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Mittwoch, 27. März 2024

Wenn ein anderer Betreuer vom Betreuten gewollt wird (Betreuungserweiterung)

Für die Betroffene bestand Betreuung. Der Beteiligte zu 2. war als Betreuer berufen. Er regte im September 2022 an, den Aufgabenbereich des Betreuers um den Aufgabenbereich Gesundheitssorge zu erweitern, nachdem die Betroffene in einem sozialgerichtlichen Verfahren die Befreiung von Ärzten von ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung auf Anraten ihrer Mutter verweigerte; Folge war, dass das Sozialamt bisher geleistete Beitragszahlungen in die Krankenkasse einstellte. Das Amtsgericht erweiterte den Aufgabenbereich der Betrauung entsprechend und bestellte insoweit auch den Beteiligten zu 2. als Betreuer. Die von der Betroffenen und ihrer Mutter dagegen eingelegte Beschwerde wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde war erfolgreich.

Auch das Beschwerdegericht sei davon ausgegangen, dass gem. § 1814 Abs. 2 BGB ein Betreuer nicht gegen den freien Willen eines Volljährigen bestellt werden könne. Allerdings würde zutreffend beanstandet, dass das Beschwerdegericht angenommen habe, die Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuung um jenen der Gesundheitssorge entspreche dem Willen der Betroffenen.

In ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht als auch gegenüber dem vom Amtsgericht bestellten Sachverständigen habe die Betroffene erklärt, ohne Unterstützung bei ihren Angelegenheiten der Gesundheitssorge diese nicht bewältigen zu können und grundsätzlich diesbezüglich mit einer Erweiterung der Betreuung einverstanden zu sein. Gleichzeitig aber habe sie ihre Unzufriedenheit mit dem Beteiligten zu 2. als Betreuer geäußert und mit dessen Bestellung für die Gesundheitssorge nicht einverstanden zu sein. Sie würde ihre gesundheitlichen Angelegenheiten gemeinsam mit ihrer Mutter, der sie Vollmacht erteilt habe, regeln und wünsche sich daher bei einer entsprechenden Erweiterung der Betreuung zur Gesundheitssorge ihre Mutter als Betreuerin dafür.  Damit habe die Betroffene ihr Einverständnis mit der Erweiterung der Betreuung an die Bedingung geknüpft, dass ihre Mutter zur Betreuerin im Hinblick auf den Gegenstand der Betretungserweiterung als Betreuerin bestellt würde.

Die Erweiterung der Betreuung mit einem anderen als dem gewünschten Betreuer widerspreche damit dem nach § 1814 Abs. 2 BGB beachtlichen freien Willen der Betroffenen. Dieser freie Wille müsse auch dann respektiert werden, wenn die Fortführung der bestehenden Betreuung für den betroffenen objektiv vorteilhaft wäre. In einem solchen Fall sei trotz Betreuungsbedürftigkeit die Einrichtung oder Erweiterung der Betreuung ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 21.06.2017 -XII ZB 237/17 -).

Das Beschwerdegericht (Landgericht) müsse nun Feststellungen zur Frage eines freien Willens iSv. § 1814 Abs. 2 BGB treffen. Entscheidend dafür seien Einsichtsfähigkeit der Betroffenen und deren Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, und sich dabei von den Einflüssen interessierter Dritter abzugrenzen (BGH, Beschluss vom 07.12.2022 - XII ZB 158/22 -).

BGH, Beschluss vom 10.01.2024 - XII ZB 217/23 -

Freitag, 15. Dezember 2023

Ergänzungspflegschaft für minderjähriges Kind zur Abänderung des Unterhaltstitels ?

Die Beteiligten sind die nichtverheirateten Eltern des 15-jährigen N., die gemeinsam sorgeberechtigt sind. Der Vater, der sich in vollstreckbar verpflichtet hatte, 105% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersgruppe zu zahlen, hatte inzwischen wesentliche Teile der Betreuung, die zunächst bei der Mutter lagen, übernommen (wobei streitig war, ob ein symmetrisches Wechselmodell gelebt wurde), was zu einer Herabsetzung des Unterhalts auf den Mindestunterhalt führte. Vom Vater wurde gegen die Tochter ein unterhaltsabänderungsverfahren anhängig gemacht. Nach Anhörung hat das Amtsgericht im Wege einer einstweiligen Anordnung eine Ergänzungspflegschaft für die Tochter zur Vertretung im Unterhaltsverfahren eingerichtet. Auf die Beschwerde der Mutter wurde dieser Beschluss vom Oberlandesgericht aufgehoben.

Vom Grundsatz gelte das gemeinsame Sorgerecht gem. § 1626 Abs: 1 Nr. 1 BGB. Allerdings sei der Vater in Ansehung des von ihm eingeleiteten Unterhaltsabänderungsverfahren gegen seine Tochter gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2m, 181 BGB nicht mehr vertretungsberechtigt. Die Eltern seien nach § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB insoweit von der Vertretung ausgeschlossen, als ein Betreuer gem. § 1824 BGB von der Vertretung des betreuten ausgeschlossen sei. Nach § 1824 Abs. 2 BGB bliebe aber § 181 BGB unberührt. Danach könne ein Vertreter mit sich selbst im eigenen Namen kein Rechtsgeschäft vornehmen. Auch wenn im Prozessrecht § 181 BGB nicht direkt anwendbar sei, gelte doch, dass niemand in einem Prozess auf beiden Seiten Partei sein könne (BGH, Beschluss vom 11.12.1995 - II ZR 220/94 -). Dies wäre aber vorliegend der Fall, wenn der auf Abänderung des Unterhaltstitels gegen seine Tochter vorgehende Vater gleichzeitig diese zusammen mit ihrer Mutter vertreten würde.

Der dadurch bedingte Ausschluss des Vaters von der Vertretungsmacht bedinge aber nicht eine Ergänzungspflegschaft, da noch die Vertretungsmöglichkeit durch die Mutter alleine verblieben wäre. Die früher vertretene Auffassung, das bei einer gemeinsamen elterlichen Sorge und einem rechtlichem Ausschluss des Vaters von der Vertretung die Mutter nicht alleine vertreten könne und ein Ergänzungspfleger bestellt werden müsse, sei mit der Entscheidung des BGH im Beschluss vom 24.03.2021 - XII ZB 364/19 - aufgegeben worden. Die Mutter sie in diesen Fällen nur dann auch von der Vertretung ausgeschlossen, wenn in ihrer Person ein eigenes Vertretungshindernis bestünde.  Da die Eltern nicht miteinander verheiratet seien, läge ein solcher Fall nicht vor; §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1823 Abs. 1 Nr. 1, 3 BGB seien nicht anwendbar.

Auch sei es nicht veranlasst der Mutter gem. § 1629 Abs. 2 S. 3 iVm. § 1789 Abs. 2 S. 3, 4 BGB die elterliche Sorge zu entziehen, da zwischen ihrem Interesse und jenem des Kindes kein erheblicher Unterschied läge, vielmehr sogar eine vehemente Verteidigung des Unterhaltstitels durch die Mutter zu erwarten sei.

Damit käme es auf die streitige Frage nicht an, ob die Mutter nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB alleine vertretungsberechtigt sei, da sie die Obhut über das Kind ausübe, oder eine Alleinvertretung von Mutter (und Vater) ein symmetrisches Wechselmodell leben würden und keiner der Eltern die Obhut gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB ausübe.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 12.10.2023 - 12 UF 81/23 -

Dienstag, 18. Oktober 2022

Voraussetzung für geschlossene Unterbringung des Betreuten (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB)

Auf Antrag des Betreuers der Betroffenen genehmigte das Amtsgericht die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Anstalt, wogegen die Betreute Beschwerde einlegte, die vom Landgericht zurückgewiesen wurde. Dabei verwies das Landgericht darauf, dass die Betreute seit Jahrzehnten an einer bipolaren Störung mit leichter Demenz leide, was sich durch Realitätsverkennung mit eigen- und fremdgefährdenden Verhalten auszeichne.

Die Rechtsbeschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung an das Landgericht.

Gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mir Freiheitsentziehung verbunden sei, nur zulässig, solange dies zum Wohl des Betreuten erforderlich sei um der Gefahr entgegenzuwirken, dass dieser aufgrund psychischer Krankheit oder Behinderung sich selbst töte oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufüge. Diese Gefahr müsse ernstlich und konkret sein. Erforderlich seien objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte. Eine notwendige Prognose des Tatrichters basiere auf der Anhörung des Betroffenen und der weiteren beteiligten sowie des nach § 321 FamFG einzuholenden Sachverständigengutachtens. Formelhafte Wendungen zur Begründung eine solchen Beschlusses seien unzulässig; vielmehr müssten in jedem Einzelfall die die Umstände begründenden Tatsachen konkret nachvollziehbar dargelegt werden.

Sowohl in der Entscheidung des Landgerichts als auch in dem von dem zugrunde gelegten Sachverständigengutachten würde es daran ermangeln; vielmehr beschränke sich die Begründung auf formelhafte Wendungen. Krankheitsbedingte Einschränkungen der Betreuten seien nicht auf eine konkrete Gefahrenlage der Betreuten übertragen worden. Es fehle zudem an der erforderlichen Relation zum möglichen Schaden für die Betroffene ohne Anordnung der geschlossenen Unterbringung. Soweit im Sachverständigengutachten als auch Beschluss selbst von einer möglichen Fremdgefährdung die Rede sei, sei dies für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB ohne Belang.

BGH, Beschluss vom 20.07.2022 - XII ZB 81/22 -

Montag, 14. März 2022

Betreuung: Eigene Erstbeschwerde des Betreuers grds. Voraussetzung für Rechtsbeschwerde

Gegen eine Entscheidung des Landgerichts, mit der eine Beschwerde der Mutter (Betroffene) ihres die Rechtsbeschwerde führenden Sohnes betroffen war, legte der Sohn das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde im eignen Namen ein.  Die Rechtsbeschwerde wurde vom BGH als unzulässig verworfen.

Der Sohn der Betroffenen sei durch die Entscheidung nicht beschwert. Die Beschwerde vom 22.07.2017  gegen die angefochtene Entscheidung wurde von dem Sohn der Betroffenen durch eine von ihm beauftragten Rechtsanwältin unter Verweis auf eine vom 22.10.2016 datierende Vollmacht ausdrücklich im Namen der Betroffenen (Mutter) eingelegt. Der Sohn war Vorsorgebevollmächtigter seiner Mutter und hätte damit nach § 303 FamFG die Beschwerde auch im eigenen Namen einlegen können, davon aber keinen Gebrauch gemacht, sondern nach § 303 Abs. 4 S. 1 FamFG (zulässig als Vorsorgebevollmächtigter) die Beschwerde im Namen seiner Mutter als Betroffener eingelegt. Damit sei die Mutter selbst Beschwerdeführerin des Erstbeschwerdeverfahrens und somit auch nur sie selbst als Rechtmittelführerin von der Zurückweisung des Rechtsmittels formell beschwert.

Der Sohn als Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsbeschwerde sei durch die Entscheidung im Rahmen der Erstbeschwerde nicht selbst in seinen Rechten betroffen und damit in direkter oder entsprechender Anwendung der im Betreuungsrecht geltenden Sonderregelung in § 303 Abs. 2 FamFG rechtsbeschwerdeberechtigt. Anders wäre dies nur dann, wenn durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts (Landgericht) die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert worden wäre, was hier mit der Zurückweisung der (Erst-) Beschwerde der für die Mutter eingelegten Beschwerde nicht erfolgt sei. Fehle es aber an einer inhaltlichen Abänderung, durch die der Sohn als Rechtsbeschwerdeführer beschwert worden sein könnte, sei sein nunmehr im eigenen Namen eingelegtes Rechtsmittel unzulässig.

Dies wurde bereits in dem in der Entscheidung des BGH benannten Beschluss  vom 14.10.2020 - XII ZB 91/20 – ausgeführt, in dem auch darauf hingewiesen wurde, dass davon abweichend dann der Betreuer bzw. der Vorsorgebevollmächtigte selbst die Rechtsbeschwerde ohne eigene Beteiligung am Beschwerdeverfahren einlegen könne, wenn mit der Beschwerdeentscheidung erstmals in seinen Aufgabenbereich eingegriffen würde.

BGH, Beschluss vom 15.12.2021 - XII ZB 383/21 -

Freitag, 17. Dezember 2021

Unzulässige Verwerfung der Beschwerde und Sachentscheidung durch Beschwerdegericht

Der Sohn der Betroffenen (Beteiligter zu 1.) besaß eine Vorsorgevollmacht, auf Grund der er für sie tätig werden konnte. Auf Initiative von Nachbarn der Betroffenen, die diese häufiger orientierungslos und hilfsbedürftig im Haus und dessen Umgebung angetroffen wurde, wurde das Betreuungsverfahren eingeleitet, und das Amtsgericht als Betreuungsgericht hatte nach Anhörung der Betroffenen und ihres Sohnes und der Einholung eines Sachverständigengutachtens eine Kontrollbetreuung in der Person des Beteiligten zu 2.  angeordnet (§ 281 FamFG iVm. § 1896 Abs. 3 BGB).   

Das Landgericht wies die Beschwerde der Betroffenen zurück und verwarf die Beschwerde ihres Sohnes wegen mangelnder Beschwerdebefugnis. Die dagegen von der Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde blieb erfolgslos; allerdings wurde die Rechtsbeschwerde des Sohnes nicht wegen mangelnder Beschwerdebefugnis sondern in der Sache abgewiesen.

In der Sache wurde gerügt, dass der amtsgerichtliche Anhörungsvermerk (der Betroffenen) unvollständig sei. Nachdem die fehlende Seite überlassen wurde, wurde diese Rüge nicht weiter aufrechterhalten. Soweit gerügt wurde, dass es für die Betroffene eines Verfahrenspflegers bedurft hätte, sah dies der BGH anders: Weder sähe das Gesetz bei der angeordneten Kontrollbetreuung einen Regelfall der Beiordnung eines Verfahrenspflegers vor, § 276 Abs. 1  S. 2 Nr. 1 und 2 FamFG, noch sei dies gem. § 276 Abs. 1 S. 1 FamFG zur Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen erforderlich gewesen, da die Kontrollbetreuung keine Befugnis enthalte, die Vorsorgevollmacht zu widerrufen (BGH, Beschluss vom 28.07.2015 - XII ZB 674/14 -).  

Allerdings sei die Rüge, die Beschwerde des Sohnes zu verwerfen, gerechtfertigt (auch wenn dessen Beschwerde aus den obigen Gründen auch keinen Erfolg hatte). Seine Beschwerdebefugnis ergäbe sich bereits aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG als Abkömmling der Betroffenen, zumal er auch am erstinstanzlichen Betreuungsverfahren beteiligt gewesen sei (BGH, Beschluss vom 17.03.2021 - XII ZB 169/19 -). Zwar habe nicht der Sohn die Rechtsbeschwerde eingelegt, doch könne sich auch die Betroffene auf diesen Verfahrensfehler berufen. Da den Angehörigen und Vertrauenspersonen nach dem Beschwerderecht ausdrücklich im Interesse des Betroffenen eingeräumt sei, sei die Betroffene durch die Verwerfung der Beschwerde des Sohnes materiell beschwert, zumal über die in ihrem Interesse eingelegte Beschwerde nicht materiell entschieden worden sei (BGH, Beschluss vom 14.10.2020 - XII ZB 235/20 -).  

Verwerfe das Beschwerdegericht eine Beschwerde unzulässig, könne grundsätzlich in der Rechtsbeschwerde über diese nicht entschieden werden (was zur Zurückverweisung führen müsste). Ausnahmsweise sei aber das Rechtsbeschwerdegericht zu einer Sachentscheidung befugt, wenn dem angefochtenen Beschluss eine für die abschließende rechtliche Beurteilung ausreichende tatsächliche Grundlage dem angefochtenen Beschluss zu entnehmen sei und für den Fall einer Zurückverweisung an das Beschwerdegericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung des Sachverhalts ein anders Ergebnis als das vom Rechtsbeschwerdegericht für richtig erachtete nicht möglich erscheine (BGH, Beschluss vom 04.09.2013 - XII ZB 97/12 -).

Da vorliegend das Beschwerdegericht das einheitlich gehaltene Vorbringen der Betroffenen und ihres Sohnes vollumfänglich gewürdigt habe und seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, habe es seine Entscheidungsgrundlage nicht verkürzt. Das Landgericht als Beschwerdegericht habe ausführlich und richtig begründet, weshalb eine Kontrollbetreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB erforderlich sei, da der Sohn der Betroffenen die Interessen der Betroffenen nicht hinreichend wahrnehme (BGH, Beschluss vom 05.06.2019 - XII ZB 59/19 -).

BGH, Beschluss vom 25.08.2021 - XII ZB 436/20 -

Montag, 6. September 2021

Wirksame Zustellung einer Unterbringungsgenehmigung nach FamFG und Fristenlauf

Das Amtsgericht ordnete mit am 30.01.2020 zur Post aufgegebenen Beschluss vom 23.01.2020 die geschlossene Unterbringung bis 23.01.2021 und zwei ärztliche Zwangsmaßnahmen der Betroffenen im Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)  an. Eine am 03.03.2020 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde wurden wegen Ablaufs der Rechtmittelfrist zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts und zur Zurückverweisung an dieses.

Entgegen der Annahme des Landgerichts sei die Beschwerdefrist von einem Monat gem. § 63 Abs. 1 FamFG nicht abgelaufen gewesen. Die Frist würde erst mit Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses bei der Betroffenen zu laufen beginnen, § 63 Abs. 3 S. 1 FamFG, wobei die Bekanntgabe durch förmliche Zustellung (§§ 166ff ZPO) oder durch Aufgabe zur Post erfolgen könne (§ 14 Abs. 2 S. 1 FamFG). Das Gericht habe aber dann keine Wahlmöglichkeit zur Zustellungsart, wenn eine spezielle gesetzliche Regelung eine bestimmte Form vorschreibe, wie dies in § 41 Abs. 1 S. 2 FamFG vorgesehen sei, demzufolge wie hier anfechtbare Beschlüsse förmlich zuzustellen sind. Die Zustellung müsse in diesem Fall an den Betreuten selbst erfolgen; eine Ersatzzustellung an den Betreuer sei unzulässig (BGH, Beschluss vom 26.06.2019 – XII ZB 35/19 -). Wird die Form nicht eingehalten, werde die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt. Eine Heilung bei tatsächlichen Zugang bei der Betroffenen entspr. § 189 ZPO scheide aus, da dies zur Voraussetzung habe, dass das Gericht eine Zustellung jedenfalls angestrebt hätte (BGH, Urteil vom 29.03,2017 – VIII ZR 11/16 -). Würde aber wie hier bewusst von einer förmlichen Zustellung an der Betroffenen Abstand genommen und die Bekanntgabe mittels Post angeordnet, käme es auf den tatsächlichen Zugang nicht an.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den BGH im Rahmen der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts war die Unterbringungsgenehmigung als auch die Genehmigung für die ärztlichen Zwangsmaßnahmen bereits abgelaufen. Von daher sei der betroffenen die Möglichkeit zu geben, im Rahmen der eingelegten Beschwerde ihren Antrag auf einen Feststellungsantrag iSv. § 62 FamFG  umzustellen.

BGH, Beschluss vom 16.06.2021 - XII ZB 358/20 -

Samstag, 23. Januar 2021

Betreuung: Ärztliche Zwangsmaßnahmen und Anforderung an gerichtliche Genehmigung

 

Die Betroffene war 73 Jahre und litt an einer katatonen Schizophrenie. Sie geriet hierbei in akute katatone Zustände mit lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisungen. Ihr Betreuer beantragte beim Amtsgericht (AG) ihre Unterbringung sowie Zwangsbehandlung mit Risperidon pp. sowie regelmäßige Blutentnahmen, was vom Amtsgericht für die Zeit bis längstens 21.01.2020 mit der Maßgabe genehmigt wurde, erforderlichenfalls auch mechanische Fixierungen vorzunehmen. Die Betroffene erhob erfolglos Beschwerde zum Landgericht (LG), welches lediglich anstelle der Zwangsmaßnahmen also solche die Einwilligung in diese durch den Betreuer genehmigte. Mit der Rechtsbeschwerde machte die Betroffene geltend, dass sie – soweit es die Zwangsbehandlung betreffe – in ihren Rechten verletzt würde.  

Da zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den BGH der zeitliche Rahmen der Entscheidung abgelaufen war, führte die Rechtsbeschwerde zu nunmehr beantragten Rechtswidrigkeitsfeststellung entsprechend § 62 FamFG.

Der BGH rügte die Beschlussformel bei der Genehmigung durch Amts- und Landgericht. Diese müsse nach § 323 Abs. 3 FamFG eine Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung Angaben darüber enthalten, dass diese Zwangsmaßnahme unter der Verantwortung eines Arztes erfolge und entsprechend zu dokumentieren sei. Dies sei nicht lediglich eine Klarstellung im Tenor. Vielmehr würde durch den Beschlusstenor die Rechtmäßigkeit der ärztlich durchzuführenden Zwangsmaßnahme unabhängig von Bedingungen aus dem zivilrechtlich zu beurteilenden Behandlungsvertrag daran geknüpft, dass diese Vorgaben auch erfüllt würden.

Dieser zwingenden Anforderung habe der Beschluss des AG nicht entsprochen. Das LG habe damit die Beschwerde ohne Hinzufügung der nach § 323 Abs. 2 FamFG erforderlichen Angaben zur Durchführung und Dokumentation in Verantwortung eines Arztes nicht zurückweisen dürfen. Dieses Unterlassen führe dazu, dass die Anordnung insgesamt gesetzeswidrig sei und damit die Betroffene in ihren Rechten verletzt worden sei.

Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtwidrig ergäbe sich trotz Zeitablaufs aus dem schwerwiegenden Grundrechtsengriff, § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.

BGH, Beschluss vom 30.09.2020 - XII ZB 57/20 -

Mittwoch, 8. Juli 2020

Verletzungsbedingter Mehraufwand (hier für Betreuer) im Urlaub als Schaden ?


Die Klägerin, die eine Rundumbetreuung bedurfte, machte gegen den Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung Ersatz von behinderungsbedingten Mehrkosten einer Urlaubsreise geltend. Es handelt sich um die Zusatzkosten für drei Personen für eine Woche in einem auf schwerbehinderte Menschen spezialisierten Hotel auf Gran Canaria, bei denen sie von den Kosten ersparten Verpflegungsaufwand abzog, und um eigene zusätzliche Kosten für die Reisedurchführung mittels Rollstuhltransport und die erhöhten Kosten durch die Spezialisierung des Hotels.

Die Klage war erfolgreich; die Revision der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.

Die Einstandspflicht des Schädigers erstrecke sich auf alle Vermögeneinbußen des Geschädigten aus der diesem zugefügten Verletzung, § 249 Abs. 1 BGB. Insoweit habe der Schädiger den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Damit seien insbesondere auch die infolge dauernder Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens entstehenden Nachteile auszugleichen. Hierzu würden auch verletzungsbedingt erforderliche Kosten einer Begleitung (so bei Spaziergängen, Behördengängen, zu kulturellen Veranstaltungen u.a.) gehören. Der Mehrbedarf bestimme sich nach den Dispositionen, die ein verständiger Geschädigter an Mitteln aufwenden würde, wenn er diese selbst zu tragen habe und tragen könnte.

Die Ersatzpflicht bei einer Urlaubsreise sei dann ausgeschlossen, wenn die vom Geschädigten vorgenommene Ortsveränderung mit unverhältnismäßigen und für den Schädiger nach Trau und Glauben nicht zumutbaren Aufwendungen verbunden sei. Auf eine medizinische Notwendigkeit der Ortsveränderung käme es allerdings nicht an.

Soweit die Parteien einen endgültigen Vergleich zu den immateriellen Kosten geschlossen hatten, wies der BGH die Rechtsansicht der Beklagten zurück, es würde sich hier bei den Mehraufwendungen für die Betreuung um eine Kompensation für Einschränkungen der Freizeitgestaltung handeln und damit um einen immateriellen Schaden. Die Kosten seien entstanden, da die Klägerin die Reise aufgrund der Behinderung nur in Begleitung von Betreuungspersonen und unter Inanspruchnahme besonderer Dienstleistungen (so der Rollstuhltransport) habe unternehmen können. Es handele sich um Aufwendungen, die die Reise erst ermöglichen würden und damit der Herstellung eines Zustandes dienen würden, der möglichst nahe dem Zustand käme, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Der Ersatzanspruch beruhe daher auf § 249 BGB und stelle sich nicht als Ausgleich dafür dar, dass die Klägerin ihren Urlaub nicht so genießen könne, wie dies ohne das schädigende Ereignis möglich gewesen wäre.

BGH, Urteil vom 10.03.2020 - VI ZR 316/19 -

Mittwoch, 27. Februar 2019

Betreuung: Zur notwendigen (erneuten) Anhörung des Betroffenen


Der Betroffene soll an einer maniformen Psychose leiden, weshalb das Amtsgericht eine Betreuung für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Regelung des Postverkehrs, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie (hier mit Einwilligungsvorbehalt) Vermögensangelegenheiten anordnete und die Beteiligte zu 1 als Berufsbetreuerin bestimmte. Die Beschwerde des Betroffenen wies das Landgericht zurück. Auf die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hob der BGH den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache an das Landgericht (Beschwerdegericht) zurückverwiesen.

Der BGH stützte seine Entscheidung auf § 68 Abs. 3 S. 2 FamG. Zwar könne danach das Beschwerdegericht von einer erneuten Anhörung des Betroffenen absehen, so wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückläge, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte ergäben, das Beschwerdegericht das Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend  werten wolle und es auf den persönlichen Eindruck des Betroffenen nicht ankäme. Zöge aber das Beschwerdegericht eine neue Tatsachengrundlage heran, die nach der erstinstanzlichen Entscheidung läge, wäre eine neue Anhörung des Betroffenen erforderlich. Auch dürfe das Beschwerdegericht nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen absehen, bei denen das erstinstanzliche Gericht zwingende Verfahrensvorschriften verletzt habe. Vorbehaltlich der Möglichkeit der Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht gem. § 69 Abs. 1 S. 2 und 3 FamFG müsse das Beschwerdegericht in diesen Fällen den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen (BGH, Beschluss vom 15.08.2018 - XII ZB 10/18 -).

Danach habe vorliegend das Beschwerdegericht nicht von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG absehen dürfen. Die Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht leide an einem wesentlichen Verfahrensmangel, da ihm das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten nicht vor dem Anhörungstermin überlassen worden sei. Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage einer Entscheidung setze nach § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Das Gutachten sei mit seinem vollen Wortlaut im Hinblick auf die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen (§ 275 FamFG) grundsätzlich auch diesem persönlich zur Verfügung zu stellen. Nur unter den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG könne davon abgesehen werden (BGH aaO.). Der Betroffene müsse vor seiner Anhörung nicht nur im Besitz des Gutachtens sein, sondern auch ausreichend Zeit bekommen, von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Würde das Gutachten nicht rechtzeitig vor dem Termin zur Anhörung überlassen, leide das Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel.

Vorliegend sei das Gutachten im vollen Wortlaut dem Betroffenen erst nach Erlass des angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts überlassen worden. Dieser Mangel hätte vom Landgericht im Rahmen einer erneuten Anhörung behoben werden müssen, zumal der Betroffene im dem Beschwerdeverfahren zuzurechnenden Abhilfeverfahren schriftliche Einwendungen gegen das Gutachten erhoben habe.

BGH, Beschluss vom 06.02.2019 - XII ZB 504/18 -

Mittwoch, 25. Juli 2018

Zur Beachtlichkeit des Vorschlags zur Person des Betreuers durch den Betreuten nach § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB


Grundsätzlich ist bei der Auswahl des Betreuers dem Vorschlag des volljährigen Betreuten zu entsprechen, wenn es nicht dessen Wohl zuwiderläuft, § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB.

Die Betroffene war 99 Jahre alt und litt an einer Multimobidität sowie leichten kognitiven  Störung. Das Amtsgericht hatte den Beteiligten zu 1. zum Berufsbetreuer für den gesamten Aufgabenbereich Sorge für die Gesundheit, Vermögenssorge, Entgegennahme, öffnen und anhalten der Post sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt, die Beteiligte zu 2. (Enkelin der Betroffenen) für die Gesundheitsfürsorge. Zunächst hatte es die Beteiligte zu 2. Für alle Aufgabenbereiche bestellt, wegen familiärer Streitigkeiten aber dann beschränkt und den Beteiligten zu 1. bestellt. Dagegen wandten sich die Beteiligten zu 3. (weitere Einkelin) und 4. (Tochter) mit einer Beschwerde. Das Landgericht hat die Beteiligten zu 1. Und 2. Entlassen und als alleinige Betreuerin die Beteiligte zu 4. bestellt. Begründet wurde dies damit, dass dies dem Wunsch der Betroffenen entspräche und nicht einer momentanen Unstimmigkeit oder kurzfristigen Gefühlslage entspräche. Die dagegen von der Beteiligten zu 4. eingelegte Rechtsbeschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen.

Für den Vorschlag der Betroffenen sei weder deren Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit Voraussetzung. Sie müsse nur ihren Wunsch kundtun. So sei auch die Motivlage für den Wunsch ohne Bedeutung.

§ 1897 Abs. 4 S. 1 BGB räume dem Tatrichter bei der Auswahl kein Ermessen ein, weshalb der Wunsch nur dann unberücksichtigt bleiben dürfe, wenn die vorgeschlagene Person dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufe. Dafür müsste eine Abwägung aller relevanten Umstände Gründe ergeben von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die vorgeschlagene Person sprechen würden. Es müsste sich also die konkrete Gefahr dartun, dass der Vorgeschlagene die Betreuung nicht zu dessen Wohl führen kann oder will. Dazu sei eine Prognoseentscheidung notwendig, für die sich der Tatrichter auf Erkenntnisse stützen müsse, die in der näher oder weiter zurückliegenden Vergangenheit ihren Ursprung hätten. Diese Erkenntnisse müssten geeignet sein, einen das Wohl der Betroffenen Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuten umfassten Aufgabenbereich zu begründen.

Vorliegend habe die Betroffene auch gegenüber dem bisherigen Betreuer mehrfach den Wunsch geäußert, dass sich ihre Tochter (Beteiligte zu 4.) um alles kümmern solle, was vom Landgericht richtig als Vorschlag im Sinne des § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB gewertet worden sei.  Gründe, die darauf schließen ließen, dass die Bestellung der Beteiligten zu 4. dem Wohl der Betroffenen zuwiderliefen seien nicht ersichtlich und seien auch von der Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3. nicht aufgezeigt worden. Alleine der Umstand, dass die Tochter der Betroffenen und die Enkelinnen zerstritten seien, begründe noch nicht die Gefahr, die Beteiligte zu 4. Würde die Betreuung nicht zum Wohle der Betroffenen ausüben.

BGH, Beschluss vom 09.05.2018 - XII ZB 553/17 -