Posts mit dem Label § 43 WEG werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label § 43 WEG werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 11. November 2023

Unterlassungsanspruch ehrverletzender Äußerungen zwischen Wohnungseigentümern als WEG-Sache ?

Im Streitfall musste sich der BGH damit befassen, ob der Unterlassungsanspruch einer ehrverletzenden Äußerung („Sie sind sowieso eine Lachfigur, Sie idiot.“) eine WEG-Sache ist, weshalb bejahendenfalls nicht die für Berufungssachen allgemein zuständige Zivilkammer des Landgerichts zur Entscheidung berufen wäre, sondern die für WEG-Verfahren zuständige Kammer.

Der Kläger und seien Ehefrau sowie der Beklagte mit dessen Ehefrau bildeten eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Nachdem es zwischen den Parteien bereits zu diversen, auch gerichtliche Auseinandersetzungen in Bezug auf das Wohnungseigentum gekommen war, trafen sich der Kläger und der Beklagte auf dem Grundstücksvorplatz, bei dem der Beklagte den abgemahnten und dann zum Gegenstand der Unterlassungsklage gemachten Satz  gegenüber dem Kläger äußerte. Die Klage wurde bei dem Amtsgericht anhängig gemacht. Der Unterlassungsanspruch wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen; die Berufung ließ das Landgericht (9. Zivilkammer) wegen Nichterreichens der Berufungssumme nicht zu. Auf die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde durch den Kläger hob der BGH die Entscheidung im Beschlussweg auf und verwies den Rechtsstreit an die 9. Zivilkammer (zuständig für allgemein Zivilsachen in Berufungsverfahren) zurück. Die 9. Zivilkammer sah sich als zuständig an und verwies nicht an die für WEG-Sachen zuständige 18. Zivilkammer. Mit seinem vom Kläger mit der Revision angegriffenen Urteil wies sie nunmehr die Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil in Bezug auf das Unterlassungsbegehren zurück.

Der BGH legte zu dem bis zum 30.11.2020 und zu dem seit dem 01.12.2020 (nach dem WEMoG) geltenden Recht dar, wann eine Abgelegenheit der Spezialzuständigkeit einer für WEG-Verfahren gebildeten Kammer gegeben ist, nachdem der Kläger gemäß § 547 Abs. 1 ZPO die Verfahrensrüge der fehlenden Zuständigkeit der 9. Zivilkammer und damit die Verletzung des verfassungsrechtlichen gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) erhoben hatte, wobei er dahinstehen ließ, ob der Kläger mit der Zuständigkeitsrüge nach §§ 565,513 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen war, da es sich um eine Angelegenheit handelte, da es sich hier nicht um eine Wohnungseigentumssache gehandelt habe. 

Auf den vorliegenden Fall wandte der BGH § 43 Nr. 1 bis 6 WEG in der Fassung vor Inkrafttreten des WEMoG an, da der Rechtsstreit vor dem 01.12.2020 anhängig wurde, Art. 1, 4, 18 WEMoG, § 48 Abs. 5 WEG. Von § 43 Nr. 1 WEG a.F. würden „Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander“ erfasst.

Dass der Kläger nicht selbst Wohnungseigentümer sei, sondern nur die GbR, der er als Gesellschafter angehören würde, würde hier der Zuordnung nicht entgegenstehen, da § 43 WEG a.F. gegenstands- und nicht personenbezogen sei (BGH, Beschluss vom 21.01.2016 – V ZR 198/15 -). Würde über typische Rechte und Pflichten in einer GdWE gestritten, könne auch der Gesellschafter einer ein Wohnungseigentum haltenden GbR Kläger oder Beklagter in einer wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeit sein (BGH aaO. zur persönlichen Haftung für Beitragsrückstände). Entscheidend sei daher das Vorliegen der Voraussetzungen des § 43 Nr. 1 WEG a.F. in sachlicher Hinsicht.

Dafür käme es aber nicht darauf an, ob di Rechtsgrundlagen für den Anspruch im Wohnungseigentumsgesetz wurzeln; sie könnten auch (wie hier) aus dem allgemeinen Zivilrecht (§ 823 Abs. 1, 2 BGB iVm. §§ 185 ff StGB, § 1004 Abs. 1 BGB analog) hergeleitet werden. Voraussetzung wäre, dass das in Anspruch genommene Recht oder die Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit stünde, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen sei (BGH, Beschluss vom 17.11.2016 – V ZB 73/16 -). An diesem Erfordernis des inneren Zusammenhangs habe sich trotz der weiteren Fassung des § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG n.F. (Fassung nach dem WEMoG), „Streitigkeiten über Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander“, nichts geändert; geklärt habe der Gesetzgeber damit nur, dass Streitigkeiten über die sachenrechtlichen Grundlagen der WEG Wohnungseigentumssachen seien (BT-Drs. 19/18791, S. 81). 

Wenn die Äußerung, die Gegenstand eines Anspruchs eines Wohnungseigentümers gegen einen anderen Wohnungseigentümer sind, in einer Eigentümerversammlung oder Beiratssetzung getätigt, handele es sich um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit, § 43 Nr. 1 WEG a.F., § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG n.F., wobei es auf Inhalt und Anlass der Äußerung nicht ankäme. Es käme damit hier nicht darauf an, ob die verbale Auseinandersetzung der Parteien sich an der Frage der Erfüllung von Reinigungspflichten entzündet habe.

Alleine der Umstand, dass es sich bei den Parteien um Wohnungseigentümer oder diese gleichgestellte Personen handele, begründe nicht die wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit. Bestünde zwischen den Wohnungseigentümern eine Sonderverbindung, aufgrund derer sie sich gleichsam wie Dritte gegenüberstehen würden, stelle ein daraus resultierender Streit keine Wohnungseigentumssache dar, z.B. wenn Rechte zwischen Wohnungseigentümern aus Miet-, Dienst- oder Werkverträgen hergeleitet würden (s. auch BGH, Urteil vom 20.06.1986 – V ZR 47/85 – zum Streit über ein Konkurrenzverbot).  Dies gelte auch wenn sich Wohnungseigentümer über die Zulässigkeit von Äußerungen streiten würden, da sie sich dann auch wie Dritte gegenüberstehen und ein innerer Zusammenhang mit einer Angelegenheit bestünde, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis erwachsen sei. Der Streit in Bezug auf unterschiedliche Auffassungen zu einer die GdWE betreffenden Frage stelle sich nur als Anlass für die Äußerung dar, deren Zulässigkeit sich nach allgemeinen Zivilrecht richte (dazu auch BGH, Urteil vom 21.01.2026 – V ZR 108/15 -).

Eine Ausnahme läge nur dann vor, wenn es um die Zulässigkeit von Äußerungen in einer Eigentümerversammlung gehen würde (BGH, Beschluss vom 17.11.2016 – V ZR 73/17 -). Dies würde eine spezifische, unmittelbare wohnungseigentumsrechtliche Komponente aufweisen, die über die durch das allgemeine Zivilrecht geregelten Rechtsbeziehungen hinausgehe. Die Eigentümerversammlung sei das Willensbildungsorgan der GdWE und diene der Erörterung der Beschlussfassung, bei der Äußerungen zur Meinungsbildung beitragen würden. Der für die Anwendbarkeit des § 43 Nr. 1 WEG a.F. und § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG n.F. (in der Fassung des WEModG) erforderliche Bezug zu dem Gemeinschaftsverhältnis würde in diesem Fall durch den institutionellen Rahmen der Versammlung hergestellt. Gleiches gelte für Beiratssitzungen.

Damit sei eine klare Abgrenzung getroffen, wann hiernach Streitigkeiten zwischen einzelnen Wohnungseigentümern über die Zulässigkeit von Äußerungen eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG a.F. und § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG n.F. begründen.

Von daher war vorliegend nicht die Spezialkammer für WEG-Rechtsstreite zuständig.

BGH, Urteil vom 22.09.2023 - V ZR 254/22 -

Dienstag, 14. Juli 2020

WEG: Klage des ausgeschiedenen Eigentümers und zuständiges Landgericht bei Berufung


Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen und in der Rechtsbehelfsbelehrung darauf verwiesen, die Berufung müsse bei dem LG Essen eingelegt werden. Der Kläger erhob allerdings Berufung zum LG Dortmund, da dieses für Wohnungseigentumssachen im berufungsverfahren zuständig ist. Die Berufung wurde als unzulässig zurückgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht.

Die Kläger machten Schadensersatzansprüche aus einer Leckage des Abflussrohres im Badezimmer der Beklagten wegen Schäden an der Badezimmerdecke gegen diese geltend. Die Parteien waren Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Vor Rechtshängigkeit der Klage veräußerten die Kläger allerdings ihre Wohnung. Nach Ansicht des im Berufungsverfahren angerufenen Landgerichts würde es sich nicht um eine Wohnungseigentumssache handeln, weshalb das für das Amtsgericht örtliche Landgericht für das Berufungsverfahren zuständig gewesen wäre. Die Kläger sein keine Wohnungseigentümer gewesen, als der Rechtsstreit rechtshängig wurde.

Das sah nun der BGH anders. Es würde sich um eine Wohnungseigentumssache iSv. § 43 Nr. 1 WEG handeln. Dazu würden auch Streitigkeiten über sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebende Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander. Ausschlaggebend sei nicht die jeweilige Rechtsgrundlage des Anspruchs, sondern alleine der Umstand, ob ein innerer Zusammenhang mit einer Angelegenheit bestünde, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachse.

Der Schaden an der Badezimmerdecke der ehemaligen Wohnung der Kläger durch ein (nach Behauptung der Kläger) Leckage des Abflussrohres in der Wohnung der Beklagten würde in einem inneren Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis stehen, da der Schaden durch den baulichen Zustand des Abflussrohres in der Wohnanlage verursacht worden sein soll.

Nicht entscheidend sei, dass die Kläger bereits vor Rechtshängigkeit aus der Wohnungseigentumsgemeinschaft ausgeschieden seien. § 43 WEG sei gegenstands- und nicht personenbezogen zu verstehen. Alleine dadurch, dass eine der Parteien vor Rechtshängigkeit aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausscheide, ändere mithin nichts an der Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts (st. Rspr., so BGH, Beschluss vom 26. 09.2002 – V ZB 24/02 -; BGH, Beschluss vom 17.03.2016 – V ZR 185/15 -).

Die Berufung sei trotz falscher Rechtsmittelbelehrung richtig eingelegt worden. Dabei käme es nicht darauf an, ob erstinstanzlich der nach dem Geschäftsverteilungsplan für diese Streitigkeit zuständige Amtsrichter entschieden habe (BGH, Beschluss vom 12.11.2015 - V ZB 36/15 -).

Anmerkung: Wäre die Berufung bei dem in der Rechtsmittelbelehrung benannten (unzuständigen) Landgericht eingelegt worden, hätte dieses auf seine Unzuständigkeit hinweisen müssen und wäre es dem Rechtsmittelführer möglich gewesen, das Rechtsmittel noch bei dem zuständigen Gericht (ggf. verbunden mit einem grundsätzlich stattzugebenden Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Berufungsfrist einzulegen.

BGH, Beschluss vom 13.12.2019  - V ZR 313/16 -