Streitig war, ob eine
Versicherungsleistung aus einer Lebensversicherung (der Beklagten) den Klägern
als Nachlassforderung zustand, nachdem der Nachlasspfleger einen „Widerruf des
Bezugsrechts“ erklärte. Nach § 160 Abs. 2 VVG sind die Erben bezugsberechtigt.
Allerdings, so das OLG Dresden, würde sich daraus nicht ergeben, dass die
Versicherungsleistung zunächst in den Nachlass falle, bevor sie an die Erben ausgekehrt
würde. Der Auszahlungsanspruch auf die Versicherungsleistung gehöre nicht zum
Erblasservermögen, sondern würde mit dem Todesfall unmittelbar in das Vermögen
des Bezugsberechtigten fallen (BGH, Urteil vom 30.01.2018 - X ZR 119/15 -).
Allerdings sei die Bestimmung des
Bezugsberechtigten als Willenserklärung, wenn sie nicht eindeutig sei, der Auslegung
zugänglich. § 160 VVG würde nicht grundsätzlich die Auslegung der Bezugsberechtigung
regeln, sondern nur deren Auslegung in bestimmten Fällen, weshalb §§ 133, 157
BGB heranzuziehen seien (BGH, Urteil vom 01.04.1987 - Iva ZR 26/86 -). Vorliegend
lasse die Formulierung „Erben laut Rechtsnachfolge“ nach Ansicht des OLG
Dresden keinen eindeutigen Schluss zu, ob damit die Erben kraft gesetzlicher Rechtsnachfolge
einerseits oder kraft Testaments andererseits oder schlicht als direkte
Bezugsberechtigte ohne gesetzliche Erbfolge gemeint seien. Der mögliche Zweck
der Lebensversicherung als Aufstockung der Altersrente spräche für den
Todesfall weder für einen Begünstigungswillen im Hinblick auf den Nachlass noch
die Erben direkt. Auch die klägerseits behauptete (und beklagtenseits
bestrittene) Formulargestaltung ließe nichts anderes schlussfolgern. Hier käme
die Regelung des § 160 Abs. 2 S. 1 iVm. S. 2 VVG zum Tragen, wonach „die Erben“
die Ansprüche auf die Versicherungssumme gerade nicht kraft Erbrechts, sondern
als Bezugsberechtigte erwerben sollen.
Der Nachlasspfleger, so das OLG,
habe das Bezugsrecht nicht wirksam widerrufen können, da es mit dem Todesfall
des Versicherungsnehmers (VN) zum Vollrecht erstarkt sei, also ein originäres
neues Recht zugunsten der Bezugsberechtigten entstanden sei (BGH, Urteil vom
21.05.2008 - IV ZR 238/06 -). Ob die Bezugsberechtigten das Recht „behalten“
dürften, würde sich nicht aus dem Deckungsverhältnis, sondern dem Valutaverhältnis
(also dem Verhältnis zwischen Versicherer und Bezugsberechtigten) beantworten.
Als Rechtsgrund für die Leistung käme nur ein Schenkungsvertrag gem. § 518 BGB
in Betracht; die Bestimmung des VN zum Bezugsberechtigten enthalte gegenüber
dem Versicherer den konkludenten Auftrag, dem Bezugsberechtigten nach Eintritt
des Versicherungsfalls das noch zu Lebzeiten abgegebene Schenkungsangebot des
VN zu überbringen (BGH, Urteil vom 21.05.2008 - IV ZR 238/06 -), was der
Versicherer durch Mitteilung an den Bezugsberechtigten oder Auszahlung an
diesen erfülle. Dieser Auftrag zur Überbringung des Schenkungsangebots könne allerdings
(anders als das Bezugsrecht) von den gesetzlichen Erben widerrufen werden (Winkens
in VersR 2018, 133f). Der Widerruf des Bezugsrechts sei konkludent als
Widerrufs des Übermittlungsauftrages anzusehen (OLG Saarbrücken, Urteil vom
17.05.2017 - 5 U 35/16 -).
Allerdings, so das OLG Dresden, wäre in dieser Konstellation die Ausübung des
Widerrufsrechts durch den Nachlasspfleger (der nicht als Vertreter des
Nachlasses, sondern der unbekannten Erben anzusehen sei) rechtsmissbräuchlich,
da dies dazu führen würde, da dies dazu führen würde, dass für deren
unwiderrufliches und außerhalb des Nachlasses entstandene Bezugsrecht der
Rechtsgrund entfiele. Einen Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB) würden sodann die
Erben (vertreten durch den Nachlasspfleger, gegen sich selbst durchsetzen
müssen, ohne hiervon einen Vorteil zu haben. Die Folge einer Herausgabe nach §
812 BGB wäre zwar, dass die Erben
entsprechend ihrer jeweiligen Erbquote an der Versicherungssumme teilhaben
würden, allerdings wäre dann die Nachlassverbindlichkeiten abzusetzen, was bei
einem direkten Bezug unterbliebe.
Es könne allerdings auf sich
beruhen, ob der Nachlasspfleger hier einen Widerruf des Schenkungsangebotes
erklären kann. Der wirksame Widerruf habe lediglich zur Folge, dass den laut
Erbschein quotal berechtigten Erben (so sie vorhanden sind) ein Bezugsrecht
ohne Rechtsgrund zugefallen wäre. Im Hinblick auf die Relativität der
Schuldverhältnisse sei ein hieraus folgender Bereicherungsanspruch allerdings
nicht im Deckungsverhältnis zum Versicherer, sondern im Valutaverhältnis der
Erben gegenüber den Bezugsberechtigten zu verfolgen (OLG Hamm, Urteil vom
03.12.2004 - 20 U 132/04; KG, Beschluss vom 29.11.2016 - 6 W 112/16 -), was
auch dann der Fall sei, wenn (wie hier) zum Zeitpunkt des Widerrufs noch offen
sei, ob überhaupt Bezugsberechtigte und Erben vorhanden seien. Der Gefahr, dass
der Nachlasspfleger einen unzulässigen „in-sich-Prozess“ führen müsse, da Erben
und Bezugsberechtigte personenidentisch seien, sei nicht dadurch Rechnung zu
tragen, dass der Widerruf des Schenkungsangebots in einem solchen Fall auf das
Deckungsverhältnis durchschlage.
OLG Dresden, Urteil vom 09.10.2018 - 4 U 808/18 -