Samstag, 9. Juli 2022

Ungewissheit der Erbfolge bei Anfechtung der Ausschlagung / Antrag auf Nachlasspflegschaft durch Sozialkasse

Die Beteiligten X und Y sind die einzigen möglichen Erben des Verstorbenen gewesen. Sie haben die Erbschaft zunächst ausgeschlagen. Das Nachlassgericht ordnete zur Sicherung des Nachlasses eine Nachlasspflegschaft an. Dann stellte sich heraus, dass ein die Beerdigungskosten übersteigender Nachlass (Bankguthaben) vorhanden ist, was vom Nachlassgericht X und Y am 10.08.2020 mitgeteilt wurde.  Am 28.09.2929 ging elektronisch über das besondere Anwaltspostfach (beA) über eine von X und Y beauftragte Rechtsanwältin eine notarielle Urkunde ein, mit der X und Y die Erbausschlagung anfechten; das Original der Urkunde ging beim Nachlassgericht am 01.10.2020 ein. Das Nachlassgericht hob die Nachlasspflegschaft auf, was auch den bekannten Nachlassgläubigern, u.a. einer Sozialkasse, mitgeteilt wurde.  Die Sozialkasse beantragte nunmehr eine Nachlasspflegschaft mit der Begründung, sie habe einen ersatzfähigen Sozialhilfeaufwand, der nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGB XII gegen die Erben geltend gemacht werden soll. Das Nachlassgericht wies den Antrag zurück. Dagegen legte die Sozialkasse Beschwerde ein. Nach Nichtabhilfe durch das Nachlassgericht entschied das OLG über diese und gab ihr statt.

Es sei nach § 1961 BGB vom Nachlassgericht in den Fällen des § 1969 Abs. 1 BGB ein Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zur gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richte, von dem Berechtigten beantragt würde.

Voraussetzung sei eine Ungewissheit hinsichtlich des Erben. Nur wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit feststehen würde, wer Erbe ist, käme sie nicht in Betracht. Eine solche Wahrscheinlichkeit, dass X und Y Erben wären, gäbe es allerdings nicht. Das Original der Anfechtung der Erbausschlagung hätte binnen sechs Wochen nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes eingehen müssen (§§ 1954 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 2. Alt., 1955 Abs. 1 2. Alt., 129 Abs. 1 S. 1 BGB) was hier nicht der Fall gewesen sei. Nach Mitteilung von X und Y hätten sie die Mitteilung des Nachlassgerichtes über Guthaben am 18.08.2020 erhalten. Sie seien bei der Ausschlagung davon ausgegangen, der Erblasser verfüge über kein Bankkonto. Die Ausschlagungsfrist begann danach am 19.08.2020 und endete am 29.09.2020. Das Original der Urkunde sei verspätet eingegangen. Die Überlassung über beA sei nicht ausreichend, da das Original der notariellen Urkunde vorzulegen sei. Offen bleiben könne, ob es sich bei dem Irrtum von X und Y um einen Inhaltsirrtum oder um einen unbeachtlichen Motivirrtum handele, der die Anfechtung ausschließen würde.

Auch die weiteren Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlasspflegschaft seien gegeben. Die Sozialkasse sei Gläubigerin, da sie Sozialleistungen erbracht habe und diesbezüglich einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Erben nach § 102 Abs. 1 S. 1 SGB XII habe, bei dem es sich um eine Nachlassverbindlichkeit iSv. §§ 1967 Abs. 2 2. Alt. BGB, 102 Abs. 2 SGB XII handele. Der Antrag auf Anordnung der Nachlasspflegschaft seit zur Geltendmachung des Anspruchs erfolgt. Vor Erlass eines Leistungsbescheides sei aber der Vertreter der unbekannten Erben anzuhören. Damit bestünde ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag, da entgegen dem Wortlaut des § 1961 BGB nicht lediglich die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Nachlass beabsichtigt sein müsse, sondern es auch ausreichend sei, dass der Antragsteller den Anspruch notfalls gerichtlich durchsetzen wolle, falls er nicht außergerichtlich durchzusetzen ist. Dieses Rechtsschutzinteresse trete an die Stelle des Sicherungsbedürfnisses iSv. § 1960 Abs. 1 BGB (so auch OLG München, Beschluss vom 18.12.2013 - 31 Wx 490/13 -).

Da zudem nur dem Gläubiger einer titulierten Forderung das Recht zustünde, einen  Erbschein zu beantragen, könne hier die Sozialkasse auch nicht auf diesen Antrag und damit auf ein erbscheinverfahren verwiesen werden.

OLG Bamberg, Beschluss vom 21.03.2022 - 2 W 35/21 -


Aus den Gründen:

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Bezirks ... wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - ... vom 09.12.2021, Az. VI 2008/19, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Zur Vertretung der unbekannten Erben nach A, geb. am ..., verstorben am ...2019, zuletzt wohnhaft ..., gegenüber Ansprüchen des Bezirks ... gegen den Nachlass wird Nachlasspflegschaft angeordnet.

Als Nachlasspfleger für den vorgenannten Wirkungskreis wird ausgewählt:

...

Der Nachlasspfleger führt die Pflegschaft berufsmäßig aus.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.806,61 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Antrag eines Gläubigers auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft, welcher vom Nachlassgericht zurückgewiesen worden ist.

Am ...2019 ist der Erblasser A ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstorben. Seine Eltern waren bereits vorverstorben. Die Beteiligten X und Y sind seine Geschwister. Diese hatten die Erbschaft mit Erklärungen vom 30.09.2019 und 01.10.2019 zunächst ausgeschlagen. Ebenso haben die Töchter der X die Erbschaft ausgeschlagen sowie die Abkömmlinge eines weiteren, vorverstorbenen Bruders des Erblassers.

Mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 25.10.2019 wurde für die unbekannten Erben Nachlasspflegschaft zur Abwicklung des Mietverhältnisses des Erblassers und zur eventuellen Sicherung des Nachlasses angeordnet. Zum Nachlasspfleger war ... bestellt worden.

Mit Verfügung vom 10.08.2020 wurde den Beteiligten X und Y unter Übersendung einer Kopie des Nachlassverzeichnisses mitgeteilt, dass ein die Beerdigungskosten übersteigender Nachlass vorhanden sein dürfte, die Erben daher von Amts wegen zu ermitteln seien und die Beteiligten um Mithilfe bei deren Ermittlung gebeten werden. Das Nachlassverzeichnis enthielt die Eintragung, dass der Erblasser am Todestag über Bankguthaben in Höhe von 17.982,00 € verfügt habe.

Daraufhin ging am 29.09.2020 beim Amtsgericht über das besondere elektronische Anwaltspostfach die Vertretungsanzeige von Rechtsanwältin ... für die Beteiligten X und Y ein mit der Mitteilung, die Beteiligten hätten am heutigen Tage ihre Erbausschlagungserklärungen angefochten, ihre notariell beglaubigte Anfechtungserklärung würde anliegend übermittelt und im Original auf dem Postweg nachgereicht. Der Eingang des Originals der Erklärung erfolgte am 01.10.2020. Auf den Inhalt der notariell beglaubigten Anfechtungserklärung der beiden Beteiligten wird Bezug genommen (Bl. 74 ff / 78 ff d. A.).

Am 24.03.2021 hob das Nachlassgericht die mit Beschluss vom 25.10.2019 angeordnete Nachlasspflegschaft auf, da der Wirkungskreis erledigt und die Erben ermittelt seien. Mit Verfügung vom gleichen Tag stellte es fest, dass X und Y als Miterben zu je 1/2 in Betracht kämen. Die Verfügung wurde u. a. der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten und den bekannten Nachlassgläubigern, insbesondere dem Bezirk ..., mitgeteilt.

Mit Schreiben vom 03.09.2021 und 06.09.2021 beantragte der Bezirk ... die Bestellung eines Nachlasspflegers. Der Bezirk habe dem Erblasser bis zum 30.06.2018 Blindenhilfe gewährt. Es errechne sich ein ersatzfähiger Sozialhilfeaufwand in Höhe von 6.806,61 €, welcher nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGB XII gegen die Erben geltend zu machen sei. Die ermittelten Erben X

und Y verfolgten die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung offenbar nicht mehr weiter. Die Verfahrensbevollmächtigte von X und Y habe dem Bezirk mit Schreiben vom 23.04.2021 erklärt, dass deren Erbenstellung nicht gesichert sei. Ob die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung überhaupt wirksam sei, sei nur in einem aufwändigen Erbscheinsverfahren zu klären. Mit Schreiben vom 30.11.2021 und 01.12.2021 führte der Bezirk seinen Antrag weiter aus und erklärte insbesondere, dass der Kostenersatzanspruch drei Jahre nach dem Tod des Erblassers erlösche, mithin Ende August 2022.

Mit Beschluss vom 09.12.2021 wies die Rechtspflegerin den Antrag auf Bestellung eines Nachlasspflegers zurück. Neben dem Antrag eines Nachlassgläubigers erfordere eine Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB eine unsichere Erbrechtslage, die vorliegend nicht gegeben sei. Unbekannt seien die Erben, wenn nicht mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit feststehe, wer Erbe geworden sei. Hinsichtlich der Beteiligten X und Y lägen Ausschlagungserklärungen und die Anfechtung der Ausschlagungserklärungen vor. Die notariell beglaubigte Anfechtungserklärung vom 29.09.2020 sei im Original zwar erst am 01.10.2020 bei Gericht eingegangen. Die Einreichung über das besondere elektronische Anwaltspostfach am 29.09.2020 reiche nicht aus. Ausgehend vom 18.08.2020 als Zeitpunkt der Kenntniserlangung über den geltend gemachten Irrtum sei die sechswöchige Anfechtungsfrist am 30.09.2020 abgelaufen. Der Eingang der Originalerklärung am 01.10.2020 sei daher nach Aktenlage verfristet. Eine abschließende Prüfung hinsichtlich der Wirksamkeit der Anfechtungserklärungen erfolge jedoch nur im Erbscheinsverfahren. Einen Erbscheinsantrag könne auch ein Gläubiger stellen.

Gegen den ihm am 15.12.2021 zugestellten Beschluss legte der Bezirk ... mit Schreiben vom 20.12.2021, beim Amtsgericht ... eingegangen am selben Tag, Beschwerde ein mit den Anträgen, dass der Beschluss des Amtsgerichts ... vom 09.12.2021, Az.: VI 2008/19 aufgehoben und das Nachlassgericht angewiesen werde, einen Nachlasspfleger zu bestellen. Zur Begründung verweist der Bezirk ... auf seinen bereits erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch gegen den Nachlass und leitet daraus ein Rechtsschutzbedürfnis zur Beantragung einer Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB ab. Weiter bestehe Ungewissheit, ob die in Betracht kommenden Erben die Erbschaft angenommen hätte, da sie diese zunächst ausgeschlagen und sodann die Ausschlagung angefochten hätten. Der Bezirk gehe davon aus, dass die Anfechtungserklärung verfristet beim Nachlassgericht eingegangen sei, so dass die Erben weiterhin unbekannt seien.

Mit Beschluss vom 23.12.2021 half das Nachlassgericht der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung vor.

II.

1. Die nach §§ 11 Abs. 1 RpflG, 58 Abs. 1 ff FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere innerhalb der Monatsfrist nach Zustellung des Beschlusses beim Amtsgericht eingelegt worden, § 63 Abs. 1 und 3 FamFG. Da es sich bei dem zugrunde liegenden Verfahrensgegenstand des Antrags eines Nachlassgläubigers auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt, muss der Wert des Beschwerdegegenstandes einen Betrag von 600 € übersteigen (vgl. Feskorn in Zöller, a. a. O., § 61 FamFG Rn 6 unter Hinweis auf BGH, 25.09.2013, XII ZB 464/12, NJW 2013, 3523). Dies ist in Anbetracht der vom Beschwerdeführer verfolgten Forderung der Fall.

2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses und Anordnung der beantragten Nachlasspflegschaft, da die Voraussetzungen nach §§ 1961, 1960 Abs. 1 BGB vorliegen und der Beschwerdeführer, der nicht über einen titulierten Anspruch verfügt, keinen Erbscheinsantrag stellen kann.

Nach § 1961 BGB hat das Nachlassgericht in den Fällen des § 1960 Abs. 1 BGB einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zur gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, von dem Berechtigten beantragt wird.

a) Grundvoraussetzung für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft auch auf Antrag eines Nachlassgläubigers ist aufgrund der Verweisung von § 1961 BGB auf § 1960 Abs. 1 BGB eine Ungewissheit hinsichtlich des Erben, sei es vor Annahme der Erbschaft (§ 1960 Abs. 1 S. 1 BGB) oder sei es, dass der Erbe gänzlich unbekannt ist oder Ungewissheit über die Annahme der Erbschaft durch den Erben besteht (§ 1960 Abs. 1 S. 2 BGB).

Steht mit hoher Wahrscheinlichkeit fest, wer Erbe geworden ist, kommt die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nicht in Betracht (vgl. Siegmann/Höger in BeckOK BGB, 61. Ed. 01.02.2022, § 1960 BGB Rn 4; OLG Frankfurt am Main, 26.09.2019, 21 W 65/19,

ZEV 2020, 95, Rn 14).

Eine solche hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Beteiligten X und Y Erben geworden sind, besteht jedoch bereits nach den Ausführungen des Nachlassgerichts im angegriffenen Beschluss vom 09.12.2021 nicht. Denn das Nachlassgericht geht zutreffend davon aus, dass die notariell beglaubigte Anfechtungserklärung der Beteiligten X und Y hinsichtlich ihrer zuvor erfolgten Ausschlagung der Erbschaft im Original beim zuständigen Nachlassgericht eingehen muss und zwar innerhalb der sechswöchigen Anfechtungsfrist ab Kenntnis vom Anfechtungsgrund, welche vorliegend mit dem Eingang der Originalerklärung am 01.10.2020 nicht gewahrt worden ist, §§ 1954 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 2. Alt, S. 2, 1955, 1945 Abs. 1 2. Alt., 129 Abs. 1 S. 1 BGB.

Ausgehend von der Mitteilung der Beteiligten X und Y in ihrer Anfechtungserklärung vom 29.09.2020 haben diese die formlos übersandte Verfügung des Nachlassgerichts vom 10.08.2020, mit welcher ihnen u. a. die Existenz eines Bankguthabens des Erblassers in Höhe von über 17.000,00 € im Zeitpunkt seines Todes mitgeteilt worden ist, am 18.08.2020 erhalten. Die Beteiligten machen in ihrer Anfechtungserklärung im Wesentlichen geltend, sie seien davon ausgegangen, dass der Erblasser nicht über ein Bankkonto verfügt hätte, weshalb sie die Erbausschlagung nunmehr anfechten. Die Anfechtungsfrist von sechs Wochen beginnt mit Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund, § 1954 Abs. 1, Abs. 2 2. Alt. BGB, mithin vorliegend am 19.08.2020, 0 Uhr (§ 187 Abs. 1 BGB) und endete am Dienstag, den 29.09.2020, 24 Uhr (§ 188 Abs. 2 1. Alt. BGB), da dieser Tag seiner Bezeichnung nach dem Wochentag entspricht, in welchen die Kenntniserlangung als maßgebliches Ereignis nach § 187 Abs. 1 BGB gefallen ist. Die Kenntniserlangung ist laut Mitteilung der Beteiligten X und Y am Dienstag, den 18.08.2020, erfolgt.

Folglich hätte die notariell beglaubigte Anfechtungserklärung als amtsempfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. J. Schmidt in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1945 Rn 1) im Original am 29.09.2020 beim Amtsgericht ... als zuständigem Nachlassgericht (§ 343 Abs. 1 FamFG) eingehen müssen. Dies ist jedoch erst am 01.10.2020 erfolgt. Die Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach als Datei am 29.09.2020 reichte nicht aus (vgl. Weidlich in Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1945 BGB Rn 3), wovon auch das Nachlassgericht zutreffend ausgegangen ist.

Zwar wird erst im Erbscheinsverfahren die Wirksamkeit der Erklärung geprüft (vgl. Weidlich a. a. O., § 1945 BGB Rn 7). Jedoch ergibt sich der verspätete Eingang der Anfechtungserklärung bereits nach Aktenlage ohne aufwändige Ermittlungen, so dass gerade nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Beteiligten X und Y mit hoher Wahrscheinlichkeit als Erben feststehen.

Damit kann dahinstehen, ob der von den Beteiligten X und Y mit ihrer einheitlich gefertigten und unterschriebenen Erklärung geltend gemachte Irrtum über die Existenz eines Bankkontos des Erblassers überhaupt einen zur Anfechtung berechtigenden Inhaltsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 1. Alt, Abs. 2 BGB darstellt, oder ob es sich nicht vielmehr um einen unbeachtlichen Motivirrtum über die Werthaltigkeit des Nachlasses handelt (vgl. Weidlich a. a. O., § 1954 BGB Rn 6 a. E.).

Damit besteht weiterhin Ungewissheit über die Erbfolge im Sinne der §§ 1961, 1960 Abs. 1 BGB.

b) Auch die weiteren Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft auf Antrag eines Gläubigers liegen vor:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen Nachlassgläubiger, da er dem Erblasser Sozialleistungen gewährt hatte und nunmehr einen sozialrechtlichen Kostenersatzanspruch nach § 102 Abs. 1 S. 1 SGB XII gegen die Erben geltend machen will. Es handelt sich dabei um eine Nachlassverbindlichkeit nach §§ 1967 Abs. 2 2. Alt. BGB, 102 Abs. 2 SGB XII.

Der Beschwerdeführer hat die Anordnung einer Nachlasspflegschaft zur Geltendmachung seines Ersatzanspruchs gegen die Erben mit Schreiben vom 06.09.2021 beantragt. Im Schreiben vom 03.09.2021 wurde dargelegt, dass vor Erlass eines Leistungsbescheides der Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten Erben anzuhören sei.

Damit besteht ein Rechtsschutzbedürfnis zur Beantragung einer Nachlasspflegschaft, da entgegen dem Wortlaut des § 1961 BGB nicht ausschließlich eine gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Nachlass beabsichtigt sein muss, sondern ausreichend ist, dass der Antragsteller seine Forderung gegen den Nachlass notfalls gerichtlich durchsetzen will, falls der Anspruch nicht außergerichtlich durchzusetzen ist. Ein solches Rechtsschutzbedürfnis nach § 1961 BGB tritt an Stelle des Sicherungsbedürfnisses im Sinne des § 1960 Abs. 1 BGB (vgl. OLG München, 18.12.2013, 31 Wx 490/13, Juris Rn 5).

c) Der Beschwerdeführer kann auch nicht auf die Stellung eines Erbscheinsantrags und damit auf die Klärung der Erbfolge im Rahmen des Erbscheinsverfahrens verwiesen werden. Denn nach § 792 ZPO steht das Recht, einen Erbschein zu beantragen, nur dem Gläubiger einer titulierten Nachlassverbindlichkeit zu, wie sich aus der systematischen Stellung der Norm im Rahmen der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung ergibt (vgl. auch Geimer in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 792 Rn 1).

Somit ist der angefochtene Beschluss auf die Beschwerde des Bezirks ... wie aus der Beschlussformel ersichtlich abzuändern. Da im vorliegenden Verfahren bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Nachlasspflegschaft zur Sicherung des Nachlasses angeordnet war, kann der damals ausgewählte Nachlasspfleger, ..., erneut herangezogen werden, zumal er mit der Sache bereits vertraut ist.

III.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Da die Beschwerde erfolgreich ist, ist es angemessen, von der Kostenerhebung in der Beschwerdeinstanz abzusehen und keine Kostenerstattung hinsichtlich der außergerichtlichen Auslagen anzuordnen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 61 Abs. 1 Satz 1 GNotKG entsprechend dem im Beschwerdeverfahren verfolgten Interesse des Nachlassgläubigers, seinen Erstattungsanspruch in Höhe von 6.806,81 € gegen den Nachlass mittels der Nachlasspflegschaft durchzusetzen. Maßgeblich ist daher der Wert des geltend gemachten Anspruchs.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.


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