Gegenstand der Klage war ein
Verkehrsunfall anlässlich eines Überholvorgangs des Klägers. Dieser fuhr ebenso
wie der Erstbeklagte in einer Fahrzeugkolonne, die sich hinter einem Traktor
gebildet hatte. Der Kläger befand sich etwa 10 bis 12 Fahrzeuge hinter dem Traktor.
Nachdem 3 bis 6 Fahrzeuge, die sich direkt hinter dem Traktor befanden,
zunächst diesen überholten, scherte der Kläger mit eingeschalteten
Warnblinklicht aus der Kolonne aus und wollte die vor ihm fahrenden Fahrzeuge
nebst dem Traktor links überholen. Der Erstbeklagte, der sich zwischenzeitlich
direkt hinter dem Traktor befand, scherte nun ebenfalls nach links zum Überholen
des Traktors aus und kollidierte dabei mit dem klägerischen Fahrzeug. Das
Landgericht ging von einer Haftungsquote von 30% zu Lastend es Klägers zu 70%
zu Lasten der Beklagten aus. Die vom Kläger eingelegte Berufung wurde
zurückgewiesen.
Das OLG wies darauf hin, dass bei
der Bildung der Haftungsquote nach § 17 Abs. 2 StVG auf die Umstände des
Einzelfalls abzustellen sei, mithin insbesondere darauf, inwieweit der Schaden
vorwiegend von dem einen oder anderen Beteiligten verursacht worden sei. Neben
der Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge dürften dabei nur unstreitige,
zugestandene oder aber bewiesene Umstände berücksichtigt werden. Jeder
beteiligte hätte dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen Beteiligten
zum Verschulden reichen würden und aus denen er meint, für die Abwägung günstige
Rechtsfolgen herleiten zu können.
Dabei sei zu Lasten der Beklagten
der Verstoß des Erstbeklagten gegen § 5 Abs. 4 S. 1 StVO (überholen darf nur,
wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist) zu
berücksichtigen.
Allerdings sei bei dem Kläger eine
gesteigerte Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Er habe mit 67km/h eine
Fahrzeugkolonne links überholt, die sich auf der Bundesstraße hinter einem
Traktor aufgestaut habe. Er sei dann mit Warnblinklicht ausgeschert um zu
überholen. Der weitere Verlauf der Bundesstraße nach der Unfallstelle sei wegen
einer Kuppe nicht einsehbar gewesen, weshalb sich der Kläger bei möglichen Gegenverkehr
in die Fahrzeugschlange hätte „reinquetschen“ müssen. Ferner hätte er, wie
geschehen, damit rechnen müssen, dass eines der ersten Fahrzeuge hinter dem Traktor
aus der Kolonne ausschert um ebenfalls zu überholen.
§ 5 Abs. 4 und 4a StVO verlange
von dem Überholer auf die Fahrweise des Eingeholten zu achten und er dürfe
diesen nicht gefährden. Er müsse nach der Örtlichkeit sicher sein, dass kein
Vorausfahrender links abbiegen will. Wer eine stockende Kolonne überhole, ohne
mit Gewissheit vorn eine Einscherlücke erkenne, zeige keine äußerste Sorgfalt
nach § 5 Abs. 4 S. 1 StVO. Der Kläger habe sich nicht alleine auf das von ihm
eingeschaltete Warnblinklicht verlassen dürfen; § 16 Abs. 2 StVO sehe
entsprechende ausdrückliche Benutzungsvorschriften vor, damit keine
übertriebene Benutzung erfolge, die hier das Warnblinklicht nicht vorgesehen
hätten.
OLG Schleswig,
Beschluss nach § 522 ZPO vom 30.01.2020 - 7 U 210/19 -