Im Streitfall musste sich der BGH
damit befassen, ob der Unterlassungsanspruch einer ehrverletzenden Äußerung
(„Sie sind sowieso eine Lachfigur, Sie idiot.“) eine WEG-Sache ist, weshalb
bejahendenfalls nicht die für Berufungssachen allgemein zuständige Zivilkammer
des Landgerichts zur Entscheidung berufen wäre, sondern die für WEG-Verfahren
zuständige Kammer.
Der Kläger und seien Ehefrau
sowie der Beklagte mit dessen Ehefrau bildeten eine Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer (GdWE). Nachdem es zwischen den Parteien bereits zu
diversen, auch gerichtliche Auseinandersetzungen in Bezug auf das
Wohnungseigentum gekommen war, trafen sich der Kläger und der Beklagte auf dem
Grundstücksvorplatz, bei dem der Beklagte den abgemahnten und dann zum
Gegenstand der Unterlassungsklage gemachten Satz gegenüber dem Kläger äußerte. Die Klage wurde
bei dem Amtsgericht anhängig gemacht. Der Unterlassungsanspruch wurde vom
Amtsgericht zurückgewiesen; die Berufung ließ das Landgericht (9. Zivilkammer)
wegen Nichterreichens der Berufungssumme nicht zu. Auf die dagegen eingelegte
Rechtsbeschwerde durch den Kläger hob der BGH die Entscheidung im Beschlussweg
auf und verwies den Rechtsstreit an die 9. Zivilkammer (zuständig für allgemein
Zivilsachen in Berufungsverfahren) zurück. Die 9. Zivilkammer sah sich als
zuständig an und verwies nicht an die für WEG-Sachen zuständige 18. Zivilkammer.
Mit seinem vom Kläger mit der Revision angegriffenen Urteil wies sie nunmehr
die Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil in Bezug auf das
Unterlassungsbegehren zurück.
Der BGH legte zu dem bis zum
30.11.2020 und zu dem seit dem 01.12.2020 (nach dem WEMoG) geltenden Recht dar,
wann eine Abgelegenheit der Spezialzuständigkeit einer für WEG-Verfahren
gebildeten Kammer gegeben ist, nachdem der Kläger gemäß § 547 Abs. 1 ZPO die
Verfahrensrüge der fehlenden Zuständigkeit der 9. Zivilkammer und damit die
Verletzung des verfassungsrechtlichen gebots des gesetzlichen Richters (Art.
101 Abs. 1 GG) erhoben hatte, wobei er dahinstehen ließ, ob der Kläger mit der
Zuständigkeitsrüge nach §§ 565,513 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen war, da es sich um
eine Angelegenheit handelte, da es sich hier nicht um eine
Wohnungseigentumssache gehandelt habe.
Auf den vorliegenden Fall wandte
der BGH § 43 Nr. 1 bis 6 WEG in der Fassung vor Inkrafttreten des WEMoG an, da
der Rechtsstreit vor dem 01.12.2020 anhängig wurde, Art. 1, 4, 18 WEMoG, § 48
Abs. 5 WEG. Von § 43 Nr. 1 WEG a.F. würden „Streitigkeiten über die sich aus
der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des
gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten der
Wohnungseigentümer untereinander“ erfasst.
Dass der Kläger nicht selbst
Wohnungseigentümer sei, sondern nur die GbR, der er als Gesellschafter
angehören würde, würde hier der Zuordnung nicht entgegenstehen, da § 43 WEG
a.F. gegenstands- und nicht personenbezogen sei (BGH, Beschluss vom 21.01.2016
– V ZR 198/15 -). Würde über typische Rechte und Pflichten in einer GdWE
gestritten, könne auch der Gesellschafter einer ein Wohnungseigentum haltenden
GbR Kläger oder Beklagter in einer wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeit
sein (BGH aaO. zur persönlichen Haftung für Beitragsrückstände). Entscheidend
sei daher das Vorliegen der Voraussetzungen des § 43 Nr. 1 WEG a.F. in
sachlicher Hinsicht.
Dafür käme es aber nicht darauf
an, ob di Rechtsgrundlagen für den Anspruch im Wohnungseigentumsgesetz wurzeln;
sie könnten auch (wie hier) aus dem allgemeinen Zivilrecht (§ 823 Abs. 1, 2 BGB
iVm. §§ 185 ff StGB, § 1004 Abs. 1 BGB analog) hergeleitet werden. Voraussetzung
wäre, dass das in Anspruch genommene Recht oder die Pflicht in einem inneren
Zusammenhang mit einer Angelegenheit stünde, die aus dem
Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen sei (BGH, Beschluss
vom 17.11.2016 – V ZB 73/16 -). An diesem Erfordernis des inneren Zusammenhangs
habe sich trotz der weiteren Fassung des § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG n.F. (Fassung
nach dem WEMoG), „Streitigkeiten über Rechte und Pflichten der
Wohnungseigentümer untereinander“, nichts geändert; geklärt habe der
Gesetzgeber damit nur, dass Streitigkeiten über die sachenrechtlichen
Grundlagen der WEG Wohnungseigentumssachen seien (BT-Drs. 19/18791, S.
81).
Wenn die Äußerung, die Gegenstand
eines Anspruchs eines Wohnungseigentümers gegen einen anderen
Wohnungseigentümer sind, in einer Eigentümerversammlung oder Beiratssetzung
getätigt, handele es sich um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit, §
43 Nr. 1 WEG a.F., § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG n.F., wobei es auf Inhalt und Anlass
der Äußerung nicht ankäme. Es käme damit hier nicht darauf an, ob die verbale
Auseinandersetzung der Parteien sich an der Frage der Erfüllung von
Reinigungspflichten entzündet habe.
Alleine der Umstand, dass es sich
bei den Parteien um Wohnungseigentümer oder diese gleichgestellte Personen
handele, begründe nicht die wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit. Bestünde
zwischen den Wohnungseigentümern eine Sonderverbindung, aufgrund derer sie sich
gleichsam wie Dritte gegenüberstehen würden, stelle ein daraus resultierender
Streit keine Wohnungseigentumssache dar, z.B. wenn Rechte zwischen
Wohnungseigentümern aus Miet-, Dienst- oder Werkverträgen hergeleitet würden
(s. auch BGH, Urteil vom 20.06.1986 – V ZR 47/85 – zum Streit über ein
Konkurrenzverbot). Dies gelte auch wenn
sich Wohnungseigentümer über die Zulässigkeit von Äußerungen streiten würden,
da sie sich dann auch wie Dritte gegenüberstehen und ein innerer Zusammenhang
mit einer Angelegenheit bestünde, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis erwachsen
sei. Der Streit in Bezug auf unterschiedliche Auffassungen zu einer die GdWE
betreffenden Frage stelle sich nur als Anlass für die Äußerung dar, deren
Zulässigkeit sich nach allgemeinen Zivilrecht richte (dazu auch BGH, Urteil vom
21.01.2026 – V ZR 108/15 -).
Eine Ausnahme läge nur dann vor,
wenn es um die Zulässigkeit von Äußerungen in einer Eigentümerversammlung gehen
würde (BGH, Beschluss vom 17.11.2016 – V ZR 73/17 -). Dies würde eine
spezifische, unmittelbare wohnungseigentumsrechtliche Komponente aufweisen, die
über die durch das allgemeine Zivilrecht geregelten Rechtsbeziehungen
hinausgehe. Die Eigentümerversammlung sei das Willensbildungsorgan der GdWE und
diene der Erörterung der Beschlussfassung, bei der Äußerungen zur Meinungsbildung
beitragen würden. Der für die Anwendbarkeit des § 43 Nr. 1 WEG a.F. und § 43
Abs. 2 Nr. 1 WEG n.F. (in der Fassung des WEModG) erforderliche Bezug zu dem
Gemeinschaftsverhältnis würde in diesem Fall durch den institutionellen Rahmen
der Versammlung hergestellt. Gleiches gelte für Beiratssitzungen.
Damit sei eine klare Abgrenzung
getroffen, wann hiernach Streitigkeiten zwischen einzelnen Wohnungseigentümern über
die Zulässigkeit von Äußerungen eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit nach
§ 43 Nr. 1 WEG a.F. und § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG n.F. begründen.
Von daher war vorliegend nicht
die Spezialkammer für WEG-Rechtsstreite zuständig.
BGH,
Urteil vom 22.09.2023 - V ZR 254/22 -