Montag, 20. Juli 2020

Kosten der Bauteilöffnung für eine Beweisaufnahme und Kostenaufhebung im gerichtlichen Verfahren


Die Parteien stritten um Baumängel. Im gerichtlichen Verfahren wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, für welches die Klägerin die Kosten der notwendigen Bauteilöffnung trug. Im Anschluss verglichen sich die Parteien und vereinbarten eine Kostenaufhebung. In deren Rahmen beantragte die Klägerin auch die von ihr aufgewandten Kosten für die Bauteilöffnung auszugleichen, also gegen die Beklagte festzusetzen. Dies lehnte der Rechtspfleger ab. Der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde der Klägerin half das Landgericht nicht ab; die Beschwerde wurde vom OLG zurückgewiesen.

Entscheidend stellte das OLG dabei zutreffend darauf ab, dass es sich bei den der Klägerin entstandenen Kosten für die Bauteilöffnung nicht um Gerichtskosten handele, die im Rahmen der Vergleichsregelung zwischen den Parteien auszugleichen waren, sondern um eigene Kosten der Klägerin, die mithin nach dem Vergleich jede Partei für sich zu tragen hatte.

Das OLG wies darauf hin, dass in Literatur und Rechtsprechung streitig sei, ob notwendige vorbereitende Maßnahmen zur Schaffung der Voraussetzungen für die Erstattung des Gutachtens vom Gericht dem von diesem beauftragten Sachverständigen aufgegeben werden können (dazu; OLG Schleswig, Beschluss vom 14.12.2017 - 16 W 152/17 -), wobei in Abrede gestellt würde, dass dem Sachverständigen das Verschließen der Bauteilöffnung durch das Gericht auch übertragen werden könne (OLG Celle, Beschluss vom 01.12.2016 - 5 W 49/16 -.).

Darauf kam es hier nach zutreffender Ansicht des OLG nicht an, da das Landgericht dem Sachverständigen nicht aufgegeben hatte, die Voraussetzungen für seine Gutachtenerstattung durch Bauteilöffnung selbst zu veranlassen. Die Arbeiten wurden von der Klägerin (einschließlich des Verschließens nach Begutachtung durch den Sachverständigen) beauftragt und bezahlt, weshalb auch der Sachverständige insoweit keine Entlohnung nach §§ 413 ZPO, 8ff JVEG erhalten habe. Auslagen des Gerichts iSv. KV-GKG Nr. 9005 seien deshalb nicht entstanden, die auszugleichen wären.

Ausdrücklich dahingestellt ließ das OLG die Frage, ob in entsprechender Anwendung der §§ 667, 683, 670 BGB hier die außergerichtlichen Kosten der Klägerin als Gerichtskosten gewertet werden könnten. Dem habe Punkt IV. des Beweisbeschlusses entgegengestanden, nach dem eine notwendige Bauteilöffnung der Klägerin „auf ihre Kosten“ auferlegt worden sei.

Anmerkung: Der Fall verdeutlicht, dass die Partei versuchen sollte, derartige Kosten von vornherein als Gerichtskosten zu postulieren, indem der Sachverständige mit der Bauteilöffnung beauftragt wird.  Kann die Partei damit nicht durchdringen, sollte jedenfalls im Falle eines Vergleichsschlusses, bei dem die Kosten gegeneinander aufgehoben werden, bezüglich der von der Partei getragenen Kosten für Bauteilöffnung aber auch -schließung geregelt werden, dass diese hälftig von der gegnerischen Partei getragen werden.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.05.2020 - 2 W 1128/20 -

Donnerstag, 16. Juli 2020

Haftungsverteilung: Überholen einer stockenden Kolonne


Gegenstand der Klage war ein Verkehrsunfall anlässlich eines Überholvorgangs des Klägers. Dieser fuhr ebenso wie der Erstbeklagte in einer Fahrzeugkolonne, die sich hinter einem Traktor gebildet hatte. Der Kläger befand sich etwa 10 bis 12 Fahrzeuge hinter dem Traktor. Nachdem 3 bis 6 Fahrzeuge, die sich direkt hinter dem Traktor befanden, zunächst diesen überholten, scherte der Kläger mit eingeschalteten Warnblinklicht aus der Kolonne aus und wollte die vor ihm fahrenden Fahrzeuge nebst dem Traktor links überholen. Der Erstbeklagte, der sich zwischenzeitlich direkt hinter dem Traktor befand, scherte nun ebenfalls nach links zum Überholen des Traktors aus und kollidierte dabei mit dem klägerischen Fahrzeug. Das Landgericht ging von einer Haftungsquote von 30% zu Lastend es Klägers zu 70% zu Lasten der Beklagten aus. Die vom Kläger eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen.

Das OLG wies darauf hin, dass bei der Bildung der Haftungsquote nach § 17 Abs. 2 StVG auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen sei, mithin insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Beteiligten verursacht worden sei. Neben der Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge dürften dabei nur unstreitige, zugestandene oder aber bewiesene Umstände berücksichtigt werden. Jeder beteiligte hätte dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen Beteiligten zum Verschulden reichen würden und aus denen er meint, für die Abwägung günstige Rechtsfolgen herleiten zu können.  

Dabei sei zu Lasten der Beklagten der Verstoß des Erstbeklagten gegen § 5 Abs. 4 S. 1 StVO (überholen darf nur, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist) zu berücksichtigen.

Allerdings sei bei dem Kläger eine gesteigerte Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Er habe mit 67km/h eine Fahrzeugkolonne links überholt, die sich auf der Bundesstraße hinter einem Traktor aufgestaut habe. Er sei dann mit Warnblinklicht ausgeschert um zu überholen. Der weitere Verlauf der Bundesstraße nach der Unfallstelle sei wegen einer Kuppe nicht einsehbar gewesen, weshalb sich der Kläger bei möglichen Gegenverkehr in die Fahrzeugschlange hätte „reinquetschen“ müssen. Ferner hätte er, wie geschehen, damit rechnen müssen, dass eines der ersten Fahrzeuge hinter dem Traktor aus der Kolonne ausschert um ebenfalls zu überholen.

§ 5 Abs. 4 und 4a StVO verlange von dem Überholer auf die Fahrweise des Eingeholten zu achten und er dürfe diesen nicht gefährden. Er müsse nach der Örtlichkeit sicher sein, dass kein Vorausfahrender links abbiegen will. Wer eine stockende Kolonne überhole, ohne mit Gewissheit vorn eine Einscherlücke erkenne, zeige keine äußerste Sorgfalt nach § 5 Abs. 4 S. 1 StVO. Der Kläger habe sich nicht alleine auf das von ihm eingeschaltete Warnblinklicht verlassen dürfen; § 16 Abs. 2 StVO sehe entsprechende ausdrückliche Benutzungsvorschriften vor, damit keine übertriebene Benutzung erfolge, die hier das Warnblinklicht nicht vorgesehen hätten.

OLG Schleswig, Beschluss nach § 522 ZPO vom 30.01.2020 - 7 U 210/19 -

Dienstag, 14. Juli 2020

WEG: Klage des ausgeschiedenen Eigentümers und zuständiges Landgericht bei Berufung


Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen und in der Rechtsbehelfsbelehrung darauf verwiesen, die Berufung müsse bei dem LG Essen eingelegt werden. Der Kläger erhob allerdings Berufung zum LG Dortmund, da dieses für Wohnungseigentumssachen im berufungsverfahren zuständig ist. Die Berufung wurde als unzulässig zurückgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht.

Die Kläger machten Schadensersatzansprüche aus einer Leckage des Abflussrohres im Badezimmer der Beklagten wegen Schäden an der Badezimmerdecke gegen diese geltend. Die Parteien waren Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Vor Rechtshängigkeit der Klage veräußerten die Kläger allerdings ihre Wohnung. Nach Ansicht des im Berufungsverfahren angerufenen Landgerichts würde es sich nicht um eine Wohnungseigentumssache handeln, weshalb das für das Amtsgericht örtliche Landgericht für das Berufungsverfahren zuständig gewesen wäre. Die Kläger sein keine Wohnungseigentümer gewesen, als der Rechtsstreit rechtshängig wurde.

Das sah nun der BGH anders. Es würde sich um eine Wohnungseigentumssache iSv. § 43 Nr. 1 WEG handeln. Dazu würden auch Streitigkeiten über sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebende Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander. Ausschlaggebend sei nicht die jeweilige Rechtsgrundlage des Anspruchs, sondern alleine der Umstand, ob ein innerer Zusammenhang mit einer Angelegenheit bestünde, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachse.

Der Schaden an der Badezimmerdecke der ehemaligen Wohnung der Kläger durch ein (nach Behauptung der Kläger) Leckage des Abflussrohres in der Wohnung der Beklagten würde in einem inneren Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis stehen, da der Schaden durch den baulichen Zustand des Abflussrohres in der Wohnanlage verursacht worden sein soll.

Nicht entscheidend sei, dass die Kläger bereits vor Rechtshängigkeit aus der Wohnungseigentumsgemeinschaft ausgeschieden seien. § 43 WEG sei gegenstands- und nicht personenbezogen zu verstehen. Alleine dadurch, dass eine der Parteien vor Rechtshängigkeit aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausscheide, ändere mithin nichts an der Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts (st. Rspr., so BGH, Beschluss vom 26. 09.2002 – V ZB 24/02 -; BGH, Beschluss vom 17.03.2016 – V ZR 185/15 -).

Die Berufung sei trotz falscher Rechtsmittelbelehrung richtig eingelegt worden. Dabei käme es nicht darauf an, ob erstinstanzlich der nach dem Geschäftsverteilungsplan für diese Streitigkeit zuständige Amtsrichter entschieden habe (BGH, Beschluss vom 12.11.2015 - V ZB 36/15 -).

Anmerkung: Wäre die Berufung bei dem in der Rechtsmittelbelehrung benannten (unzuständigen) Landgericht eingelegt worden, hätte dieses auf seine Unzuständigkeit hinweisen müssen und wäre es dem Rechtsmittelführer möglich gewesen, das Rechtsmittel noch bei dem zuständigen Gericht (ggf. verbunden mit einem grundsätzlich stattzugebenden Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Berufungsfrist einzulegen.

BGH, Beschluss vom 13.12.2019  - V ZR 313/16 -

Montag, 13. Juli 2020

Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden in der Insolvenz ?


Die Antragsgegnerin erließ einen Haftungsbescheid gegen den Antragsteller wegen Steuerschulden aus Vergnügungssteuer (betrieb von Gelspielgeräten) der von dem Antragsteller als Geschäftsführer ehedem vertretenen GmbH. Vom Antragsteller wurde Widerspruch eingelegt und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Er machte geltend, er habe bereits einen Großteil der Steuerschulden der Gesellschaft aus privaten Mitteln gezahlt und der Antragsgegnerin sei die wirtschaftliche Situation der GmbH bekannt gewesen. Sein Antrag wurde vom Verwaltungsgericht zurückgewiesen. Seine Beschwerde zum OVG hatte keinen Erfolg.

Das OVG verweist darauf, dem Antragsteller treffe eine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Erteilung erforderlicher Auskünfte, §§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AO. Dieser sei er nicht genügend nachgekommen, wobei er sich nicht darauf berufen könne, die Unterlagen würden sich 8nun) beim Insolvenzverwalter befinden, da er jedenfalls in Grundzügen über fällige Forderungen und  liquide Mittel im Haftungszeitraum informiert sein müsse. Letztlich aber würde der Antragsteller mit seinem Vortrag sogar die Haftung wegen grober Verletzung der ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten nach §§ 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und d KAG iVm. §§ 69, 34 Abs. 1 AO bekräftigen, da er selbst in einem Schreiben an die Antragsgegnerin in 2018 ausführte, die GmbH sei schon 2013 nicht mehr in der Lage gewesen aus liquiden Mitteln Schulden zu zahlen (wobei er auf eine eigene Forderung der Gesellschaft aus 2012 in Höhe von € 58.000,00 verwies, die bis 2015 auf € 150.000,00 angewachsen sei), weshalb im Hinblick auf die hier streitbefangenen Steuerschulden für den Zeitraum ab April 2014 weiter anfallenden und ab Mai 2014 fälligen und unbeglichenen Steuerschulden  davon auszugehen sei, dass Zahlungsunfähigkeit vorlag. Es sei davon auszugehen, dass eine zur Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 S. 1 InsO allenfalls durch Gesellschafterdarlehen habe vermieden werden können, wobei spätestens ab Mai 2015 Zahlungsunfähigkeit hinzugekommen sei. Damit sei der Antragsteller weiterhin wirtschaftlich tätig geworden, obwohl für ihn erkennbar gewesen sei, dass er weitere Steuerschulden anhäufen würde.

Soweit steuerliche Literatur und die Entscheidung des BFH vom 28.11.2002 – VII R 41/01 – (ergangen zur Umsatzsteuer) eine Haftung nach §§ 69, 34 Abs. 1 AO unbeschadet gesellschafts- und insolvenzrechtlicher Regelungen, die eine steuerliche Haftung nicht begründen könnten, wegen des Weiterbetreibens von Geschäften negiert, obwohl diese eine Steuer auslösen könnten, könne dem nach den in Nordrhein-Westfalen entsprechend anwendbaren Haftungsvorschriften der AO für die Geldspielgerätesteuer nicht gelten. Vielmehr sei danach der Vertreter der juristischen Person (Geschäftsführer der GmbH) verpflichtet, Vorsorge für die Zahlung der erkennbar entstehenden Steuerschuld zu treffen. Dies schließe insbesondere die rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrages (§§ 15a Abs. S. 1, 18 InsO) ein.

Im Hinblick auf den Schadensersatzcharakter des Haftungsanspruchs würden nur die Steuern umfasst, die durch die Pflichtverletzung ausgefallen seien. Diese Pflichtverletzung müsse ursächlich sein. Bei einer Pflichtverletzung in Form der fehlenden Unterlassung weiterer steuerbegründender Geschäfte könne zwar zweifelhaft sein, , ob der Weiterbetrieb der Geschäfte mit den dann anfallenden Steuern wirtschaftlich einen Steuerschaden darstellen könne (vgl. auch BGH, Urteil vom 06.06.1994 - II ZR 292/91 -). Gegen den Weiterbetrieb von Geldspielgeräten  würde auch nach Insolvenzreife nichts sprechen, wenn der ein wirtschaftlich sinnvoller Weiterbetrieb erfolge und damit die Masse erhöht würde, wobei, wenn anders die Mittelvorsorgeverpflichtung für diese Steuern nicht gesichert werden könne, dies allerdings unter Insolvenzbedingungen erfolgen müsse, da in diesem Fall die Vergnügungssteuerschulden Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1Nr. 1 2. Alt. InsO und nach § 55 InsO und vorab zu  befriedigen wären. Diese Mittelvorsorge sei vom Antragsteller unterlassen worden.

OVG Münster, Beschluss vom 15.11.2019 - 14 B 1443/19 -

Mittwoch, 8. Juli 2020

Verletzungsbedingter Mehraufwand (hier für Betreuer) im Urlaub als Schaden ?


Die Klägerin, die eine Rundumbetreuung bedurfte, machte gegen den Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung Ersatz von behinderungsbedingten Mehrkosten einer Urlaubsreise geltend. Es handelt sich um die Zusatzkosten für drei Personen für eine Woche in einem auf schwerbehinderte Menschen spezialisierten Hotel auf Gran Canaria, bei denen sie von den Kosten ersparten Verpflegungsaufwand abzog, und um eigene zusätzliche Kosten für die Reisedurchführung mittels Rollstuhltransport und die erhöhten Kosten durch die Spezialisierung des Hotels.

Die Klage war erfolgreich; die Revision der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.

Die Einstandspflicht des Schädigers erstrecke sich auf alle Vermögeneinbußen des Geschädigten aus der diesem zugefügten Verletzung, § 249 Abs. 1 BGB. Insoweit habe der Schädiger den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Damit seien insbesondere auch die infolge dauernder Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens entstehenden Nachteile auszugleichen. Hierzu würden auch verletzungsbedingt erforderliche Kosten einer Begleitung (so bei Spaziergängen, Behördengängen, zu kulturellen Veranstaltungen u.a.) gehören. Der Mehrbedarf bestimme sich nach den Dispositionen, die ein verständiger Geschädigter an Mitteln aufwenden würde, wenn er diese selbst zu tragen habe und tragen könnte.

Die Ersatzpflicht bei einer Urlaubsreise sei dann ausgeschlossen, wenn die vom Geschädigten vorgenommene Ortsveränderung mit unverhältnismäßigen und für den Schädiger nach Trau und Glauben nicht zumutbaren Aufwendungen verbunden sei. Auf eine medizinische Notwendigkeit der Ortsveränderung käme es allerdings nicht an.

Soweit die Parteien einen endgültigen Vergleich zu den immateriellen Kosten geschlossen hatten, wies der BGH die Rechtsansicht der Beklagten zurück, es würde sich hier bei den Mehraufwendungen für die Betreuung um eine Kompensation für Einschränkungen der Freizeitgestaltung handeln und damit um einen immateriellen Schaden. Die Kosten seien entstanden, da die Klägerin die Reise aufgrund der Behinderung nur in Begleitung von Betreuungspersonen und unter Inanspruchnahme besonderer Dienstleistungen (so der Rollstuhltransport) habe unternehmen können. Es handele sich um Aufwendungen, die die Reise erst ermöglichen würden und damit der Herstellung eines Zustandes dienen würden, der möglichst nahe dem Zustand käme, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Der Ersatzanspruch beruhe daher auf § 249 BGB und stelle sich nicht als Ausgleich dafür dar, dass die Klägerin ihren Urlaub nicht so genießen könne, wie dies ohne das schädigende Ereignis möglich gewesen wäre.

BGH, Urteil vom 10.03.2020 - VI ZR 316/19 -

Montag, 6. Juli 2020

Anfechtung der Erbausschlagung wegen Irrtums


Die Stadt D. veranlasste im Wege der Ersatzvornahme die Bestattung der Erblasserin und teilte den Beteiligten (den 11 Kindern der Erblasserin) mit Schreiben vom 24.07.2013 mit, aufgrund der Angaben der Beteiligten zu 1, 3, 8 und 11 zugunsten aller Beteiligten wegen unbilliger Härte von einer Kostenersatzforderung Abstand zu nehmen. Gleichzeitig teilte sie mit, dass dies die beteiligten nicht von der Erbschaft befreie und empfahl die Erbschaft auszuschlagen. Die Beteiligten zu 1, 3 und 7 schlugen daraufhin die Erbschaft aus und teilten dabei mit, dass ihnen die Zusammensetzung des Nachlasses nicht bekannt sei.  Am 09.08.2018 teilte der Beteiligte zu 12 mit, der Wert des Nachlasses belaufe sich nach dem Verkauf eines Grundstücks auf € 35.000,00. Die Beteiligten zu 1 bis 3 und 7 erklärten nunmehr die Anfechtung ihrer Ausschlagungserklärung. Die Beteiligte zu 1 gab an, angenommen zu haben, dass die bestehenden Verbindlichkeiten den Wert des Grundstücks übersteige; von den Beteiligten zu 3 und 7 wurde geltend gemacht, nichts von dem Grundstück gewusst zu haben. Die Beteiligte zu 1 gab an, sie habe annehmen müssen, der Nachlass sei überschuldet.

Im Dezember 2018 beantragte die Beteiligte zu 3 die Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge, der die Beteiligten zu 1 bis 11 als Erben zu je 1/11 ausweist. Dieser Antrag wurde vom Nachlassgericht mit Beschluss vom 18.07.2019 zurückgewiesen, da nach seiner Auffassung die Erbausschlagung nicht erfolgreich angefochten worden sei. Gegen diesen Beschluss legten die Beteiligten zu 2, 3 und 8 Beschwerde ein. Nachdem das Nachlassgericht dieser nicht abgeholfen hatte, musste das zuständige OLG entscheiden. Es half der Beschwerde ab.

Das OLG ging dabei von einem Anfechtungsgrund in Form eines Eigenschaftsirrtums gem. § 1954 Abs. 1 BGB iVm. § 119 Abs. 2 BGB aus. Zwar würde ein Irrtum über die Größe des Nachlasses grundsätzlich keinen Anfechtungsgrund darstellen, da nicht der Wert selbst, sondern die wertbildenden Faktoren als Eigenschaften anzusehen seien. Würde eine Erbschaft für finanziell uninteressant gehalten und daher ausgeschlagen, könne dies nicht angefochten werden, wenn sich späterhin wertvolle Nachlassgegenstände herausstellen würden oder ein vorhandener Nachlassgegenstand als wertvoll herausstelle.

Allerdings gehöre die Zusammensetzung des Nachlasses zu den Eigenschaften der Erbschaft. Ein Irrtum über die Zugehörigkeit bestimmter Rechte zum Nachlass könne daher eine Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft rechtfertigen, wenn es sich dabei um wesentliche Eigenschaften handele. Dies würde bei einem Irrtum zur Frage der Überschuldung angenommen, wenn der Irrtum auf falschen Vorstellungen über das Vorhandensein von Nachlassgegenständen oder –verbindlichkeiten beruhe, nicht aber bei einer fehlerhaften Einschätzung des Wertes. Wer ohne nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses eine Fehlvorstellung von dessen Größe habe, sei daher nicht zur Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung berechtigt, da es sich bei der zugrundeliegenden Annahme bzw. Ausschlagung um eine spekulativem bewusst ungesicherte Entscheidung handeln würde.

Vorliegend hätte sich zwar die Beteiligten 1 bis 3 und 7 nach ihren Ausschlagungserklärungen keine vertieften Gedanken über die Zusammensetzung des Nachlasses gemacht. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass sie mit der Ausschlagung einer ausdrücklichen Empfehlung der Stadt D. gefolgt seien. Auch wenn sich aus dem Schreiben der Stadt ergäbe, dass die Anerkennung einer unbilligen Härte für den Verzicht auf den Kostenerstattungsanspruch auf Angaben der Beteiligten 1, 3, 8 und 11 beruhe, habe für die Beteiligten zu 1 bis 3 und 7 keine Veranlassung bestanden anzunehmen, dass die Empfehlung der Stadt nicht auf einer eigenen (behördlichen) Einschätzung bezüglich einer Überschuldung des Nachlasses beruhe. Damit beruhe die Ausschlagung auf der irrtümlichen Annahme, die Stadt habe eine Überschuldung des Nachlasses festgestellt. Hinzu käme, dass nach den Angaben der Beteiligten zu 3 Erfahrungen über ständige Vollstreckungen bei den Eltern bestanden hätten, weshalb in einem solchen Fall nicht davon gesprochen werden könne, die Entscheidung der Anfechtenden sei auf einer spekulativen, bewusst ungesicherten Grundlage getroffen worden. Der Irrtum sei hier auch kausal.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.01.2020 - 3 Wx 167/19 -

Freitag, 3. Juli 2020

Umgehung des Erben durch gesellschaftsvertragliche Regelungen ?


Das Verfahren vor dem BGH zeigte anschaulich die Möglichkeiten auf, Vermögenswerte im Todesfall auch außerhalb eines Testaments auf Dritte zu übertragen, ohne dass der Erbe oder Pflichtteilsberechtigte notwendig Ansprüche geltend machen kann.

Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass eine gesellschaftsrechtliche Regelung, nach der eine Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters unter den verbleibenden Mitgesellschaftern fortgesetzt wird und Abfindungsansprüche (der Erben / Pflichtteilsberechtigten) ausgeschlossen werden, ohne dass dies eine ergänzungsbedürftige Schenkung iSv. § 2325 BGB (Regelung zum Pflichtteilsergänzungsanspruch) darstelle. Diesbezüglich bedarf es jeweils einer Einzelfallprüfung.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB setze eine Schenkung des Erblassers nach § 516 BGB voraus, was mithin bedeute, so der BGH, dass der Empfänger aus dem Vermögen des Gebers unentgeltlich bereichert würde. Unentgeltlichkeit läge bei fehlender Abhängigkeit von einer Gegenleistung, gleich in welcher Art, vor.

Bei der Zuwachsung der Gesellschaftsanteile auf den oder die verbliebenen Gesellschafter käme es daher darauf an, ob eine Gegenleistung vorliege oder nicht. Läge sie nicht vor, sei Unentgeltlichkeit gegeben und würde der Erbe bzw. Pflichtteilsberechtigte Ansprüche geltend machen können. Ein allseitiger Abfindungsausschluss für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters sei nicht als Schenkung zu werten. Es sei nicht davon auszugehen, dass die gesellschaftsvertragliche Nachfolgevereinbarung (auch wenn sie Abfindungsansprüche der Erben ausschließe) den Sinn habe, dem Nachfolger etwas zuzuwenden, sondern dazu diene, das Gesellschaftsunternehmen nach dem Tod des Gesellschafters zu erhalten. Bei dem Abfindungsausschluss handele es sich auch um ein aleatorisches (also zufallsabhängiges) Geschäft, da jeder Gesellschafter dem anderen das gleiche zuwende und jeder das Risiko in Kauf nähme, dass der Vorteil der Nachfolge in den Anteil dem anderen Gesellschafter zufällt.

Im konkreten Fall wurde aber diese gesellschaftsrechtliche Zuwachsung negiert und eine Unentgeltlichkeit angenommen. Auch wenn, wie der BGH ausführte, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht die Anzahl der Gesellschafter (2) also solche dies begründen würde, könne dies aber sehr wohl bedeuten, dass für Fortführung des Unternehmens nicht im Vordergrund stünde. Vorliegend (die Gesellschaften in Form Gesellschaften bürgerlichen Rechts nach § 705 BGB) hielten eine Wohnung zur Eigennutzung durch die Gesellschafter, eine Wohnung zur verbilligten Vermietung an einen Angehörigen der Gesellschafter.

Auch habe vorliegend das Berufungsgericht zutreffend ein aleatorisches Geschäft verneint. Es sei rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Erblasser mit der Vereinbarung kein Verlustrisiko einging, sondern die abfindungsfreie Übertragung gerade seiner Zielsetzung entsprochen habe. Zwar sei für die Annahme einer Schenkung nicht Voraussetzung, dass der Gesellschaftsvertrag auch oder alleine zu dem Zweck geschlossen wurde, Pflichtteilsansprüche von Abkömmlingen zu mindern, würde dies allerdings im besonderen Maße für den Schenkungswillen der beteiligten sprechen. Debei sei auch zu berücksichtigen, dass die Gesellschafter Eheleute gewesen seien (Kläger im verfahren ist der Sohn aus 1. Ehe des verstorbenen Ehemanns). Auch wenn der Erblasser erst nach der gesellschaftsvertraglichen Regelung zugunsten seiner Frau testiert habe und er nicht an das Testament gebunden war, läge darin gleichwohl die Willensrichtung, der Beklagten (Ehefrau) Vermögen unter Ausschluss des Klägers zuzuwenden. Und sollte tatsächlich der Erblasser vor seiner Frau versterben, würde dies nichts schaden, da er dann alles hätte und selbst insgesamt neu testieren pp. könne.

Soll mithin mittels einer gesellschaftsvertraglichen Regelung ein Erbe ausgeschlossen werden, erfordert dies eine gründliche Überlegung zum Grund und sinnvollerweise dessen Dokumentation. Der Anschein (zwei-Personen-Gesellschaft zwischen Eheleuten) kann den Regelungszweck im Sinne der Aufrechterhaltung einer Gesellschaft entgegenstehen und damit nicht anerkannt werden.

BGH, Urteil vom 03.06.2020 - IV ZR 16/19 -