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Donnerstag, 2. November 2023

Mietrecht: Fiktiver Schadensersatz des Vermieters für Schönheitsrenovierung, Rückbau und Schäden

Der Kläger forderte als Vermieter nach Mietende und Auszug der ehemaligen Mieter (Beklagte) diese zur Durchführung von Schönheitsreparaturen und Rückbauarbeiten auf, dem die Beklagten nicht nachkamen. Der Kläger holte einen Kostenvoranschlag ein, ließ Teile der geforderten Maßnahmen durch Dritte durchführen, und verklagte dann die Beklagten auf Zahlung gemäß dem Kostenvoranschlag. Die Klage wurde erst- und zweitinstanzlich abgewiesen; das Berufungsgericht ließ allerdings zur Frage, ob im Mietrecht Schadensersatz fiktiv geltend gemacht werden könne (von ihm verneint) die Revision zu. Die insoweit beschränkt zugelassene und zu entscheidende Revision hatte Erfolg.

Bei seiner Entscheidung stellte das Berufungsgericht u.a. auf die Rechtsprechung des BGH zur fiktiven Schadensabrechnung im Werkvertragsrecht ab. Dem folgte der für Wohnraummietrecht zustände Senat des BGH für das Mietercht nicht. Sowohl im Hinblick auf den Ersatz von Kosten für die mieterseits nicht ausgeführten Schönheitsreparaturen (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB) als auch für den Rückbau durch Austausch von Wandfliesen und für die Malerarbeiten an der Wand des Treppenhauses (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB), ferner im Hinblick auf weiter durch die Beklagten verursachten Schäden am Mietgegenstand (§ 280 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 1 BGB), könne der Kläger nach dem Ende des Vertragsverhältnisses seinen Schaden fiktiv berechnen und diese fiktiven Kosten geltend machen.

D.h., der Vermieter könne wegen unterlassener Schönheitsreparaturen und Rückbaukosten vom Mieter anhand der voraussichtlich erforderlichen Kosten, aber (noch) nicht aufgewendeten (mithin fiktiven) Kosten seine Schadensersatzansprüche bemessen. Auch soweit der Kläger Teile der Arbeiten, für die er Ersatz begehre, bereits ausgeführt habe, könne er hier den gesamten Schaden ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen auf der Grundlage des von ihm eingeholten Kostenvoranschlags (und damit fiktiv) abrechnen (BGH, Urteil vom 05.04.2022 – VI ZR 7/21 -).  

Es sei in ständiger Rechtsprechung vom BGH anerkannt, dass Schadensersatzansprüche statt der Leistung mit den für die Instandsetzung oder -haltung oder den für den Rückbau der Mietsache erforderlichen aber noch nicht aufgewendeten (also fiktiven) Kosten bemessen werden könnten /BGH, Urteile vom 3.03.2021 -XII ZR 42/20 -, 12.03.2014 - XII ZR 108/13 -, 05.03.2014 - VIII ZR 205/13 -. 20.10.2004 - VIII ZR 378/03 -). Daran sei auch nach der Entscheidung des VII. Zivilsenats vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17 - zur Begründung seiner gegenteiligen Rechtsansicht im Rahmen des Werkvertragsrechts festzuhalten. Die Erwägungen des VII. Zivilsenats würden - auch nach dessen Ansicht - auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts beruhen und ließen sich auf andere Vertragstypen nicht übertragen (BGH, Beschlüsse vom 08.10.2020 - VII AZR 1/20 -, 26.04.2022 – VIII ZR 364/20 -).  Zwar gäbe es, anders als im Kaufrecht, im Mietrecht einen mit dem werkvertraglichen Anspruch gem. § 637 Abs. 3 BGB (der vom VII. Zivilsenat zur Begründung seiner Auffassung herangezogen wurde) vergleichbaren Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für die (beabsichtigte) Selbstvornahme (Anm.: was nach Ansicht des VII. Zivilsenats eine fiktive Abrechnung ausschließt). Denn nach der Rechtsprechung des hier zur Entscheidung berufenen Senats (für Wohnraummietrecht) im laufenden (also nicht beendeten) Mietverhältnis unter den Voraussetzungen § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Vorschussanspruch des Mieters bei Mietmängeln bestehen und könne auch der Vermieter einen Vorschuss in Höhe erforderlicher Renovierungskosten verlangt werden, wenn sich der Mieter mit der Durchführung der Renovierung in Verzug befände (BGH, Urteil vom 1403.2006 - VIII ZR 123/05 -, Beschluss vom 25.04.2022 - VIII ZR 364/20 -). Allerdings würden sich hier die Ansprüche nur zum Teil auf solche Ansprüche (Renovierung) beziehen, zum anderen sämtliche Ansprüche auf ein beendetes Mietverhältnis.

Das Berufungsgericht hatte seine Ansicht auch damit begründet, dass bei einer fiktiven Abrechnung die Gefahr einer Überkompensation bestehen würde. Doch könne der Geschädigte nur die zur Erfüllung der Leistungspflicht erforderlichen Kosten beanspruchen (Anm.: die er im Bestreitensfall darlegen und beweisen muss, wobei ggf. vom Gericht auch Sachverständigengutachten einzuholen ist). Auch sei zu beachten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung bilde (BGH, Urteil vom 08.07.2020 - VIII ZR 163/18 -).

Ebenso wie den Schadensersatzanspruch statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, 3m § 281 Abs. 1 S. 1 BGB) könne der Kläger auch seinen das Integritätsinteresse betreffenden Schadensersatzanspruch neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) wegen der Beschädigung der der Mietsache (hier bezüglich von Wandfliesen der Küche und des Flurs im Treppenhaus) auf der Grundlage voraussichtlicher (also fiktiver) Kosten bemessen. Anders als bei einem Schadenersatzanspruch statt der Leistung, der von vornherein nur auf Geldersatz gerichtet sei (§ 281 Abs. 4 BGB), könne der geschädigte Vermieter bezüglich des Schadensersatzanspruchs neben der Leistung wahlweise Naturalrestitution  oder Geldersatz begehren (BGH, Urteil vom 19.11.2014 - VIII ZR 191/13 -). Aufgrund der nach § 249 Abs. 2 BGB dem Geschädigten gewährten Ersetzungsbefugnis könne der Kläger auch hier die fiktiven Kosten gelten machen (BGH, Beschluss vom 08.10.2020 – VII ARZ 1/20 -). Dass dies ebenfalls vom VII. Zivilsenat im Hinblick auf das Werkvertragsrecht hinsichtlich eines solchen Schadensersatzanspruchs neben der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB) verneint wurde (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VIII ZR 46/17 -), sei dies auf andere Vertragstypen nicht übertragbar (zudem sei der Fall auch nicht vergleichbar, als es dort eine Ersetzungsbefugnis des Bestellers im Hinblick auf den dortigen Überwachungsfehler des Architekten nicht gegeben habe).

Das Berufungsurteil konnte daher keinen Bestand haben und der BGH hob es, soweit es mit der Revision angefochten werden konnte, unter Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht auf.

BGH, Urteil vom 19.04.2023 - VIII ZR 280/21 -

Mittwoch, 1. Juni 2022

Keine Umsatzsteuer bei Teilreparatur und fiktiver Schadensabrechnung

Die Klägerin verlangte nach einem Verkehrsunfall Schadensersatz. Der Sachverständige bezifferte die Reparaturkosten mit netto € 5.521,63; ob die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs der Klägerin durch den Unfall beeinträchtigt war, war streitig. Auf Basis der Feststellungen des Sachverständigen nahm die Klägerin die Abrechnung des Schadens vor und verlangte von der Beklagten Zahlung der vom Sachverständigen ermittelten Nettoreparaturkosten, die die Beklagte auch ausglich. Sodann ließ die Klägerin eine Teilreparatur durchführen, für die sie € 4.454,63 zuzüglich Umsatzsteuer von € 846,38 zahlte. Diese Umsatzsteuer machte sie bei der Beklagten geltend, die die Zahlung ablehnte, woraufhin die Klägerin Klage erhob. Klage und Berufung der Klägerin waren erfolglos. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH stellte fest, es könne auf sich beruhen, ob das Fahrzeug nach dem Unfall noch verkehrs- und betriebssicher war oder für die Wiedererlangungen derselben die Teilreparatur erforderlich war. Entscheidend sei, das die Klägerin den Weg der fiktiven Schadensabrechnung gewählt habe und auch nicht zu einer konkreten Berechnung des Schadens auf der Grundlage der durchgeführten Reparatur übergegangen sei. Nach § 249 Abs. 1 BGB sei vom Schädiger der zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn es zu dem den Ersatzanspruch begründenden Umstand nicht gekommen wäre. Bei der Beschädigung einer Sache könne der für die Herstellung erforderliche Geldbetrag verlangt werden. Dabei könne der Geschädigte zwischen der konkreten Abrechnung nach den tatsächlich aufgewandten Kosten und einer fiktiven Abrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens wählen. Eine Vermengung beider Abrechnungsarten sei aber unzulässig. Damit solle verhindert werden, dass der Geschädigte in Form eines Rosinenpickens die ihm vorteilhaften Elemente der jeweiligen Berechnungsart heraussuche und damit bereichere. Zudem würde so die innere Kohärenz der jeweiligen Berechnungsart sichergestellt.  

Der Geschädigte habe bei der Wahl der Art des Schadensersatzes eine Dispositionsfreiheit. Er müsse also nichts zu von ihm veranlassten oder nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen vortragen. Mit seiner Schadensberechnung auf Basis des Sachverständigengutachtens habe die Klägerin dahin disponiert, sich mit Ersatz auf abstrahierter Basis zufrieden zu geben.  Dadurch sei ihr auch kein Schaden entstanden, da sie noch später (bei Vorliegend er Voraussetzungen und fehlender Verjährung) zur konkreten Schadensberechnung übergehen könne.  

Im Rahmen der fiktiven Schadensberechnung könne Umsatzsteuer nicht begehrt werden, auch wenn diese bei Durchführung der Reparatur anfällt. Dies würde zur unzulässigen Kombination von fiktiver und konkreter Schadensberechnung führen. Umsatzsteuer zur Wiederherstellung einer Sache sei nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nur zu zahlen, wenn und soweit sie tatsächlich anfalle. Damit begrenze die Norm den die Dispositionsbefugnis bei fiktiver Abrechnung.

Auch bleibe die Umsatzsteuer nicht nur fiktiv, wenn es nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung käme, sondern auch dann, wenn der Geschädigte zwar Wiederherstellungsmaßnahmen (die umsatzsteuerpflichtig sind) ergreife, dies aber nicht zur Grundlage seiner Abrechnung mache, sondern es dabei belässt, den Schaden fiktiv abzurechnen. Der Geschädigte könne die Restitutionsmaßnahme nicht (in Bezug auf die Umsatzsteuer) teilweise  zum Gegenstand seiner im Übrigen fiktiven Abrechnung machen.

Diese Grundsätze würden auch bei einer Teilreparatur gelten.

Zwar könne eine Teilreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit grundsätzlich zur Voraussetzung für die Abrechenbarkeit fiktiver Reparaturkosten werden, wenn diese den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) überschreiten würden. Dadurch würde das Integritätsinteresse des Geschädigten und seine Dispositionsfreiheit geschützt. Diese umsatzsteuerpflichtige Teilreparatur würde in diesem Fall erst die fiktive Abrechnung ermöglichen. Allerdings sei es dem Geschädigten nicht erlaubt, auf diesen Weg durch eine Vermengung von fiktiver und konkreter Abrechnung die Vorteile der konkreten Abrechnung zu sichern. Auch in diesen Fall wäre zu beachten, dass die Umsatzsteuer nur auf die Teilreparatur anfalle, nicht aber auf die der Schadensberechnung zugrunde gelegte fiktive Reparatur des gesamten Schadens.

Danach habe der Geschädigte keinen Anspruch auf die Umsatzsteuer bei einer Teilreparatur,  obwohl sie angefallen sei, da fiktiv der gesamte Schaden (und damit auch der reparierte Teil) abgerechnet worden sei.

BGH, Urteil vom 12.05.2022 - VI ZR 7/21 -