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Sonntag, 6. Oktober 2024

Anfechtung der eigenen Erbausschlagung

Die Antragstellerin (AS) hatte das ihr zustehende Erbe zunächst ausgeschlagen, diese Ausschlagung allerdings innerhalb der Monatsfrist des § 63 FamFG angefochten. Ihr gestellter Alleinerbschein zu ihren Gunsten beantragt, da sie als Erbin erster Ordnung gem. § 1924, 1930 einen Alleinerbschein beantragt. Allerdings gab das Nachlassgericht dem Antrag des Großneffen der Erblasserin auf Erteilung eines Erbscheins statt. Die dagegen von der AS eingelegte Beschwerde war erfolgreich.

Zwar habe die AS zunächst wirksam nach §§ 1942 ff BGB die Erbschaft ausgeschlagen, weshalb der Anfall der Erbschaft gem. § 1953 Abs. 1 BGB nicht als erfolgt gelte. Diese Ausschlagung sei allerdings fristgerecht von ihr angefochten worden, weshalb hier eine Ausnahme nach § 1957 Abs. 1 BGB eingreife. Erforderlich für die wirksame Ausschlagung könne ein kausaler Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses sein, §§ 1954, 119 Abs. 2 BGB. Ein solcher Irrtum könne angenommen werden bei falscher Vorstellung hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, des Bestandes an Aktiva und Passiva. Das OLG lehnte allerdings entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht ab (so z.B. BGH, Urteil vom 21.02.2052 - IV ZR 103/51 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.09.2008 - 3 Wx 123/08 -) die Überschuldung des Nachlasses als verkehrswesentliche Eigenschaft anzusehen, da der Wert anders als die wertbildenden Faktoren keine Eigenschaft einer Sache iSv. § 119 Abs. 2 BGB sei (BGH, Urteil vom 18.12.1954 - II ZR 296/53 -), sondern selbst Ergebnis der Bewertung der einzelnen Aktiv- und Passivposten des Nachlasses. Allerdings se die irrtümliche Vorstellung über eine Überschuldung im Rahmen der Kausalitätsprüfung zu berücksichtigen.

Bei dem Irrtum handele es sich um eine Abweichung der Vorstellung des Erklärenden über eine verkehrswesentliche Eigenschaft von den tatsächlichen Gegebenheiten. Es handele sich um eine innere Tatsache. Ein entsprechender Irrtum iSv. § 119 Abs. 2 BGB läge nicht vor, wenn die Ausschlagung unabhängig von Grund und Höhe der Erbschaft bewusst auf der Grundlage ungenauer zeitferner Informationen erfolge (KG, Beschluss vom 19.10.2023 – 6 W 31/23 -); in diesem Fall würde die Vorstellung nicht von den tatsächliche Umständen abweichen, vielmehr halte der Erklärende die Grundlagen der ihm vorliegenden Informationen das Vorliegen einer bestimmten verkehrswesentlichen Eigenschaft als wahrscheinlicher als deren Nichtvorliegen. Damit läge eine Vermutung vor, da die Vorstellung nicht aufgrund einer Bewertung bekannter Fakten vor, die zur Ausschlagung oder Annahme der Erbschaft führe. Spekulativ sei in diesem Fall die Entscheidung auf ungesicherter Basis erfolgt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.12.2018 - I-3 Wx 140/19 -).

Dem stellte das OLG den Fall gegenüber, dass der Erklärende hinreichende Anstrengungen unternommen habe, um Erkenntnisse über Fakten zu erlangen, die ihm als gesicherte Entscheidungsgrundlage dienen könnten. Im Rahmen der Irrtumsfeststellung ginge es auch nicht um ein Vershulden des Erklärenden, da (vgl. § 122 Abs. 2 BGB) selbst grob fahrlässiges Verschulden eine Irrtumsanfechtung nicht ausschließen würde (so bereits RGZ 62, 205 und RGZ 88, 411). Zu prüfen sei bei der Frage, ob der Anfechtende naheliegende Erkenntnismöglichkeiten genutzt habe, alleine die Plausibilität des behaupteten Irrtums, da es sich bei der von der Realität abweichenden Fehlvorstellung um eine innere und damit nur anhand von Indizien aufklärbare Tatsache handele. Derjenige, der keine Anstrengungen unternehme, um sich zu informieren, der sich nicht für die Tatsachen interessiere, nähme häufig eine unsichere Grundlage für seine Entscheidung in Kauf und stütze diese damit bewusst auf ein Wahrscheinlichkeitsurteil. Damit sein eine zur Anfechtung berechtigende Fehlvorstellung über Zusammensetzung und Bestand des Nachlasses unwahrscheinlich und unplausibel. Demgegenüber könnten vom Erklärenden unternommene Erkundigungen zum Nachlass, die der Erklärende im Zeitpunkt der Erklärung gemacht habe, als Anzeichen für einen Irrtum dienen (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 29.01.2009 - I-15 Wx 213/08 - zur Annahme einer Erbschaft).

Weiterhin müsse der Irrtum über die verkehrswesentliche Eigenschaft kausal für die Erklärung gewesen sein. Grundsätzlich könne dies angenommen werden, wenn die Ausschlagung in der Annahme der Überschuldung des Nachlasses erfolge. Das sei aber nicht zwingend, da auch ein Irrtum, der bei vorgestellter maginaler Solvenz eine tatsächlich vorhandene geringfügige Überschuldung zur Folge habe, nicht kausal sein, , wie auch der Irrtum über das Vorhandensein eines bedeutenden Nachlassgegenstandes bei unabhängig davon bestehender Solvenz des Nachlasses seinerseits kausal für die Erklärung sein könne. Es käme im Einzelfall auf die Beweggründe des Erklärenden an, weshalb auch insoweit in Zweifelsfällen eine Anhörung desselben unerlässlich sei. Genügend sei eine Mitursächlichkeit des Irrtums.

Dies zugrundeliegend ging das OLG davon aus, dass die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Ausschlagung der Erbschaft irrtümlich falsche Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses hatte. Dabei hebe sie hier insbesondere über das Vorhandensein der Guthaben auf Spar- und Girokonto geirrt, was jedenfalls mitursächlich für die Ausschlagung gewesen sei. Das OLG führte sodann im Einzelnen aus, weshalb die AAS ihrer Erkundigungspflicht nachgekommen sei und daher von einem Irrtum im vorgenannten Sinne ausgegangen werden könne. Es wies auch darauf hin, dass sie erst nach der Ausschlagung vom Nachlasspfleger von den Kontenguthaben erfuhr und dass ihr nicht angelastet werden könne, dass sie nicht selbst in der Wohnung der Erblasserin nach Finanzunterlagen gesucht habe, da es auf ein Verschulden nicht ankäme und vorliegend die zuständige Kriminalbeamtin ihr den Zustand der Wohnung geschildert und ihr im Hinblick darauf abgeraten habe, die Wohnung zu betreten.

Damit stellte das OLG fest, das nach den Gesamtumständen die AS bei Abgabe der Ausschlagungserklärung sich über die Zusammensetzung und damit eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses geirrt habe und nicht lediglich das Fehlen von Vermögenswerten als wahrscheinlich ansah.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.07.2024 - 21 W 146/23 -

Sonntag, 28. Juli 2024

Ergänzungspflegschaft für Minderjährigen zur bei Pflichtteilsanspruch ?

Nach dem Tod des Vaters war gemäß Testament die Kindesmutter alleinige Erbin. Das Familiengericht ordnete eine Ergänzungspflegschaft für die Kinder hinsichtlich deren Vertretung für eine eventuelle Geltendmachung des Pflichtteils an. Hiereggen richtete sich die sofortige Beschwerde der Kindesmutter, der vom Beschwerdegericht stattgegeben wurde.

Da die Entscheidung, ob ein Pflichtteil geltend gemacht werden soll, nicht Teil eines Rechtsgeschäfts sei, sei der alleine als Erbe eingesetzte Ehegatte nicht gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB von der gesetzlichen Vertretung der Kinder ausgeschlossen.

Allerdings könne das Familiengericht dem Elternteil in dieser Angelegenheit die Vertretungsmacht entziehen, und zwar im Hinblick auf möglicherwies gegenläufige Interessen von Erben und Pflichtteilsberechtigten. Erforderlich seien Anhaltspunkte für einen konkreten, erheblichen Interessensgegensatz, was nicht schon darin zum Ausdruck käme, dass der überlebende Ehegatte weder Pflichtteilsansprüche erfüllt noch sicherstellt.  Bei der Prüfung sei eine Gefährdung des Pflichtteils insbesondere gegen die Wahrung des Familienfriedens abzuwägen. Weder für die Anspruchsberechnung (dazu § 1640 BGB) noch für die Entscheidung zur Geltendmachung des Anspruchs bedürfe es eines Pflegers, es sei denn, der erbende Elternteil gefährde des Pflichtteilsanspruch.

Für eine solche Gefährdung würde sich hier nichts ergeben. Die Beschwerdeführerin habe mit dem Nachlassgericht kooperiert und den Nachlass überschlägig mitgeteilt; es sei weder ersichtlich, dass sie mit der Nachlassverwaltung überfordert wäre, noch dass sie bestrebt sei, ihre Kinder zu benachteiligen. Da zudem die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gehemmt sei (§ 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a BGB), könne die Ergänzungspflegschaft ohnehin nur Sicherungsaufgaben haben, da die mögliche Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs dem Kind nach Erreichen der Volljährigkeit vorbehalten bleibe.

Sicherungsaufgaben seien hier auch nicht geboten. Dabei käme es nicht darauf an (worauf das Familiengericht abgestellt habe) ob die Kinder (wie beim Berliner Testament) die Stellung von Schlusserben hätten. Auch der Schlusserbe sei nicht vor benachteiligenden Zwischenverfügungen des Erben geschützt; die Bindungswirkung sei des Berliner Testaments rein erbrechtlicher Natur (§ 2270 Abs. 1, 2 BGB) und schließe Verfügungen unter Lebenden nicht aus. In beiden Fällen wären die Kinder mithin auf Ersatzansprüche (§§ 2287, 2288 BGB) angewiesen.

OLG Köln, Beschluss vom 17.04.2024 - 10 WF 16/24 -

Mittwoch, 2. August 2023

Beschränkte Erbschaftsannahme auf die Nacherbschaft, Erbfallkostenpauschale und deren Nachweis

Testamentarischer Vorerbe der verstorbenen Tante der Klägerin war deren Ehemann, als Nacherbe war die Klägerin berufen, die auch als Erbin des Ehemanns berufen war. Nach dem Ableben des Ehemanns schlug die Klägerin dessen Erbe aus. Der Klägerin waren aufgrund der Nacherbschaft Kosten von € 40,00 beim Nachlassgericht entstanden. Der Vorerbe hatte keine Kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG (Nachlassverbindlichkeiten) geltend gemacht, wobei bei ihm infolge des Freibetrages für Ehegatten keine Erbschaftssteuer festgesetzt wurde. Für die Klägerin wurde die Erbschaftsteuer in Bezug auf die Nacherbschaft auf € 3.960,00 festgesetzt; Nachlassverbindlichkeiten wurden nicht berücksichtigt. Der Einspruch der Klägerin gegen den Erbschaftsteuerbescheid wurde zurückgewiesen. Im Rahmen der Klage machte die Klägerin nunmehr für Nachlassverbindlichkeiten die Pauschale von € 10.300,00 gem. § 10 Abs. 4 Nr. 3 S. 2 ErbStG geltend. Der Klage gab das Finanzgericht statt. Die dagegen vom Finanzamt eingelegte Revision wurde vom BFH zurückgewiesen.

1. Der Anfall der Nacherbschaft gelte grundsätzlich als Erwerb vom Vorerben. Anders als nach §§ 2100, 2139 BGB würden Vorerbe und Nacherbe nicht vom ursprünglichen Erblasser erben, sondern nach § 6 ErbStG erbe der Nacherbe (fiktiv) vom Vorerben. [Die Ausschlagung der Erbschaft nach dem Ehemann der Tante hindert damit zivilrechtlich nicht die Annahme der Nacherbschaft, was auch im Erbschaftsteuerrecht gelte, aber hinsichtlich der steuerlichen Auswirkungen (so evtl. Steuerklasse) zu einem anderen Ergebnis führt. Dies sollte bei einer entsprechenden Regelung berücksichtigt werden.]. Würde der Nacherbe zugleich Erbe des Vorerben, lägen zwar zivilrechtlich zwei Erbfälle vor, steuerrechtlich aber nur ein einheitlicher Erwerb vom Vorerben (BFH Urteil vom 31.08.2021 - II R 2/20 -). Als erbschaftsbedingte Bereicherung für jeden Erwerb gelte der betrag, der sich aus dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegenden Vermögensanfalls, von dem die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen würden, § 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG.

Damit stellet der BFH fest, dass sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe den Besteuerungstatbestand gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG für einen Erwerb von Todes wegen verwirklichen würden.

2. Ohne Erforderlichkeit des Nachweises von Nachlassverbindlichkeiten würde nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 ErbStG für die in § 10 Abs. 5 S. 1 ErbStG genannten Kosten ein Betrag von € 10.300,00 abgezogen. Dieser betrag würde für jede Erbschaft nur einmal gewährt (auch bei mehreren Miterbe, BFH Beschluss vom 24.02.2010 - II R 31/08 -). Vor- und Nacherbfolge würden nur einen Erbfall darstellen und auch keinen Erbfalls mit mehreren Erben. Beide Vorgänge seien jeweils einen gesonderten Erbfall darstellen. Dieser Systematik würde es entsprechen, zweimal (also im Vor- als auch Nacherbgang) die Pauschale zu berücksichtigen.

Auch wenn bei Vor- und Nacherbschaft [Anm.: Nur auf dieses Teilvermögen des Vorerben beschränkte sich die Erbschaftsteuer vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Ausschlagung des Erbes nach dem Vorerben) nur ein Todesfall vorläge, sei eine teleologische Reduktion nicht geboten. Zwar sei richtig, dass bei zweimaliger Berücksichtigung der Pauschale diese im Hinblick auf den ersten Todesfall zweimal anfalle (bei der Vor- als auch der Nacherbschaft), was auch zur doppelten Berücksichtigung von damit pauschal aufgefangener Beerdigungskosten dazu führe, dass diese zweimal berücksichtigt würden. Allerdings seine die Pauschale auch dazu, Nachlassregelungskosten im weiteren Sinne abzugelten, die auch zweimal in unbegrenzter Höhe anfallen könnten und typischerweise auch in einem Nacherbfall anfallen würden.  Der Ansatz der Pauschale diene der Vereinfachung der Steuerfestsetzung, unabhängig davon, ob der Nacherbe auch Erbe des Vorerben würde. 

Ein Nachweis, dass zumindest dem Grunde nach Kosten angefallen seien, die der Pauschbetrag erfasse, sei nicht notwendig. Das Gesetz würde von typischerweise entstehenden Kosten ausgehen und nach dem Gesetz könne die Pauschale ohne Nachweis geltend gemacht werden. Ein Nachweis darüber, dass solche dem Grunde nach entstanden sind, würde dem Vereinfachungszweck, der mit der Regelung beabsichtigt sei, widersprechen. Soweit in früheren Entscheidungen eine andere Ansicht vertreten wurde, halte der (zuständige) Senat des BFH daran nicht mehr fest.

BFH, Urteil vom 01.02.2023 - II R 4/20 -

Samstag, 19. Februar 2022

Bindung des Testamentsvollstreckers an Beschränkungen des Vor- gegenüber dem Nacherben ?

Die Beteiligten waren testamentarische Erben. Nach dem Testament waren die Beteiligte zu 1. zu ½ und die Beteiligte zu 1. mit dem Beteiligten zu 2. zusammen in Erbengemeinschaft mit ½ zu Erben bestimmt. Der Beteiligte zu 2. war nur Vorerbe; Nacherbfolge sollte insoweit mit seinem Ableben eintreten und zu Nacherben wurden seien Abkömmlinge bestimmt. Ferner wurde Testamentsvollstreckung für die Vorerbschaft angeordnet und die Beteiligte zu 1. zur Testamentsvollstreckerin berufen. Am 12.02.2021 bewilligte die Beteiligte zu 1., auch in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin die Eintragung einer Auflassungsvormerkung mit Wirksamkeitsvermerkt beim Grundbuchamt. Dieser Antrag wurde vom Grundbuchamt zurückgewiesen, da es für den Wirksamkeitsvermerkt an einer Mitwirkung der Nacherben fehlen würde, für die gemäß § 1913 BGB ein Pfleger zu bestellen sei. Die dagegen von der Beteiligten zu 1. eingelegte Beschwerde war erfolgreich.

Das Kammergericht (KG), das zuständige Oberlandesgericht in Berlin, hielt fest, dass bei der Bestellung einer Vormerkung, die bei Eintritt der Nacherbfolge wirksam bleibe, verlangt werden könne, durch einen Vermerk klargestellt würde, dass der (hier auch) eingetragene Nacherbenvermerk gegenüber diesem Recht keine Unwirksamkeit iSv. § 2113 BGB anzeige. Dies sei vorliegend der Fall; die bewilligte Vormerkung sei auch gegenüber den Nacherben bei Eintritt des Nacherbfalls voll wirksam; die Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1. Als Testamentsvollstreckerin ergebe sich aus § 2205 S. 2 und 3 BGB, die nicht den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 BGB (Grundstücksübertragungen) unterliegen würden.

Das Testament, aus dem sich die Erbfolge und Anordnung der Testamentsvollstreckung ergeben, müssten nicht der Form des § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1, Abs. 2 Hs. 2 GBO. Sei ein Testamentsvollstreckerzeugnis (§ 2368 BGB) erteilt (wie hier), so könne die Verfügungsbefugnis und die sonstige Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers alleine durch dieses nachgewiesen werden. Das Grundbuchamt sei nicht zu einer eigenen, ergänzenden oder berichtigenden Auslegung des Testaments befugt.

Aus dem Testamentsvollstreckerzeugnis folge, dass die Beteiligte zu 1. Nicht gemäß § 2222 ernannt wurde, bis zum Eintritt der Nacherbfolge die Rechte des Nacherben auszuüben und dessen Pflichten wahrzunehmen. In dem Zeugnis seien die in § 354 Abs. 2 FamFG benannten Sonderfälle und Abweichungen gegenüber der gesetzlichen Grundregel (§§ 2203 – 2206 BGB) zu benennen. Die Nacherbenvollstreckung nach § 2222 BGB sei eine solche Sonderaufgabe, die nicht benannt worden sei.

Aus dem Testamentsvollstreckerzeugnis ergebe sich, dass die Beteiligte zu 1. nach § 2205 S. 1 Alt. 2 BGB befugt sei, über alle Nachlassgegenstände voll wirksam zu verfügen. Eine Abweichung von der gesetzlichen Verfügungsbefugnis ergebe sich nicht. Insbesondere sei die Beteiligte nicht als reine Vorerbenvollstreckerin eingesetzt worden, der nur die Rechte des (nicht befreiten) Vorerben wahrnehmen könnte und von den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 nicht befreit wäre.  Das Grundbuchamt habe davon auszugehen, dass im Testamentsvollstreckerzeugnis nicht benannte Verfügungsbeschränkungen nicht bestehen, § 2365 iVm. § 2368 S. 2 BGB.

Der Umstand, dass nach dem Zeugnis die für den Erbteil des Beteiligten zu 2. Angeordnete Dauervollstreckung gem. § 2209 BGB (mit oder nach dem Tod des Beteiligten zu 2. (§ 2010 GB) enden soll, begründe keine Abweichung. Der nur für die Vorerbschaft eingesetzte Testamentsvollstrecker sei nach Gesetz nicht an Beschränkungen gebunden, die den Vorerben gegenüber den Nacherben in §§ 2113, 2114 BGB auferlegt seien. Er könne mehr Rechte haben als der Vorerbe, da er sein Recht nicht aus dem Recht des Vorerben ableite. Er übe sein Amt gemäß dem letzten Willen des Erblassers aus.

§ 2222 BGB lasse auch keine Abweichung zu. Diese Sonderform diene dazu, den Vorerben im Interesse des Nacherben zu beaufsichtigen. Die Ernennung eines Nacherbenvollstreckers könne u.a. eine Pflegschaft für die unbekannten Nacherben ersetzen (§ 1913 BGB) und lasse das Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung entfallen. Sie komme im Betracht, wenn der Erblasser im Übrigen keinen Testamentsvollstrecker bestelle.

Dass sich die Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1. nur nach § 2205 S. 2 und 3 BGB richte würde allgemeiner Ansicht entsprechen, wonach eine Beschränkung nach § 2113 Abs. 1 BGB auch nicht greife, wenn der Testamentsvollstrecker auch für den Nacherben eingesetzt worden sei. Dies gelte nicht nur für den Fall, dass der Nacherbenvollstrecker währen der Vorerbschaft mit Wirkung für den Nacherben handeln könne, sondern auch dann, wenn eine gewöhnliche Testamentsvollstreckung angeordnet wurde, die für den Nacherben erst mit dem Eintritt der Nacherbfolge beginne. Die Zustimmung zur Veräußerung (ggf. nach § 2120 BGB) wäre während der Vorerbschaft zu erteilen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht feststehen würde, ob auch die Nacherbschaft der Verwaltung des handelnden Testamentsvollstreckers unterliege. Auch das spreche dafür, dass der für die Vorerbschaft ernannte Testamentsvollstrecker in Ermangelung einer im Testamentsvollstreckerzeugnis anzugebenen Beschränkung auf das dem Vorerben zustehende Verfügungsrecht nach §§ 2112ff BGB unbeschränkt verfügungsbefugt nach §§ 2205 S. 2 und 3 BGB sei

KG, Beschluss vom 11.01.2022 - 1 W 252/21 -

Montag, 12. Juli 2021

Die Geltendmachung einer beeinträchtigenden Schenkung nach § 2287 BGB bei Erbengemeinschaft

Der Erblasser und seine bereits vorverstorbene Ehefrau hatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben und die Klägerin und zwei weitere Personen als Schlusserben und die Tochter eines der Schlusserben als Ersatzschlusserbin eingesetzt. Die Beklagte, eine Nachbarin des Erblassers, überwies von dem Konto des Erblassers einen Betrag von mehr als € 100.000,00 mit dem Verwendungszweck „Schenkung“ und kurze Zeit später von dem Sparkonto des Erblassers einen weiteren Betrag von € 50.000,00 mit dem Verwendungszweck „Übertrag eines Sparbuchs“ auf ihr eigenes Konto. Der Erblasser hatte mit späterer notarieller Urkunde festgehalten, er habe der Beklagten seit 2009 mehrfach größere Geldbeträge zugewandt, da  sich diese, zunächst aus nachbarschaftlichen, später freundschaftlichen Verhältnis, um ihn gekümmert habe. Danach überwies die Beklagte einen weiteren betrag von € 50.000,00 vom Sparbuch des Erblassers auf ihr Konto.

Die Klägerin begehrte die Rückzahlung der Beträge an die Erbengemeinschaft. Das Landgericht gab der Klage (nach Beweisaufnahme) statt, die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrte die Beklagte weiterhin Klageabweisung.

Der BGH hob das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück. Dabei hate sich der BGH nicht mit der materiellrechtlichen Frage eines Anspruchsgrundes für das Rückforderungsbegehren der Klägerin auseinander gesetzt, sondern damit, ob die Klägerin überhaupt befugt war, diesen Anspruch gerichtlich geltend zu machen.

Zutreffend sei das OLG davon ausgegangen, dass Grundlage eines Anspruchs der Erbengemeinschaft § 2287 Abs. 1 BGB wäre. § 2287 Abs. 1 BGB lautet:

„Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.“

Der Herausgabeanspruch aus § 2287 BGB gehöre zum Nachlass. Seien mehrerer Erben als Schlusserben bestimmt, würde der Herausgabeanspruch ihnen nicht  gemeinschaftlich zustehen, sondern jedem von ihnen nur in Höhe der auf ihn entfallenden Erbquote. Da hier die Klägerin den gesamten Betrag und nicht nur eine auf sie entfallende Quote aus der Erbschaft eingeklagt habe, könne das Urteil keinen Bestand haben, unabhängig davon, ob eine wirksame Schenkung vorlag (die der Klage auch entgegenstehen würde) oder nicht.

BGH, Urteil vom 10.03.2021 - IV ZR 8/20 -

Sonntag, 6. Juni 2021

„Lenkende Ausschlagung“ der Erbschaft und für Anfechtung unbeachtlicher Motivirrtum

Die Beteiligte zu 1. war die Ehefrau des Verstorbenen, die Beteiligten zu 3. und 4. seine Kinder. In einem gemeinschaftlichen Testament hatten sich die Eheleute wechselseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Der Beteiligte zu 2. war der Sohn des Beteiligten zu 4. Die Beteiligten zu 1. und 4. schlugen in der Annahme, der Beteiligte zu 3. sei dann alleiniger Erbe, die Erbschaft aus und der Beteiligte zu 3. Stellte einen Erbscheinsantrag. Das Amtsgericht wies darauf hin, dass der Beteiligte zu 2. in der Erbfolge nach der Ausschlagung des Beteiligten zu 4. einrücke. Daraufhin änderte die Beteiligte zu 3. ihren Antrag und beantragte einen Teilerbschein, der sie als Erbin zu ½ ausweise.  Einen gleichen Antrag stellte der beteiligte zu 2. Am 26.06.2020 erklärte die Beteiligte zu 1. die Anfechtung ihrer Ausschlagung und die Einziehung der zwischenzeitlich erteilten Erbscheine. Sie kündigte die Stellung eines Erbscheinsantrages auf sich als Alleinerbin an und führte aus, der Grundbesitz seit erheblich belastet gewesen und nur die Beteiligte zu 3. und deren Ehemann seien in der Lagegewesen, diese Verbindlichkeiten abzutragen. Mit ihrer Ausschlagung habe sie erreichen wollen, dass die Beteiligte zu 3.  Alleinerbin werde, nachdem auch der Beteiligte zu 4. die Erbschaft ausgeschlagen habe. Der Beteiligte zu 2. trat dem Antrag der Beteiligten zu 1. entgegen. Derr Antrag der Beteiligten zu 1. Wurde vom Nachlassgericht zurückgewiesen. Dagegen legte die Beteiligte zu 1. Beschwerde ein, die, nachdem ihr das Nachlassgericht nicht abhalf, vom OLG zurückgewiesen wurde.

Das OLG negierte einen Anfechtungsgrund.

Zwar könne grundsätzlich ein Anfechtungsgrund vorliegen, wenn sich der Ausschlagende über die Person, bei der die Erbschaft aufgrund der Anfechtung anfalle, irre. Es würde sich dann im einen beachtlichen Rechtsfolgeirrtum handeln, der als Inhaltsirrtum grundsätzlich die Anfechtung rechtfertige. § 119 BGB. Ein Rechtsfolgenirrtum würde im Rahmen des § 119 BGB grundsätzlich einen zur Anfechtung berechtigenden Inhaltsirrtum darstellen. Dies sei dann der Fall, wenn der Erklärende über die Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, da die Erklärung nicht die von ihm erstrebte Rechtswirkung erzeuge, sondern eine solche bewirke, die sich davon unterscheide. Dies sei aber nur der Fall, wenn die vorgenommene Erklärung (das vorgenommene Rechtsgeschäft) eine wesentlich andere als die beabsichtigte Wirkung erzeuge. Der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und auch eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten würden, würden sich nicht als Irrtum über den Inhalt darstellen, sondern als nach § 119 BGB unbeachtlicher Motivirrtum (BGH, Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 387/15 -; BGH, Beschluss vom 05.07.2006 – IV ZB 39/05 -).

Vorliegend würde es sich um eine „lenkende Ausschlagung“ handeln. Auch dabei sei der Irrtum über die Person des nächstberufenen Erben eine beachtlicher Rechtsfolgenirrtum iSv. § 119 BGB. Mit der Ausschlagung würde nicht nur der Ausschlagende gem. § 1953 als Erbe wegfallen. Sondern zugleich die Erbschaft dem Nächstberufenen anfallen. Dieser Anfall sei die unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung. Mithin könne grundsätzlich der Ausschlagende dann anfechten, wenn das Lenkungsziel der Ausschlagung verfehlt würde (in Rechtsprechung und Literatur strittig; teilweise wird auch hier ein unbeachtlicher Motivirrtum angenommen). Nach Ansicht des OLG käme es vorliegend auf den Meinungsstreit dazu aber nicht an. Sie habe gewusst, dass mit ihrer Ausschlagung die Beteiligten zu 3. und 4. Erben würden, wie sie es auch in ihrer Ausschlagungserklärung angegeben habe. Damit sei dies so von ihr gewollt worden. Sie habe sich lediglich darüber geirrt, dass mit der weiteren, danach vom Beteiligten zu 4. abgegebenen Ausschlagungserklärung der zunächst auf den Beteiligten zu 4. fallende Erbanteil dann nicht auf die Beteiligte zu 3. übergeht, sondern auf den Sohn des Beteiligten zu 4., den Beteiligten zu 2. Einem entsprechenden Irrtum könnte zwar auch der Beteiligte zu 4. Unterlegen sein, der dann seine Ausschlagung hätte anfechten können, was er aber nicht tat. Für die Beteiligte zu 1. Habe es sich jedenfalls nicht um eine unmittelbare Rechtsfolge ihrer Ausschlagungserklärung gehandelt, dass der Beteiligte zu 2. Miterbe wurde, sondern lediglich um eine mittelbare Rechtsfolge. Dies stelle aber keinen beachtlichen Rechtsfolgeirrtum nach § 119 BGB dar, sondern nur einen unbeachtlichen Motivirrtum.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.02.2021 - 21 W 167/20 -

Samstag, 1. Mai 2021

Behandlung der bei Tod des Steuerpflichtigen noch nicht berücksichtigten Erhaltungsaufwendungen iSv. § 82b EStDV

 

Der Ehemann der Klägerin verstarb am 12.01.2016. Die Klägerin wurde in 2016 mit ihrem verstorbenen Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Verstorbene, der Eigentümer eines mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstücks war, hatte in 2012 Erhaltungsaufwendungen in Höhe von € 14.865,99, in 2014 in Höhe von € 36.430,89 und in 2015 in Höhe von € 11.603,93. Für diese Erhaltungsaufwendungen hatte er nach § 82b EStDV eine Verteilung von fünf Jahren gewählt. Der in 2016 noch berücksichtigungsfähige Erhaltungsaufwand belief sich auf € 29.852,88. Das Grundstück ging nach dem Tod des Ehemanns der Klägerin auf die Erbengemeinschaft über, an der die Klägerin beteiligt war. Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der Erbengemeinschaft für 2016 wurden keine Abzugsbeträge nach § 82b EStDV berücksichtigt. Die Klägerin hatte allerdings in ihrer Einkommensteuererklärung für 2016 für sich und ihrem verstorbenen Ehemann für den Zeitraum bis zum Ableben Ihres Ehemanns (12.01.2016) Einkünfte in von Minus € 32.829,00 erklärt; als Werbungskosten gab sie den zum Zeitpunkt des Todes ihres Ehemanns noch nicht berücksichtigten Teil der Erhaltungsaufwendungen an. Das beklagte Finanzamt (FA) berücksichtigte allerdings insoweit als Werbungskosten nur den auf den Monat Januar 2016 entfallenden Anteil mit € 981,92; nach Ansicht des FA sei der Restbetrag bei der Erbengemeinschaft im Rahmen deren gesonderter und einheitlicher Feststellung unter Fortführung der Verteilung nach § 82b EStDV zu berücksichtigen.

Nach erfolglosen Einspruch erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht stattgab. Die dagegen von dem FA eingelegte Revision wurde vom BFH zurückgewiesen.

Werbungskosten seien nach § 9 Abs. 1 S. 1 EstG Aufwendungen zum Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie seien gem. § 9 Abs. 1 1 S. 2 EstG bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen seien. Grundsätzlich seien die Werbungskosten in dem Veranlagungszeitraum abzuziehen, in dem sie entstanden seien, § 11 Abs. 2 S. 1 EstG, Allerdings könne der Steuerpflichtige größere Aufwendungen für die Erhaltung von Gebäuden, die nicht zum Betriebsvermögen gehören würden und überwiegend Wohnzwecken dienen würden, gemäß §§ 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. r) aa) EstG iVm. 82b Abs. 1 S. 1 EStDV  abweichend davon auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen. Käme es während des Verteilungszeitraums zur Veräußerung, könne der noch nicht berücksichtigte Teil des Erhaltungsaufwandes im Jahr der Veräußerung als Werbungskosten abgesetzt werden, § 82 Abs. 2 S. 1 EStDV; dies gelte auch in den Fällen, in denen das Gebäude in ein Betriebsvermögen eingebracht würde oder nicht mehr zur Einkuntserzielung genutzt würde, § 82b Abs. 2 S. 2 EStDV.

Der Zweck des § 82b Abs. 1 EStDV sei, dem Steuerpflichtigen eine bessere Ausnutzung seiner Tarifprogression zu ermöglichen, indem er seine Erhaltungsaufwendungen interperiodisch besser verteilen kann (BTDrs. 3/1811, S. 13). Dieser Zweck würde aber dann ins Leere gehen, wenn dies dem Steuerpflichtigen infolge Versterbens nicht mehr möglich sei. Mit seinem Tod ende die auf ihn als natürliche Person und Steuersubjekt bezogene Einkünfteerzielung. Eine weitere Berücksichtigung der nach § 82b Abs. 1 EStDV verteilten und noch nicht berücksichtigten Aufwendungen sei daher bei ihm nicht mehr möglich. Da nur der Steuerpflichtige, der die Aufwendungen getragen habe, nach § 2 Abs. 1 EstG Zurechnungsobjekt der von ihm erzielten Einkünfte sei, könnten die bisher nicht berücksichtigten Teile der Aufwendungen nur im Veranlagungszeitraum des Versterbens berücksichtigt werden. Von daher seien der bisher nicht berücksichtigten Teil der Erhaltungsaufwendungen im Veranlagungszeitraum seines Versterbens als Werbungskosten abzusetzen.

Die steuerliche Situation im Todesfall sei vergleichbar mit den übrigen ausdrücklich in § 82b Abs. 2 EStDV genannten Fällen. § 82b Abs. 2 EStDV ginge davon aus, dass vom Veranlagungszeitraum der Veräußerung, der Einbringung in ein Betriebsvermögen oder des Wegfalls der Nutzung des Gebäudes zur Einkunftserzielung (z.B. wegen Selbstnutzung) an die weitere Berücksichtigung der verteilten und noch nicht berücksichtigten Aufwendungen nicht mehr möglich sei. Allen benannten Fällen sei gemeinsam, dass eine Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anschließend in der Person des Steuerpflichtigen nicht mehr möglich sei.

Für einen vom FA geltend gemachten Übergang von Erhaltungsaufwendungen iSv. § 82b Abs. 1 EStDV nach dem Tod des Erblassers auf den Eigentümer (hier die Erbengemeinschaft) fehle eine ausdrückliche Regelung. Eine analoge Anwendung anderer Vorschriften (wie z.B. § 11s EStDV) scheide aus (so bereits BFH im Urteil vom 13.03.2018 – IX R 22/17 – zum Vorbehaltsnießbrauch). Daran würde auch für den vorliegenden Fall der gesamtrechtsnachfolge durch Erbfall festgehalten.

Ebenfalls käme nicht R 21.1 Abs. 6 S. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien zur Anwendung. Danach könne im Fall der unentgeltlichen Übertragung der des Gebäudeeigentums der Rechtsnachfolger den bei dem Rechtsvorgänger noch nicht berücksichtigten Teil der Erhaltungsaufwendungen in dem vom Rechtsvorgänger gewählten restlichen Veranlagungszeiträumen nach § 82b Abs. 1 S. 1 EStDV geltend machen. Die Richtlinie als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift habe keine Normqualität und binde daher die Gerichte nicht. Auch fehle es an einer gesetzlichen Grundlage für eine Verwaltungsvorschrift, die einen solchen Übergang de vom Verstorbenen getragenen Aufwendungen auf die Erben ermögliche. Im Wege von Verwaltungserlassen dürften die Finanzbehörden keine Ausnahmen von der gesetzlich vorgesehenen Besteuerung zulassen. Zudem dürfte die Richtlinie überholt sein. Sue habe ihren Sinn in Veranlagungszeiträumen gehabt, in denen nach der Rechtsprechung des BFH die Fortführung eines steuerlichen Verlustvortrags des Erblassers bei den Erben für möglich gehalten wurde. Diese Rechtsprechung wurde vom BFH durch den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17.12.2007 - GrS 2/04 - aufgegeben. Damit sei seither der Rechtsgrund für die Regelung in der Richtlinie entfallen.

BFH, Urteil vom 10.11.2020 - IX R 31/19 -

Montag, 30. September 2019

Stundung des Pflichtteils wegen unbilliger Härte und Interessenabwägung

Die Kläger (zwei Söhne des Erblassers) machten Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagte (Enkelin des Erblassers) als Alleinerbin geltend. Wesentlicher Vermögensgegenstand des Nachlasses war ein bebautes Grundstück, welches von der Beklagten mit ihrer Familie zu Wohnzwecken genutzt wurde. Die Beklagte hatte Klageabweisung und hilfsweise Stundung des Pflichtteils beantragt. Das Landgericht hatte die Beklagte unter Zurückweisung des Stundungsantrages zur Zahlung verurteilt. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung wurde vom OLG gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Im Hinblick auf den Hilfsantrag (Stundung) legte die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH ein. Der BGH hob insoweit das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

Das OLG wies die Berufung erneut nach Vernehmung eines Zeugen zurück.

Der Erbe könne nach § 2331a Abs. 1 BGB die Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für ihn wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, welches für ihn und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bilde. Dabei seien die Interessen der Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen. Vorliegend würden die Interessen der Pflichtteilsberechtigten das Interesse am Erhalt des Familienheims deutlich übersteigen.

Alleine der Umstand, dass das Haus zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht die Lebensgrundlage der Beklagten und ihrer Familie gebildet habe, würde noch nicht einen Grund darstellen, die Stundung zu versagen.

Bei den Interessen der Pflichtteilsberechtigten sei aber zu berücksichtigen, dass der Erbe durch einen mit allen Mitteln  geführten Rechtsstreit bereits eine lange Verzögerung erreicht habe, weshalb hier zu Gunsten der Kläger zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte bereits 2014 einen unbefristeten Stundungsantrag gestellt hat und damit die Ausgleichung um ca. fünf Jahre hinausgezögert habe.

Eine Stundung käme auch dann nicht in Betracht, wenn der Erbe absehbar auch durch die Stundung nicht in die Lage versetzt würde, sich jemals die Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Dafür spräche vorliegend bereits der Umstand, dass die Beklagte nach fünf Jahren noch immer nicht über Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs verfüge, da sie nur über Elterngeld bzw. nunmehr (wohl) eine Vergütung im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung und Kindergeld verfüge, ihr Ehemann arbeitslos sei und ein Bauspardarlehen zu bedienen sei. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2019 habe die Beklagte zudem erklärt, keinen Zeitpunkt benennen zu können, zu dem sie den Pflichtteilsanspruch befriedigen könne; soweit sie im weiteren Verlauf der Verhandlung erklärte, die Kinder seien bis zum 30.06.2024 aus dem Gröbsten heraus und sie dann eine Leistung für möglich halte, und dieses Datum als Termin benannte, sei nicht ersichtlich, dass dies auf realistischen Tatsachen und Erwägungen beruhe.

Im Rahmen der Interessensabwägung sei zudem zu berücksichtigen, dass die Beklagte 2014 zum Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft über ein anderes Familienheim verfügt habe. Es habe daher keine Notwendigkeit bestanden, ein nach ihren Angabe unbewohnbares Haus mit einen nach ihren Angaben erforderlichen Aufwand von € 120.000,00 wieder bewohnbar zu machen, da ihr auch zum damaligen Zeitpunkt bereits aufgrund ihrer begrenzten finanziellen Mittel hätte klar sein müssen, dass sie Fremdmittel in diesem Umfang nicht kurzfristig mobilisieren könne. Sie habe einen Bausparkredit von € 46.000,00 aufgenommen und für die Arbeiten an dem jetzigen Familienheim aufgewandt, ohne in Betracht zu ziehen, zunächst die berechtigten Ansprüche der klagenden Pflichtteilsberechtigten (€ 59.000,00) zu befriedigen. Das Haus sei erst durch diese weiteren Aufwendungen der Beklagten zu dem von § 2331a BGB besonderen Schutz genießenden Gegenstand geworden.

Zu berücksichtigen sei weiter, dass die Beklagte statt der Investitionen das bebaute Grundstück zu einem Betrag von € 150.000,00 an den Zeugen S. hätte veräußern können mit der Folge, dass sie den Pflichtteil hätte bedienen können und selbst noch einen Überschuss behalten hätte.

Ferner sei auch das Alter der klagenden Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen, die am 30.06.2024 59 bzw. 62 Jahre alt wären. Es sei ihnen nicht zuzumuten, bis zu einem solchen Alter ihre Ansprüche gegen ein Wohnbedürfnis der Beklagten in einem „durchaus übergroßen Haus“ zurückzustellen.

OLG Rostock, Urteil vom 20.06.2019 - 3 U 32/17 -

Donnerstag, 4. April 2019

Einsichtsrecht des Miterben ins Grundbuch im Allgemeinen und Wirkung der Bestellung eines Testamentsvollstreckers


Der Beteiligte und Beschwerdeführer war Mitglied einer Erbengemeinschaft nach seinem Vater (Erblasser) geworden. Es bestand Testamentsvollstreckung. Vom Beteiligten wurde u.a. im Rahmen seines Antrags auf Erteilung von Grundbuchauszügen und Einsicht in Grundakten geltend gemacht, der Erblasser habe Wohnungen käuflich erworben (wobei er für seinen Vater den Kaufvertrag als Vertreter abgeschlossen habe und den Kaufpreis an den Verkäufer gezahlt habe), es seien für ihn auch Auflassungsvormerkungen gewahrt. Er benötige die Auskünfte im Zusammenhang mi einem Zivilrechtstreit mit dem Testamentsvollstrecker, in dem dieser ihn auf Zahlung angeblich durch ihn aus dem Nachlass entnommener Mieteinnahmen. Das Grundbuchamt teilte mit Schreiben vom 04.12.2018 mit, eine Auflassungsvormerkung sei nicht gewahrt und lehnte den Antrag des Beteiligten ab.

Der dagegen erhobenen Beschwerde half das Amtsgericht (Grundbuchamt) nicht ab. Das OLG wies die Beschwerde zurück.

Das Einsichtsrecht, welches auch Urkunden und den übrige Inhalt der Grundakten umfasse sowie die Übersendung von Abschriften, setze ein berechtigtes Interesse voraus, § 12 Abs. 1 S. 2 GBO. Dieses sei nicht nur gegeben, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse rechtlicher Natur habe (ihm namentlich ein - aktuelles - Recht am Grundstück zustünde), sondern auch, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan werde, das auch mit einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden könne. Das Einsichtsrecht sei begrifflich mit dem materiellen Publizitätsgrundsatz des Grundbuchs verklammert. Im Hinblick auf den Regelungszweck der Norm, dass die Einsicht wegen einer zu erwartenden Teilnahme am Rechtsverkehr im Zusammenhang mit im Grundbuch dokumentierten Rechtsverhältnissen erfolgen kann, sei ein darauf bezogenes Interesse (abgesehen von Sonderfällen des Einsichtsrechts der Presse) erforderlich und habe unter diesem Gesichtspunkt das Grundbuchamt das Interesse an der Einsicht mit dem Recht des Betroffenen auf informelle Selbstbestimmung abzuwägen. Würden Ansprüche gegen den Eigentümer eines Grundstücks behauptet, so sei Einsicht zu gewähren, wenn die Ansprüche aus einem Recht des Einsichtnehmenden am Grundstück herzuleiten seien (z.B. des Mieters um festzustellen, ob dem Vermieter noch weiterer freiwerdender Wohnraum zur Verfügung stehe).

Diene die Grundbucheinsicht der Verwaltung eines Nachlasses, der einer Erbengemeinschaft zusteht, so sei dies von allen Miterben zu beschließen (arg. § 2038 BGB). Sei aber (wie hier) ein Testamentsvollstrecker eingesetzt, so stünde diesem nach § 2205 die Verwaltung des Nachlasses zu. Dies würde das Recht der Erbengemeinschaft verdrängen, die nur Rechte gegen den Testamentsvollstrecker geltend machen könnten (z.B. Auskunft nach § 666 BGB). Auch soweit der Beteiligte auf einen Rechtstreit verweist, könne sich daraus kein Anspruch ableiten lassen. Denn er lege nicht dar, dass er selbst ein Recht am Grundstück habe, eigene Ansprüche mit einem Recht am Grundstück in Zusammenhang stünden oder Ansprüche durch ein Recht am Grundstück im Grundbuch abgesichert werden sollten. Von ihm behauptete Mieteinnahmen, die vom Testamentsvollstrecker eingefordert worden seien, würden kein eigenes Interesse an der Einsicht begründen können, da dieser nach seinem Vortrag für den Nachlass Zahlungen entgegen genommen hätte, die nach Beendigung des Amtes an die Erbengemeinschaft herauszugeben wären. Nicht vorgetragen worden sei vom Beteiligten, dass auch Dritte Rechte an den Mieteinnahmen geltend machen würden, weshalb er zur Prüfung der Berechtigung Einsicht in das Grundbuch benötige. Sollte es im Zivilrechtsstreit (wie nicht behauptet worden sei) auf Rechte an dem Grundstück ankommen, könnte Urkundsbeweis nach § 432 ZPO durch den Antrag angetreten werden, das Grundbuchamt um Mitteilung des Grundbuchauszugs zu ersuchen.

OLG München, Beschluss vom 27.02.2019 - 34 Wx 28/19 -