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Dienstag, 22. Februar 2022

Befangenheit des Sachverständigen wegen Ausdehnung des Streitgegenstandes

Der Sachverständige war vom Amtsgericht im Rahmen des Beweisbeschlusses berufen worden, da Bewies über die Behauptung der Klägerin erhoben werden sollte, durch einen Verkehrsunfall sei an dem klägerischen Lkw ein Schaden in Höhe von € 2.875,20 entstanden, wobei sich der Sachverständige mit dem vorgerichtlich von der Klägerin eingeholten Schadensgutachten auseinandersetzen sollte. Der sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, der Schaden belaufe sich sogar auf € 3.088,41. Der Sachverständige besichtigte im Übrigen den Schadensort, fertigte Lichtbilder, vermaß ihn und machte im Gutachten Angaben zum Unfallablauf und zur Vermeidbarkeit. Im Rahmen der den Parteien gewährten Frist zur Stellungnahme lehnten die Beklagten den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Gegen den dies ablehnenden Beschluss des Landgerichts legten die Beklagten Beschwerde ein und das Amtsgericht gab das Verfahren zur Entscheidung nach Nichtabhilfe an das Landgericht ab. Idas Landgericht erklärte den Sachverständigen unter Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses für befangen.

Ausreichen sei für die Begründetheit des Befangenheitsantrages jede Tatsache, die geeignet sei, ein (auch nur subjektives) Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise zu rechtfertigen. Ein solcher Grund könne vorliegen, wenn der Sachverständige mit seinen Ermittlungen/Ausführungen über die vom Auftrag gezogenen Grenzen hinausgehe und hierdurch ein solches Misstrauen erwachsen könne.

Allerdings sei vorliegend zu berücksichtigen, dass die Formulierung des Beweisbeschlusses „Beweis erhoben werden (soll) über die Behauptung der Klägerin, durch den Verkehrsunfall … sei an dem Lkw ein Schaden iHv. 2.875,20 € entstanden“ die Auslegung zulasse, dass durch Gebrauch des Wortes „durch“ aus Sicht des Sachverständigen auch die Feststellung beauftragt sei, ob bestimmte Schäden auf den Unfall zurückzuführen seien, weshalb dann Feststellungen zum Hergang des Unfalls durch den Beweisbeschluss gedeckt sein könnten. Insoweit folget das Landgericht dem Befangenheitsantrag nicht.

Im Rahmen des Befangenheitsantrages wurde auch geltend gemacht, dass der Sachverständige in Abweichung vom Beweisbeschluss Ausführungen zur Vermeidbarkeit des Unfalls machte. Dem folgte das Landgericht.

Allerdings könnten, worauf das Amtsgericht zutreffend abgestellt habe, alleine aus den Ausführungen des Sachverständigen, die tatsächlich keine Festlegung bei der Beantwortung der Vermeidbarkeit enthalten würden, dies nicht gefolgert werden. Es könne, wenn auch grenzwertig, in seinen Ausführungen im Gutachten noch zu seinen Gunsten angenommen werden, dass diese weit ausgelegt noch zur für die Schadensfeststellung erforderlichen Rekonstruktion des Unfalls gehören würden. Überschritten habe der Sachverständige diese Grenze aber in seiner Stellungnahme zum Befangenheitsantrag, wo er auf die Frage, warum er zur Vermeidbarkeit Stellung genommen habe, ausgeführt habe, dass zur Prüfung der Plausibilität auch zu klären sei, ob den durch Unfall/Schadenshergang „gegebenenfalls Schäden auf der rechten Seite des Lkw entstanden sein können bzw. sind, oder ob lediglich die in dem Gutachten des Sachverständigen … aufgeführten Beschädigungen dem Unfallereignis zuzuordnen sind. Hierzu wurde geprüft, ob der Lkw des Klägers die Fahrbahn verlassen musste bzw. ob der Unfall durch ein Ausweichen auf dem Fahrstreifen vermeidbar war.“ Nach seinen Feststellungen sei ein Ausweichen des Lkw nach rechts auf den Grünstreifen erforderlich gewesen, weshalb auch zu prüfen gewesen wäre, ob nicht auch Schäden an der Achs entstanden seien; diese „Untersuchungen wurden, wie es die Beweisfrage verlangt, vorgenommen“ worden.

Damit habe der Sachverständige zu erkennen gegeben, dass geprüft habe, ob auch nicht in das Verfahren eingeführte und bisher nicht geltend gemachte Schäden vorlägen. Aus der Sicht der Beklagten könne der Sachverständige damit dem Gericht auch vorgeben, wie weiter verfahren werden soll. Beides sei von seiner Stellung als gerichtlich bestellter Sachverständiger und vom Gutachtenauftrag nicht mehr gedeckt und lasse aus Sich eines unbeteiligten Dritten berechtigterweise Misstrauen an der Unparteilichkeit des Sachverständigen entstehen, da das Vorgehen alleine der Klägerin nutze.

Auch wenn der Sachverständige in dem Bestreben in gutem Glauben agiert habe, eine zügige und gerechte Entscheidung herbeizuführen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18.01.2002 - 14 W 45/01 -), der Beweisbeschluss zum eigentlich vom Amtsgericht nachgefragten Schadensumfang nach dem kurz gefassten Beweisbeschluss auslegungsfähig sei, habe er doch erkennbar mit der Formulierung „so dass zu prüfen wäre, ob nicht auch ein Schaden an der Achse … entstanden ist …“ den durch die Klageforderung betreffend Schäden im Bereich Spiegel/Fenster/Tür auf der Fahrerseite beschränkten Streitgegenstand (möglicherweise ungewollt) ausgedehnt und der Klägerin einen einseitigen rat gegeben, weitere Schäden zu suchen. Dies entspräche nicht dem Beweisbeschluss noch dem von der Klägerin festgelegten Streitgegenstand sondern erweitere diesen einseitig zu Lasten der Beklagten, weshalb aus der Sicht der Beklagten Misstrauen in seine Unparteilichkeit gerechtfertigt sei. 

LG Verden, Beschluss vom 18.01.2022 - 11 T 5/22 -

Sonntag, 27. Juni 2021

Vergütung des wegen Besorgnis der Befangenheit angelehnten gerichtlich bestellten Sachverständigen (Fall des § 8a Abs. 1 JVEG) ?

Der im selbständigen Beweisverfahren zunächst berufene Sachverständige wurde erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er hatte seine Kosten abgerechnet, dem die Antragstellerin widersprach. Die wurden gleichwohl ausgezahlt und als Teil der Gerichtskosten erhoben. Das Landgericht begründete dies damit, dass der Sachverständige das Gutachten und drei Ergänzungsgutachten erstellt habe, ehe er wegen eines Privatgutachtens für eine zu der Antragstellerin gehörenden Wohnungseigentümerin einige Jahre zuvor erstellten Gutachten in einer identischen Teilfrage (erfolgreich) abgelehnt worden sei. Es sei glaubhaft vom Sachverständigen dargestellt worden, dass er bei seiner gerichtlichen Beauftragung in Ansehung der Zahl der gerichtlichen und privaten Gutachten erst nach konkreten Vorhalt des Privatgutachtens erinnerlich wurde, dieses erstellt zu haben. Zudem sei es treuwidrig, wenn sich die Antragstellerin auf eine Kostenfreiheit nach § 8a JVEG berufe, da sie die Offenbarung der Vorbefassung des Sachverständigen selbst versäumt habe.

Der Erinnerung gegen den Kostenansatz in der Gerichtskostenrechnung half das Landgericht nicht ab. Die Beschwerde war erfolgreich. Der Sachverständiger habe es in von ihm zu vertretener Weise unterlassen, dem Gericht unverzüglich nach seiner Beauftragung Umstände aufzuzeigen, die zu seiner Ablehnung durch einen Beteiligten berechtigen würden. Nach §§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 3 Abs. 2 GKG iVm. Nr. 9005 KV-GKG müssten die Parteien eine Sachverständigenvergütung nur erstatten, wenn sie nach dem JVEG zu zahlen war. Nicht entscheidend sei, ob die Beträge gezahlt wurden. Die gerichtliche Entscheidung zur Zahlung würde nur im Verhältnis zwischen dem Sachverständigen und Staatskasse ergehen, ohne Beteiligung der Parteien, § 4 JVEG. Hat damit die Festsetzung der Vergütung keine Wirkung zu Lasten der Parteien, sind sie auch nicht mit der Erinnerung gegen den Kostenansatz ausgeschlossen. Im Festsetzungsverfahren gegenüber dem Sachverständigen sei die  erfolgreiche Ablehnung wegen Befangenheit auch nicht bindend, da der Befangenheitsgrund nur glaubhaft zu machen sei, dem Sachverständigen aber sein Entschädigungsanspruch nur genommen werden könne, wenn ein die Erfüllung seiner Gutachtertätigkeit unmöglich machendes Verhalten bewiesen sei (OLG Hamm, Beschluss vom 22.05.1979 - 23 W 44/77 -).  

Dem Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen habe das Landgericht zutreffend stattgegeben. Die vorherige Tätigkeit für eine der Parteien in derselben Sache bilde einen ausreichenden Grund für seien Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO (BGH, Urteil vom 01.02.1972 - VI ZR 134/70 -). Damit sei nach § 8a Abs. 1 JVEG der Vergütungsanspruch entfallen, da er es unterließ, das ihn beauftragende Gericht unverzüglich Umstände aufzuzeigen, die seine Ablehnung durch einen Beteiligten berechtigen könnten und dieses Unterlassen auch zu vertreten habe. Ander als im Fall des § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JVEG eine Reduzierung des Haftungsmaßstabes auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz fehle genüge vorliegend für § 8a Abs. 1 JVEG bereits einfache Fahrlässigkeit. Infolge der damit verbundenen Verschuldensvermutung obläge es dem Sachverständigen ihn entlastende Umstände aufzuzeigen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.05.2017 - 18 W 58/17 -).

 

Das Landgericht habe selbst ausgeführt, dass der Sachverständige in einer Vielzahl von Verfahren gerichtlich und außergerichtlich tätig sei. Damit habe er aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen müssen, dass er nicht Aufträge übernimmt, in denen er möglicherweise befangen sein könnte. Hat er diese Prüfung unterlassen oder nicht sorgfältig genug durchgeführt läge jedenfalls eine ausreichende leichte Fahrlässigkeit vor, die zum Verlust des Vergütungsanspruchs führe (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.06.2002 - 14 W 363/02 -). Auch eine rechtliche Fehlbeurteilung durch den Sachverständigen würde hier nicht eine anderweitige Entscheidung begründen können, da es nicht nachvollziehbar wäre, dass dem Sachverständigen trotz Teilnahme an Fortbildungen nicht zumindest Bedenken gekommen sind bzw. er zumindest vorsorglich das Gericht informierte.

Auch eine vom Landgericht angenommene Verwertbarkeit des Gutachtens führe nicht zu einem Gebührenanspruch. Dabei könne auf sich beruhen, ob § 8a Abs. 1 JVEG eine unbeabsichtigte Lücke enthält, insoweit dort anders als in § 8a Abs. 2 JVEG die Verwertbarkeit nicht erwähnt wurde. Denn vorliegend handele es sich um ein Gutachten in einem selbständigen Beweisverfahren und nur der Tatrichter des Hauptsacheverfahrens könne über die Verwertbarkeit entscheiden.

Im Übrigen spreche einiges dafür, dass in § 8a Abs. 2 S. 1 1 Nr. 2 JVEG mit seinem Verweis auf § 407a Abs. 2 ZPO ein redaktionellen Versehen ist: § 407a Abs. 2 ZPO sei in der jetzigen Fassung erst am 15.10.2016  in Kraft getreten, mit dem die bisherigen Absätze 2 bis 5 als Absätze 3 bis 6 verschoben worden seien. Während insoweit in § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG nun der Verweis auf § 407a Abs. 1 – 4 ZPOO statt bisher auf § 407a Abs. 1 – 3 JVEG aufgenommen wurde, unterblieb eine Anpassung in § 8a Abs. 1 JVEG. Das spräche dafür, das bei § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG ein redaktionelles Versehen vorliege.

OLG Rostock, Beschluss vom 15.02.2021 - 4 W 38/20 -

Montag, 19. März 2018

Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen bei Bauteilöffnung (hier: Wasseraustritt)


Der Beklagte wurde als vom Gericht bestellter Sachverständiger im Rahmen eines Rechtsstreits tätig, in dem die Parteien über die Frage der Verlegereife für Teppichböden nach einem Wasserschaden im Jahre 2008 stritten. Im Rahmen seiner Tätigkeit fanden zwei Ortstermine statt. Bei dem zweiten Ortstermin ereignete sich ein weiterer Wasserschaden, der im Rahmen einer von dem Beklagten angeordneten Bauteilöffnung, mit der er einen Dritten beauftragt hatte, eintrat.

Die Klägerin war im Zusammenhang mit dem 1. Wasserschaden aus dem Jahr 2008 als auf die Sanierung von Brand- und Wasserschäden spezialisiertes Unternehmen beauftragt gewesen und Partei des Rechtsstreits gewesen, in welchem der Beklagte als Sachverständiger tätig wurde. Sie verlangte im vorliegenden Verfahren Ersatz ihrer Aufwendungen, die sie infolge der vom Beklagten veranlassten Bauteilöffnung und des eingetretenen Wasserschadens hatte.

Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen; das OLG wies die Berufung zurück.   

Eine Haftung des Beklagten nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG verneinte das OLG. Der daraus abzuleitende Amtshaftungsanspruch sei nur dann gegeben bei Schäden, die aus dem Gutachten selbst resultieren würden.  Schäden, die vom gerichtlich bestellten Sachverständigen aber anlässlich der Begutachtung verursacht würden, würden sich nicht als Amtspflichtverletzung darstellen (BGH, Urteil vom 05.10.1972 - III ZR 168/70 -).  

Zu prüfen war danach vom OLG ein Anspruch aus Aufwendungsersatz nach §§ 683, 670 BGB. Dies negierte das OLG. Damit kam es darauf an, ob der Beklagte Geschäftsherr war, was dann angenommen werden könne, wenn die Tätigkeit der Klägerin in die Rechts- und Interessenssphäre des Beklagten fiele. Entscheidend sei dabei, ob die Schädigung der Wasserleitung bei der Bauteilöffnung von ihm vorsätzlich oder fahrlässig verursacht wurde und er sich deshalb gegenüber dem Eigentümer der geschädigten Sache schadenersatzpflichtig gemacht habe. Nur in diesem Fall hätte die Klägerin ein Geschäft für des Beklagten in dessen Intereses  durchgeführt und ihn von Regressanspruch mit dem Anspruch auf eigenen Aufwendungsersatz befreit.

Da die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin allerdings nicht nachweisen könnte (was weiter ausgeführt wurde), dass der Beklagte die Rechtsgutsverletzung bei der Eigentümerin zu vertreten habe, wies das OLG die Berufung gegen das klageabweisende Urteil zurück.

OLG München, Urteil vom 20.12.2017 - 20 U 1102/17 -