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Mittwoch, 19. Juli 2023

Zum Nachweis der Haftung für einen Hund (Stellung eines Tierhalters/-aufsehers)

Die Klägerin machte geltend, der Schäferhund des Beklagten sei zunächst neben dem geleasten fahrenden Wagen der Klägerin gelaufen, dann an diesem hochgesprungen und habe dabei Dellen und Lackschäden verursacht. Der Beklagte bestritt die Aktivlegitimation und seine Tiehalter- und Tieraufsehereigenschaft / Haftung. Nach Beweisaufnahme wies das Amtsgericht die Klage ab.

Das Amtsgericht ließ letztlich trotz einer gewissen Annahme für eine Aktivlegitimation der Klägerin nach den Leasingbedingungen dahinstehen, ob die Klägerin zur Geltendmachung des Schadens legitimiert war, da jedenfalls die Klage sachlich unbegründet sei. Weder sei nach Vernehmung von Fahrerin und Beifahrerin des Fahrzeugs, der Tochter des Beklagten und Anhörung des zum Termin geladenen Sachverständigen (bei Besichtigung des Fahrzeugs während des Termins) der Beweis geführt worden, dass ein Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten bestünde, noch, dass der Schaden von einem Hund verursacht worden sei.

Die Tochter des Beklagten habe bestätigt, dass der Beklaget nicht Halter des Hundes gewesen sei, weshalb eine Haftung nach § 833 S. 1 BGB ausscheide. Für die Annahme einer Tierhaltereigenschaft sei eine Zuordnung des Tieres zur Lebens- oder Wirtschaftssphäre des Halters erforderlich, zu der insbesondere die Bestimmungsmacht über das Tier, die Nutzung und Kostentragung aus eigenem Interesse, das Verlustrisiko, die Übernahme von Versicherungsprämien etc. gehöre. Übereinstimmung hätten der Beklagte und die Zeugin angegeben, dass nicht nur der Hund im Eigentum der Zeugin stand, sondern auch unter ihrer Aufsicht und in ihrem Einflussbereich. Die Zeugin habe mit eigenem Hausstand auf dem Hof des Beklagten gewohnt und wäre daher auch in der Lage gewesen, die Versorgung und Aufsicht über den Hund wahrzunehmen. Aus dem Umstand, dass der Hund über die Haftpflichtversicherung des Beklagten versichert gewesen sei, folge auch nicht, dass der Beklagte die Aufsicht über den Hund übernommen habe und demgemäß Tieraufseher gem. § 834 BGB gewesen sei. Die Beweisaufnahme habe klar ergeben, „dass der Beklagte nichts mit dem Hund zu schaffen hatte“ wenn nicht die Zeugin längere Zeit (wie zur fraglichen Zeit nicht) abwesend war und Hund auf dem Hof verbleiben sei. 

Zudem sei nach dem Unfallrekonstruktionsgutachten zweifelhaft geblieben, dass die Kratzspuren und Eindellungen auf einen Kontakt mit dem Schäferhund zurückzuführen seien. Ein Verhaltend es Hundes ließe sich nach dem Gutachten nicht mit dem Schadensbild in Übereinstimmung bringen. 

AG Wolfach, Urteil vom 11.07.2023 - 1 C 33/23 -

Sonntag, 11. Juni 2023

Ersatzpflicht nach § 833 S. 1 BGB auch bei mittelbarer Schädigung durch ein Tier

Die Klägerin stand auf der unteren Treppenstufe, um mit einem Besen Schnee von der Treppe zu fegen. Dabei sah sie, wie sich der Hund des Beklagten auf ihre Katze stürzte und diese am Kopf packte. Dies veranlasste sie, mit dem Besen zu den Tieren zu eilen, um mit dem Besen den Hund (den sie gut kannte) zu vertreiben. Aufgrund der winterlichen Glätte stürzte sie. Zwar stand sie wieder auf, stürzte aber danach gleich wieder, wobei streitig ist, ob sie stürzte, da der Hund sie streifte, oder aus sonstigen Gründen. Sie zog sich Verletzungen zu. Das Landgericht wies die Klage ab, da sich keine spezifische Tiergefahr verwirklicht habe. Auf die Berufung der Klägerin änderte das Oberlandesgericht (OLG) das landgerichtliche Urteil nach Anhörung der Parteien ab, gab der Klage dem Grunde nach statt, stellte fest, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den materiellen und immateriellen Schaden aus dem Vorfall zu ersetzen und verwies im Übrigen den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.

Das OLG ging von dem von der Klägerin geschilderten Sachverhalt zu Geschehensablauf aus, den der Beklagte nicht habe sehen können.

Nach § 833 S. 1 BGB hafte der Tierhalter für einen Schaden, den ein Dritter „durch“ das Tier erleide. Es handele sich um eine verschuldensunabhängige Haftung (Gefährdungshaftung, ähnlich § 7 StVG), die nicht nur dann bestünde, wenn eine unmittelbare Verletzung durch ein Tier erfolge (z.B. durch Beißen), sondern bereits dann, wenn eine Verletzung adäquat kausal auf ein Tierverhalten zurückzuführen sei. Ein mittelbarer Zusammenhang oder eine Mitverursachung sei für die Haftung nach § 833 S. 1 BGB ausreichend.

Diese Rechtsansicht des OLG ist zutreffend und basiert auf gefestigter Rechtsprechung. So hat bereits das Rechtsgericht in seiner Entscheidung vom 20.02.1902 - VI. 399/01 - (RGZ 50, 2018, 221 f) den ausgeführt, dass n Ansehung der Angabe im Gesetz „durch ein Tier“ eine mittelbare Verursachung genügt, wenn ein kausaler Zusammenhang bestünde. Dem folgte z.B. auch das OLG Hamm mit Urteil vom 19.05.1980 - 13 U 61/80 - (ein Hund sprang auf einen Vorbeigehenden zu, der sich erschrak und deshalb stürzte) und das OLG Saarbrücken mit Urteil vom 17.01.2006 - 4 U 615/04 - (mehrere Pferde blockierten die Fahrbahn, mit einem Pferd kollidierte der dabei getötete Motorradfahrer, wobei es das OLG für ausreichend hielt, dass eines der blockierenden Pferde das des dortigen Beklagten war, da die Blockade ursächlich war), ferner der BGH in seinem in VersR 1967, 67 veröffentlichten Urteil, bei dem es zur Kollision mit einer Kuh kam, die einer Herde ausgebrochener Kühe angehörte, und eine Haftung des Tierhalters bejaht, obwohl der Motorradfahrer nicht durch den Sturz im Zusammenhang mit der Kollision mit einer tödlich verursachet, sondern wegen eines Fahrfehlers eines Lkw, der ihn überrollte).

Für den zur Entscheidung durch das OLG stehenden Vorgang nahm dieses einen mittelbaren Zusammenhang zutreffend an. Die Klägerin sei erst durch den Angriff des Hundes auf ihre Katze dazu veranlasst worden, dieser zu Hilfe zu eilen. Es merkte an (was im Rahmen des Mitverschuldens zu prüfen ist), dass es wohl von der Klägerin unklug gewesen sei. Sich trotz der winterlichen Verhältnisse schnell auf die Tiere zuzubewegen, doch sei zu berücksichtigen, dass sie ohne nähere Überlegung zu den Gefahren eines eventuell glatten Bodens zulief, da ein Vertreiben des Hundes mit dem Besen wesentlich erfolgversprechender schien als ein bloßes Zurufen. Die Reaktion der Klägerin sei kausal durch das Verhalten des Hundes des Beklagten herausgefordert worden.

Das OLG ließ es auch dahinstehen, ob sich die Klägerin die Verletzungen bereits bei dem ersten Sturz oder bei dem zweiten Sturz zuzog, auch, ob für den zweiten Sturz ursächlich ein Streifen des Hundes war. Der zweite Sturz habe jedenfalls im unmittelbaren Zusammenhang mit dem ersten Sturz gestanden; wäre die Klägerin nicht durch das Verhalten des Hundes zum Eingreifen veranlasst worden und dabei gestürzt, wäre sie auch nicht beim Aufstehen zum zweiten Mal gestürzt.

OLG Frankfurt, Urteil vom 18.01.2023 - 4 U 249/21 -

Freitag, 4. November 2022

Tierhalterhaftung bei Schikane durch Verletzten

Die Klägerin, die Mitarbeiterin in einer Bäckerei war, hatte dem angeleinten, auf seinem Hinterpfoten sitzenden Hund ein Geschirrtuch über den Kopf gelegt und sich dann entfernt. In der Folge wurde sie von dem Hund gebissen und machte Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend. Das Landgericht wies die Klage ab. Zu Recht, wie das OLG ausweislich seines Hinweisbeschlusses meinte, mit dem der Klägerin anzeigte zu beabsichtigen, deren eingelegte Berufung durch einstimmigen Beschluss des Senats zurückweisen zu wollen.

An sich bestünde der Anspruch gegen den Zierhalter gem. § 833 S. 1 BGB, da die Klägerin durch willkürliches Verhalten des Hundes verletzt wurde. Zutreffend habe aber das Landgericht die Klage wegen überwiegenden Eigenverschuldens der Klägerin (§ 254 BGB) abgewiesen. Das Mitverschulden des Verletzten verlange, dass dieser die Sorgfalt außer Acht lasse, die ein ordentlicher und verständiger Mensch gegenüber Tieren zu beobachten pflege, um sich vor Schaden zu bewahren; zu dieser Sorgfalt gehöre auch die Berücksichtigung allgemein bekannter Gefahren und Vorsicht walten zu lassen.

Durch das Überwerfen des Geschirrtuchs über den Kopf des Hundes habe die Klägerin selbst eine Gefahrenlage geschaffen. Wie der Sachverständige zutreffend geschildert habe, wurde dadurch eine „Eskalationsleiter“ begonnen, deren Ergebnis der Biss sei. Das Verhalten der Klägerin stelle sich als besonders grober Sorgfaltsverstoß dar.

Es habe sich nicht um eine „Spiel“ gehandelt, durch welches der Hund nicht beeinträchtigt worden sei. Es sei für jedermann (auch ohne Hundesachverstand) offensichtlich, dass das Legen eines Tuchs auf den Kopf eines Hundes inadäquat, da übergriffig, sei; der Hund könne sein Missfallen nicht verbalisieren und daher aggressiv reagieren. Selbst der Umstand, dass die Klägerin den Hund schon längere Zeit kennen würde und auch bereits häufiger ein Tuch über seinen Kopf gelegt hätte, ändere nichts daran, dass das Verhalten unangemessen und massiv gefahrerhöhend gewesen sei. Hinzu käme, dass die Klägerin selbst angegeben habe, der Hund habe ihre Hand auch schon öfters im Maul gehabt.

In Ansehung des überragenden Eigenverschuldens der Klägerin käme auch eine anteilige Haftung des Tierhalters nicht in Betracht.

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28.04.2022 - 2 U 32/21 -

Samstag, 15. Mai 2021

Tierhalterhaftung und Mitverschulden des verletzten Hufschmieds

Immer wieder kommt es bei dem Hufbeschlag dazu, dass ein Pferd austritt und den Hufschmied verletzt. Ein Ausschluss oder eine Kürzung des Anspruchs des Hufschmieds aus § 833 S. 1 BGB erfolgt in einem solchen Fall nicht wegen Handelns auf eigene Gefahr oder unter dem Gesichtspunkt eines konkludenten Haftungsausschlusses (BGH, Urteil vom 28.05.1968 - VI ZR 35/67 -).  Allerdings kann eine Kürzung unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB) erfolgen (vgl. BGH aaO.; BGH, Urteil vom 17.03.2009 - VI ZR 166/08 - für einen Tierarzt).

Mit einem solchen Fall hatte sich das OLG Hamm auseinanderzusetzen. Das Landgericht hatte ein Mitverschulden des Hufschmieds angenommen und ihm eine Quote von 50% zugesprochen. Nach dem Hinweisbeschluss beabsichtigte das OLG die vom Kläger eingelegte Berufung zurückzuweisen, da es ein Mitverschulden darin sah, dass der Hufschmied (Kläger) die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen habe (Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB).

Für die maßgeblichen Tatsachen des Mietverschuldens sei der Tierhalter darlegungs- und beweisbelastet, wobei allerdings dem Geschädigten (hier Kläger) eine sekundäre Darlegungslast zukäme.

Als wahr könne der Vortrag des Klägers unterstellt werden, dass es in Pferdekreisen üblich sei und als ungefährlich angesehen würde, bei einer 3,30m breiten Stallgasse an einem parallel zur Boxenwand stehenden Pferd auf der gegenüberliegenden Seite von hinten vorbeizugehen. Die im Verkehr übliche Sorgfalt entspräche nicht stets der im Verkehr üblichen Sorgfalt (BGH, Urteil vom11.02.1957 - VII ZR 256/56 -). Abzustellen sei auf die Umstände des Einzelfalls. Dabei sei im Umgang mit Pferden allgemein anerkannt, dass man sich nicht von hinten in Schlagdistanz eines (fremden) Pferdes begeben dürfe, auch wenn dies in der Praxis häufig vorkommen mag. Nach dem nicht widerlegten Vortrag des Klägers habe er sich zwar nicht unmittelbar in Schlagdistanz zum Pferd begeben, sondern sei dem Gang auf der anderen Seite entlang gelaufen um das Pferd zu passieren. Aber er sei von hinten gekommen. Aufgrund der Geschehnisse zuvor habe er mit Bewegungen und auch einem Ausschlagen des Pferds in seine Richtung auf der anderen Seite der Stallgasse rechnen müssen.

Er selbst habe vor dem Landgericht erklärt, vor Beginn der Hufschnittarbeiten darauf hingewiesen worden zu sein, dass das erstmals von ihm betreute Pferd ein „bisschen kribbelig“ sei, was er auch bestätigt fand und auch angab, es sei etwas bange gewesen. Zudem hatte er nach seinen schriftsätzlichen Ausführungen erkannt, dass die Hufe in einem „katastrophalem Zustand“ waren und deshalb Beschwerden oder Schmerzen sowie eine „unfreundliche Reaktion“ des Pferdes nicht auszuschließen sei. Im Rahmend er Berufungsbegründung habe er sogar ausgeführt, er habe deshalb mit einem oralem Sedativum gearbeitet, um die Reizschwelle des Pferdes herabzusetzen. Er habe kein Beruhigungsmittel eingesetzt. Nachdem der linke Vorderhuf unproblematisch habe ausgeschnitten werden können, habe das Pferd aber bei einer Standkorrektur zweimal nach hinten ausgetreten und seinen Mitarbeiter am Arm und Hüfte getroffen.

Angesichts dessen habe der Kläger mit einem unberechenbaren Verhalten des Pferdes rechnen müssen. Für ihn als Hufschmied sei ersichtlich gewesen, dass durch das Festzurren des Pferdes am Kopf dieses an einer Flucht nach vorne gehindert war und mit einem Schlag seine Laufseite der Gasse habe erreichen können. Hinzu käme auch, dass der Kläger in der Stallgasse vor dem Erreichen des Pferdes einen Telefonanruf erhielt (es habe geklingelt), das Gespräch annahm und im Weitergehen telefoniert habe. Es habe ihm klar sein müssen, dass das Pferd weiter oder erneut verunsichert würde und wiederum unvermittelt, aber jetzt vorhersehbar, reagieren könnte.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 04.01.2021 - I-7 U 9/20 -

Samstag, 6. März 2021

Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB und Haftungsprivileg des § 1664 BGB

 

Den getrenntlebenden Eltern der dreijährigen Klägerin stand das Sorgerecht gemeinsam zu. Die Klägerin wohnte mit ihrer Mutter in einem Haushalt. Der Vaterging mit ihr und seinem angeleinten Hund spazieren. Bei einem plötzlichen Laufrichtungswechsel des Hunde stolperte die Klägerin über die Hundeleine und fiel auf ihr Gesicht. Der Vater unterhielt bei der Beklagten eine Tierhalterhaftpflichtversicherung. Die Eltern unterzeichneten eine Vereinbarung, mit welcher der Vater seine Ansprüche aus dem Vorfall gegen seine Versicherung an die Klägerin abtrat. Das Amtsgericht wies die auf Schadensersatz gerichtete Klage als unzulässig ab. Das Landgericht hat im Berufungsverfahren zwar die Klage als statthaft, aber als unbegründet angesehen. Mit der zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Der BGH wies die Revision als unbegründet zurück.

Ein Verschulden des Vaters, welches eine Haftung nach § 823 BGB begründen könnte, sei nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Damit käme allenfalls ein Anspruch aus der Gefährdungshaftung des Tierhalters nach § 833 S. 1 BGB in Betracht. Dieser Anspruch sei aber nach § 1664 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. § 1664 BGB lautet:

(1) Die Eltern haben bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen.

(2) Sind für einen Schaden beide Eltern verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.

Die Eltern haben bei der Ausübung der elterlichen Sorge gegenüber dem Kind nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen, § 1664 Abs. 1 BGB. In der Norm sei eine Privilegierung der Eltern enthalten, die auf der familienrechtlichen Verbundenheit mit dem geschädigten Kind beruhe, welches der Ausübung der Personensorge ein besonderes Gepräge verleihe (BGH, Urteile vom 17.10.1995 - VI ZR 358/04 - und vom 01.03.1988 - VI ZR 190/87 -). Im Hinblick auf die dadurch bedingte Haftungsbeschränkung wurden auch für die deliktischen Verhaltenspflichten gegenüber dem Kind gelten, wenn diese Schutzpflichten ganz in der Sorge für das Kind aufgehen würden, da ein Ausschluss mit dem Wortlaut und dem Sinn der Norm nicht vereinbar wäre (BGH, Urteil vom 01.03.1988 aaO.). Damit wäre auch über § 1664 Abs. 1 BGB ein verschuldensunabhängiger Anspruch, wie er in § 833 S. 1 BGB normiert ist, ausgeschlossen. Das entspräche den Wirkungen einer gesetzlichen Beschränkung der Vertragshaftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, die auch auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung durchschlagen würden. Daher könne wegen desselben Verhaltens nach Deliktsrecht keine strengere Haftung stattfinden und entfalle mithin nicht nur eine Haftung für leichte Fahrlässigkeit, sondern auch die Gefährdungshaftung des § 833 S. 1 BGB (BGH, Urteil vom 09.06.1992 - VI ZR 49/91 -). Dies gelte auch für den Sorgfaltsmaßstab nach § 1359 BGB.

Auch soweit von der Revision darauf hingewiesen wurde, dass die Eltern getrennt leben würden, würde sich daran nichts ändern. Auch in diesem Fall würde es sich um den familiären Umgang zwischen der Klägerin und ihrem Vater handeln. Ebenso wenig wäre nicht entscheidend, dass es durch den geltend gemachten Anspruch keinen innerfamiliären Konflikt gäbe, da es eine Auseinandersetzung mit dem Versicherer sei. Der Regelungsmechanismus des § 1664 Abs. 1 BGB sei nicht abhängig davon, dass das Bestehen (d.h. dessen Entstehung und sein möglicherweise späteres Entfallen) von späteren (sich möglicherweise ändernden Begleitumständen) seiner Geltendmachung abhänge. Der BGH weist auch darauf hin, dass das innerfamiliäre Leben dem Zweck des § 1664 Abs. 1 BGB zuwider auch dadurch gestört werden könne, dass es im Rahmen einer Auseinandersetzung mit einem Dritten (hier: Versicherer) thematisiert würde, auch wenn für den Vater ein Haftpflichtversicherungsschutz bestünde.

Offen bleiben könne, ob der Sorgfaltsmaßstab des § 1664 Abs. 1 BGB bei Hundehaltung keine Anwendung fände, weil die dafür geltenden Regelungen keinen Raum für einen individuellen Sorgfaltsmaßstab ließen, wie es bei Schadensfällen im Straßenverkehr wegen Verstoßes gegen Verkehrsvorschriften oder bei Wasserski unter Verstoß gegen einen Ministerialerlass für § 1359 BGB und im Rahmen des § 708 BGB angenommen würde (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2009 - VI ZR 79/08 -). Denn ein Anspruch aus § 833 S. 1 BGB bestünde unabhängig von einer Sorgfaltspflichtverletzung.

Da der Vater bei dem Spaziergang die elterliche Sorge ausübte (§§ 1626 Abs. 1, § 1631 Abs. 1 BGB) scheide der Anspruch gegen ihn und damit aus der Abtretung gegen den Tierhalterhaftpflichtversicherer aus.

BGH, Urteil vom 15.12.2020 - VI ZR 224/20 -

Freitag, 25. Januar 2019

Tierhalter: Zum Nachweis der Haltereigenschaft im Rahmen der Haftung nach § 833 BGB


Der Kläger machte gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche nach § 833 BGB (Tierhalterhaftung) wegen eines angeblich durch ein Pferd verursachten Schadens geltend. U.a. wurde von der Beklagten ihre bestritten, dass sie Tierhalter sei. Das Landgericht hat die Klage wegen fehlenden Nachweises der Tierhalterstellung der Beklagten (fehlende Passivlegitimation) abgewiesen.

Entscheidend für die Bestimmung der Tierhaltereigenschaft seien das Eigeninteresse am Tier und die Entscheidungsgewalt über das Tier. Dabei seien die Anhaltspunkte Obdach und Unterhalt, Tragen der Unterhaltskosten, Versicherungsprämien und das Verlustrisiko Indizien für das Eigeninteresse, da davon auszugehen sei, dass diese Lasten regelmäßig derjenige trage, der auch die Nutzungsvorteile daraus ziehe. Die Kriterien des unmittelbaren bzw. mittelbaren Besitzes sowie das Eigentum seien Anhaltspunkte für die Bestimmung der Herrschaft über die Existenz und Verwendung des Tieres.

Die Indizien „Obdach und Unterhalt“ und „Kostentragung für den Unterhalt“ sprächen hier gegen die Haltereigenschaft der Beklagten, da unstreitig sei, dass das Pferd im Zeitpunkt des Vorfalls auf Kosten eines Tierschutzvereins untergebracht worden sei. Die Indizien „Verlustrisiko“ und „Nutzung im Haushalts- oder Wirtschaftsbetrieb“ seien  vom Kläger nicht dargetan worden. Die konkreten Umstände (das Pferd habe sich nicht in den Räumlichkeiten der Beklagten befunden sondern in denen einer dritten Person) sprächen auch dagegen.

Der Umstand, dass die Beklagte das Pferd trainiert habe, ließe nicht auf das Eigeninteresse der Beklagten schließen. So würde auch ein Pferd, welches von einem Trainer trainiert würde, weiterhin zu Zwecken des Eigentümers und nicht etwa des Trainers dienen, was auch für die pflegerische Leistungen der Beklagten gelten würde.

Für ein Eigeninteresse könne daher lediglich sprechen, dass die Beklagte das Pferd bei der ehemals weiteren Beklagten (einer Versicherung), gegen die die Klage wegen fehlender Passivlegitimation nach § 115 Abs. 1 S. 1 VVG zurückgenommen wurde,  haftpflichtversichert habe. Zwar habe die Rechtsprechung verschiedentlich alleine aus dem Bestehen einer Haftpflichtversicherung auf die Haltereigenschaft geschlossen. Dem würde die Kammer aber nicht folgen. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung habe als Indiz nur einen begrenzten Wert, da die betroffene Person glaube, die Halterhaftung fürchten zu müssen (vgl. Hager in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, § 833 Rn. 79). Auch der Umstand, dass die Haftpflichtversicherung Ansprüche eines Dritten reguliert habe, ließe keinen Rückschluss zu, da sich die Beklagte zum Einen das Verhalten des Versicherers nicht zurechnen lassen müsse, zum Anderen nicht dargetan sei, dass die Haftpflichtversicherung aufgrund der mit der Beklagten bestehenden Versicherung geleistet habe.

Auch das Indiz der „Entscheidungsgewalt“ sei vom Kläger nicht dargetan worden. Die Behauptung sei von der Beklagten substantiiert bestritten worden und der Kläger habe keinen Beweis für seine Behauptung angeboten. Für seine Behauptung des unmittelbaren bzw. mittelbaren Besitzes der Beklagten habe es keinen belastbaren Vortrag des Klägers gegeben. Soweit er behauptet habe, die Beklagte sei als Halterin aufgetreten, und dafür Beweis angeboten habe, handele es sich lediglich um die Behauptung eines Rechtsbegriffs, der dem Beweis nicht zugänglich sei. Vielmehr hätte es ihm oblkegen, die oben genannten Indizien darzulegen und unter Beweis zu stellen. Im Übrigen ließe sich ein solches Auftreten hier aus dem Umstand erklären, dass die Beklagte die stellvertretende Vorsitzende des Tierschutzvereins war, der für die Unterhaltskosten des Pferdes aufkam und für den die Beklagte als Organ nach außen auftrat.

Damit bliebe einzig als Indiz der Abschluss der Tierhaftpflichtversicherung. Dies alleine sei aber nicht ausreichend um eine Überzeugung des Gerichts gem. § 286 ZPO (voller Beweis) zu erbringen.

Für eine Haftung aus § 834 BGB (Tierhüterhaftung) sei nicht dargetan worden, dass ein Vertrag zwischen der Beklagten und dem Tierhalter bestünde. (Anmerkung:) Tierhüter nach § 834 BGB mit der daraus erwachsenden Haftungsfolge ist nur derjenige, der es vertraglich übernommen hat, die Aufsicht über das Pferd zu übernehmen.

LG Marburg, Urteil vom 29.10.2018 - 1 O 80/18 -

Freitag, 28. Juli 2017

Zur Erwerbstierhaltung und dem Entlastungsbeweis nach § 833 S. 2 BGB

Grundsätzlich haftet der Tierhalter einem Dritten für jeden diesem durch die (von ihm nachzuweisende) tierische Unberechenbarkeit des Tieres, unabhängig von einem Verschulden, § 833 S. 1 BGB. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich um ein Haustier (Rind, Pferd, Schaf, Hund u.a.) handelt und dieses von ihm für seinen Beruf, zum Erwerb oder für seinen Unterhalt gehalten wird. In diesem Fall kann sich der Tierhalter nach § 833 S. 2 BGB exkulpieren, also nachweisen, dass er bei der Aufsicht über das Tier die im Verkehr erforderliche Sorgfalt obwalten ließ, § 833 S. 2 BGB.

Der BGH musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob  - wie von OLG angenommen -  eine Erwerbtierhaltung iSv. § 833 S. 2 BGB vorlag. Die Pferde des Beklagten waren von einer Koppel ausgebrochen, und es kam zu einem Verkehrsunfall auf der Staatstraße 217 in Bayern. Er hatte geltend gemacht, Pferde zu züchten und damit Erwerbstierhalter zu sein; die Koppel sei ordnungsgemäß gesichert gewesen.

Der BGH führte zur Erwerbstierhaltung aus, dass diese nur angenommen werden könne, wenn die Erwerbstätigkeit auf Gewinnerzielung gerichtet sei. Eine entsprechende Absicht, die in objektiven Umständen keinen Niederschlag fände, sei nicht ausreichend.  Es müsse zumindest die realistische Möglichkeit bestehen, dass der Tierhalter, eventuell nach einer gewissen Anlaufzeit, Gewinn erzielt. Nicht erforderlich sei allerdings, dass er seinen Lebensunterhalt aus einem wesentlichen Anteil der Tierhaltung erwirtschaftet und diese Grundlage seines Erwerbs bilde; eine entsprechende Einschränkung fände sich weder im Wortlaut noch in den Gesetzesmaterialien.

Vorliegend habe das OLG nicht geprüft, ob der Zuchtbetrieb in objektiver Hinsicht darauf angelegt war, Gewinne zu erzielen. Es gäbe keine Feststellungen dazu, dass zumindest im Ansatz realistische Chancen bestehen würden, in Zukunft durch den Verkauf von Fohlen Erlöse zu erzielen, die die Anschaffungskosten und den laufenden Unterhalt des Wallachs, des Hengstes und der zwei Stuten übersteigen würden.

Zur Frage der Sicherung der Pferde habe das OLG übersehen, dass es sich um eine zweite Tatsacheninstanz handelt, die nicht  auf eine Kontrolle von Verfahrensfehlern und damit auf einen Umfang wie beim Revisionsverfahren beschränkt sei. Die Aufgabe des Berufungsgerichts als (eingeschränkte) 2. Tatsacheninstanz sei die Gewinnung einer fehlerfreien und überzeugenden und damit fehlerfreien Entscheidung. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen könnten sich auch aus einer unterschiedlichen Wertung ergeben. Besteht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Falle einer Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben würden, wäre das Berufungsgericht zur erneuten Beweisaufnahme veranlasst. Soweit das OLG auf das erstinstanzliche Gutachten zur Sicherung der Pferde abstellte und damit die Position des Landgerichts übernahm, der Beklagte sei seiner Sicherungspflicht ausreichend nachgekommen, da der Beklagte lediglich „seine eigenen, von den Beurteilungen des Sachverständigen abweichenden Einschätzungen“ angegeben habe, habe es sich nicht ausreichend mit diesen auseinandergesetzt.

Dabei wies der BGH darauf hin, dass der Pferdehalter für eine ausreichende sichere Einzäunung Sorge zu tragen habe. Dies diene dazu, ein Entweichen der Tiere (so auf Straßen) zu verhindern. Es seien hohe Anforderungen zu stellen, doch müsse nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden. Sicherungen von absoluter Wirksamkeit wären kaum möglich. Deshalb müssten nur die allgemein üblichen und im Verkehr als erforderlich angesehenen Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden.

Der BGH hob das angefochtene Urteil auf und Verwies den Rechtsstreit zu anderweitigen Entscheidung an das OLG zurück.


BGH, Urteil vom 14.02.2017 – VI ZR 434/15

Samstag, 30. April 2016

Tierhalterhaftung: Das überholende Pferd auf dem Abreiteplatz

Die Parteien nahmen an einem Turnier teil. Die Klägerin ritt mit ihrem Pferd zum Aufwärmen und damit zur Vorbereitung der für sie anstehenden Springprüfung auf dem Abreiteplatz. Sie ritt im Galopp auf dem dritten Hufschlag. Als die Klägerin an dem Pferd des Beklagten vorbeireiten wollte, erschrak dieses und trat aus. Dabei wurde die Klägerin erheblich verletzt, in dessen Folge sie auch operiert wurde.


Die Klägerin begehrte vom Beklagten Schadensersatz nach § 833 S. 1 BGB. Das OLG stellt fest, dass sich durch den Tritt des Pferdes des Beklagten dessen ihm zuzurechnende Tiergefahr verwirklicht habe. Es führt dann weiter aus, dass das Ausschlagen nach den feststehenden tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts durch die schnelle Annäherung der Klägerin im Galopp verursacht wurde. Entsprechend § 254 BGB müsse sich der Tierhalter eine mitverursachende Tiergefahr seines eigenen Tieres anrechnen lassen. Die Tiergefahr würde sich durch den Galopp verwirklicht haben.

Die Verursachungsanteile bewertet das OLG gleichwertig, weshalb es dem Anspruch der Klägerin zu 50% stattgab.


OLG Koblenz, Urteil vom 07.01.2016 – 1 U 422/15 -