Die Beklagte war Miterbe in einer Erbengemeinschaft, die als Rechtsnachfolger in das Mietverhältnis mit der Klägerin nach dem Ableben des ursprünglichen Mieters eintrat. Mit Schreiben vom 21.09.2020 kündigte die Klägerin der Beklagten als einen der Miterben das Mietverhältnis zum 31.12.2020. In der Räumungsklage wurde eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs mit neun Mieten erklärt. In einem weiteren Schriftsatz vom 02.06.2021 in dem gegen die Beklagte geführten Räumungsprozess kündigte die Klägerin das Mietverhältnis gegenüber allen Erben fristlos, vorsorglich ordentlich.
Voraussetzung für eine Räumungsklage ist, dass eine dieser vorausgegangene Kündigung gegenüber allen Mieter ausgesprochen wird, mithin hier gegenüber allen Mitgliedern der Erbengemeinschaft. Tatsächlich erfolgte die Kündigung nur gegenüber der Beklagten als ein Mitglied der Erbengemeinschaft. Erstmals im Schriftsatz vom 02.06.2021 wurde die Kündigungserklärung auch gegenüber den Miterben der Beklagten ausgesprochen, die allerdings nicht am Verfahren beteiligt waren.
Das Amtsgericht gab der gegen die Beklagte erhobenen Räumungsklage gleichwohl statt. Es sah das Mietverhältnis (bei bejahten Kündigungsgrund infolge Mietzahlungsverzugs, § 543 Abs. 2 Nr. 3 a und b BGB) als durch die Kündigungserklärung im Schriftsatz vom 02.06.2021 als beendet an. Insoweit nahm es eine passive Vertretungsberechtigung der Beklagten zur Empfangnahme der Kündigungserklärung im Rahmen des Schriftsatzes vom 02.06.2021 unter Bezugnahme auf § 2038 Abs. 1 S. 1 2. Halbs. BGB. Allerdings enthält S. 1 keinen zweiten Halbsatz. Die Norm des § 2038 BGB betrifft die (gemeinschaftliche) Verwaltung des Nachlasses.
Weiterhin verwies das Amtsgericht auf § 14 Abs. 2 des Mietvertrages. Danach soll zur Wirksamkeit des Zugangs einer Willenserklärung (hier mithin der Kündigung) ausreichend sein, wenn diese gegenüber einem der Mieter ausgesprochen würde. Hier ist vom Amtsgericht nicht thematisiert, ob es sich um eine Empfangsvollmacht in einem Formularmietvertrag handelt. Die Wirksamkeit einer solchen Klausel in einem Formularmietvertrag strittig (vgl. KG, Rechtsentscheid KG vom 25.10.1984 - 8 RE-Miet 4148/84 - und LG München I, Urteil vom 12.10.2016 – 14 S 6395/16 -).
Das Amtsgericht ging von einer Empfangsvollmacht der Beklagten aus und hatte daher der Klage stattgegeben.
Auch wenn man mit dem Amtsgericht von einer wirksamen Empfangsvollmacht ausgehen wollte, so verhilft das Urteil den Vermieter noch nicht weiter. Denn er kann keine Räumung durchführen, insoweit die weiteren Mitglieder der Erbengemeinschaft, die nicht mitverklagt wurden, nicht freiwillig räumen. Dazu würde ihm vorliegend ein auch gegen diese wirkender vollstreckungsfähiger Titel fehlen. Ebenso ist es angezeigt, bei Kenntnis davon, dass mehrere volljährige Personen in der Wohnung wohnen, diese mit zu verklagen, da mit dem Titel gegen den Mieter alleine die Vollstreckung zur Herausgabe der Wohnung nicht vollzogen werden kann.
AG
Frankfurt am Main, Urteil vom 04.08.2021 - 33 C 100/21 -
Aus den Gründen:
Tenor
Das
Versäumnisurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 24.3.2021 bleibt
aufrechterhalten.
Die Beklagte
hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte
kann die Vollstreckung aus diesem Urteil und aus dem Versäumnisurteil durch
Sicherheitsleistung i.H.v. 3000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Mit
schriftlichem Mietvertrag vom 16.9.2009, auf den Bezug genommen wird, mietete
Herr A von der Klägerin die streitgegenständliche Wohnung. Er verstarb am
23.3.2020 und wurde von der Klägerin beerbt.
Mit Schreiben
vom 21.9.2020 kündigte die Klägerin gegenüber der Beklagten das Mietverhältnis
zum 31.12.2020. In der Klageschrift sprach die Klägerin eine fristlose
Kündigung aus, da die Mieten von Mai 2020 bis Januar 2021 offen waren.
Mit Schriftsatz
vom 2.6.2021 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis vorsorglich fristlos und
ordentlich gegenüber allen Erben.
Gegen die
ordnungsgemäß geladene und unentschuldigt nicht erschienene Beklagte ist in der
mündlichen Verhandlung vom 24.3.2021 ein Versäumnisurteil auf Räumung und
Herausgabe der Wohnung erlassen worden. Das Versäumnisurteil ist der Beklagten
am 3.4.2021 zugestellt worden. Am 19.4.2021, einem Montag, ist der Einspruch
der Beklagten bei Gericht eingegangen.
Die Klägerin
beantragt,
das
Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte
beantragt,
das Versäumnisurteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte
behauptet, neben ihr seien auch ihre Mutter und ihre drei Geschwister Erben
geworden.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch
gegen das Versäumnisurteil ist form- und fristgerecht erfolgt, er hat in der
Sache aber keinen Erfolg.
Die Klägerin
hat gegen die Beklagte gemäß § 546 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf
Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung.
Mit Eintritt
des Erbfalls sind alle Erben und damit auch die Beklagte in das bisher mit dem
Erblasser bestehende Mietverhältnis auf Mieterseite eingetreten.
Das
Mietverhältnis ist jedenfalls durch die mit Schriftsatz vom 2.6.2021 gegenüber
allen Erben ausgesprochene fristlose Kündigung beendet worden.
Die
Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 2
Nr. 3 a und b BGB lagen vor.
Die Beklagte
war als Mitglied der Erbengemeinschaft gemäß § 2038 Abs. 1 S. 1
HS 2 BGB auch passiv vertretungsbefugt, die Kündigungserklärung in Empfang zu
nehmen. Eine solche Empfangsvollmacht ergibt sich im Übrigen auch aus § 14
Abs. 2 des Mietvertrages. Danach genügt es für die Rechtswirksamkeit des
Zugangs einer Willenserklärung, wenn sie gegenüber einem Mieter abgegeben wird.
Die Empfangsvollmacht gilt auch für die Entgegennahme von Kündigungen.
Gemäß § 857
BGB ist mit dem Erbfall der Besitz an der Wohnung an die Erben übergegangen,
somit auch auf die Beklagte.
Alle Erben
haften als Gesamtschuldner, die Erbengemeinschaft selbst ist nicht rechtsfähig
und kann somit nicht verklagt werden.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlagen den §§ 708 Nr. 7, 711
ZPO.
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