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Montag, 3. Oktober 2022

Haftung des Besitzers des störenden Grundstücks (grenznaher Baumbewuchs)

Der Kläger erhob gegen den Beklagten zu 1 als Eigentümer des Nachbargrundstücks und gegen dessen Ehefrau, die Beklagte zu 2 als Mitbesitzerin desselben Klage auf Beseitigung von grenznahen Bäumen. Während des Rechtsstreits beseitigte der Beklagte zu 1 die Bäume. Der Rechtsstreit wurde zwischen dem Beklagten zu 1 und dem Klägerübereinstimmend für erledigt erklärt; die Beklagte zu 2 schloss sich dem nicht an, die behauptete, die Bäume nicht gepflanzt zu haben. Die Klage gegen die Beklagte zu 2, die als Feststellungsantrag gegen sie aufrechterhalten blieb, wurde vom Landgericht abgewiesen. Zwar sei sie zulässig, in der Sache aber nicht begründet gewesen. Die Beklagte zu 2 sei nicht Verhaltensstörerin gewesen; der Kläger habe keinen Beweis dafür erbracht, dass nicht nur der Beklagte zu 1, sondern beiden Beklagten gemeinsam die Bäume gepflanzt hätten.

Die Beklagte zu 2 sei unstreitig nicht als Miteigentümerin im Grundbuch eingetragen. Deshalb könne sie auch nicht Zustandsstörerin kraft Eigentümerstellung sein, auch wenn sie ihre Zustimmungserklärung zu dem Baugesuch des Beklagten zu 1 erteilt habe. Aus dieser Zustimmung ergebe sich kein Rechtsschein oder Vertrauenstatbestand für ihre Eigentümerposition.

Unstreitig sei die Beklagte zu 2 aber Mitbesitzerin des Grundstücks gewesen. Soweit sich der Mitbesitz einer Sache wegen ihrer Lage oder Beschaffenheit störend auswirke, könne aber der Besitzer auch Zustandsstörer sein. Umstritten sei aber, ob dies auch in den Fällen gelte, in denen sich die Störung nur durch einen Eingriff in die Sachsubstanz (hier dem Fällen der Bäume) beseitigen lasse. Soweit dies bejaht würde, würde insoweit auf § 77 ZPO verwiesen. Die Gegenmeinung stütze sich auf § 257 BGB, wonach ein Anspruch gerade insoweit ausgeschlossen würde, wie dem Schuldner die Leistung unmöglich sei, wonach der Besitzer unter Bezugnahme auf § 77 ZPO bejaht würde, folge dem das Gericht nicht. Der Gegenmeinung sei zu folgen.

Die Argumentation zu § 77 ZPO sei nicht überzeugend, da prozessuale Regelungen materiell-rechtliche Ansprüche lediglich flankieren und ihnen zur Durchsetzung verhelfen sollen. Sie würden nicht dazu dienen, die Reichweite eines materiell-rechtlichen Anspruchs auszudehnen. Zudem ergäbe sich ein Widerspruch zu § 903 BGB, demzufolge der Eigentümer einer Sache mit dieser nach belieben verfahren könne und Dritte - auch den sein Besitzrecht überschreitenden Mitbesitzer - von jeder Einwirkung ausschließen kann.  Das Eigentum würde nur durch beschränkt dingliche Rechte beschränkt. Daher sei der beklagten zu 2 die vom Kläger begehret Handlung unmöglich gewesen, da sie nicht gegen den Willen des Eigentümers die streitgegenständlichen Bäume hätte beseitigen oder beseitigen lassen durfte.

Anderes ergebe sich auch nicht aus § 862 Abs. 1 BGB, da sich die gleiche Problematik stelle, ob der bloße Mitbesitz als Nichteigentümer gegenüber dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Störungen der Besitzstellung des Nachbarn unterfalle. Es würden hier die Grundsätze des § 1004 BGB gelten.  

LG Baden-Baden, Urteil vom 11.04.2022 - 4 O 19/21 -

Sonntag, 30. Mai 2021

Der Containerbetrieb als Zustandsstörer bei Inanspruchnahme durch den Grundstückseigentümer

Der Kläger hatte eine Lagerhalle an die zwischenzeitlich insolvente Mieterin vermietet. Ein Entsorgungsunternehmen (die Beklagte) wurde noch vor der fristlosen Kündigung und Zwangsräumung von der Mieterin beauftragt, zwei Abfallcontainer auf dem Grundstück aufzustellen und nach der Befüllung mit Altholz und Abbruchholz zu entsorgen. Da die Mieterin die Kosten nicht zahlte, holte die Beklagte die Container nicht ab. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Mieterin eröffnet wurde, erklärte sie die Beklagte bereit, die Container ohne den in ihnen befindlichen Inhalt abzuholen. Der Klage wurde vom Amtsgericht nur im Hinblick auf eine Abholung der Container ohne Inhalt stattgegeben. Auf die Berufung des Klägers wurde die Beklagte zur Abholung der Container mit Inhalt verurteilt. Die zugelassene Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen.  

Nach Auffassung des BGH würden die auf dem Grundstück des Klägers mit Abfall befüllten Container eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers darstellen. Der Kläger habe einen Beseitigungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB. Zwar sei der Grundstückseigentümer nach § 1004 Abs. 2 BGB verpflichtet, das Abstellen von Gegenständen auf seinem Grundstück zu dulden, wenn dem Mieter selbst ein solches Recht gegenüber dem Eigentümer zustünde und der Dritte im Einverständnis mit dem Mieter handele. Von diesem Recht sei hier zwar auszugehen, doch erlösche dieses Recht. Müsse der Eigentümer den Verbleib der Gegenstände nicht dulden. Spätestens mit der vom Kläger beauftragten Zwangsräumung durch den Gerichtsvollzieher könne nicht mehr von einer Zustimmung des Klägers ausgegangen werden.

Die Beklagte könne auch als Zustandsstörer in Anspruch genommen werden. Zustandsstörer sei derjenige, der zwar die Beeinträchtigung nicht verursacht habe, durch dessen maßgeblichen Willen aber der beeinträchtigende Zustand aufrechterhalten bleibe. Der Zustandsstörer müsse auch die Quelle der Störung beherrschen, also sie beseitigen können. Erforderlich für die Zurechnung der Beeinträchtigung sei, dass diese zumindest mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers des störenden Gegenstandes zurückgehen würde. Dies sei in wertender Betrachtung festzustellen, wobei entscheidend sei, ob es Sachgründe dafür gäbe, dem Eigentümer/Besitzer der störenden Sache die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen.

Diese Voraussetzungen sah der BGH als gegeben an.

Der entscheidende Sachgrund für die Zurechnung läge darin, dass die Beklagte die Container nicht nur an den Mieter ausgeliefert habe, sondern sich auch verpflichtet habe, die nach erfolgter Befüllung wieder abzuholen und den Inhalt zu entsorgen. Bei einer wertenden Betrachtung sei es daher dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzurechnen, dass die gefüllten Container nicht abgeholt wurden. Alleine die Erwartung der Beklagten, die Mieterin würde ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung nachkommen, und diese sich infolge der Insolvenz der Mieterin nicht erfüllte, stehe dem nicht entgegen. Der Kläger würde nicht in einem Vertragsverhältnis mit der Beklagten stehen.

Der Pflicht, auch die Befüllung der Container zu holen (und zu entsorgen), sei nicht deshalb entfallen, da die Mieterin die von ihr eingefüllten Gegenstände bereits vor der Befüllung auf dem Grundstück des Klägers hatte. Auch hier sei entscheidend, dass die Container gerade zur Befüllung mit den Abfällen zum anschließenden Abtransport durch die Beklagte aufgestellt worden seien. Für die Eigentumsbeeinträchtigung in ihrer konkreten Form sei es unerheblich, wo sich die von der Mieterin entsorgten Gegenstände vorher befanden.

Selbst wollte man annehmen, dass Dritte unberechtigt Abfall in die Container gefüllt haben würden, wäre die Beklagte Störer. Es würde ein adäquater Zusammenhang bestehen. Nur dann, wenn die Befüllung der aufgestellten und nicht abgeholten Behälter durch Dritte ein besonders eigenartiger, unwahrscheinlicher und nach dem Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassender Umstand wäre, würde dies nicht gelten. Vorliegend seien die Behälter nicht verschlossen gewesen, weshalb es allgemeiner Lebenserfahrung entspräche, dass Dritte Abfälle in die geöffneten Behälter einwerfen würden. Dahinstehen könne ob dies auch für den (hier nicht vorliegenden) Fall gelten würde, dass Gift- oder Gefahrstoffe, deren Entsorgung mit hohen Kosten verbunden wären, gilt.

BGH, Urteil vom 26.03.2021 - V ZR 77/20 -