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Dienstag, 14. November 2023

Darlehensvertrag der Ehefrau unter Namen des Ehemanns und Rückzahlungspflicht

Die (damaligen) Eheleute unterhielten bei der P-Bank ein gemeinsames Konto, auf welches die Klägerin (eine Bank) einen Betrag von € 3.490,00 in der Annahme überwies, damit die Auszahlung eines dem Beklagten gewährten Darlehens vorzunehmen. Der Beklagte hatte allerdings mit der Klägerin keinen Darlehensvertrag geschlossen. Vielmehr hatte diesen unter seinen Namen seine Ehefrau abgeschlossen, der im Wege des Postident-Videoverfahrens die Kreditunterlagen übersandt wurden und die Klägerin die Antragsunterlagen nebst Kopien von Lohnabrechnungen, des Personalausweises des Beklagten, der Bankkarte und von Kontounterlagen erhielt. Bei dem Post-Identverfahren trat des der Stiefvater der Ehefrau unter Vorlage des Personalausweises des Beklagten auftrat. Die Unterschrift auf dem Kreditvertrag wurde von der Ehefrau des Beklagten gefälscht. Nach Kündigung des vermeintlichen Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs durch die Klägerin wurden Teilzahlungen in Höhe von € 1.055,20 geleistet. Mit der Klage begehrte die Klägerin Zahlung restlicher € 2.434,80 nebst Zinsen. Das Amtsgericht gab der Klage statt, Auf die Berufung des Beklagten wurde vom Landgericht die Klageabgewiesen. Im vom Landgericht zugelassenen Revisionsverfahren hob der BGH das landgerichtliche Urteil auf und wies die Berufung des Beklagten gegen die amtsgerichtliche Entscheidung zurück.

Soweit das Berufungsgericht gem. § 241a Abs. 1 BGB in der „Darlehensvaluta“ eine sonstige unbestellte Leistung sah oder es sich nach Klägerauffassung um die Erfüllung eines nicht unter § 241a Abs. 1 BGB Scheinvertrages handeln sollte, ließ dies der BGH auf sich beruhen, da auch dann, wenn § 241a Abs. 1 greifen würde, die gesetzlichen Ansprüche der Klägerin nicht § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB nicht ausgeschlossen wären. Nach § 241a BGB wird bei der Lieferung unbestellter Leistungen ein Anspruch gegen den Empfänger nicht begründet. § 241a Abs. 2 2. Fall BGB bestimmt, dass die Ansprüche nicht gem. Abs. 1 ausgeschlossen seien, wenn der Empfänger die irrige Leistung erkannt habe oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. Eine unionsrechtliche Auslegung der Norm käme aufgrund des eindeutigen Willens des Gesetzgebers (BT-Drs. 14/2658 S. 46) nicht in Betracht (was vom BGH sodann näher ausgeführt wurde).  Eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung dürfe nicht dazu führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt einer Norm neu bestimmt würde; der Richter dürfe seien eigene Gerechtigkeitsvorstellung nicht an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen (BVerfG, Beschluss vom 26.09.2011 - 2 BvR 2216/06 -).

Die in § 241a Abs. 2 2. Fall BGB benannte Kenntnis des Beklagten sie hier anzunehmen, da ihm in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis seiner Ehefrau von der irrigen Vorstellung einer „Bestellung auf Seiten der Klägerin“ zuzurechnen sei.

Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Regelung des § 166 Abs. 1 BGB (bei Folgen von Willenserklärungen und Willensmängeln, Kenntnis und Kennenmüssen ist nicht auf den Vertretenen, sondern seinen Vertreter abzustellen) der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen sei, dass sich (unabhängig von einem Vertragsverhältnis) derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraue,  das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen müsse (BGH, Urteil vom 25.02.1982 - VII ZR 60/81 -).

Vorliegend habe das Landgericht festgestellt, dass sich bis zur Trennung der Eheleute die Ehefrau um die finanziellen Angelegenheiten gekümmert hatte. Damit habe sie bei der Vornahme und Abwicklung von Geldgeschäften eine tatsächlich ähnliche Stellung wie ein Vertreter gehabt. Der Beklagte habe sich insoweit bewusst von seiner Ehefrau in ähnlicher Weise repräsentieren lassen wie durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter.  Nur da sich der Beklagte um das gemeinschaftliche Konto nicht gekümmert habe, habe die Ehefrau den Irrtum bei der Klägerin hervorrufen können, mit dem Beklagten einen Darlehensvertrag abgeschlossen zu haben, und die Klägerin ohne Wissen des Beklagten veranlassen können, auf das gemeinschaftliche Konto die vermeintliche Darlehensvaluta auszuzahlen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die Ehefrau mit Aufnahme des Darlehens unter dem Namen des Beklagten gegen Befugnisse aus dem Innenverhältnis der Eheleute verstoßen habe.

Damit habe die Klägerin einen bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch, der hier nicht durch § 241a BGB ausgeschlossen sei. Der Beklagte könne dem auch nicht einen Schadensersatzanspruch wegen unsorgfältiger Durchführung des Video-Identifizierungsverfahrens entgegenhalten. Der Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB in Höhe von € 2.434,80, der Differenz zwischen dem auf das Konto überwiesenen Betrag und den nach der Kündigung erfolgten Teilzahlungen sei gegeben.

Die Beklagte sei durch die Überweisung auf das Konto, mit dem die Klägerin den vermeintlich mit dem Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrag erfüllen wollte, durch Leistung der Klägerin ungerechtfertigt bereichert worden, da durch das Handeln der Ehefrau unter dem Namen des Beklagten zwischen den Parteien kein Darlehensvertrag zustande kam. Mangels Nachweises, dass die Ehefrau des Beklagten bei Abschluss des Darlehensvertrages und Unterzeichnung der Auszahlungsanweisung unter dem Namen des Beklagten in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht gehandelt habe (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB analog), sei ihm deren Handeln nicht für den Vertragsabschluss zuzurechnen, und er habe diesen Vertragsabschluss auch nicht genehmigt (§ 167 BGB analog). Auch lägen nicht die Voraussetzungen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht vor; es sei nicht festgestellt und auch nicht von der Klägerin geltend gemacht worden, dass die Teilzahlungen von ihm erfolgten.  

Eine Entreicherung nach § 819 Abs. 1 BGB könne der Beklagte auch nicht einwenden, auch wenn die Ehefrau den Betrag abgehoben habe, bevor der Beklagte von dem Zahlungseingang erfahren habe. Der Ehefrau sie bekannt gewesen, dass der Betrag von der Klägerin als Darlehen gewährt wurde und zurückzuzahlen sei. Diese für § 819 Abs. 3 BGB ausreichende Kenntnis seiner Ehefrau müsse sich der Beklagte wie im Rahmen von § 241a BGB in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.  

Dem Beklagten stünde ein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin nicht zu, den er nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB wegen mangelhafter Sorgfalt bei der Indentifizierung entgegenhalten könnte. Soweit er einem Bereicherungsanspruch der Klägerin ausgesetzt sei, ergäbe sich aus §§ 814, 815 BGB, dass einem solchen Anspruch nur die positive Kenntnis des Bereicherungsgläubigers (der Klägerin) entgegengehalten werden könne. Fahrlässige oder auch grob fahrlässige Unkenntnis auf Seiten der Klägerin seien unerheblich. Dies könne nicht durch eine unsorgfältige Prüfung der Identität des Empfängers vor der Leistungserbringung durch einen Schadenersatzanspruch überspielt werden.

BGH, Urteil vom 26.09.2023 - XI ZR 98/22 -

Mittwoch, 2. Mai 2018

Zum Schadensersatzanspruch der Bank bei berechtigter Kündigung eines Darlehens


Zu Finanzierung einer Immobilie hatten B. und N. bei der Beklagten vier Darlehen in 2007  mit unterschiedlichen Darlehensbeträgen, Zinsen und Laufzeiten aufgenommen. Ein Darlehen sollte im Februar 2042 endfällig sein; im übrigen handelte es sich um Annuitätsdarlehen. Ein Sicherung der Darlehen erfolgte durch Grundschulden auf der Immobilie. In 2012 kündigte die Beklagte die Darlehen außerordentlich wegen Zahlungsverzugs (ein Darlehen) bzw. wegen wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse (drei Darlehen). Auf die jeweilige Restvaluta verlangte die Beklagte Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz sowie Erstattung von Refinanzierungsschäden auf drei der Darlehen. Sie betrieb aus den Grundschulden das Zwangsversteigerungsverfahren; während des Verfahrens erfolgte ein Verkauf der Immobilie mit Zahlung an die Beklagte. Von dem Kaufpreis behielt die Beklagte neben den Verzugszinsen ab Kündigung bis zur Rückführung der Darlehensvaluten einen weiteren Betrag von € 245.703,18 für Refinanzierungsschäden ein. Die Refinanzierungsschäden hatte sie für die Zinsforderungen anhand der erzielbaren Wiederanlagezinsen und abgezinst auf das Datum der Wirksamkeit der Kündigungen berechnet. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin als Nachlassverwalterin des verstorbenen B. den als Vorfälligkeitsentschädigung einbehaltenen Betrag von € 245.703,18 nebst Rechtshängigkeitszinsen und vertrat die Ansicht, es handele sich um Verbraucherdarlehensverträge, weshalb der Beklagten wegen der Sperrwirkung des § 497 Abs. 1 BGB keine Vorfälligkeitsentschädigung zugestanden habe. Das Landgericht hatte der Klage in Höhe von € 83.501,12 nebst Zinsen (auf Zahlung an die Klägerin als Gesamtgläubigerin mit N.) stattgegeben; auf die Berufung beider Parteien wurde die Klage insgesamt abgewiesen. Der BGH hob auf die Revision der Klägerin das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Entgegen der Ansicht der Klägerin bejahte der BGH einen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung aus §§ 380 Abs. 1 und 3, 281 BGB. Bei einem Darlehensvertrag mit fester Laufzeit habe die kreditgebende Bank bei Kündigung aus wichtigem Grund einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die vorzeitige Beendigung des Vertrages entstünde. Hier hätten die Darlehensnehmer ihrer Zahlungsverpflichtung nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB nicht genügt. Damit seien die Kündigungen aller Darlehensverträge gerechtfertigt gewesen. Dem stünde nicht entgegen, dass die Klägerin gemäß ihren AGB für die zweite Kündigung (von drei Darlehensverträgen) auf eine wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 490 Abs. 1 BGB  abgestellt habe. Die  Nichterfüllung der Zins- und Tilgungsbestimmungen aus dem ersten (gekündigten) Darlehensvertrag sei adäquat kausal für die weiteren Kündigungen gewesen und habe nicht lediglich in einer lediglich äußerlichen Verbindung zu dem Zahlungsverzug gestanden, sondern in einem inneren Zusammenhang.

Die wirksame Kündigung führe dazu, dass der Darlehensgeber keinen Anspruch ehr auf den vertraglich vereinbarten Zins nach Wirksamwerden der Kündigung habe (BGH vom 08.02.2000 - XI ZR 313/98 -).  Dem Darlehensgeber stehe wahlweise ein Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens nach §§ 280 Abs. 1,und 2, 281 BGB.

Vorliegend handele sich auch nicht um eine Verbraucherkreditvertrag gem. § 497 Abs. 1 BGB (in der bis 20.06.2010 geltendem Fassung), § 492 Abs. 1a S. 2 BGB a.F., da die Tätigkeit der Darlehensnehmer B. und N. eine gewerbliche Verwaltung eigenen Vermögens dargestellt habe. Der Umfang der mit der Vermögensverwaltung verbundenen organisatorischen und zeitlichen Aufwendungen vermittle das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebs (1 Immobilienobjekt mit 2 Wohnungen und einer Gaststätte, ein Einfamilienhaus , ein Objekt mit 6 Wohnungen, 1 Objekt mit 9 Apartments zur tageweisen Anmietung und 2 Apartments für Mitarbeiter).

Für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung könne auch auf den Zeitpunkt des Wriksamwerdens der Kündigung der jeweiligen Darlehen abgestellt werden.  Dies sei Folge der durch § 281 Abs. 1 BGB ermöglichten Umwandlung des Leistungsanspruchs in einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Im Falle einer hier vorliegenden abstrakten Schadensberechnung sei dies der Zag der Entstehung des Schadensersatzanspruchs.

Allerdings sei die Revision insoweit begründet, als sie sich gegen die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung durch das OLG wende. Stelle der Darlehensgeber das Darlehen fällig und verlange er die offene Darlehensvaluta in voller Höhe zurück, könne er (neben möglichen Zahlungsrückständen) nur diese und mögliche weitere Verzugszinsen nach den allgemeinen Regeln begehren. Mache er aber neben Zahlungsrückständen und darauf beschränkten Verzugsschäden Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung geltend, könne er verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrages durch den Darlehensnehmer gestanden hätte.

Im letzteren Fall bedürfe es zur Berechnung des Schadens eines Vergleichs zwischen den Vermögenslagen
  1. bei ordnungsgemäßer Erfüllung durch den Darlehensnehmer
  2. der durch die Nichterfüllung entstandenen tatsächlichen  Vermögenslage.

Die Vorfälligkeitsentschädigung sei daher auf der Grundlage des bisherigen Vertragszinses zu berechnen, bezogen auf das noch offene Darlehenskapital  und beschränkt durch eine rechtlich geschützte Zinserwartung des Darlehensgebers. Denn der Darlehensgeber solle so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn das Darlehen während der Festschreibungsfrist ordnungsgemäß bedient worden wäre. Bei der von der Beklagten angewandten Aktiv-Passiv-Methode (auch möglich wäre die Aktiv-Aktiv-Methode) stelle sich der finanzielle Nachteil des Darlehensgebers als Differenz zwischen den Zinsen dar, die der Darlehensnehmer bei der Abnahme des Darlehens tatsächlich gezahlt habe und der Rendite, die sich aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln ergäbe. Der so ermittelte Differenzbetrag sei um die ersparte Risikovorsorge und die ersparten jährlichen Verwaltungskosten zu kürzen.

Das bedeute, dass der Schadensersatz statt Leistung so berechnet werden könne, dass die ab dem Tag des Wirksamwerdens der Kündigung noch geschuldeten Zahlungen aus Zins- und Tilgungsleistungen ermittelt würden, davon die Beträge für ersparte Risikovorsorge und jährlicher Verwaltungsaufwand abgezogen würden und sodann eine Abzinsung erfolge. Bei der Abzinsung sei der Zinssatz anzusetzen, der auf dem Kapitalmarkt bei einer laufzeitkongruenten Anlage zu erzielen wäre.

Diesen Vorgaben sei das Urteil des OLG nicht gerecht geworden. Dort sei die nicht abgezinste Restdarlehensvaluta zugrunde gelegt worden und daneben (lediglich) für die entgangenen Zinszahlungen Schadensersatz statt Leistung gemäß dem Beklagtenvortrag zugrunde gelegt worden. Die Beklagte habe die zwei Schadensarten (Geltendmachung von Verzögerungsschaden und Schadensersatz statt der Leistung) unzulässig vermischt.

BGH, Urteil vom 20.02.2018 - ZR 445/17 -