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Donnerstag, 2. November 2023

Mietrecht: Fiktiver Schadensersatz des Vermieters für Schönheitsrenovierung, Rückbau und Schäden

Der Kläger forderte als Vermieter nach Mietende und Auszug der ehemaligen Mieter (Beklagte) diese zur Durchführung von Schönheitsreparaturen und Rückbauarbeiten auf, dem die Beklagten nicht nachkamen. Der Kläger holte einen Kostenvoranschlag ein, ließ Teile der geforderten Maßnahmen durch Dritte durchführen, und verklagte dann die Beklagten auf Zahlung gemäß dem Kostenvoranschlag. Die Klage wurde erst- und zweitinstanzlich abgewiesen; das Berufungsgericht ließ allerdings zur Frage, ob im Mietrecht Schadensersatz fiktiv geltend gemacht werden könne (von ihm verneint) die Revision zu. Die insoweit beschränkt zugelassene und zu entscheidende Revision hatte Erfolg.

Bei seiner Entscheidung stellte das Berufungsgericht u.a. auf die Rechtsprechung des BGH zur fiktiven Schadensabrechnung im Werkvertragsrecht ab. Dem folgte der für Wohnraummietrecht zustände Senat des BGH für das Mietercht nicht. Sowohl im Hinblick auf den Ersatz von Kosten für die mieterseits nicht ausgeführten Schönheitsreparaturen (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB) als auch für den Rückbau durch Austausch von Wandfliesen und für die Malerarbeiten an der Wand des Treppenhauses (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB), ferner im Hinblick auf weiter durch die Beklagten verursachten Schäden am Mietgegenstand (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB), könne der Kläger nach dem Ende des Vertragsverhältnisses seinen Schaden fiktiv berechnen und diese fiktiven Kosten geltend machen.

D.h., der Vermieter könne wegen unterlassener Schönheitsreparaturen und Rückbaukosten vom Mieter anhand der voraussichtlich erforderlichen Kosten, aber (noch) nicht aufgewendeten (mithin fiktiven) Kosten seine Schadensersatzansprüche bemessen. Auch soweit der Kläger Teile der Arbeiten, für die er Ersatz begehre, bereits ausgeführt habe, könne er hier den gesamten Schaden ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen auf der Grundlage des von ihm eingeholten Kostenvoranschlags (und damit fiktiv) abrechnen (BGH, Urteil vom 05.04.2022 – VI ZR 7/21 -).  

Es sei in ständiger Rechtsprechung vom BGH anerkannt, dass Schadensersatzansprüche statt der Leistung mit den für die Instandsetzung oder -haltung oder den für den Rückbau der Mietsache erforderlichen aber noch nicht aufgewendeten (also fiktiven) Kosten bemessen werden könnten /BGH, Urteile vom 3.03.2021 -XII ZR 42/20 -, 12.03.2014 - XII ZR 108/13 -, 05.03.2014 - VIII ZR 205/13 -. 20.10.2004 - VIII ZR 378/03 -). Daran sei auch nach der Entscheidung des VII. Zivilsenats vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 - zur Begründung seiner gegenteiligen Rechtsansicht im Rahmen des Werkvertragsrechts festzuhalten. Die Erwägungen des VII. Zivilsenats würden - auch nach dessen Ansicht - auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts beruhen und ließen sich auf andere Vertragstypen nicht übertragen (BGH, Beschlüsse vom 08.10.2020 - VII AZR 1/20 -, 26.04.2022 – VIII ZR 364/20 -).  Zwar gäbe es, anders als im Kaufrecht, im Mietrecht einen mit dem werkvertraglichen Anspruch gem. § 637 Abs. 3 BGB (der vom VII. Zivilsenat zur Begründung seiner Auffassung herangezogen wurde) vergleichbaren Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für die (beabsichtigte) Selbstvornahme (Anm.: was nach Ansicht des VII. Zivilsenats eine fiktive Abrechnung ausschließt). Denn nach der Rechtsprechung des hier zur Entscheidung berufenen Senats (für Wohnraummietrecht) im laufenden (also nicht beendeten) Mietverhältnis unter den Voraussetzungen § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Vorschussanspruch des Mieters bei Mietmängeln bestehen und könne auch der Vermieter einen Vorschuss in Höhe erforderlicher Renovierungskosten verlangt werden, wenn sich der Mieter mit der Durchführung der Renovierung in Verzug befände (BGH, Urteil vom 1403.2006 - VIII ZR 123/05 -, Beschluss vom 25.04.2022 - VIII ZR 364/20 -). Allerdings würden sich hier die Ansprüche nur zum Teil auf solche Ansprüche (Renovierung) beziehen, zum anderen sämtliche Ansprüche auf ein beendetes Mietverhältnis.

Das Berufungsgericht hatte seine Ansicht auch damit begründet, dass bei einer fiktiven Abrechnung die Gefahr einer Überkompensation bestehen würde. Doch könne der Geschädigte nur die zur Erfüllung der Leistungspflicht erforderlichen Kosten beanspruchen (Anm.: die er im Bestreitensfall darlegen und beweisen muss, wobei ggf. vom Gericht auch Sachverständigengutachten einzuholen ist). Auch sei zu beachten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung bilde (BGH, Urteil vom 08.07.2020 - VIII ZR 163/18 -).

Ebenso wie den Schadensersatzanspruch statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, 3m § 281 Abs. 1 S. 1 BGB) könne der Kläger auch seinen das Integritätsinteresse betreffenden Schadensersatzanspruch neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) wegen der Beschädigung der der Mietsache (hier bezüglich von Wandfliesen der Küche und des Flurs im Treppenhaus) auf der Grundlage voraussichtlicher (also fiktiver) Kosten bemessen. Anders als bei einem Schadenersatzanspruch statt der Leistung, der von vornherein nur auf Geldersatz gerichtet sei (§ 281 Abs. 4 BGB), könne der geschädigte Vermieter bezüglich des Schadensersatzanspruchs neben der Leistung wahlweise Naturalrestitution  oder Geldersatz begehren (BGH, Urteil vom 19.11.2014 - VIII ZR 191/13 -). Aufgrund der nach § 249 Abs. 2 BGB dem Geschädigten gewährten Ersetzungsbefugnis könne der Kläger auch hier die fiktiven Kosten gelten machen (BGH, Beschluss vom 08.10.2020 – VII ARZ 1/20 -). Dass dies ebenfalls vom VII. Zivilsenat im Hinblick auf das Werkvertragsrecht hinsichtlich eines solchen Schadensersatzanspruchs neben der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB) verneint wurde (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VIII ZR 46/17 -), sei dies auf andere Vertragstypen nicht übertragbar (zudem sei der Fall auch nicht vergleichbar, als es dort eine Ersetzungsbefugnis des Bestellers im Hinblick auf den dortigen Überwachungsfehler des Architekten nicht gegeben habe).

Das Berufungsurteil konnte daher keinen Bestand haben und der BGH hob es, soweit es mit der Revision angefochten werden konnte, unter Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht auf.

BGH, Urteil vom 19.04.2023 - VIII ZR 280/21 -

Samstag, 9. September 2023

Durchsetzung der für Veräußerung von Wohnungseigentum erforderlichen Verwalterzustimmung

Die Teilungserklärung (vom 26.02.1985) sah vor, dass die Veräußerung von Wohnungseigentum der Zustimmung des Verwalters bedürfe. Die Klägerin, die ihr Wohnungs- bzw. Teileigentum mit Vertrag vom 29.10.2020 veräußerte, ersuchte die Beklagte Verwalterin um Zustimmung, die diese verweigerte. Das Amtsgericht wies die in 2021 eingegangene Klage ab; die Berufung der Klägerin wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Das Landgericht begründete sein Urteil damit, dass die Beklagte nicht passiv legitimiert sei. Die vom Landgericht zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Die Beurteilung des Rechtsfalls orientiere sich an der seit dem 01.12.2020 geltenden Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Dem würde nicht entgegenstehen, dass der Kaufvertrag vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes geschlossen worden sei. Der BGH wies darauf hin, dass mangels entsprechender Übergangsvorschriften grundsätzlich das neue Recht ab dem 01.12.2020 auch auf Altfälle anwendbar sei (zur Ausnahme in Form der gerichtlichen Ersetzung der fehlenden Übergangsvorschrift vgl. aber auch BGH, Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -).

§ 12 WEG sehe vor, dass als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden könne, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten bedürfe (Wortlaut unverändert seit 1951). Vorliegend sei in der Teilungserklärung ein Zustimmungserfordernis des Verwalters der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) bestimmt worden. Daraus folge aber nicht, dass dieser der richtige Beklagte sei. Mit dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes zum 01.12.2020 sei eine Klage auf Zustimmung zwingend gegen die GdWE zu richten, unabhängig davon, dass der zustimmungsbedürfte Kaufvertrag vor dem 01.12.2020 geschlossen worden sei. Die zum bisherigen Recht ergangene Rechtsprechung sei nicht mehr anwendbar. Würde in den (auch älteren) Teilungserklärungen ein Zustimmungserfordernis durch den Verwalter benannt, sei dieser nur (noch) als Organ der GdWE angesprochen, dem kein eigenes Zustimmungsrecht (auch nicht als Treuhänder) zustünde. Dies sei allerdings in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Der Wortlaut von $ 12 Abs. 1 WEG nennt die GdWE nicht (ausdrücklich) als Zustimmungsberechtigte. Durch die Regelung zu „Dritten“ sei dies aber auch nicht ausgeschlossen. Entscheidend für die Passivlegitimation der GdWE (also deren Rechtsstellung in einem entsprechenden Prozess als Beklagte) spreche die Neuregelung zu den Aufgaben und Befugnissen des Verwalters und das Verhältnis des Verwalters zur GdWE, wonach die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nunmehr im Außen- und Innenverhältnis ausschließlich der GdWE obliege (§ 18 Abs. 1 WEG). Diese erfülle ihre Aufgaben durch ihre Organe und der Verwalter sei das interne Organ, der die Entscheidungen der GdWE umsetze und dabei vom Verwaltungsbeirat unterstützt würde (BGH, Urteil vom 16.12.2022- V ZR 263/21; BT-Drucks. 19/18791 S. 58). Dies gelte auch dann, wenn nach dem Wortlaut einer Vorschrift ein konkretes Organ benannt würde, da damit nur das für die Erfüllung dieser Aufgabe zuständige Organ bestimmt würde (vgl. auch § 24 WEG zur Pflicht der Einberufung von Versammlungen). Es handele sich hier um einen Paradigmenwechsel durch den Gesetzgeber, der nicht ohne Auswirkung auf die Auslegung von Teilungserklärungen bleiben könne. Die Teilungserklärung (mit der in der Regel in ihr enthaltenen Gemeinschaftsordnung) sei Bestandteil der Grundbuchbucheintragung. Maßgeblich sei der Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergebe, da sie auch die Sonderrechtsnachfolger von Wohnungseigentümern binde. Daher sei der Verwalter nicht als beliebiger Dritter iSv. § 12 Abs. 1 WEF, sondern als Organ der GdWE zu verstehen, dessen Organstellung sich aus dem Gesetz ergebe (vgl. § 24 Abs. 1 WEG).  Daraus ergebe sich, dass sich der Zustimmungsanspruch gegen die GdWE richte und die Zustimmungserklärung durch den Verwalter abzugeben sei, da die GdWE selbst nicht handlungsfähig sei.

Selbst wenn die Teilungserklärung ausnahmsweise dem Verwalter die Erteilung der Zustimmung eindeutig als eigenes und nur von ihm wahrnehmbares Recht zuweisen sollte, würde dies die Zuständigkeit der GdWE nicht berühren. Eine entsprechende Regelung könnte nur die Annahme rechtfertigen, dass die Wohnungseigentümer die Entscheidung über die Zustimmung zur Veräußerung nach an sich ziehen und selbst treffen könnten, wodurch aber der Verwalter nicht außenstehender Dritter würde, sondern im Interesse der übrigen Wohnungseigentümer tätig (BGH, Urteil vom 18.10.2019 - V ZR 188/18 -)und damit - nach neuen Recht - als Organ tätig.

Auch wenn, wie hier, die Teilungserklärung aus der Zeit vor dem 01.12.2020 stamme, seien diese Grundsätze anwendbar. Bei der Auslegung einer Teilungserklärung käme es nur auf eine objektive Sicht, nicht auf subjektive Vorstellungen an, weshalb sich der Inhalt der Teilungserklärung im Laufe der Zeit ändern könne, wenn in der Teilungserklärung verwandte Begriffe einen Bedeutungswechsel erfahren. In diesem Sinne sei eine ergänzende Auslegung der Teilungserklärung möglich, in denen eine Lücke durch eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse entstünde. Dies sei der Fall, wenn die Teilungserklärung zu einer Zeit errichtet wurde, in der der Verwalter bei der Erteilung der Zustimmungserklärung als Treuhänder der Wohnungseigentümer handelte, demgegenüber er jetzt als Organ der GdWE handele. Dies würde auch durch § 47 WEG bestätigt, der einen Anwendungsfall ergänzender Vertragsauslegung von Vereinbarung darstelle, so dass die allgemeinen Grundsätze der Auslegung von Grundbucherklärungen gelten würden. In der Regel sei nicht anzunehmen, dass Vereinbarungen von vor dem 01.12.2020, die von den Regelungen nach dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz abweichen würden, den Regelungen nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Regelungen gemäß dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz entgegen stehen würden (§ 47 S. 2 WEG). Die „Altvereinbarung“ müsse mithin im Sinne der durch die neue Gesetzesfassung geschaffenen Systematik verstanden werden und dem würde widersprechen, wenn der Verwalter trotz seiner („bloßen“) Organstellung selbst zustimmungsberechtigt wäre.

BGH, Urteil vom 21.07.2023 - V ZR 90/22 -

Samstag, 18. September 2021

Steuern auf Verkaufserlös aus Immobilie nach vorheriger unentgeltlicher Übertragung auf Kinder ?

Die Klägerin erwarb 2011 eine Immobilie. In 2012 übertrug sie diese unentgeltlich auf ihre zwei Kinder zu je 50%, die am selben Tag die Immobilie an einen Dritten veräußerten: die Verkaufsverhandlungen wurden ausschließlich von der Klägerin geführt. Der Erlös aus dem Verkauf floss den Kindern der Klägerin zu je 50% zu. Da die für eine steuerfreie Veräußerung der Immobilie durch die Klägerin noch nicht abgelaufen war, besteuerte das Finanzamt den Gewinn zwischen dem Ankauf und dem Verkauf nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG bei der Klägerin; es ging bei der kostenfreien Übertragung auf deren Kinder von einem Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 Abs. 1 AO aus. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Revision führte zur Stattgabe der Klage.

Nach Ansicht des BFH habe sich nicht der Tatbestand des privaten Veräußerungsgeschäfts iSv. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG verwirklicht; in der direkt) vor der Weiterveräußerung vorgenommenen schenkungsweisen Übertragung der Immobilie auf ihre zwei Kinder läge kein Gestaltungsmissbrauch der Klägerin iSv. § 42 Abs. 1 AO.

Mit der schenkungsweisen Übertragung der Immobilie auf ihre Kinder habe die Klägerin keinen Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erzielt. Die nachfolgende Veräußerung habe nicht sie, sondern hätten ihre Kinder vorgenommen, die auch den Veräußerungserlös erhielten.

In dieser Vorgehensweise läge auch kein Gestaltungsmissbrauch iSv. § 42 Abs. 1 AO. Die unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG unterfalle dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG und stelle auch bei der zeitlichen Nähe keinen Gestaltungsmissbrauch dar. Nach § 42 Abs. 1 S.1 AO soll verhindert werden, dass das Steuergesetz nicht umgangen wird. Läge ein solcher Fall vor, würde der Steueranspruch so entstehen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstehen würde.

§ 23 Abs. 1 S. 3 StG sei eine Regelung zur Verhinderung der Steuerumgehung und damit eine spezielle Missbrauchsvorschrift iSv. § 42 Abs. 1 S. 2 AO. Danach soll für den Fall des unentgeltlichen Erwerbs dem Einzelrechtsnachfolger für die Zwecke des § 23 EStG die Anschaffung oder die Überführung des Wirtschaftsguts in dessen Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zugerechnet werden. Vom Rechtsvorgänger verwirklichte Besteuerungsmerkmale würden dem unentgeltlich erwerbenden Rechtsnachfolger zugerechnet. Damit sei das private Veräußerungsgeschäft bei demjenigen zu besteuern, der die Veräußerung vorgenommen und den Veräußerungserlös erhalten habe. Die Regelung in § 23 Abs. 1 S. 3 EStG sei eine gesetzgeberische Reaktion darauf gewesen, dass bis zu dessen Inkrafttreten nur bei Kauf und Verkauf eine Besteuerung des Spekulationsgewinns erfolgen konnte, weshalb der BFH hier die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs für möglich erachtete (vgl. BFH, Urteil vom 12.07.1988 - IX R 149/83 -). Dies sei vom Gesetzeber in § 23 Abs. 1 S. 3 EStG umgesetzt worden.

Vorliegend sei der Tatbestand des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG erfüllt. Dies habe zur Folge, dass die Kinder der Klägerin einen jeweils einen hälftigen Veräußerungserlös versteuern müssen.

Es lägen hier auch keine Umstände vor, die im Einzelfall in der Gestaltung der Übertragung auf nahestehende Personen und einem damit im Zusammenhang stehenden, von vornherein geplanten Verkauf ausnahmsweise doch zur Anwendung des § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AO(Gestaltungsmissbrauch) führen könnten.

Voraussetzung wäre eine unangemessene rechtliche Gestaltung, die bei dem Steuerpflichtigen zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führe; dies greife dann nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse erheblich seien.

Es sei hier bereits vom FG getroffenen Feststellungen zur Schenkung sowie zur darauf erfolgten Veräußerung ließen keine unangemessene Vereinbarung erkennen. Nach der Schenkung hätten die Beschenkten uneingeschränkt über die Immobilie verfügen dürfen. Sie seien insbesondere nicht vertrag gebunden gewesen, an den Erwerber zu veräußern, mit dem ausschließlich die Klägerin die Verkaufsverhandlungen geführt habe. Die Kinder seien auch nicht zur Abführung des Verkaufserlöses an die Klägerin verpflichtet worden. Zudem sei durch die Veräußerung ein steuerbarer Veräußerungsgewinn nicht vermieden worden, der jetzt bei den Kindern zu erfassen sei.

Der BFH verkennt nicht, dass die Gestaltung gleichwohl steuerliche Wirkungen zeigte. So dürfte der Steuersatz bei den Kindern niedriger liegen und sich der auf sie jeweils entfallende Betrag zu einer geringeren Progression als bei der Klägerin führen. Wenn die Klägerin ihren Kindern Geld zuführen wollte und dies aus einer Veräußerung der Immobilie entnehmen wollte, so wäre nach Abzug der Steuern der auf sie entfallende Erlös geringer gewesen, als er jetzt ach der Gestaltung wohl war. Der BFH verweist darauf, dass der bei den Kindern zu versteuernde Veräußerungsgewinn niedriger besteuert würde als bei der Klägerin. Einem Steuerpflichtigen sei es aber nicht verwehrt, die rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine geringere steuerliche Belastung ergäbe. Das Bestreben, Steuern zu sparen, mache für sich allein eine Gestaltung nicht unangemessen iSv. § 42 Abs. 1 AO (z.B. BFH, Urteil vom 29.11.1982 - GrS 1/81 -). Der zulässige Steuervorteil ergäbe sich hier nur daraus, dass das Gesetz die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks akzeptiere mit der Folge, dass nicht der Schenker, sondern der Beschenkte nach dessen persönlichen Verhältnissen den Veräußerungsgewinn versteuern müsse.

BFH, Urteil vom 23.04.2021 - IX R 8/20 -

Montag, 1. April 2019

Kündigung durch den verbliebenen Mieteigentümer-Vermieter alleine ist unwirksam (keine Analogie zu § 566 Abs. 1 BGB)


Die Klägerin und ihr Ehemann waren Mieteigentümer eines Zweifamilienhauses. Sie vermieteten eine der Wohnungen an den Beklagten zu 1. (der dort dann mit seinem Sohn, den Beklagten zu 2. wohnte); in der weiteren Wohnung wohnte die Klägerin selbst. Zeitlich nach Begründung des Mietverhältnisses wurde die Klägerin durch Übertragung des Mieteigentumsanteils ihres Ehemanns Alleineigentümerin. Als solche kündigte sie das Mietverhältnis gegenüber dem Beklagten zu 1. und verlangte die Räumung und Herausgabe von den Beklagten.  Im Laufe des Rechtsstreits zogen die Beklagten aus und das Amtsgericht erlegte nach beidseitiger Hauptsacheerledigungserklärung den Beklagten die Kosten auf. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Dagegen legten die Beklagten die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde zum BGH ein. Dieser hob den Beschluss des Landgerichts auf und erlegte der Klägerin die Kosten des Verfahrens auf.

Entgegen der Annahme des Landgerichts ging der BGH davon aus, dass ohne Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache die Klage abzuweisen gewesen wäre, weshalb eine Kostenentscheidung zugunsten der Beklagten hätte erfolgen müssen, § 91a ZPO. Fehlerhaft sei die Annahme des Landgerichts, wonach vorliegend § 566 Abs. 1 BGB analog anzuwenden sei.

§ 566 Abs. 1 BGB regelt den Fall der Veräußerung des Eigentums an der Mietsache an einen Dritten, wodurch der Dritte in das bestehende Mietverhältnis zwischen dem bisherigen Eigentümer und dem Mieter eintritt. Der BGH verwies darauf, dass nach dem Wortlaut des § 566 Abs. 1 BGB die Veräußerung an einen Dritten erfolgen müsse, was eine Personenverschiedenheit zwischen Eigentümer und Erwerber bedeute. Der Erwerber dürfe bis zum Erwerb nicht bereits Vermieter gewesen sein (BGH, Rechtsentscheid vom 06.07.1994 - VIII AZR 2/94 – zu der Vorgängerregelung in § 571 BGB a.F.). Eine Analogie, wie vom Landgericht angenommen, setze eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes und eine Vergleichbarkeit des zu beurteilenden Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht mit dem Tatbestand, der vom Gesetzgeber geregelt worden sei, voraus, nach dem angenommen werden könne, dass der Gesetzgeber hätte bei einer Interessensabwägung unter Berücksichtigung der Grundsätze, die ihn zur Gesetzessvorschrift geleitet hätten, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Es müsste sich also um ein unbeabsichtigtes Abweichen vom Regelungsplan handeln. Dies wurde vom BGH negiert.

Sinn und Zweck des § 566 BGB sei der Schutz des Mieters vor einem Verlust des Besitzes an der Wohnung im Falle der Veräußerung gegenüber einem neuen Erwerber. Dieser Schutzzweck sei aber von vornherein nicht tangiert, wenn nur einer von (hier) zwei Miteigentümern seinen Eigentumsanteil auf den anderen übertrage mit der Folge, dass dieser Alleineigentümer werde. Dieser sei weiterhin an den Mietvertrag gebunden, weshalb eine Gefährdung des Mieters von vornherein nicht bestünde.

Daraus schlussfolgert der BGH folgerichtig, dass hier das Mietverhältnis insgesamt durch die Übertragung des Mieteigentums an einen Miteigentümer nicht das Mietverhältnis tangiert und mithin auch nach der Übertragung der ehemalige Miteigentümer Mietvertragspartei bleibe. Da aber die Kündigung nur von der verbliebenen Eigentümerin (Klägerin) ausgesprochen wurde, war diese unwirksam, da die Kündigung von dem Vermieter auszusprechen ist, was bei einer Mehrzahl von Vermietern bedeutet, dass alle Vermieter die Kündigung aussprechen müssen.

BGH, Beschluss vom 09.01.2019 - VIII ZB 26/17 -