Der Antragsgegner führte im Auftrag des Vermieters der Antragstellerin Renovierungsarbeiten in deren Wohnung durch. Bei den Arbeiten wurde der Boden der Küche bis auf die Rigipsdecke der unteren Wohnung geöffnet, ohne dass in der Wohnung eine Absperrung oder Absicherung erfolgte. Die Antragstellerin betrat die Wohnung währen dieser Zeit, obwohl die im Einvernehmen mit dem Vermieter die Wohnung zur Durchführung der Arbeiten verlassen hatte und nicht betreten sollte, und zog sich infolge der Bodenöffnung Verletzungen zu. Ihr Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wurde mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgewiesen; die gegen den Ablehnungsbeschluss eingelegte Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen.
Grundlage könnte nur ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung sein, da zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner kein Vertragsverhältnis bestünde du aus dem Werkvertrag zwischen dem Vermieter und dem Antragsgegner sich auch unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages zugunsten Dritter keine vertraglichen Ansprüche im Rahmen einer hier vorliegenden Körperverletzung ergeben würden, da es an der erforderlichen Leistungsnähe deshalb ermangeln würde, das die Antragstellerin nicht anwesend sein und die Wohnung nicht betreten sollte, weshalb sie auch mit dem Handwerker nicht hätte in Berührung kommen können / sollen.
Der Antragsgegner habe nicht damit rechnen müssen, dass die Antragstellerin am Unfalltag die Wohnung doch betreten würde und sich in die Küche begeben würde und dabei auf der Gefahrenquelle nicht Rechnung trug. Die Bauarbeiten seien offensichtlich gewesen und die Handwerker hätten mit Ortsunkundigen nicht rechnen müssen.
Ein anspruchsausschließendes Mitverschulden (§ 254 BGB) der Antragstellerin, auf welches das Vorgericht die Versagung der Prozesskostenhilfe stützte, vermochte das OLG allerdings nicht zu erkennen. Alleine der Umstand, dass der Geschädigte bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt eine pflichtwidrig bestehende Gefahrenquelle hätte erkennen und umgehen können, ließe sich dies nicht folgern. Es würde dabei der Umstand vernachlässigt, dass der Verkehrssicherungspflichtige die Ursache gesetzt habe. Der Schutzzweck der Verkehrssicherungspflicht soll auch Verkehrsteilnehmer vor Schäden bewahren, die nicht stets ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Vorsicht walten ließen. Die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen würde bei einem Mitverschulden des Geschädigten nur entfallen können, wenn das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet sei (BGH, Urteil vom 20.06.2014 – III ZR 326/12 -). Dafür sah das Oberlandesgericht hier keine Anhaltspunkte, worauf es allerdings nicht ankam, da ohnehin die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verkehrssicherungspflichtverletzung fehlen würden.
OLG Hamm, Beschluss vom
25.04.2022 - 11 W 15/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Detmold vom 06.10.2021 (4 O 163/21) wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die zulässige
sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat der Antragstellerin
die beantragte Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage gegen den
Antragsgegner im Ergebnis zu Recht versagt.
Aufgrund einer
Verkehrssicherungspflichtverletzung kann die Antragstellerin den Antragsgegner
nicht gem. § 823 Abs. 1 BGB - eine andere Rechtsgrundlage kommt nicht
in Betracht - in Anspruch nehmen. Der Antragsgegner führte als Handwerker im
Auftrag des Vermieters der Antragstellerin, des früheren Antragsgegners zu 1,
Renovierungsarbeiten in der Wohnung der Antragstellerin durch. Vertragliche
Beziehungen zwischen den Parteien bestanden nicht. Auch aus dem Werkvertrag des
Vermieters mit dem Antragsgegner ergeben sich unter dem Gesichtspunkt des
Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im vorliegenden Fall der
Körperverletzung keine vertraglichen Ansprüche der Antragstellerin. Es fehlt an
der Leistungsnähe, weil die Antragstellerin die Wohnung während der
Renovierungsarbeiten nicht nutzen sollte und dementsprechend nicht aufzusuchen
hatte, so dass sie persönlich mit den Arbeiten der Handwerker nicht in
Berührung kommen sollte.
Soweit das
Landgericht die Abweisung des Prozesskostenhilfegesuchs darauf gestützt hat,
dass der Antragstellerin ein überragendes anspruchsausschließendes
Mitverschulden gemäß § 254 BGB zur Last falle, kann dem allerdings nicht
uneingeschränkt gefolgt werden. Ein anspruchsausschließendes Mitverschulden erscheint
im vorliegenden Fall zwar denkbar, liegt aber nicht nahe. Bei der Prüfung ist
insoweit zu berücksichtigen, dass die Haftung aus der Verletzung einer
Verkehrssicherungspflicht nicht schon dann vollständig entfällt, wenn der
Geschädigte bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt eine pflichtwidrig bestehende
Gefahrenstelle hätte erkennen und umgehen können. Die haftungsrechtliche
Gesamtverantwortung für das Unfallereignis würde damit allein auf den
Geschädigten verlagert, obwohl die Verkehrssicherungspflichtige eine
maßgebliche Ursache für das Schadensereignis gesetzt hat. Dieses Ergebnis
widerspräche dem Schutzzweck der verletzten Verkehrssicherungspflicht, die auch
solche Verkehrsteilnehmer vor Schäden bewahren soll, die nicht stets ein
Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Vorsicht walten lassen. Ein die Haftung des
Verkehrssicherungspflichtigen ausschließender, weit überwiegender
Verursachungsbeitrag des Geschädigten kann daher nur angenommen werden, wenn
das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin
unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.06.2013
- III ZR 326/12, Juris Tz. 18 ff.).
Zu einem
Sorgfaltsverstoß von diesem Gewicht fehlen im vorliegenden Fall, in dem der
Inhalt eines Gesprächs der Parteien vor der konkreten Schadensentstehung
umstritten ist, ausreichende Anhaltspunkte, die bereits im
Prozesskostenhilfeverfahren eine abschließende Beurteilung zulassen. Allein die
Erkennbarkeit der Gefahrenstelle und ein sorgfaltswidriges Verhalten der
Antragstellerin lassen noch keinen Vorwurf einer ganz besonderen, schlechthin
unverständlichen Sorglosigkeit zu. Umstände, die darüber hinaus einen
derartigen Vorwurf begründen könnten, sind weder konkret vorgetragen worden,
noch derzeit sonst ersichtlich.
Allerding fehlt
es bereits an einer Verkehrssicherungspflichtverletzung des Antragsgegners,
dessen rechtliche Voraussetzungen das Landgericht in seinem Beschluss vom
06.10.2021 - auf S. 2 nach Ziff. 1. - zutreffend beschrieben hat, hierauf
nimmt der Senat Bezug.
Dem Landgericht
ist weiter dahingehend zu folgen, dass vom Antragsgegner als einem in der
Wohnung tätigen Handwerker nicht zu erwarten war, dass er den bereits bis auf
die Rigipsdecke der unteren Wohnung geöffneten Boden in der Küche absperrte
oder anders absicherte. In der Privatwohnung fanden Bauarbeiten statt. Für
beteiligte Handwerker war der geöffnete Fußboden als Gefahrenstelle, die nicht
betreten werden konnte und durfte, offensichtlich, was auch die von den
Parteien vorgelegten Lichtbilder verdeutlichen. Sie bilden den geöffneten
Küchenboden mit der vom Wasser beschädigten Rigipsdecke unterhalb der
Deckenbalken ab, die ersichtlich kein zum Betreten geeigneter Untergrund ist.
Mit einem Personenkreis, der die Wohnung während der Bauarbeiten betreten würde
und sich der Gefahren des geöffneten Küchenfußbodens nicht bewusst sein würde,
musste der Antragsgegner nicht rechnen, insbesondere nicht mit uninformierten,
unbedarften Mietern der Wohnung, nachdem die Mieter die Wohnung im Einvernehmen
mit dem Vermieter zum Zwecke der Bauarbeiten vorübergehend verlassen hatten und
während der Bauarbeiten auch nicht aufsuchen sollten.
Dass die
Antragstellerin die Wohnung am Unfalltag, dem 00.00.2019, dennoch betreten
würde und sich - ohne zu fragen - in die Küche begab, ohne der dortigen
Gefahrenstelle Rechnung zu tragen, begründet keine
Verkehrssicherungspflichtverletzung des Antragsgegners. Die Bauarbeiten in der
Wohnung waren - auch für die Antragstellerin - offensichtlich. Handwerker waren
vor Ort (die mit der Situation umgehen konnten), mit Ortsunkundigen musste von
Seiten der in der Privatwohnung tätigen Handwerker nicht gerechnet werden. Die
Antragstellerin war ebenfalls nicht ortsunkundig, da sie sich als Mieterin in
der Wohnung auskannte.
In dieser
Situation musste der Antragsgegner nicht mit Personen rechnen, die die Wohnung
betreten würden und mit den durch die Bauarbeiten geschaffenen Gefahrenstellen
nicht würden umgehen können. Dies gilt auch für die Antragstellerin, wenn der
Antragsgegner sie beim Betreten der Wohnung aufgrund eines kurzen Grußes
bemerkt haben sollte, ohne ihr weitergehende Hinweise zu den Bauarbeiten zu
erteilen, wie die Antragstellerin behauptet. Der Antragsgegner konnte vielmehr
davon ausgehen, dass sich die Antragstellerin auf die für sie offensichtlichen
Bauarbeiten einstellen und sich erforderlichenfalls nach den Umständen, unter
denen sie etwas aus der Wohnung holen konnte, von sich aus (und im Voraus)
erkundigen würde. Mangels anderer Anhaltspunkte musste er nicht annehmen, dass
sich die Antragstellerin gänzlich unbefugt in Verkennung der mit dem
Bauarbeiten verbundenen Risiken in der Wohnung bewegen würde. Vielmehr durfte
er davon ausgehen, dass sich die Antragstellerin auf die Situation einstellen
und gegebenenfalls bei den vor Ort tätigen Handwerkern nachfragen würde, wenn
ihr etwas unbekannt, unklar war. Dies lag auch für die Antragstellerin nahe,
die als Mieterin ja sofort erkennen konnte, welcher Bereich der Wohnung von den
Bauarbeiten betroffen war und evtl. nur in Abstimmung mit den vor Ort tätigen
Handwerken betreten werden konnte.
Es fehlt mithin
bereits an einer haftungsbegründenden Verkehrssicherungspflichtverletzung des
Antragsgegners, Prozesskostenhilfe für die von der Antragstellerin
beabsichtigte Schadensersatzklage ist bereits aus diesem Grund zu versagen.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.
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