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Donnerstag, 16. Juli 2020

Haftungsverteilung: Überholen einer stockenden Kolonne


Gegenstand der Klage war ein Verkehrsunfall anlässlich eines Überholvorgangs des Klägers. Dieser fuhr ebenso wie der Erstbeklagte in einer Fahrzeugkolonne, die sich hinter einem Traktor gebildet hatte. Der Kläger befand sich etwa 10 bis 12 Fahrzeuge hinter dem Traktor. Nachdem 3 bis 6 Fahrzeuge, die sich direkt hinter dem Traktor befanden, zunächst diesen überholten, scherte der Kläger mit eingeschalteten Warnblinklicht aus der Kolonne aus und wollte die vor ihm fahrenden Fahrzeuge nebst dem Traktor links überholen. Der Erstbeklagte, der sich zwischenzeitlich direkt hinter dem Traktor befand, scherte nun ebenfalls nach links zum Überholen des Traktors aus und kollidierte dabei mit dem klägerischen Fahrzeug. Das Landgericht ging von einer Haftungsquote von 30% zu Lastend es Klägers zu 70% zu Lasten der Beklagten aus. Die vom Kläger eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen.

Das OLG wies darauf hin, dass bei der Bildung der Haftungsquote nach § 17 Abs. 2 StVG auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen sei, mithin insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Beteiligten verursacht worden sei. Neben der Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge dürften dabei nur unstreitige, zugestandene oder aber bewiesene Umstände berücksichtigt werden. Jeder beteiligte hätte dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen Beteiligten zum Verschulden reichen würden und aus denen er meint, für die Abwägung günstige Rechtsfolgen herleiten zu können.  

Dabei sei zu Lasten der Beklagten der Verstoß des Erstbeklagten gegen § 5 Abs. 4 S. 1 StVO (überholen darf nur, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist) zu berücksichtigen.

Allerdings sei bei dem Kläger eine gesteigerte Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Er habe mit 67km/h eine Fahrzeugkolonne links überholt, die sich auf der Bundesstraße hinter einem Traktor aufgestaut habe. Er sei dann mit Warnblinklicht ausgeschert um zu überholen. Der weitere Verlauf der Bundesstraße nach der Unfallstelle sei wegen einer Kuppe nicht einsehbar gewesen, weshalb sich der Kläger bei möglichen Gegenverkehr in die Fahrzeugschlange hätte „reinquetschen“ müssen. Ferner hätte er, wie geschehen, damit rechnen müssen, dass eines der ersten Fahrzeuge hinter dem Traktor aus der Kolonne ausschert um ebenfalls zu überholen.

§ 5 Abs. 4 und 4a StVO verlange von dem Überholer auf die Fahrweise des Eingeholten zu achten und er dürfe diesen nicht gefährden. Er müsse nach der Örtlichkeit sicher sein, dass kein Vorausfahrender links abbiegen will. Wer eine stockende Kolonne überhole, ohne mit Gewissheit vorn eine Einscherlücke erkenne, zeige keine äußerste Sorgfalt nach § 5 Abs. 4 S. 1 StVO. Der Kläger habe sich nicht alleine auf das von ihm eingeschaltete Warnblinklicht verlassen dürfen; § 16 Abs. 2 StVO sehe entsprechende ausdrückliche Benutzungsvorschriften vor, damit keine übertriebene Benutzung erfolge, die hier das Warnblinklicht nicht vorgesehen hätten.

OLG Schleswig, Beschluss nach § 522 ZPO vom 30.01.2020 - 7 U 210/19 -