Dienstag, 14. Juli 2020

WEG: Klage des ausgeschiedenen Eigentümers und zuständiges Landgericht bei Berufung


Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen und in der Rechtsbehelfsbelehrung darauf verwiesen, die Berufung müsse bei dem LG Essen eingelegt werden. Der Kläger erhob allerdings Berufung zum LG Dortmund, da dieses für Wohnungseigentumssachen im berufungsverfahren zuständig ist. Die Berufung wurde als unzulässig zurückgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht.

Die Kläger machten Schadensersatzansprüche aus einer Leckage des Abflussrohres im Badezimmer der Beklagten wegen Schäden an der Badezimmerdecke gegen diese geltend. Die Parteien waren Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Vor Rechtshängigkeit der Klage veräußerten die Kläger allerdings ihre Wohnung. Nach Ansicht des im Berufungsverfahren angerufenen Landgerichts würde es sich nicht um eine Wohnungseigentumssache handeln, weshalb das für das Amtsgericht örtliche Landgericht für das Berufungsverfahren zuständig gewesen wäre. Die Kläger sein keine Wohnungseigentümer gewesen, als der Rechtsstreit rechtshängig wurde.

Das sah nun der BGH anders. Es würde sich um eine Wohnungseigentumssache iSv. § 43 Nr. 1 WEG handeln. Dazu würden auch Streitigkeiten über sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebende Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander. Ausschlaggebend sei nicht die jeweilige Rechtsgrundlage des Anspruchs, sondern alleine der Umstand, ob ein innerer Zusammenhang mit einer Angelegenheit bestünde, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachse.

Der Schaden an der Badezimmerdecke der ehemaligen Wohnung der Kläger durch ein (nach Behauptung der Kläger) Leckage des Abflussrohres in der Wohnung der Beklagten würde in einem inneren Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis stehen, da der Schaden durch den baulichen Zustand des Abflussrohres in der Wohnanlage verursacht worden sein soll.

Nicht entscheidend sei, dass die Kläger bereits vor Rechtshängigkeit aus der Wohnungseigentumsgemeinschaft ausgeschieden seien. § 43 WEG sei gegenstands- und nicht personenbezogen zu verstehen. Alleine dadurch, dass eine der Parteien vor Rechtshängigkeit aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausscheide, ändere mithin nichts an der Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts (st. Rspr., so BGH, Beschluss vom 26. 09.2002 – V ZB 24/02 -; BGH, Beschluss vom 17.03.2016 – V ZR 185/15 -).

Die Berufung sei trotz falscher Rechtsmittelbelehrung richtig eingelegt worden. Dabei käme es nicht darauf an, ob erstinstanzlich der nach dem Geschäftsverteilungsplan für diese Streitigkeit zuständige Amtsrichter entschieden habe (BGH, Beschluss vom 12.11.2015 - V ZB 36/15 -).

Anmerkung: Wäre die Berufung bei dem in der Rechtsmittelbelehrung benannten (unzuständigen) Landgericht eingelegt worden, hätte dieses auf seine Unzuständigkeit hinweisen müssen und wäre es dem Rechtsmittelführer möglich gewesen, das Rechtsmittel noch bei dem zuständigen Gericht (ggf. verbunden mit einem grundsätzlich stattzugebenden Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Berufungsfrist einzulegen.

BGH, Beschluss vom 13.12.2019  - V ZR 313/16 -

Aus den Gründen:


Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 30. August 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Kläger waren Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, der auch die Beklagten angehören. Gestützt darauf, dass es durch eine Leckage im Abflussrohr des Badezimmers der Beklagten zu Schäden an den Decken des Wohn- und Badezimmers ihrer darunterliegenden Wohnung gekommen sei, nehmen die Kläger die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Nachdem die Haftpflichtversicherung der Wohnungseigentümergemeinschaft den Schaden an der Wohnzimmerdecke reguliert hat, verlangen die Kläger noch die Zahlung von 975,25 € nebst Zinsen für den Schaden an der Badezimmerdecke. Sie haben ihre Wohnung vor Rechtshängigkeit der Klage veräußert.
Das Amtsgericht Bottrop, allgemeine Zivilabteilung, hat die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen. In der Rechtsmittelbelehrung hat es das Landgericht Essen als das zuständige Berufungsgericht bezeichnet. Die Kläger haben Berufung bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG für Wohnungseigentumssachen zuständigen Landgericht Dortmund eingelegt. Dieses hat die Berufung durch Urteil als unzulässig verworfen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der von dem Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hält sich für unzuständig. Zwar sei das Landgericht Dortmund das gemäß § 72 Abs. 2 GVG für Wohnungseigentumssachen zuständige Rechtsmittelgericht. Der Streit der Parteien sei aber keine Wohnungseigentumssache. Insbesondere handele es sich nicht um eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG. Die Kläger seien keine Wohnungseigentümer, weil sie ihre Eigentumswohnung bereits vor Rechtshängigkeit der Klage verkauft und übereignet hätten. Es handele sich um eine Klage Dritter gegen einen Wohnungseigentümer, die sich auf das gemeinschaftliche Eigentum, dessen Verwaltung oder das Sondereigentum beziehe. Für eine solche Streitigkeit gemäß § 43 Nr. 5 WEG sei eine Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund nach § 72 Abs. 2 GVG nicht gegeben.
II.
Die Revision hat Erfolg. Zu entscheiden ist durch Versäumnisurteil. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82 ff.).
1. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht seine Zuständigkeit. Es ist das gemäß § 72 Abs. 2 GVG zur Entscheidung über die Berufung zuständige Berufungsgericht, weil der Streit der Parteien eine Wohnungseigentumssache im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG ist.
a) Zu den Wohnungseigentumssachen gehören gemäß § 43 Nr. 1 WEG unter anderem Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander; diese Bestimmung ist weit auszulegen (Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - V ZB 67/09, ZfIR 2010, 187 Rn. 7; Beschluss vom 20. Februar 2014 - V ZB 116/13, ZfIR 2014, 441 Rn. 7). Ausschlaggebend für die Zuständigkeit des Gerichts ist nicht die jeweilige Rechtsgrundlage, aus der die Ansprüche hergeleitet werden, sondern allein der Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist (Senat, Urteil vom 30. Juni 1995 - V ZR 118/94, BGHZ 130, 159, 165; Beschluss vom 26. September 2002 - V ZB 24/02, BGHZ 152, 136, 142; Beschluss vom 20. Februar 2014 - V ZB 116/13, aaO; Beschluss vom 17. November 2016 - V ZB 73/16, NZM 2017, 262 Rn. 7).
b) Danach handelt es sich hier um eine Wohnungseigentumssache im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG. Die Kläger führen die Schäden an der Badezimmerdecke in ihrer ehemaligen Wohnung auf eine Leckage im Abflussrohr des Badezimmers der Beklagten zurück. Der innere Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer ergibt sich daraus, dass der Schaden an der Badezimmerdecke in der ehemaligen Wohnung durch den baulichen Zustand eines Abflussrohrs in der Wohnanlage verursacht worden sein soll.
c) Der Umstand, dass die Kläger bereits vor Rechtshängigkeit der Wohnungseigentumssache aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeschieden sind, ändert entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts an der Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts. Die Vorschrift des § 43 WEG ist gegenstands- und nicht personenbezogen zu verstehen. Der innere Zusammenhang der Streitigkeit mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer entfällt, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, nicht dadurch, dass eine der Parteien vor Rechtshängigkeit aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausscheidet (vgl. Senat, Beschluss vom 26. September 2002 - V ZB 24/02, BGHZ 152, 136, 140 ff.; Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZR 228/11, ZWE 2012, 334 Rn. 3; Beschluss vom 21. Januar 2016 - V ZR 108/15, ZWE 2016, 189 Rn. 5; Beschluss vom 17. März 2016 - V ZR 185/15, NZM 2016, 363 Rn. 6).
2. Die Kläger haben nach alledem - und trotz der falschen Rechtsmittelbelehrung - die Berufung bei dem zuständigen Gericht eingelegt. Handelt es sich, wie hier, um eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG, tritt die in § 72 Abs. 2 GVG für die Berufung in Wohnungseigentumssachen vorgesehene Zuständigkeitskonzentration unabhängig davon ein, ob in erster Instanz der nach dem Geschäftsverteilungsplan für diese Streitigkeiten zuständige Amtsrichter entschieden hat (vgl. Senat, Beschluss vom 12. November 2015 - V ZB 36/15, NJW-RR 2016, 255 Rn. 10).
III.
Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil die für eine Sachentscheidung erforderlichen Feststellungen nicht getroffen sind. Sie ist daher unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Die Einspruchsschrift muss das Urteil, gegen das der Einspruch gerichtet wird, bezeichnen und die Erklärung enthalten, dass und, wenn das Rechtsmittel nur teilweise eingelegt werden solle, in welchem Umfang gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.
In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann die Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern. Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.
Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, § 339 und § 340 ZPO verwiesen.

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