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Sonntag, 29. Dezember 2024

Scheinbeklagter und dessen Kostenantrag nach Klagerücknahme

Die Klägerin erhob gegen eine Firma X Gesellschaft mit beschränkter Haftung, vertreten durch die Mehrheitsgesellschafterin VX Klage. Im Rahmen des schriftlichen Vorverfahrens erließ das Landgericht am 03.11.2023 ein Versäumnisurteil. Am 14.11.2023 teilte das Landgericht der Klägerin mit, dass sowohl das Versäumnisurteil als auch die Erstverfügung nicht hätten zugestellt werden können. Die Klägerin teile eine neue Anschrift der Gesellschaft mit. Nachdem dort die Erstverfügung und das Versäumnisurteil am 18.11.2023 zugestellt werden konnten, zeigte ein Rechtsanwalt die Vertretung von Frau YX an und teilte mit, diese habe „das Unternehmen veräußert“, was auch im Handelsregister vor Klageerhebung „vollzogen“ worden sei. Vorsorglich legte er Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein, wobei er es ausdrücklich demjenigen vorbehielt, den Einspruch zu begründen, die die Gesellschaft/Beklagte tatsächlich vertritt. Das Landgericht beraumte Termin zur mündlichen Verhandlung an gewährte der Klägerin rechtliches <Gehör zur Frage der Passivlegitimation. Mit Beschluss vom 09.01.2023 hob das Landgericht den Termin auf und erteilte Hinweise zum Stand des Handelsregisters ab dem 04.07.2023 und dessen Folgen. Am 10.01.2024 teilte das Insolvenzgericht  mit, dass am 04.01.2023 über das  Vermögen der X GmbH des Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, was das Landgericht der Klägerin und Frau YX zur Kenntnis brachte. Am 05.03.2024 nahm die Klägerin die Klage zurück. Auf den Kostenantrag  von Frau YX erlegte das Landgericht der Klägerin mit Beschluss vom 20.03.2024 die Kosten des Rechtsstreits auf. Die Klägerin legte gegen den Beschluss vom 20.03.2024 sofortige Beschwerde ein und beantragte, die Kosten der X GmbH aufzuerlegen mit Hinweis darauf, dass der Insolvenzverwalter der X GmbH die Forderung der Klägerin zur Tabelle festgestellt habe. Der Beschwerde halb das Landgericht nicht ab und legte den Vorgang dem Oberlandegericht zur Entscheidung über die Beschwerde vor. Die Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht als unbegründet abgewiesen.

Würde wie hier nach Einreichung der Klage bei Gericht, aber noch vor Zustellung derselben an die Beklagte das Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet, finde eine Unterbrechung des Rechtsstreits nicht statt (BGH, Beschluss vom 11.12.2008 - IX ZB 232/08 -). Für das Beschwerdeverfahren könne nichts anderes gelten.

Rechtsgrundlage der Kostenentscheidung des Landgerichts sei § 269 Abs. 4 S. 1 ZPO. Den erforderlichen Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 S. 1 ZPO könne auch eine Scheinbeklagte stellen, da auch eine solche Anlass zur Verteidigung habe und die Möglichkeit haben müsse, sich entsprechend § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO bei der Klägerin schadlos zu halten, die die falsche Zustellung veranlasst habe. 

Nach § 269 Abs. 3 S. 3 Halbs. 1 ZPO bestimme sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und die Klage daraufhin zurückgenommen würde. Der „Anlass zur Klage“ iSv. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO könne nur angenommen werden, wenn die Klage bei ihrer Einreichung zulässig und begründet war oder jedenfalls zu irgendeinem Zeitpunkt vor ihrer Einreichung zulässig und begründet gewesen wäre. Auf eine aus objektiver Sicht zu keinem Zeitpunkt aussichtsreichen Klage sei die Bestimmung nicht anwendbar (BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - I ZB 38/20 -).

Hier sei die Klage zu keinem Zeitpunkt aussichtsreich gewesen. Sei der gesetzliche Vertreter der Beklagten nicht nur irrtümlich falsch bezeichnet worden und die Klage an den vermeintlichen gesetzlichen Vertreter mit Willen der Klägerin zugestellt worden, sei die Klage unzulässig (BGH, Urteil vom 14.03.2017 - XI ZR 442/16 -). Zwar sei die Annahme des Landgerichts fehlerhaft, dass bereits über einen Monat vor Einreichung der Klage ein neuer Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen worden sei; bis zum heutigen Tag sei B als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen, der allerdings bereits Ende 2022 verstorben sei.

(Anmerkung: Ist die GmbH „führungslos“, hat sie also keinen Geschäftsführer, greift § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG, wonach für den Fall, dass sich die Gesellschaft nicht in Liquidation oder im Insolvenzverfahren befindet, und ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden sollen, die Gesellschafter due Gesellschaft vertreten.)

Entscheidend sei vorliegend, dass eine Zustellung der Klageschrift an die dort benannte Frau YX nicht in Betracht gekommen sei, da diese bereits mit notariellen Vertrag vom 16.04.2019 alle ihre Gesellschaftsanteile an B veräußert habe, in dessen Hand ab diesem Zeitpunkt alle Gesellschaftsanteile der Gesellschaft gelegen hätten, was im Handelsregister aus der in den Registerordner am 04.07.2023 eingestellten Liste der Gesellschafter ersichtlich gewesen sei. Deshalb sei eine Zustellung der Klageschrift vom 03.08.2023 an Frau YX nach § 35 Abs. 1 S. 3 GmbHG nicht mehr in Betracht gekommen.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.09.2024 - 3 W 8/24

Sonntag, 13. Juni 2021

Verbotener Insichprozess: Geschäftsführer als Partei und Vertreter der von ihm verklagten Gesellschaft

Der Kläger und O.L waren gemeinsam Geschäftsführer der beklagten GmbH. Am 29.06.2020 führten sie jeweils an verschiedenen Orten Gesellschafterversammlungen durch, auf denen Beschlüsse zur Abberufung des jeweils anderen Geschäftsführers gefasst wurden. Mit seiner Klage erstrebte der Kläger die Feststellung Nichtigkeit der auf der von O.L. einberufenen Gesellschafterversammlung im Hinblick auf seien Abberufung und Berufung von O.L. zum alleinigen Geschäftsführer. In der Klageschrift gab er O.L als Geschäftsführer der Beklagten an, erteilte aber selbst für die Beklagte an einer Anwaltskanzlei das Mandat. Der für die Beklagte mandatierte Anwalt erkannte den Klageanspruch an, woraufhin Anerkenntnisurteil erging. Gegen dieses legte die Beklagte, nunmehr durch eine anderweitige Anwaltskanzlei vertreten, Berufung ein. Die Berufung führte zur Aufhebung des Anerkenntnisurteils und Zurückverweisung an das Landgericht.

Das OLG Brandenburg verwies darauf, dass das Anerkenntnisurteil prozessual unwirksam sei. Unabhängig davon, ob einem Geschäftsführer Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierend nach § 181 BGB erteilt worden sei, sei es nicht möglich, einen Rechtsstreit mit sich selbst zu führen (sogen. Insichprozess. Indem der Kläger sowohl aus der Aktivseite des Prozesses (als Kläger), mit dem er die Nichtigkeit u.a. des Beschlusses über seine Abberufung geltend machte, als auch als Vertreter der Beklagten, für die er der zunächst für die Beklagte tätigen Anwaltskanzlei die Prozessvollmacht erteilte (unterschrieb), habe er prozessual ein Insichgeschäft geführt. Er sei mithin auf beiden Seiten aufgetreten, einmal als Partei (für sich selbst) und einmal als Parteivertreter (für die Beklagte).

Solange die Gesellschafter gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG keinen Prozessvertreter bestellt hätten, würde gesellschaftsrechtlich im Verfahren um die Wirksamkeit der Abberufung die Gesellschaft von dem verbleibenden Geschäftsführer vertreten (BGH, Urteil vom 24.02.1992 - II ZR 79/91 -).  Dieser verbleibende Geschäftsführer könne die Gesellschaft auch dann weiterhin so lange vertreten, auch wenn er selbst (mit von ihm gerichtlich angefochtenen Beschluss) abberufen worden sei, bis die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses in Bezug auf beide Geschäftsführer festgestellt worden sei. Zwar habe hier der Kläger dies im Rahmend er Klage berücksichtigt, in der er im Rubrum der Beklagten den Geschäftsführer O.L. als gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft benannte. Allerdings dürfe auch die Prozessvollmacht für die Beklagte nicht durch den Geschäftsführer erteilt werden, der sich mit der Klage gegen die Abberufung wendet, da dies faktisch zu einer Parteiidentität führe und damit zu einem unzulässigen Insichprozess.

Offen bleiben könne, ob die Voraussetzung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für eine Zurückverweisung vorliegen würden. Schon die Unwirksamkeit des Anerkenntnisses führe auf die Berufung im Wege einer analogen Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung, was auch sachgerecht wäre, da ansonsten den Parteien eine Tatsacheninstanz genommen würde und sich das Verfahren erstinstanzlich auch ohne inhaltliche Erörterung geblieben sei.

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.02.2021 - 4 U 211/20 -

Freitag, 23. Juni 2017

Ordnungsgeld nicht gegen gesetzlichen Vertreter der Partei bei Nichterscheinen zur Verhandlung in Zivilsachen trotz Ladung

Der Fall ist beinahe alltäglich: Das Gericht lädt zur mündlichen Verhandlung und ordnet das persönliche Erscheinen der Parteien an. Da es sich bei der einen Partei um eine juristische Person (hier: GmbH) handelt, wurde deren Geschäftsführer (der Beschwerdeführer des vorliegenden Verfahrens) geladen. Dieser erschien allerdings zum Termin nicht und der von dieser Partei beauftragte Anwalt hatte kein Mandat zum Vergleichsschluss. Vor diesem Hintergrund erließ das Amtsgericht gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld von € 200,00, ersatzweise vier Tage Ordnungshaft, und die Pflicht zur Übernahme der durch sein Nichterscheinen entstandenen Mehrkosten. Das OLG änderte den Beschluss des Amtsgerichts auf die Beschwerde insoweit ab, als es den Beschluss in Bezug auf die ersatzweise Ordnungshaft und die Übernahme der durch das Nichterscheinen entstandenen Kosten aufhob; im Übrigen würde die Beschwerde zurückgewiesen. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hob der BGH den Ordnungsgeldbeschluss insgesamt auf.

Das OLG hatte die in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretene Auffassung vertreten, dass das Ordnungsgeld gem. § 141 Abs., 3 S. 1 ZPO im Hinblick auf den Zweck und die Strafähnlichkeit der Sanktion nicht gegen die juristische Person (die Partei des Verfahrens), sondern gegen den nicht erschienenen, aber geladenen gesetzlichen Vertreter ergeht.

Die herrschende Meinung, der sich der BGH in seiner Entscheidung anschloss, geht allerdings vom Wortlaut des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO aus. Zweck des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO sei nicht, wie etwa §§ 177, 178 GVG das Ergreifen sitzungspolizeilichere Maßnahmen wegen Missachtung des Gerichts, die sich natürlich auch gegen den erschienenen (gesetzlichen) Vertreter richten könnten, sondern die Förderung der Aufklärung des Sachverhalts.

Die Erwägung des OLG, der Sanktionszweck des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO ließe sich nur durch Verhängung des Ordnungsgeldes gegen den nicht erschienenen gesetzlichen Vertreter der Partei erreichen, ist nach Auffassung des BGH auch falsch. Der BGH verweist darauf, dass die juristische Person bei einem pflichtwidrigen Verhalten dem gesetzlichen Vertreters diesen auch in Regress nehmen könne, so dass er doch ein Interesse daran habe, die die juristische Person treffenden Pflichten zu erfüllen.   

Kosten werden nicht erstattet; es handelt sich nicht um ein kontradiktorische Verfahren.

Anmerkungen

1. Die Entscheidung ist in der Sache richtig. Gegen den klaren Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung spricht nichts. Gerade auch die vom BGH angesprochenen Regelungen zu sitzungspolizeilichen Maßnahmen verdeutlichen, dass der Gesetzgeber sehr wohl einen Unterschied macht und kennt zwischen der anwesenden Person und der Partei als solcher.

2. Bitter wird es hier dem Beschwerdeführer aufstoßen, dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden. Denn er benötigte schon für das Verfahren vor dem BGH jedenfalls einen dort zugelassenen Anwalt. Und dessen Kosten sind bei weitem höher als die nun ersparten € 200,00 für das Ordnungsgeld. Damit erweist sich das Rechtssystem als löchrig und schief: Es kann nicht sein, dass hier der Geschäftsführer zu einer berechtigten Beschwerde veranlasst wird, da ein Gericht eine Mindermeinung propagiert, um für sein recht nachher mit erheblichen Kosten belegt zu werden, die in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zur Ursache stehen. Wenn auf diese Weise entsprechende Rechtsmittel (als Ausdruck rechtsstaatlicher Ordnung und Verständnisses) verhindert werden sollen, ist dies im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und das Rechtsstaatsprinzip wohl durch das Bundesverfassungsgericht (übrigens: kein Anwaltszwang) oder den Gesetzgeber zu lösen.

3. Im Übrigen sollte jede geladene Partei prüfen, ob die Ladung in der Sache überhaupt ordnungsgemäß ist. Wird z.B. die juristische Person geladen, kann weder ihr gegenüber noch gegenüber dem Organ (gesetzlichen Vertreter) ein Ordnungsgeld bei Nichterscheinen ergehen. Wird nicht angegeben, weshalb geladen wird (zur Aufklärung des Sachverhalts und/oder zum Zwecke des Vergleichsschlusses), darf auch kein Ordnungsgeld verhangen werden. Erklärt die geladene Partei von vornherein, dass sie keinen Vergleich schließen wird, kann jedenfalls dann kein Ordnungsgeld ergehen, wenn nur zu diesem Zweck die Ladung erfolgte. Wird zur Aufklärung des Sachverhalts geladen, mag sich zwar der gesetzliche Vertreter bei seinen Mitarbeitern informieren müssen; ist aber der Partei der Vorgang nicht selbst bekannt, allenfalls aktenmäßig wie vorgetragen (z.B. bei dem Versicherer, der einen Verkehrsunfall bearbeitet), dürfte regelmäßig auch eine Sachverhaltsaufklärung nicht anzunehmen sein und kann dann mangels einer Verzögerung des Rechtsstreits auch kein Ordnungsgeld verhangen werden.


BGH, Beschluss vom 30.03.2017 - BLw 3/16 -