Der Kläger und O.L waren gemeinsam Geschäftsführer der beklagten GmbH. Am 29.06.2020 führten sie jeweils an verschiedenen Orten Gesellschafterversammlungen durch, auf denen Beschlüsse zur Abberufung des jeweils anderen Geschäftsführers gefasst wurden. Mit seiner Klage erstrebte der Kläger die Feststellung Nichtigkeit der auf der von O.L. einberufenen Gesellschafterversammlung im Hinblick auf seien Abberufung und Berufung von O.L. zum alleinigen Geschäftsführer. In der Klageschrift gab er O.L als Geschäftsführer der Beklagten an, erteilte aber selbst für die Beklagte an einer Anwaltskanzlei das Mandat. Der für die Beklagte mandatierte Anwalt erkannte den Klageanspruch an, woraufhin Anerkenntnisurteil erging. Gegen dieses legte die Beklagte, nunmehr durch eine anderweitige Anwaltskanzlei vertreten, Berufung ein. Die Berufung führte zur Aufhebung des Anerkenntnisurteils und Zurückverweisung an das Landgericht.
Das OLG Brandenburg verwies darauf, dass das Anerkenntnisurteil prozessual unwirksam sei. Unabhängig davon, ob einem Geschäftsführer Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierend nach § 181 BGB erteilt worden sei, sei es nicht möglich, einen Rechtsstreit mit sich selbst zu führen (sogen. Insichprozess. Indem der Kläger sowohl aus der Aktivseite des Prozesses (als Kläger), mit dem er die Nichtigkeit u.a. des Beschlusses über seine Abberufung geltend machte, als auch als Vertreter der Beklagten, für die er der zunächst für die Beklagte tätigen Anwaltskanzlei die Prozessvollmacht erteilte (unterschrieb), habe er prozessual ein Insichgeschäft geführt. Er sei mithin auf beiden Seiten aufgetreten, einmal als Partei (für sich selbst) und einmal als Parteivertreter (für die Beklagte).
Solange die Gesellschafter gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG keinen Prozessvertreter bestellt hätten, würde gesellschaftsrechtlich im Verfahren um die Wirksamkeit der Abberufung die Gesellschaft von dem verbleibenden Geschäftsführer vertreten (BGH, Urteil vom 24.02.1992 - II ZR 79/91 -). Dieser verbleibende Geschäftsführer könne die Gesellschaft auch dann weiterhin so lange vertreten, auch wenn er selbst (mit von ihm gerichtlich angefochtenen Beschluss) abberufen worden sei, bis die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses in Bezug auf beide Geschäftsführer festgestellt worden sei. Zwar habe hier der Kläger dies im Rahmend er Klage berücksichtigt, in der er im Rubrum der Beklagten den Geschäftsführer O.L. als gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft benannte. Allerdings dürfe auch die Prozessvollmacht für die Beklagte nicht durch den Geschäftsführer erteilt werden, der sich mit der Klage gegen die Abberufung wendet, da dies faktisch zu einer Parteiidentität führe und damit zu einem unzulässigen Insichprozess.
Offen bleiben könne, ob die Voraussetzung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für eine Zurückverweisung vorliegen würden. Schon die Unwirksamkeit des Anerkenntnisses führe auf die Berufung im Wege einer analogen Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung, was auch sachgerecht wäre, da ansonsten den Parteien eine Tatsacheninstanz genommen würde und sich das Verfahren erstinstanzlich auch ohne inhaltliche Erörterung geblieben sei.
Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.02.2021 - 4 U 211/20
-
Aus den Gründen:
Tenor
1. Auf die
Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 20.08.2020,
Az. 52 O 59/20, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht
zurückverwiesen.
2. Das Urteil
ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Beklagte
betreibt einen Reisedienst, der Kläger war zunächst ihr einziger
Geschäftsführer. Mit Beschluss vom 14. Mai 2020 bestellte die
Gesellschafterversammlung der Beklagten Herrn O… L… als zweiten
Geschäftsführer. Der Kläger einerseits und O… L… andererseits führten am 29.
Juni 2020 an jeweils unterschiedlichen Orten Gesellschafterversammlungen durch,
auf denen Beschlüsse zur Abberufung des jeweils anderen Geschäftsführers
getroffen worden sind.
Der Kläger
wendet sich mit der vorliegenden Klage insbesondere gegen seine Abberufung als
Geschäftsführer auf einer der am 29. Juni 2020 durchgeführten Versammlungen und
hat erstinstanzlich beantragt,
die Beschlüsse
der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29. Juni 2020 zu den
Tagesordnungspunkten 3-5, wonach Herr O… L… zum alleinigen Geschäftsführer der
Gesellschaft berufen wird und Herr H… Z… als Geschäftsführer abberufen wird und
seine Gesellschaftsanteile eingezogen werden, für nichtig zu erklären.
Erstinstanzlich
hat sich die Kanzlei …
als Prozessbevollmächtigte
der Beklagten, vertreten durch den Geschäftsführer O… L…, bestellt und den
Klageanspruch anerkannt. Die Prozessvollmacht für die auf Seiten der Beklagten
auftretende Kanzlei
hat der Kläger
erteilt. Das Landgericht hat daraufhin am 20. August 2020 ein
klagestattgebendes Anerkenntnisurteil erlassen, gegen das die Beklagte durch
die Kanzlei Sch…, deren Prozessvollmacht O… L… erteilt hat, Berufung eingelegt
hat.
Die Beklagte
beantragt mit ihrer Berufung,
das
Anerkenntnisurteil des Landgerichts Potsdam zum Aktenzeichen 52 O 59/20 vom 20.
August 2020 aufzuheben und die Klage vom 28. Juli 2020 abzuweisen, hilfsweise
den Rechtsstreit wieder an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.
Der Kläger
schließt sich dem auf Aufhebung und Zurückverweisung gerichteten Antrag an.
Wegen der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird
auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend
verwiesen.
II.
Die Berufung
der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß
§§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie
führt auf den von beiden Parteien gestellten Antrag zur Aufhebung des
Anerkenntnisurteils und Zurückverweisung an das Landgericht analog § 538 Abs. 2
Nr. 6 ZPO.
Das
Anerkenntnisurteil vom 20. August 2020 ist prozessual unwirksam. Es ist
prozessrechtlich unabhängig davon, ob § 181 BGB anwendbar ist, nicht
möglich, einen Rechtsstreit mit sich selbst, und zwar auch nicht als Vertreter
eines anderen zu führen (st. Rspr. etwa BGH, Urteil vom 11. Juli 1983 – II ZR
114/82 –, juris; BGH, Beschluss vom 27. November 1974 – IV ZB 42/73 –, Rn. 12,
juris; RG, Urteil vom 22. Juni 1907 – I 40/07 –, RGZ 66, 240-246). Einen
derartigen unzulässigen Insichprozess hat der Kläger in der ersten Instanz
geführt. Der Kläger handelte als solcher sowohl auf der Aktivseite des
Prozesses, mit dem er u.a. die Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses über
seine Abberufung geltend macht, als auch als Vertreter der Beklagten, indem er
die Prozessvollmacht des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der
Beklagten unterzeichnete, der dann den gegen die Beklagte gerichteten Anspruch
des Klägers anerkannt hat. Er ist mithin gleichzeitig auf beiden Seiten des
Prozesses entweder als Partei oder Parteivertreter aufgetreten.
Die Vertretung
der Beklagten durch den Kläger bei Erteilung der Prozessvollmacht an den
erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist auch
gesellschaftsrechtlich unwirksam. Im Prozess mit dem abberufenen
Geschäftsführer um die Wirksamkeit der Abberufung wird die Gesellschaft -
solange die Gesellschafter so wie vorliegend gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG
keinen Prozessvertreter bestellt haben - von den verbleibenden Geschäftsführern
vertreten (BGH, Urteil vom 24. Februar 1992 – II ZR 79/91 –, Rn. 5, juris;
Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, § 38 GmbHG, Rn. 24
mwN). Der verbleibende Geschäftsführer kann die Gesellschaft auch dann
weiterhin solange vertreten, wenn er seinerseits streitig abberufen worden ist,
bis die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses bezüglich jedes der beiden
Geschäftsführer festgestellt ist (Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in:
Scholz, GmbHG, § 38 GmbHG, Rn. 69); dies hat der Kläger im Rubrum seiner
Klageschrift auch durchaus berücksichtigt, in dem er dort als gesetzlichen
Vertreter der Beklagten den Geschäftsführer O… L… angegeben hat. Daraus folgt
aber gleichzeitig, dass auch eine wirksame Prozessvollmacht für die
Gesellschaft nicht von demjenigen Geschäftsführer erteilt werden kann, der sich
im Klagewege gegen seine Abberufung wendet, da dies zu einer faktischen
Parteiidentität und damit zum unzulässigen Insichprozess führt.
Daher ist das
Anerkenntnisurteil infolge prozessualer Unwirksamkeit aufzuheben und das
Verfahren auf den gestellten Antrag der Beklagten an das Landgericht
zurückzuverweisen sein. Der Senat kann dabei offenlassen, ob die
Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für eine
Zurückverweisung vorliegen. Denn die Unwirksamkeit des Anerkenntnisses führt
auf die Berufung der Beklagten schon im Wege einer analogen Anwendung von
§ 538 Abs. 2 Nr. 6 ZPO zur Aufhebung eines daraufhin ergangenen
Anerkenntnisurteils und zur Zurückverweisung (OLG München, Urteil vom 23.
Oktober 1990 – 5 U 3462/90 –, juris; Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung,
33. Aufl. 2020, § 307 ZPO, Rn. 13; Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung,
33. Aufl. 2020, § 538 ZPO, Rn. 54).
Die
Zurückverweisung ist sachgerecht, da die Parteien bei einer Sachentscheidung
des Senats den Verlust einer Tatsacheninstanz hinzunehmen hätten (vgl. OLG
Karlsruhe, Beschluss vom 21. April 2015 – 11 Wx 82/14 –, Rn. 32, juris) und das
Verfahren erstinstanzlich bislang ohne inhaltliche Erörterung geblieben ist.
Aus diesem Grund ist der Rechtsstreit auch auf den nur hilfsweise gestellten
Antrag der Beklagten an das Landgericht zurückzuweisen (vgl. OLG Koblenz,
Urteil vom 31. Mai 2007 – 5 U 123/07 –, Rn. 7, juris; siehe auch
KG Berlin,
Beschluss vom 10. Juli 2006 – 12 U 217/05 –, Rn. 6, juris, einen hilfsweise
gestellten Antrag auf Zurückverweisung als logisch vorrangig ansehend).
Anlass für die
Zulassung der Revision besteht nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, und die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung
des Bundesgerichtshofs nicht erfordern, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Eine
Kostenentscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem
landgerichtlichen Schlussurteil vorbehalten (Heßler in: Zöller,
Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 538 ZPO, Rn. 58). Dagegen ist ein
Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit erforderlich (vgl. OLG München,
Urteil vom 18. September 2002 – 27 U 1011/01 –, Rn. 75, juris; Heßler in:
Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 538 ZPO, Rn. 59).
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