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Dienstag, 7. November 2023

Fiktiver Schadensersatzanspruch im Mietrecht bei Verkauf ohne kausalen Kaufpreisnachlass

Das LG Halle hatte einen Streit zu entscheiden, in dem – ähnlich wie in dem kurz danach am 19.04.2023 verkündeten Urteil des BGH (VIII ZR 280/21) – um einen vom Vermieter nach Mietvertragsende geltend gemachten (fiktiven) Schadensersatzanspruch gegen den vormaligen Mieter ging, obwohl der Schadensersatzbetrag nicht für Reparaturen verwandt werden sollte und wurde und die Wohnung vom Vermieter ohne Abzug am Kaufpreis vom Vermieter verkauft wurde. Der Vermieter (Beklagter) machte mit seiner Widerklage in einem Prozess mit dem Mieter (Kläger) den Schadensersatzanspruch geltend, der vom Amtsgericht mit Teilurteil abgewiesen wurde, gegen welches der Vermieter Berufung einlegte. Auf die Berufung hob das Landgericht das Urteil auf und verwies den Rechtstreit zurück an das Amtsgericht.

Das Berufungsgericht stellte darauf ab, dass es bei dem widerklagend geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht darauf ankäme, ob der Vermieter als Geschädigter erst fiktiven Schadensersatz geltend mache und dann verkaufe oder umgekehrt (also erst verkaufe und dann den fiktiven Schadensersatzanspruch geltend machen würde).

Der begehrte fiktive Schadensersatzanspruches wegen Substanzschäden (hier an Fenstern, Wandfliesen, Dusche pp.) wurde vom Amtsgericht mit der Begründung abgewiesen, da mangels eines Vermögensschadens (da keine Reparatur erfolgte und die Wohnung auch ohne Vermögensschaden infolge der Schäden veräußert wurde) des Vermieters kein fiktiver Schadensersatzanspruch bestünde.  Dem folgte das Landgericht nicht (wobei insoweit die Begründung in den Grundzügen derjenigen entspricht, die auch der BGH aaO. in seiner späteren Entscheidung verwandte).

Für Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung von Obhutspflichten entstandenen seien, habe der Mieter auch nach Beendigung des Mietverhältnisses nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB Schadensersatz neben der Leistung nach Wahl des Vermieters durch Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder durch Geldzahlung (§ 249 Abs. 2 BGB) zu ersetzen. Zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache nach § 538 BGB gehöre die aus der Besitzübertragung folgende Obhutspflicht des Mieters, den Mietgegenstand schonend und pfleglich zu behandeln und alles zu unterlassen, was zu einer von § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung desselben führe. Dies sei eine leistungsbezogene Nebenpflicht iSv. § 241 Abs. 2 BGB, deren Verletzung allein nach den in § 280 Abs. 1 BGB geregelten Voraussetzungen einen Schadensersatz begründe (BGH, Urteil vom 27.06.2018 - XII ZR 79/17 -).

Auch das Landgericht setzte sich mit der unterschiedlichen Rechtsansicht in Rechtsprechung und Literatur zum fiktiven Schadensersatzanspruch auseinander und verwies, wie der BGH darauf, dass die ablehnende Ansicht des VII. Zivilsenats des BGH in seinem Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 - auseinander und hielt fest, dass dort der fiktive Schadensersatzanspruch wegen des Vorschussanspruchs in § 637 Abs. 3 BGB abgelehnt wurde; es handele sich hier um unterschiedliche Vertragstypen. Allerdings hatte sich der BGH in seiner kurze Zeit später ergangenen Entscheidung vom 19.04.2023 aaO. damit auseinandergesetzt, dass auch das Mietrecht (ähnlich dem Werkvertragsrecht in § 637 Abs. 3 BGB eine Vorschusspflicht vorsehe, allerdings darauf hingewiesen, dass dies nur während des laufenden, nicht wie dort und hier beendeten Mietverhältnis gelten würde; der BGH hatte hier nicht ausgeführt, dass der fiktive Schadensersatzanspruch auch bei einem laufenden Mietverhältnis begehrt werden könne, wie es hier das Landgericht in seinen Entscheidungsgründen darlegte. Auch das sah das Landgericht und verwies darauf, dass der Vorschussanspruch für Renovierungskosten, gerate der Mieter mit den Schönheitsreparaturen im laufenden Mietverhältnis in Verzug, begehrt werden könne, hier aber das Mietverhältnis beendet sei.

Dem fiktiven Schadensersatzanspruch stünde auch nicht der Umstand entgegen, dass der Schaden vom Vermieter nicht beseitigt worden sei. Der Vermieter sei nicht gehindert, auch dann einen fiktiven Schadensersatzanspruch geltend zu machen, wenn er tatsächlich nicht repariere, sondern zwischenzeitlich die Wohnung verkaufe (so auch der BGH in seinem Urteil vom 19.04.2023 aaO.). Es käme auch nicht darauf an, ob der Vermieter vor dem Verlauf bereits eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis verlangt habe. Die Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB bliebe bestehen und würde sich nicht auf einen eventuellen Mindererlös bei dem Verkauf der Wohnung beschränken. Würde der Geschädigte lediglich auf einen Minderwert der Wohnung verweisen, würde außer Acht gelassen, dass der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach dem Konzept des Schuldrechtsreformgesetzes den ausgebliebenen Erfüllungserfolg und nicht nur den Minderwert der Sache ausgleichen soll; durch die Ersatzfähigkeit der hierfür erforderlichen Kosten würde unabhängig von den Aufwendungen der Vorrang des Erfüllungsanspruchs schadensrechtlich umgesetzt (BGH, Beschluss vom 26.04.2022 - VIII ZR 364/20 -). Dem ist zuzustimmen. Dem schädigenden Mieter kann nicht zum Vorteil gereichen, dass nach dem Ende des Mietverhältnisses ein Verkauf erfolgte, zumal der Vermieter kaum beweisen kann, dass für Schäden und gar in welcher Höhe er mit seiner Kaufpreisvorstellung kausal darauf beruhend den Kaufpreis habe reduzieren müssen. Zwar mag ein Schaden bei einer Diskussion zwischen Käufer und Verkäufer um den Kaufpreis mit einfließen, doch kommt es stets darauf an, welchen Kaufpreis der Verkäufer begehrt und welchen der Käufer bereit ist zu zahlen, weshalb bestimmte Schäden nur eine untergeordnete Rollen spielen und keinen Beweis dafür erbringen, dass in Höhe der möglichen Reparaturkosten der Kaufpreis ermäßigt wurde. Ein Sachverständigengutachten zum Wert der Wohnung mit und ohne Schaden einzuholen würde dies auch nicht ersetzen können, da die Kaufpreisverhandlungen auch subjektive Gesichtspunkte der Kaufvertragsparteien enthalten (bis zu welchen Preis der Käufer überhaupt kaufen würde und bei welchen Preis der Käufer überhaupt verkaufen würde).

Die Zurückverweisung erfolgte vor dem Hintergrund, dass Streit zwischen den Parteien des Rechtsstreits über den Grund und die Höhe des Schadensersatzanspruchs bestand und sich das Landgericht als Berufungsgericht damit (außer seiner Sicht folgerichtig) nicht auseinandergesetzt hatte (das Amtsgericht hatte die Widerklage des Vermieters mit der Begründung abgewiesen, ein Schadensersatzanspruch bestünde dem Grunde nach nicht). 

LG Halle, Urteil vom 03.02.2023 - 1 S 91/21 -

Sonntag, 25. September 2022

Rechte des unmittelbaren Fahrzeugbesitzers nach Verkehrsunfall

Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Besitzer und Halter des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs, nicht aber dessen Eigentümer und machte gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche (fiktive Reparaturkosten, Wertminderung, Sachverständigenkosten und Schadenspauschale) geltend. Während das Landgericht der Klage stattgab, wies sie das OLG ab. Die (teilweise) zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der Kläger hatte (in seinem der Revision zugrundeliegendem Hauptantrag) den Anspruch auf eigenes Recht gestützt. Unklar sei, auf welcher Grundlage der Kläger den Besitz des sicherungshalber an eine Bank (Darlehensnehmerin die Schwester des Klägers) innehalte und es könne zudem nicht beurteilt werden, welche Rechte und Pflichten er in diesem Zusammenhang habe.

Der berechtigte unmittelbare Besitz an einer Sache sei nach § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Das entsprechende Recht könne auch vom Besitzer der Sache geltend gemacht werden. Auch könne sich ein Anspruch des Besitzers aus § 7 StVG ergeben BGH, Urteil vom 29.01.2019 - VI ZR 481/17 -). Jedenfalls könne der in seinem unmittelbaren Besitz Verletzte Ersatz des Haftungs- und Nutzungsschadens verlangen; ob er auch den Substanzschaden begehren könne, könne auch im vorliegenden Fall auf sich beruhen.

Das OLG habe den begehrten Schadenersatz zutreffend mit der Begründung abgewiesen, es läge ein Haftungsschaden des Klägers mangels einer Instandsetzungsverpflichtung des Klägers nicht vor. Insoweit besteht die Möglichkeit, dass der Schaden des Besitzers in seiner Verpflichtung zu einer Reparatur gegenüber der Person besteht, von der er sein Recht zum Besitz ableite (BGH aaO.). Hier ergäbe sich nach den Feststellungen des OLG nicht, ob, wie und wem gegenüber er zur Instandsetzung verpflichtet gewesen wäre. Der Verweis auf die Finanzierungsbedingungen und den Sicherungsübereignungsvertrag , demgemäß das Fahrzeug instand zu setzen sei, trage nicht, da Kreditnehmerin die Schwester des Klägers sei. Die träfe die Pflicht zur Reparatur. Eine an die Haltereigenschaft anknüpfende Wertung, der Kreditvertrag sei zugunsten des Klägers geschlossen worden, finde im Vortrag des Klägers keine Grundlage.

Einen Anspruch auf den Substanzschaden habe der Kläger auch nicht, unabhängig davon, welche Voraussetzungen für die Geltendmachung durch den unmittelbaren Besitzer dafür ggf. vorliegen müssten und auf welche Weise eine etwaige Anspruchskonkurrenz aufzulösen wäre (zum Schaden des Leasingnehmers BGH aaO.). Es sei kein Vortrag dazu erfolgt, welche Rechte dem Kläger zum Unfallzeitpunkt durch den Besitz verschafft werden sollten, so zu der Rechtsbeziehung bezüglich des Fahrzeugs zwischen ihm und seiner Schwester bestanden hätten. Ein Recht zum Besitz könne aber der Kläger allenfalls von bzw. über seine Schwester, die das Darlehen aufgenommen und die Sicherungsübereignung vorgenommen habe, erworben haben.

BGH, Urteil vom 24.05.2022 - VI ZR 1215/20 -