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Freitag, 29. Juli 2022

Statthafter (rechtlich vorteilhafter) Grundstückserwerb durch Minderjährigen bei Vermietung ?

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, § 705 BGB) war im Grundbuch als Eigentümerin einer bebauten Immobilie eingetragen; es bestand zudem ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten. In einer notariellen Urkunde ließ der Beteiligte zu 2. (einer der Gesellschafter der GbR) 93,8/100 Miteigentumsanteile an dem Grundstück von der GbR auf sich sowie anschließend (mit Vollmacht auch seiner Ehefrau und Mutter der Beteiligten zu 4. und 5.) von sich auf seine minderjährigen Kinder, die Beteiligten zu 4. und 5. schenkweise übertragen. Das Grundbuchamt forderte die Vorlage der Genehmigung der Übertragung auf die minderjährigen Kinder durch einen noch zu bestellenden Ergänzungspfleger. Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde abgewiesen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde vom, BGH zurückgewiesen.

Der BGH wies darauf hin, dass der Vater als auch die Mutter von der Vertretung ihrer minderjährigen Kinder im Rahmen der hier erklärten Auflassung zu deren Gunsten ausgeschlossen waren, §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 iVm 181 BGB.

§ 1629 Abs. 1 S. 1 BGB umfasse die elterliche Sorge die Vertretung des Kindes. Von daher seien sie an sich zur gemeinsamen Vertretung berechtigt. Allerdings würde dies nicht im rahmen der hier zugunsten der Kinder erklärten Auflassung gelten. So sei der beteiligte zu 2. Bereits deshalb von der Vertretung ausgeschlossen, da er die Auflassung zugleich als Veräußerer im eigenen Namen als auch als gesetzlicher Vertreter der Kinder erklärt habe, § 181 BGB; seine Ehefrau war hier nach § 1629 Abs. 2, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, da es um ein Rechtsgeschäft zwischen ihrem Ehegatten und den Kindern ging.

Allerdings greife der Ausschluss von der Vertretung dann nicht, wenn es sich das Rechtsgeschäft für die Kinder lediglich als rechtlich vorteilhaft iSv. § 107 BGB darstelle (BGH, Beschluss vom 30.09.2010 - V ZB 206/10 -). Dies sei dann nicht der Fall, wenn in der Folge der Erwerber mit nicht nur dingliche, sondern auch persönlichen für Verpflichtungen belastet würde. Eine derartige, auch persönliche Verpflichtung sei aber nach §§ 566 Abs. 1, 581 Abs. 2, 593b BGB mit dem Eigentumsübergang durch den Eintritt in die Miet- und Pachtverträge verbunden; den Erwerber könnten Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche und die Pflicht zur Rückgewähr einer von Mieter/Pächter geleisteten Sicherheit. Daran würde sich auch nicht deshalb etwas ändern, da die Kinder als Erwerber lediglich neben den bisherigen Eigentümern in die Verträge auf Vermieterseite eintreten würden, da sich die Mieterrechte sodann auch gegen die Eintretenden richten würden.

Auch das Nießbrauchrecht würde hier die Sicht nicht ändern. Sollte die GbR die Vermietung nach Begründung des Nießbrauchs vorgenommen haben du damit der Nießbraucher nicht in die Mietverhältnisse eingetreten sein (§ 567 BGB), wäre die Situation nicht anders zu bewerten wie in dem Fall, dass kein Nießbrauch bestünde, da die Erwerber nach § 566 BGB unmittelbar in die Mietverträge eintreten würden. Aber auch wenn der Nießbraucher Vermieter ist, würde der Erwerb für die Kinder nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sein. Denn jedenfalls mit Beendigung des Nießbrauchs würden sie Eigentümer entsprechend § 566 Abs. 1 BGB in die Mietverträge eintreten. Lediglich wenn die Übertragung an die Kinder unter Nießbrauchvorbehalt erfolgen würde, läge eine bloß theoretische Möglichkeit für künftige Belastungen vor, die nicht ausreichen würden, einen Rechtsnachteil anzunehmen, da eine Vermietung/Verpachtung durch den Nießbraucher nicht gesichert sei. Bestünde aber der Nießbrauch (wie hier) bereits zum Zeitpunkt der Übertragung des Miteigentums und sei das Grundstück vermietet/verpachtet, bestünde eine hinreichende Gefahr, dass bei Beendigung des Nießbrauchs die Minderjährigen mit Miet-/Pachtverträgen belastet würden.

Da der Beteiligte zu 2. und seine Ehefrau von der Vertretung deren Kinder, den Beteiligten zu 4. und 5. bei der Auflassung ausgeschlossen waren, war die dingliche Einigung nach § 177 BGB schwebend unwirksam. Erst mit Vorlage der Einwilligung des Ergänzungspflegers (§ 1909 BGB) wäre die Auflassung rückwirkend wirksam geworden, § 184 Abs. 1 BGB.

Anmerkung: Das OLG Düsseldorf vertrat zur schenkweisen Überlassung eines verpachteten Grundstücks (bei einer Schenkung durch den Onkel) eine andere Auffassung (Beschluss vom 03.03.2016 - 3 Wx 65/16 -).

BGH, Beschluss vom 28.04.2022 - V ZB 4/21 -

Donnerstag, 13. Juni 2019

Ergänzungspflegschaft bei Abschluss eines Vertrages für minderjährige Kinder ?


Die Beteiligte zu 2. war zusammen mit ihren 2007 und 2011 geborenen Kindern Alleinerbin Ihres ehedem als Landwirt tätigen Ehemannes und wollte ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück langfristig verpachten, wozu sie die Genehmigung des Familiengerichts im Hinblick auf die Beteiligung ihrer Kinder beantragte. Ohne vorherige Anhörung der Beteiligten zu 2. bestellte das Amtsgericht (Familiengericht) für die Vertretung der Kinder bei der Eingehung des Pachtvertrages die Beteiligte zu 1. (eine Rechtsanwältin) als Ergänzungspflegerin. Die dagegen von der Beteiligten zu 1. Eingelegte Beschwerde wurde vom OLG zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wandte sich die Beteiligte mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, die erfolgreich war.

Vorliegend geht es um die Frage, wann eine Ergänzungspflegschaft bei Vornahme von Rechtsgeschäfte (zwingend) anzuordnen ist. Liegt ein solcher Grund nicht vor, darf auch die (mit zusätzlichen Kosten für die Beteiligte zu 1. verbundene) Ergänzungspflegschaft nicht angeordnet werden. Letztlich stellt sich die Bestellung des Ergänzungspflegers als (teilwiese) Entziehung der gesetzlichen Vertretungsmacht gem. § 1793 Abs. 1 S. 1 BGB dar.

Der BGH wies in seinen Beschluss zutreffend darauf hin, dass hier § 41 Abs. 3 FamFG („Ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, ist auch demjenigen, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird, bekannt zu geben.“), den das OLG zur Stützung seiner die Beschwerde zurückweisenden Beschluss benannte, nicht einschlägig sei. Aus § 43 Abs. 3 FamFG folge nicht, dass die Entziehung der Vertretungsmacht gem. § 1793 Abs. 1 S. 1 BGB über die in §§ 1795 und 1796 BGB benannten Fälle hinaus erfolgen könne, da sich § 41 Abs. 3 FamFG nur auf einen am Genehmigungsverfahren nicht Beteiligten, selbst verfahrensfähigen Vertretenen beziehe, nicht aber verlange, dass das nicht verfahrensfähige Kind für eine Bekanntgabe (und auch für die Vertretung im Genehmigungsverfahren) einen Ergänzungspfleger benötige. Es fehle hier an einer gesetzlichen Grundlage für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft, weshalb sich ein über die bestehenden Ermächtigungen hinausgehender Eingriff in das Elternrecht verbiete. Die gesetzliche Vertretung des Kindes in Kindschaftsverfahren durch die Eltern sei als Bestandteil des Elternrechts eine wohlerwogene Entscheidung des Gesetzgebers (BGHZ 191, 48; BGH vom 27.06.2018 - XII ZB 46/18 -).

In Fällen der vorliegenden Art würde der gesetzliche Vertreter bereits durch das Gericht kontrolliert. Ein Bedürfnis, hier eine weitere Kontrolle durch einen anderen Vertreter des Rechtsinhabers zu schaffen, bestehe nicht, soweit kein Interessenswiderstreit bestünde (BGH vom 12.02.2014 - XII ZB 592/12 -). Bei einem Interessenswiderstreit aber greift die Entziehungsmöglichkeit nach § 1796 Abs. 2 BGB; diese Voraussetzungen wurden hier nicht festgestellt. Mutter und Kinder würden sich hier in der gleichen Vertragsstellung (als Verpächter) bei dem Vertrag mit einem Pächter befinden, weshalb eine Interessenskollision ausscheide, da die Interessen gleichgerichtet seien. Ob der Vertragsabschluss dem Kindeswohl entspräche, sei in dem gesonderten Verfahren zu klären (hat also mit einer streitigen Pflegschaftsbestellung nichts zu tun). Auch ein in § 1795 BGB enumerativ aufgeführter Fall des Ausschlusses der Vertretung lag ersichtlich nicht vor.

Die Pflegerbestellung durch das Amtsgericht, gebilligt durch das OLG, sei auch bereits deshalb rechtwidrig, da sie eindeutig über die Bekanntgabe einer Entscheidung nach § 41 Abs. 3 FamFG hinausgehen würde und auch über die Vertretung der Kinder im Genehmigungsverfahren hinausginge, insoweit nach der Anordnung die Ergänzungspflegerin auch bei der Eingehung des Pachtvertrages mitwirken sollte. Die Beschlüsse vom Amtsgericht und OLG ließen nicht erkennen, auf Grund welcher Gründe davon ausgegangen werden könnte, die Mutter könne die Kinder nicht beim Abschluss des Vertrages vertreten.

Der vorliegende Fall zeigt auf, dass das Familiengericht, eventuell zur eigenen (argumentativen) Entscheidungsfindung einen Dritten in Form des Ergänzungspflegers hinzuziehen will. Es sollte schon im Kosteninteresse stets sorgfältig von Betroffenen geprüft werden, ob die Anordnung der Ergänzungspflegschaft rechtlich geboten ist; ermangelt es an einer Rechtsgrundlage, sowohl vom Grundsatz als auch möglicherweise (wie vorliegend hinzu kam) von der Reichweite, sollten die gebotenen Rechtsmittel eingelegt werden.

Allerdings hinterlässt diese Entscheidung gleichwohl einen bitteren Beigeschmack: Der Antrag auf familiengerichtliche Genehmigung wurde wohl Anfang 1917 gestellt, das Amtsgericht entschied im März 2017, das OLG Nürnberg am 19.06.2017. Das gesamte Verfahren hatte mithin zwei Jahre und drei Monate gedauert. Dies können Jahre gewesen sein, in denen es zu keinen Pachteinnahmen kam. Hinzu kommen die Kosten des Verfahrens. Auch wenn Gerichtskosten nicht anfielen, so musste sich die Beteiligte zu 2. (Mutter) jedenfalls vor dem BGH anwaltlich vertreten lassen, wofür Kosten von ihr zu tragen waren, die sie nicht erstattet bekommt (es denn, sie wäre diesbezüglich rechtsschutzversichert und könnte sich dort insoweit „schadlos“ halten). Hier handelt es sich nicht um eine Willkür des BGH, sondern um Umstände, die in den gesetzlichen Regelungen ihren Grund haben. Ist Anwaltszwang vorgesehen, so wäre jedenfalls bei Fehlentscheidungen der Gerichte, soweit nicht ein anderer Kostenschuldner in Betracht kommt, eine Reglung aufzunehmen, wonach die notwendigen außergerichtlichen Kosten vom Staat zu tragen sind. Da allerdings bei Rechtstreitigkeiten der vorliegenden Art idR. der juristische Laie ohnehin überfordert sein dürfte, sollte dies sogar generell gelten.

BGH, Beschluss vom 03.04.2019 - XII ZB 359/17 -