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Donnerstag, 21. Juli 2022

Gebäudeversicherung: Der Kochherd und grobe Fahrlässigkeit an der Brandentstehung

Nach einem Brandschaden machte die Klägerin Leistungen aus ihrer Wohngebäudeversicherung geltend. Zu dem Feuer kam es in der Küche, da die Klägerin kurz vor Verlassen des Hauses versehentlich den E-Herd nicht ausschaltete, sondern durch Betätigung des Drehknopfs einer anderen Platte diese auf die höchste Stufe stellte. In den Versicherungsbedingungen (§ 19 Ziffer 1 Abs. 3 VGB 2010) war geregelt, dass bei grob fahrlässigen Herbeiführen des Schadens durch den Versicherungsnehmerin der Versicherer (hier die Beklagte) in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis diesen kürzen könne.

Die Beklagte regulierte mit 75%. Die Klage der Klägerin, die in erster Instanz erfolgreich war, wurde auf die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Das OLG wies darauf hin, dass die Regelung in § 19 Ziffer 1 Abs. 3 VGB 2010 der Norm des § 81 Abs. 2 VVG entspräche, weshalb die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Versicherungsleistung zu kürzen. Grobe Fahrlässigkeit setze einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt müsse in einem ungewöhnlich hohem Maß verletzt worden sein und dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jeden hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 10.05.2011 - VI ZR 196/10 -).

Wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchte, würde die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße verletzen und objektiv grob fahrlässig handeln. Dies sei hier anzunehmen, da die Klägerin die Herdplatte auf höchste Stufe eingeschaltet habe und für ca. 20 Minuten das Haus verlassen habe, ohne zu prüfen, ob der Herd ausgeschaltet ist.

Subjektiv sei für eine grobe Fahrlässigkeit ein besonders hohes Maß an Vorwerfbarkeit erforderlich, die auch subjektiv eine unentschuldbare Pflichtwidrigkeit darstelle, bei der das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschritten würde (BGH, Urteil vom 10.05.2011 - VI ZR 196/10 -). Das Berufungsgericht ging davon aus, dass auch subjektiv das Anschalten einer Herdplatte auf höchster Stufe und Verlassen des Hauses für ca. 20 Minuten eine erhebliche Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt darstelle. Sie hätte sich keinesfalls auf ihre subjektiv geprägte Annahme verlassen dürfen, den Herd ausgeschaltet zu haben. Offensichtlich habe sie den Drehknopf ohne Sichtkontakt betätigt, da sie ansonsten hätte feststellen müssen, dass sie den falschen Knopf betätigt. Das Berufungsgericht stellte auf die besondere Gefährlichkeit eines in Betrieb befindlichen E-Herdes ab, weshalb der Klägerin die Pflicht oblegen habe, durch Blickkontakt sicherzustellen, dass der Herd tatsächlich - wie beabsichtigt - ausgeschaltet war, zumal sie beabsichtigt habe, kurz darauf das Haus zu verlassen. Diese Vergewisserung sie auch einfach, schnell und unproblematisch möglich (Blick auf Drehknöpfe, bei modernen Geräten auf das Display oder auf den farblichen Zustand der Ceranfelder).

Die Klägerin könne sich auch nicht auf ein Augenblicksversagen berufen. Dieses könne nur vorliegen, wenn der an sich objektiv besonders schwerwiegende Sorgfaltsverstoß auf einer kurzzeitigen bzw. einmaligen und unbewussten Unaufmerksamkeit beruhen und zusätzliche Umstände hinzutreten würden, die das momentane Versagen in einem milderen Licht erscheinen ließen (BGH, Urteil vom 10.05.2011 - VI ZR 196/10 -). Vorliegend habe sich die Klägerin vergriffen, da sie die benutzte Herdplatte habe ausschalten wollen, versehentlich aber statt dessen die dahinter liegende Platte auf die höchste  Stufe einschaltete. Besondere Umstände, die dies in einem milderen Licht erscheinen ließen (wie besondere Eile oder Ablenkung durch eine außergewöhnliche  (Not-) Situation) seien nicht ersichtlich.

Ebenso könne sich die Klägerin nicht auf die Rechtsprechung zur sog. Routinehandlung berufen, bei der die Handlung typischerweise unbewusst ausgeübt würde. Voraussetzung dafür sei, dass der handelnde mit einer bestimmten Tätigkeit, die ständige Konzentration erfordere, dauernd beschäftigt sei, da ein einmaliger Ausrutscher in solchen Fällen jedem und damit auch dem ansonsten sorgfältigen Versicherungsnehmer unterlaufen könne (BGH, Urteil vom 08.07.1992 - IV ZR 223/91 -). Weder handele es sich vorliegend um eine entsprechende routinemäßige Dauertätigkeit, noch sei erkennbar, dass die Klägerin abgelenkt gewesen sei.

Damit sei die von der Beklagten vorgenommene Kürzung um 25% angemessen. (Anm.: Das Berufungsgericht hat damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass in einem solchen Fall nur 25% gekürzt werden könnten, sondern nur bestätigt, dass die konkret vorgenommene Kürzung von 25% - jedenfalls - angemessen ist.)

Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Urteil vom 12.05.2022 - 3 U 37/21 -