Die Stadt D. veranlasste im Wege
der Ersatzvornahme die Bestattung der Erblasserin und teilte den Beteiligten
(den 11 Kindern der Erblasserin) mit Schreiben vom 24.07.2013 mit, aufgrund der
Angaben der Beteiligten zu 1, 3, 8 und 11 zugunsten aller Beteiligten wegen
unbilliger Härte von einer Kostenersatzforderung Abstand zu nehmen. Gleichzeitig
teilte sie mit, dass dies die beteiligten nicht von der Erbschaft befreie und
empfahl die Erbschaft auszuschlagen. Die Beteiligten zu 1, 3 und 7 schlugen daraufhin
die Erbschaft aus und teilten dabei mit, dass ihnen die Zusammensetzung des Nachlasses
nicht bekannt sei. Am 09.08.2018 teilte der
Beteiligte zu 12 mit, der Wert des Nachlasses belaufe sich nach dem Verkauf
eines Grundstücks auf € 35.000,00. Die Beteiligten zu 1 bis 3 und 7 erklärten
nunmehr die Anfechtung ihrer Ausschlagungserklärung. Die Beteiligte zu 1 gab
an, angenommen zu haben, dass die bestehenden Verbindlichkeiten den Wert des
Grundstücks übersteige; von den Beteiligten zu 3 und 7 wurde geltend gemacht,
nichts von dem Grundstück gewusst zu haben. Die Beteiligte zu 1 gab an, sie habe
annehmen müssen, der Nachlass sei überschuldet.
Im Dezember 2018 beantragte die
Beteiligte zu 3 die Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge, der
die Beteiligten zu 1 bis 11 als Erben zu je 1/11 ausweist. Dieser Antrag wurde
vom Nachlassgericht mit Beschluss vom 18.07.2019 zurückgewiesen, da nach seiner
Auffassung die Erbausschlagung nicht erfolgreich angefochten worden sei. Gegen
diesen Beschluss legten die Beteiligten zu 2, 3 und 8 Beschwerde ein. Nachdem
das Nachlassgericht dieser nicht abgeholfen hatte, musste das zuständige OLG
entscheiden. Es half der Beschwerde ab.
Das OLG ging dabei von einem
Anfechtungsgrund in Form eines Eigenschaftsirrtums gem. § 1954 Abs. 1 BGB iVm.
§ 119 Abs. 2 BGB aus. Zwar würde ein Irrtum über die Größe des Nachlasses
grundsätzlich keinen Anfechtungsgrund darstellen, da nicht der Wert selbst,
sondern die wertbildenden Faktoren als Eigenschaften anzusehen seien. Würde
eine Erbschaft für finanziell uninteressant gehalten und daher ausgeschlagen,
könne dies nicht angefochten werden, wenn sich späterhin wertvolle
Nachlassgegenstände herausstellen würden oder ein vorhandener Nachlassgegenstand
als wertvoll herausstelle.
Allerdings gehöre die
Zusammensetzung des Nachlasses zu den Eigenschaften der Erbschaft. Ein Irrtum
über die Zugehörigkeit bestimmter Rechte zum Nachlass könne daher eine
Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft rechtfertigen, wenn es
sich dabei um wesentliche Eigenschaften handele. Dies würde bei einem Irrtum
zur Frage der Überschuldung angenommen, wenn der Irrtum auf falschen
Vorstellungen über das Vorhandensein von Nachlassgegenständen oder –verbindlichkeiten
beruhe, nicht aber bei einer fehlerhaften Einschätzung des Wertes. Wer ohne
nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses eine Fehlvorstellung von
dessen Größe habe, sei daher nicht zur Anfechtung der Annahme oder der
Ausschlagung berechtigt, da es sich bei der zugrundeliegenden Annahme bzw. Ausschlagung
um eine spekulativem bewusst ungesicherte Entscheidung handeln würde.
Vorliegend hätte sich zwar die
Beteiligten 1 bis 3 und 7 nach ihren Ausschlagungserklärungen keine vertieften
Gedanken über die Zusammensetzung des Nachlasses gemacht. Allerdings sei zu
berücksichtigen, dass sie mit der Ausschlagung einer ausdrücklichen Empfehlung
der Stadt D. gefolgt seien. Auch wenn sich aus dem Schreiben der Stadt ergäbe,
dass die Anerkennung einer unbilligen Härte für den Verzicht auf den
Kostenerstattungsanspruch auf Angaben der Beteiligten 1, 3, 8 und 11 beruhe, habe
für die Beteiligten zu 1 bis 3 und 7 keine Veranlassung bestanden anzunehmen,
dass die Empfehlung der Stadt nicht auf einer eigenen (behördlichen)
Einschätzung bezüglich einer Überschuldung des Nachlasses beruhe. Damit beruhe
die Ausschlagung auf der irrtümlichen Annahme, die Stadt habe eine
Überschuldung des Nachlasses festgestellt. Hinzu käme, dass nach den Angaben
der Beteiligten zu 3 Erfahrungen über ständige Vollstreckungen bei den Eltern
bestanden hätten, weshalb in einem solchen Fall nicht davon gesprochen werden
könne, die Entscheidung der Anfechtenden sei auf einer spekulativen, bewusst
ungesicherten Grundlage getroffen worden. Der Irrtum sei hier auch kausal.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.01.2020 - 3 Wx 167/19 -