügt dagegen zutreffend, dass die Verwerfung der Beschwerde
des Sohnes der Betroffenen zu Unrecht erfolgt ist.
Entgegen der
Auffassung des Landgerichts war der Sohn der Betroffenen für die Erstbeschwerde
beschwerdebefugt. Die Beschwerdebefugnis stand ihm nach § 303 Abs. 2
Nr. 1 FamFG schon als Abkömmling der Betroffenen zu, zumal er am
erstinstanzlichen Betreuungsverfahren beteiligt worden ist (vgl.
Senatsbeschluss vom 17. März 2021 - XII ZB 169/19 - FamRZ 2021, 1062 Rn. 7
mwN).
Dass der Sohn
der Betroffenen keine eigene Rechtsbeschwerde eingelegt hat, steht dem nicht
entgegen. Vielmehr kann sich auch die Betroffene auf diesen Verfahrensfehler
berufen. Da das Beschwerderecht Angehörigen und Vertrauenspersonen vom Gesetz
ausdrücklich im Interesse des Betroffenen gewährt wird, ist die Betroffene durch
die Verwerfung der Beschwerde auch materiell beschwert, zumal über die in ihrem
Interesse eingelegte Beschwerde ihres Angehörigen nicht in der Sache
entschieden worden ist (vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 227, 161 = FamRZ 2021,
138 Rn. 15 f.).
2. Der Senat
kann in der Sache nach § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG selbst
entscheiden, da die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die Beschwerde des
Beteiligten zu 1 ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
a) Hat
das Beschwerdegericht die Beschwerde als unzulässig verworfen, ist das
Rechtsbeschwerdegericht ausnahmsweise zu einer Sachentscheidung befugt, wenn
dem angefochtenen Beschluss eine für die abschließende rechtliche Beurteilung
ausreichende tatsächliche Grundlage zu entnehmen ist und für den Fall einer
Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht bei zutreffender
rechtlicher Würdigung des Sachverhalts ein anderes Ergebnis als das vom
Rechtsbeschwerdegericht für richtig erachtete nicht möglich erscheint
(Senatsbeschluss vom 4. September 2013 - XII ZB 87/12 - FamRZ 2013, 1879 Rn. 15
zu § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO mwN; Keidel/Meyer-Holz FamFG 20.
Aufl. § 74 Rn. 71 mwN).
b) Das
ist vorliegend der Fall. Das Landgericht hat das in der Beschwerdeinstanz
einheitlich gehaltene gemeinsame Vorbringen der Betroffenen und des Beteiligten
zu 1 in vollem Umfang gewürdigt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
Dadurch, dass es die Beschwerde des Beteiligten zu 1 verworfen hat, hat es
dementsprechend seine Entscheidungsgrundlage hinsichtlich des einheitlichen
Verfahrensgegenstands nicht verkürzt.
Aufgrund des
somit erschöpfend aufgeklärten Sachverhalts ist auch die Beschwerde des
Beteiligten zu 1 unbegründet. Das Landgericht hat in der angefochtenen
Entscheidung ausführlich begründet, dass eine Kontrollbetreuung nach
§ 1896 Abs. 3 BGB erforderlich ist, weil der Beteiligte zu 1 als
Bevollmächtigter die Interessen der Betroffenen nicht hinreichend wahrnimmt
(vgl. Senatsbeschluss vom 5. Juni 2019 - XII ZB 58/19 - FamRZ 2019, 1355 Rn. 19
mwN). Das ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden und wird auch von
der Rechtsbeschwerde in der Sache nicht angegriffen.
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