Freitag, 29. Juli 2022

Statthafter (rechtlich vorteilhafter) Grundstückserwerb durch Minderjährigen bei Vermietung ?

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, § 705 BGB) war im Grundbuch als Eigentümerin einer bebauten Immobilie eingetragen; es bestand zudem ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten. In einer notariellen Urkunde ließ der Beteiligte zu 2. (einer der Gesellschafter der GbR) 93,8/100 Miteigentumsanteile an dem Grundstück von der GbR auf sich sowie anschließend (mit Vollmacht auch seiner Ehefrau und Mutter der Beteiligten zu 4. und 5.) von sich auf seine minderjährigen Kinder, die Beteiligten zu 4. und 5. schenkweise übertragen. Das Grundbuchamt forderte die Vorlage der Genehmigung der Übertragung auf die minderjährigen Kinder durch einen noch zu bestellenden Ergänzungspfleger. Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde abgewiesen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde vom, BGH zurückgewiesen.

Der BGH wies darauf hin, dass der Vater als auch die Mutter von der Vertretung ihrer minderjährigen Kinder im Rahmen der hier erklärten Auflassung zu deren Gunsten ausgeschlossen waren, §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 iVm 181 BGB.

§ 1629 Abs. 1 S. 1 BGB umfasse die elterliche Sorge die Vertretung des Kindes. Von daher seien sie an sich zur gemeinsamen Vertretung berechtigt. Allerdings würde dies nicht im rahmen der hier zugunsten der Kinder erklärten Auflassung gelten. So sei der beteiligte zu 2. Bereits deshalb von der Vertretung ausgeschlossen, da er die Auflassung zugleich als Veräußerer im eigenen Namen als auch als gesetzlicher Vertreter der Kinder erklärt habe, § 181 BGB; seine Ehefrau war hier nach § 1629 Abs. 2, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, da es um ein Rechtsgeschäft zwischen ihrem Ehegatten und den Kindern ging.

Allerdings greife der Ausschluss von der Vertretung dann nicht, wenn es sich das Rechtsgeschäft für die Kinder lediglich als rechtlich vorteilhaft iSv. § 107 BGB darstelle (BGH, Beschluss vom 30.09.2010 - V ZB 206/10 -). Dies sei dann nicht der Fall, wenn in der Folge der Erwerber mit nicht nur dingliche, sondern auch persönlichen für Verpflichtungen belastet würde. Eine derartige, auch persönliche Verpflichtung sei aber nach §§ 566 Abs. 1, 581 Abs. 2, 593b BGB mit dem Eigentumsübergang durch den Eintritt in die Miet- und Pachtverträge verbunden; den Erwerber könnten Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche und die Pflicht zur Rückgewähr einer von Mieter/Pächter geleisteten Sicherheit. Daran würde sich auch nicht deshalb etwas ändern, da die Kinder als Erwerber lediglich neben den bisherigen Eigentümern in die Verträge auf Vermieterseite eintreten würden, da sich die Mieterrechte sodann auch gegen die Eintretenden richten würden.

Auch das Nießbrauchrecht würde hier die Sicht nicht ändern. Sollte die GbR die Vermietung nach Begründung des Nießbrauchs vorgenommen haben du damit der Nießbraucher nicht in die Mietverhältnisse eingetreten sein (§ 567 BGB), wäre die Situation nicht anders zu bewerten wie in dem Fall, dass kein Nießbrauch bestünde, da die Erwerber nach § 566 BGB unmittelbar in die Mietverträge eintreten würden. Aber auch wenn der Nießbraucher Vermieter ist, würde der Erwerb für die Kinder nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sein. Denn jedenfalls mit Beendigung des Nießbrauchs würden sie Eigentümer entsprechend § 566 Abs. 1 BGB in die Mietverträge eintreten. Lediglich wenn die Übertragung an die Kinder unter Nießbrauchvorbehalt erfolgen würde, läge eine bloß theoretische Möglichkeit für künftige Belastungen vor, die nicht ausreichen würden, einen Rechtsnachteil anzunehmen, da eine Vermietung/Verpachtung durch den Nießbraucher nicht gesichert sei. Bestünde aber der Nießbrauch (wie hier) bereits zum Zeitpunkt der Übertragung des Miteigentums und sei das Grundstück vermietet/verpachtet, bestünde eine hinreichende Gefahr, dass bei Beendigung des Nießbrauchs die Minderjährigen mit Miet-/Pachtverträgen belastet würden.

Da der Beteiligte zu 2. und seine Ehefrau von der Vertretung deren Kinder, den Beteiligten zu 4. und 5. bei der Auflassung ausgeschlossen waren, war die dingliche Einigung nach § 177 BGB schwebend unwirksam. Erst mit Vorlage der Einwilligung des Ergänzungspflegers (§ 1909 BGB) wäre die Auflassung rückwirkend wirksam geworden, § 184 Abs. 1 BGB.

Anmerkung: Das OLG Düsseldorf vertrat zur schenkweisen Überlassung eines verpachteten Grundstücks (bei einer Schenkung durch den Onkel) eine andere Auffassung (Beschluss vom 03.03.2016 - 3 Wx 65/16 -).

BGH, Beschluss vom 28.04.2022 - V ZB 4/21 -

Sonntag, 24. Juli 2022

Mangels Masse aufgelöste GmbH (§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG) kann nicht fortgesetzt werden

Nachdem in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH die Eröffnung desselben mangels eines die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig zurückgewiesen wurde, wurde deren Auflösung im Handelsregister eingetragen. Danach beschlossen die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft und der zeitgleich von ihnen bestellte Liquidator und Geschäftsführer (und auch Alleingesellschafter) meldete die Fortsetzung der Gesellschaft zum Handelsregister an. Dabei versicherte er, dass mit der Verteilung des Vermögens der Gesellschaft noch nicht begonnen worden sei, die Verbindlichkeiten der Gesellschaft deren Vermögen nicht übersteigen würden und keine wirtschaftliche Neugründung vorläge. Später erklärte er zudem den Rangrücktritt eines von ihm der Gesellschaft gewährten Darlehens und über wies € 25.000,00 mit dem Verwendungszweck „Einzahlung Stammkapital“.  Der Eintragungsantrag und die gegen dessen Ablehnung eingelegte Beschwerde blieben erfolglos. Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen.

Der BGH stellte fest, dass eine GmbH, bei der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt würde, gem. § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbH aufgelöst sei und nicht fortgesetzt werden könne. Dabei sei es gleichgültig, ob die Gesellschaft über ein das statuarische Stammkapital übersteigendes Vermögen verfüge und die Insolvenzgründe nunmehr beseitigt wurden.

§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG regele nicht eine mögliche Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollen Gesellschaften, deren Mittel nicht einmal zur Durchführung des Insolvenzverfahrens reichen, rasch beendet werden. Anders als im Fall des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbH, nach dessen Regelung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrensverfahrens die Gesellschaft zwar auch aufgelöst würde,  dieses allerdings auf Antrag des Schuldners eingestellt würde oder nach Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsähe, aufgehoben würde, weshalb dann die Fortsetzung der Gesellschaft nach dem Gesetzeswortlaut beschlossen werden könne, sei diese Möglichkeit bei der Auflösung nach § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG nicht vorgesehen. Bei der Reform des Insolvenzrechts sei im Hinblick auf die Fortsetzungsmöglichkeit lediglich § 60 Abs. 1 Nr. 4 vom Gesetzgeber geändert worden, nicht aber § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG.

Es sei auch keine Erweiterung der Fortsetzungsmöglichkeit über den Fall des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG auf den vorliegenden Fall des § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG erforderlich. Gegen die Fortsetzung spräche, dass dann keine gesetzliche Prüfung stattfinde, ob die Insolvenzreife tatsächlich überwunden sei (BGH, Beschluss vom 28.04.2015 - II ZB 13/14 -). § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG diene dem Gläubigerschutz.

Deshalb käme es auch nicht darauf an, ob die Auflösungsgründe beseitigt worden seien und eine Insolvenz durch Zuführung neuer Mittel nachhaltig überwunden sei (hier durch den Rangrücktritt des Gesellschafters und die Zahlung auf die Einlage in Höhe von € 25.000,00). Auch stünden der fehlenden Fortsetzungsmöglichkeit nicht Belange der Gesellschafter entgegen, die die Möglichkeit hatte, durch Zuführung von Mitteln zur Deckung der Kostend es Insolvenzverfahrens den Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zu eröffnen. Es gäbe keinen Grund, weshalb hier die Fortsetzung durch einen schlichten Beschluss eröffnet werden sollte, wenn die Möglichkeit nicht wahrgenommen würde, den Weg des §0 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zu beschreiten.

Zudem würde vorliegend auch gegen eine Fortsetzungsmöglichkeit sprechen, selbst wenn die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Neugründung vorlägen, dass nach den Angaben in der Anmeldung eine wirtschaftliche Neugründung nicht vorläge.

BGH, Beschluss vom 25.01.2022 - II ZB 8/21 -

Donnerstag, 21. Juli 2022

Gebäudeversicherung: Der Kochherd und grobe Fahrlässigkeit an der Brandentstehung

Nach einem Brandschaden machte die Klägerin Leistungen aus ihrer Wohngebäudeversicherung geltend. Zu dem Feuer kam es in der Küche, da die Klägerin kurz vor Verlassen des Hauses versehentlich den E-Herd nicht ausschaltete, sondern durch Betätigung des Drehknopfs einer anderen Platte diese auf die höchste Stufe stellte. In den Versicherungsbedingungen (§ 19 Ziffer 1 Abs. 3 VGB 2010) war geregelt, dass bei grob fahrlässigen Herbeiführen des Schadens durch den Versicherungsnehmerin der Versicherer (hier die Beklagte) in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis diesen kürzen könne.

Die Beklagte regulierte mit 75%. Die Klage der Klägerin, die in erster Instanz erfolgreich war, wurde auf die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Das OLG wies darauf hin, dass die Regelung in § 19 Ziffer 1 Abs. 3 VGB 2010 der Norm des § 81 Abs. 2 VVG entspräche, weshalb die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Versicherungsleistung zu kürzen. Grobe Fahrlässigkeit setze einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt müsse in einem ungewöhnlich hohem Maß verletzt worden sein und dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jeden hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 10.05.2011 - VI ZR 196/10 -).

Wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchte, würde die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße verletzen und objektiv grob fahrlässig handeln. Dies sei hier anzunehmen, da die Klägerin die Herdplatte auf höchste Stufe eingeschaltet habe und für ca. 20 Minuten das Haus verlassen habe, ohne zu prüfen, ob der Herd ausgeschaltet ist.

Subjektiv sei für eine grobe Fahrlässigkeit ein besonders hohes Maß an Vorwerfbarkeit erforderlich, die auch subjektiv eine unentschuldbare Pflichtwidrigkeit darstelle, bei der das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschritten würde (BGH, Urteil vom 10.05.2011 - VI ZR 196/10 -). Das Berufungsgericht ging davon aus, dass auch subjektiv das Anschalten einer Herdplatte auf höchster Stufe und Verlassen des Hauses für ca. 20 Minuten eine erhebliche Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt darstelle. Sie hätte sich keinesfalls auf ihre subjektiv geprägte Annahme verlassen dürfen, den Herd ausgeschaltet zu haben. Offensichtlich habe sie den Drehknopf ohne Sichtkontakt betätigt, da sie ansonsten hätte feststellen müssen, dass sie den falschen Knopf betätigt. Das Berufungsgericht stellte auf die besondere Gefährlichkeit eines in Betrieb befindlichen E-Herdes ab, weshalb der Klägerin die Pflicht oblegen habe, durch Blickkontakt sicherzustellen, dass der Herd tatsächlich - wie beabsichtigt - ausgeschaltet war, zumal sie beabsichtigt habe, kurz darauf das Haus zu verlassen. Diese Vergewisserung sie auch einfach, schnell und unproblematisch möglich (Blick auf Drehknöpfe, bei modernen Geräten auf das Display oder auf den farblichen Zustand der Ceranfelder).

Die Klägerin könne sich auch nicht auf ein Augenblicksversagen berufen. Dieses könne nur vorliegen, wenn der an sich objektiv besonders schwerwiegende Sorgfaltsverstoß auf einer kurzzeitigen bzw. einmaligen und unbewussten Unaufmerksamkeit beruhen und zusätzliche Umstände hinzutreten würden, die das momentane Versagen in einem milderen Licht erscheinen ließen (BGH, Urteil vom 10.05.2011 - VI ZR 196/10 -). Vorliegend habe sich die Klägerin vergriffen, da sie die benutzte Herdplatte habe ausschalten wollen, versehentlich aber statt dessen die dahinter liegende Platte auf die höchste  Stufe einschaltete. Besondere Umstände, die dies in einem milderen Licht erscheinen ließen (wie besondere Eile oder Ablenkung durch eine außergewöhnliche  (Not-) Situation) seien nicht ersichtlich.

Ebenso könne sich die Klägerin nicht auf die Rechtsprechung zur sog. Routinehandlung berufen, bei der die Handlung typischerweise unbewusst ausgeübt würde. Voraussetzung dafür sei, dass der handelnde mit einer bestimmten Tätigkeit, die ständige Konzentration erfordere, dauernd beschäftigt sei, da ein einmaliger Ausrutscher in solchen Fällen jedem und damit auch dem ansonsten sorgfältigen Versicherungsnehmer unterlaufen könne (BGH, Urteil vom 08.07.1992 - IV ZR 223/91 -). Weder handele es sich vorliegend um eine entsprechende routinemäßige Dauertätigkeit, noch sei erkennbar, dass die Klägerin abgelenkt gewesen sei.

Damit sei die von der Beklagten vorgenommene Kürzung um 25% angemessen. (Anm.: Das Berufungsgericht hat damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass in einem solchen Fall nur 25% gekürzt werden könnten, sondern nur bestätigt, dass die konkret vorgenommene Kürzung von 25% - jedenfalls - angemessen ist.)

Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Urteil vom 12.05.2022 - 3 U 37/21 -

Montag, 18. Juli 2022

Gebäudeversicherung: Obliegenheitsklausel „Rückstausicherung“ in der Klauselkontrolle (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB)

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Gebäudeversicherung abgeschlossen und verlangte von dieser aus einem Wasserschaden wegen Rückstaus Entschädigung. In den Versicherungsbedingungen zu den grundsätzlich versicherten Überschwemmungs- und Rückstauschäden wurde dem Kläger auferlegt, Rückstausicherungen anzubringen und funktionsbereit zu halten. Die Beklagte machte grobe Fahrlässigkeit wegen unterlassener „Rückstausicherung“ des Klägers geltend und kürzte den Anspruch um 50%. Die Klage auf Zahlung der weiteren 50% wurde vom Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers wurde das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben.

Das OLG stellte fest, dass im Rahmen der Wohngebäudeversicherung Elementarschäden infolge von Rückstau mitversichert seien und ein solcher Rückstauschaden eingetreten sei. Eine Obliegenheitspflichtverletzung des Klägers als Versicherungsnehmer läge nicht vor, da es an einer wirksamen Vereinbarung zu Wartungsobliegenheiten ermangele.

Soweit der Kläger nach den Versicherungsbedingungen zur Vermeidung von Überschwemmungs- und Rückstauschäden bei rückstaugefährdeten Räumen Rückstausicherungen anzubringen und funktionsbereit zu halten habe, habe er diese jedenfalls angebracht. Streitig zwischen den Parteien sei, ob du wie Wartungen vorgenommen worden seien. Das aber kann nach Auffassung des OLG dahinstehen, da diese Regelung „Funktionsbereit“ wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei.  Wegen der einschneidenden Sanktionen, die an die Obliegenheitsverletzung geknüpft seien, müsse das auferlegte Tun oder Unterlassen ausdrücklich so vereinbart sein, dass klar und deutlich erkennbar sei, was verlangt würde (BGH, Urteil vom 16.09.2009 - IV ZR 246/08 -).

Eine entsprechende klare Handlungsregelung würde fehlen. Für den durchschnittlichen um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer sei lediglich erkennbar, dass er über den Einbau einer Rückstausicherung hinaus verpflichtet sei, deren Funktionsbereitschaft aufrechtzuerhalten. „Funktionsbereit“ könne sowohl als Wartungs- als auch als bloße Reparaturverpflichtung verstanden werden, da das „Vorhalten“ gefordert würde. Allerdings sah sich das OLG vorliegend nicht veranlasst, diese hier zu entscheiden. Die die Unwirksamkeit bedingenden Gründe würden sich hier aus einer Regelung des § 23 VGB 2011 der Beklagten ergeben, demzufolge versicherte Sachen (insbes. wasserführende Anlagen/Einrichtungen) stets in ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und Mängel/Schäden unverzüglich zu beseitigen seien. Dem Versicherungsnehmer würde insoweit eine allgemeine Instandhaltungsverpflichtung auferlegt. Im Vergleich zu § 23 VGB 2011 der Beklagten sei die hier fragliche Klausel völlig konturenlos; weder würden Wartungs- noch Instandhaltungsobliegenheiten benannt. Unklar bliebe, welche Verhaltensweisen insoweit vom Versicherungsnehmer erwartet würden. Bei Wartungen wären auch Wartungsintervalle zu benennen, da sonst offen bleiben würde, an welche Voraussetzungen der Kausalitätsgegenbewies des Versicherungsnehmers zu knüpfen sei.

OLG Frankfurt, Urteil vom 13.05.2022 - 7 U 71/21 -

Freitag, 15. Juli 2022

Des Streithelfers konträrer Vortrag zum Vortrag der Hauptpartei

Der Kläger machte Schadensersatzansprüche wegen einer Bissverletzung durch die Katze der Beklagten geltend. Im Prozess trat der Haftpflichtversicherer der Beklagten dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten bei; nachdem sie zunächst an den Kläger € 1.000,00 gezahlt hatte, stellte sie in der Folge ihre Einstandspflicht in Frage.

Im Verfahren vor dem Landgericht war die Beklagte anwaltlich nicht vertreten; seine Streithelferin trug vor, dass der Kläger Miteigentümer und -halter der Katze sei und zudem der Vortrag des Klägers zum Geschehensablauf unplausibel sei, da die Katze bei einem Zubeißen infolge eines Schrecks nicht in den Handballen sondern in die Rückseite seiner Hand gebissen hätte und zudem Katzen nicht bissig seien und von daher die Katze hätte provoziert worden sein müssen. Das Landgericht hörte die (anwaltlich nicht vertretene) Beklagte an (§ 141 ZPO).

Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, es habe sich nicht von einem, Geschehensablauf, wie vom Kläger zugrunde gelegt, überzeugen können. Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Klägers zurück. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein begehren weiter. Dies führte zur Aufhebung des klageabweisenden Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht.

Nach Auffassung des BGH könnten die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten aus § 833 S. 1 BGB (Tierhalterhaftung) aus den vom OLG benannten Gründen nicht verneint werden. Voraussetzung sei zunächst die Verletzungshandlung, in der sich die typische Tiergefahr widerspiegele. Eine entsprechende adäquate bzw. mitursächliche Handlung der Katze sei gegeben, da das OLG den Vortrag des Klägers, er sei in der Wohnung bei seinem Besuch der Beklagten von deren Katze gebissen worden, als unstreitig angenommen hatte. Auf die Einzelheiten des Schadenshergangs (die vom OLG vermisst wurden) käme es nicht an.

Auch habe das OLG den Hergang des Vorfalls als streitig angesehen. Bestritten wurde dies von der Streithelferin. Das Bestreiten des Streithelfers ist allerdings unbeachtlich, wenn sich damit der Streithelfer mit dem Vortrag der Hauptpartei in Widerspruch setzt, § 67 S. 1 Halbs. 2 ZPO. Hierauf nahm der BGH Bezug. Der Streithelfer (oder auch Nebenintervenient) muss auf einer Seite (Kläger- oder Beklagtenseite) dem Rechtstreit beitreten. Die Seite, der er beitritt, unterstützt er gemeinhin. Allerdings kann der Streithelfer/Nebenintervenient natürlich eigene Interesse mit dem Beitritt verbinden, die nicht mit den Interessen der unterstützten (beigetretenen) Partei entsprechen müssen, dies auch in Ansehung eines möglichen Folgeanspruchs der unterstützten Partei gegen ihn. Damit wird durch § 67 ZPO ausgeschlossen, dass die Rechtslage durch Vortrag des Streithelfers zu Lasten der unterstützten Partei beeinflusst wird; natürliche Folge ist, dass unabhängig von der Rechtswirkung der Tatsachenvortrag der unterstützten Partei dem Vortrag des Streithelfers vorgeht und mithin ein Bestreiten durch den Streithelfe nicht im Widerspruch zum Parteivortrag der unterstützten Partei stehen darf und ebenso umgekehrt, soweit die unterstützte Partei entgegen der Behauptung des Streithelfers bestreitet. Hierauf hinweisend führte der BGH aus, dass es für den Widerspruch der unterstützten Partei gegen einen Sachvortrag des Streithelfers ausreichend sei, dass sich dieser aus dem Gesamtverhalten der unterstützten Partei ergäbe. Für den Widerspruch benötige die unterstützte Partei selbst im Anwaltsprozess keinen Rechtsanwalt, der diesen für sie erkläre; der Widerspruch unterliege nicht dem Anwaltszwang.

Der BGH wies ausdrücklich darauf hin, dass im Falle einer  streitgenössischen Nebenintervention (die hier nicht vorlag) der Vortrag des Nebenintervenienten trotz Widderspruchs der Hauptpartei beachtlich bleibe. Eine streitgenössische Nebenintervention läge vor, wenn nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts und Prozessrechts die Rechtskraft der Entscheidung in dem Hauptprozess (der Prozess, in dem die Nebenintervention erfolgte) auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit sei (§ 69 ZPO). Im Hinblick darauf könne in diesem Fall der Nebenintervenient auch im Widerspruch zu der unterstützten Partei (Hauptpartei) eigene Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen.

Im Haftpflichtversicherungsrecht ist zwischen dem Haftpflicht- und dem Deckungsverhältnis zu unterscheiden. Während über das Deckungsverhältnis nur im Prozess des Haftpflichtversicherers mit dem Versicherungsnehmer entschieden wird (also z.B. ob überhaupt für den Schadensfall als solchen Versicherungsschutz vereinbart wurde, ob Ausschlusstatbestände vorliegen), wird über den Haftpflichtanspruch nur im Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Geschädigten entschieden, weshalb der Haftpflichtversicherer ein eigenes rechtliches Interesse an einer Beteiligung an diesem Rechtsstreit hat, da das Urteil für ihn im Rahmen des Deckungsanspruchs Bindungswirkung hat. Dies wird auch vom BGH zugrunde gelegt, der darauf hinwies, dass vorliegend dem Privathaftpflichtversicherer nicht die Rolle eines Streitgenossen zukäme mit der Folge, dass er von § 67 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO befreit wäre. Auch in Ansehung der Bindungswirkung des rechtskräftigen Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsprozess könne nicht von § 67 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen werden, da die Bindungswirkung nicht mit der in § 69 ZPO vorausgesetzten Rechtwirksamkeit gleichzusetzen sei. Diese folge nicht aus der Rechtskraft des Haftpflichturteils, sondern aus dem Leistungsversprechen, welches der Versicherer dem Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag gegeben habe (BGH, Beschluss vom 18.01.2022 - VI ZB 36/21 -).

Da der Sachvortrag zum Geschehensablauf im Widerspruch zu den Angeben der vom Landgericht angehörten Beklagten stand, war mithin das Bestreiten der Streithelferin des klägerseits  behaupteten Geschehens unbeachtlich.

Anmerkung: Nicht problematisiert hat vorliegend der BGH die Frage, ob das Landgericht die anwaltlich nicht vertretene Beklagte überhaupt hätte anhören dürfen (das Anhörungsrecht der anwaltlich in einem Anwaltsprozess nicht vertretenen Parteien verneinend OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.05.2009 - 19. W 22/09 -, bejahend mit der Begründung, der Vertreter der Nebenintervention sei ihr Anwalt OLG Hamm, Urteil vom 22.11.2019 -  I-9 U 93/19; die Entscheidung des OLG Hamm ist nicht überzeugend, da der Nebenintervenient ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat und haben muss, weshalb deren Rechtsanwalt nicht wie der Rechtsanwalt der Hauptpartei angesehen werden kann, § 66 ZPO). Problematisch ist das Übergehen dieses Umstandes durch den BGH: Erfolgt eine Anhörung, obwohl diese nicht zulässig war, dürfte deren Ergebnis nicht verwertet werden; de Auffassung des BGH, die Erklärung auch einer anwaltlich nicht vertretenen Partei sei als Widerspruch gegen den Angaben des Streithelfers zu werten mit der möglichen Folge der Unbeachtlichkeit der Ausführungen der Streithelferin könnte dazu führen, dass unberechtigt Parteianhörungen nach § 141 ZPO (gerade in Fällen, in denen nur der Nebenintervenient anwaltlich vertreten ist) vermehrt durchgeführt werden und damit die rechtlichen Grundlagen des § 141 ZPO ad absurdum geführt werden.

BGH, Urteil vom 26.04.2022 - VI ZR 1321/20 -

Mittwoch, 13. Juli 2022

Ausbau der Wohnung und Unmöglichkeit der Rückgewähr derselben nach Rücktritt des Verkäufers

Die Kläger verkauften an die Beklagten mir notariellen Kaufvertrag in Verbindung mit einer notariellen Baubeschreibung eine Eigentumswohnung. Nach dem Vertrag und der Baubeschreibung sollten die Beklagten bestimmte Bauleistungen hinsichtlich Herstellung/Sanierung eines als „Rohloft“ bezeichneten Rohbaus einer Eigentumswohnung sowie des Gemeinschaftseigentums erbringen; die Beklagten verpflichteten sich zum Innenausbau einschließlich Kalt- und Warmwasser, Heizung, Abwasser, Strom, Telefon und Breitbandkabelanschluss. Die Decken sollten ohne Brandschutzbeschichtung an die Beklagten übergeben werden (die dies nach dem Vertrag gemäß Baugenehmigung selbst erbringen wollten).

Die Kläger traten von dem Vertrag zurück und machten klageweise die Rückauflassung Zug um Zug gegen Zahlung des von den Beklagten gezahlten Entgelts  geltend.  Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass jedenfalls nach § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine Rückgewähr nicht in Betracht käme, da durch den Ausbau der Wohnung durch die Beklagten in eine bewohnbare Wohnung die Wohnung im Sinne der Norm umgestaltet worden sei; allenfalls könnten die Kläger Wertersatz begehren. Die dagegen von den Klägern eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen.

Ebenso wie das Landgericht ließ das Oberlandesgericht offen, ob den Klägern ein Rücktrittsgrund zustand, der dann einen möglichen Rückauflassungsanspruch begründen könnte. Richtig habe das Landgericht dahingehend erkannt, dass der Rückauflassung § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB entgegen stehen würde.

Grundsätzlich seien die Parteien bei einem wirksamen zur Rückgewähr der gegenseitig empfangenen Leistungen verpflichtet., § 346 Abs. 1 BGB. Dieser Anspruch entfalle, wenn der Rückgewährschuldner nicht in der Lage sei, den empfangenen Gegenstand zurückzugeben oder ihn lediglich in veränderter Form zurückgeben könne , § 346 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 20.02.2008 - VIII ZR 334/06 -). In diesem Fall würde der Rückgewährschuldner dem Gläubiger zum Wertersatz verpflichtet sein (der hier nicht gefordert wurde), nicht jedoch zur Wiederherstellung in Form der Naturalrestitution gem. § 249 BGB (BGH, Urteil vom 10.10.2008 - V ZR 131/09 -).

Der von den Beklagten erhaltene Rohbau sei in der fertiggestellten Eigentumswohnung aufgegangen. Damit läge der Fall des § 346  Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB vor. Der Gesetzgeber habe - anders als noch in § 352 BGB a.F. - den Rücktritt nicht daran scheitern lassen wollen, dass der Rückgewährschuldner den erhaltenen Gegenstand nicht mehr herausgaben kann, weshalb er die Verknüpfung mit dem Wertersatz in § 346 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB vorgenommen habe.

Ob eine Sache anderer Art gegeben sei, , sei nach der zu § 950 BGB ergangenen Rechtsprechung zur Herstellung durch Verarbeitung und Umbildung zu beurteilen. Danach sei eine bewusste menschliche oder menschlich gesteuerte Arbeitsleistung erforderlich, die den ursprünglichen Gegenstand auf eine höhere Wertschöpfungsebene hebe. Die neue Sache müsse eine eigenständige, gegenüber der bearbeiteten Sache weitergehende Funktion erfüllen (BGH, Urteil vom 10.07.2015 - V ZR 206/14 -).  Zudem könne für Grundstücke auf die Rechtsprechung zu § 818 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden. Dort sei anerkannt, dass die Pflicht zum Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB nur dann an die Stelle der primären Herausgabepflicht trete, wenn die Unmöglichkeit der Herausgabe feststehen würde. Die Herausgabe eines Grundstücks sei auch dann unmöglich, wenn es nach der Übereignung bebaut würde (BGH, Urteil vom 10.07.1981 - V ZR 79/80 -; RGZ 117, 112, 113).

Danach hätten die Beklagten den Rohbau nicht nur verändert, sondern auch nach wirtschaftlicher Betrachtung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung, die einen Rohbau und eine Wohnung als Gegenstände mit unterschiedlichen Charakter und Funktion behandele, durch den Innenausbau einen anderen Gegenstand geschaffen. Nicht entscheidend sei, ob die Beklagten ihrer vertraglichen Verpflichtung nachgekommen seien, den Innenausbau unter Begleitung eines Architekten vorzunehmen, da es für die Werthaltigkeit darauf nicht ankäme. Ausgenommen des streitigen Aufbringens einer Brandschutzbeschichtung hätten die Kläger keine konkreten Einwendungen gegen eine fachgerechte Ausführung erhoben.

OLG Brandenburg, Urteil vom 13.04.2022 - 4 U 61/21 -

Samstag, 9. Juli 2022

Ungewissheit der Erbfolge bei Anfechtung der Ausschlagung / Antrag auf Nachlasspflegschaft durch Sozialkasse

Die Beteiligten X und Y sind die einzigen möglichen Erben des Verstorbenen gewesen. Sie haben die Erbschaft zunächst ausgeschlagen. Das Nachlassgericht ordnete zur Sicherung des Nachlasses eine Nachlasspflegschaft an. Dann stellte sich heraus, dass ein die Beerdigungskosten übersteigender Nachlass (Bankguthaben) vorhanden ist, was vom Nachlassgericht X und Y am 10.08.2020 mitgeteilt wurde.  Am 28.09.2929 ging elektronisch über das besondere Anwaltspostfach (beA) über eine von X und Y beauftragte Rechtsanwältin eine notarielle Urkunde ein, mit der X und Y die Erbausschlagung anfechten; das Original der Urkunde ging beim Nachlassgericht am 01.10.2020 ein. Das Nachlassgericht hob die Nachlasspflegschaft auf, was auch den bekannten Nachlassgläubigern, u.a. einer Sozialkasse, mitgeteilt wurde.  Die Sozialkasse beantragte nunmehr eine Nachlasspflegschaft mit der Begründung, sie habe einen ersatzfähigen Sozialhilfeaufwand, der nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGB XII gegen die Erben geltend gemacht werden soll. Das Nachlassgericht wies den Antrag zurück. Dagegen legte die Sozialkasse Beschwerde ein. Nach Nichtabhilfe durch das Nachlassgericht entschied das OLG über diese und gab ihr statt.

Es sei nach § 1961 BGB vom Nachlassgericht in den Fällen des § 1969 Abs. 1 BGB ein Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zur gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richte, von dem Berechtigten beantragt würde.

Voraussetzung sei eine Ungewissheit hinsichtlich des Erben. Nur wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit feststehen würde, wer Erbe ist, käme sie nicht in Betracht. Eine solche Wahrscheinlichkeit, dass X und Y Erben wären, gäbe es allerdings nicht. Das Original der Anfechtung der Erbausschlagung hätte binnen sechs Wochen nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes eingehen müssen (§§ 1954 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 2. Alt., 1955 Abs. 1 2. Alt., 129 Abs. 1 S. 1 BGB) was hier nicht der Fall gewesen sei. Nach Mitteilung von X und Y hätten sie die Mitteilung des Nachlassgerichtes über Guthaben am 18.08.2020 erhalten. Sie seien bei der Ausschlagung davon ausgegangen, der Erblasser verfüge über kein Bankkonto. Die Ausschlagungsfrist begann danach am 19.08.2020 und endete am 29.09.2020. Das Original der Urkunde sei verspätet eingegangen. Die Überlassung über beA sei nicht ausreichend, da das Original der notariellen Urkunde vorzulegen sei. Offen bleiben könne, ob es sich bei dem Irrtum von X und Y um einen Inhaltsirrtum oder um einen unbeachtlichen Motivirrtum handele, der die Anfechtung ausschließen würde.

Auch die weiteren Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlasspflegschaft seien gegeben. Die Sozialkasse sei Gläubigerin, da sie Sozialleistungen erbracht habe und diesbezüglich einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Erben nach § 102 Abs. 1 S. 1 SGB XII habe, bei dem es sich um eine Nachlassverbindlichkeit iSv. §§ 1967 Abs. 2 2. Alt. BGB, 102 Abs. 2 SGB XII handele. Der Antrag auf Anordnung der Nachlasspflegschaft seit zur Geltendmachung des Anspruchs erfolgt. Vor Erlass eines Leistungsbescheides sei aber der Vertreter der unbekannten Erben anzuhören. Damit bestünde ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag, da entgegen dem Wortlaut des § 1961 BGB nicht lediglich die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Nachlass beabsichtigt sein müsse, sondern es auch ausreichend sei, dass der Antragsteller den Anspruch notfalls gerichtlich durchsetzen wolle, falls er nicht außergerichtlich durchzusetzen ist. Dieses Rechtsschutzinteresse trete an die Stelle des Sicherungsbedürfnisses iSv. § 1960 Abs. 1 BGB (so auch OLG München, Beschluss vom 18.12.2013 - 31 Wx 490/13 -).

Da zudem nur dem Gläubiger einer titulierten Forderung das Recht zustünde, einen  Erbschein zu beantragen, könne hier die Sozialkasse auch nicht auf diesen Antrag und damit auf ein erbscheinverfahren verwiesen werden.

OLG Bamberg, Beschluss vom 21.03.2022 - 2 W 35/21 -