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Freitag, 18. März 2022

Melderegisterauskunft: Gebühr ohne Beantwortung der Anfrage (Bestimmtheit der Gebührenorm) ?

Häufig sind Personen umgezogen und der Gläubiger muss die neue Anschrift in Erfahrung bringen. Nicht nur haben sich die Schuldner in vielen Fällen nicht umgemeldet, sondern eine Auskunft wird auch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erteilt. Aber auch wenn keine Auskunft erteilt wird, wird in vielen Fällen eine Gebühr für die (Nicht-) Auskunft erhoben. Der Kläger wandte sich gegen eine solche Gebühr und klagte, nachdem sein Widerspruch zurückgewiesen wurde. Seiner Klage wurde vom Verwaltungsgericht (VG) stattgegeben.

Das VG führte aus, der Gebührenbescheid beruhe auf §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 GebGBbg iVm. der VO über die Gebühren für öffentliche Leistungen im Geschäftsbereich des Ministers des Inneren und für Kommunales (kurz: GebOMIK) im Bundesland Brandenburg. Danach würden die gebühren für die schriftliche Erteilung einfacher Melderegisterauskünfte € 10,00 je nachgefragter Person betragen. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt mit der Angabe, die Auskunft könne aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erteilt werden.

Dabei bezog sich das VG auf Nr. 44.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Budnesmeldegestezes (BMGVwV), wobei es bei der Beantwortung einer Anfrage die Möglichkeiten gäbe, dass (a) die Auskunft erteilt wird, (b) die Auskunft abgelehnt wird und (c) eine neutrale Auskunft erteilt würde. Die neutrale Auskunft nach Nr. 44.1.3.3 BMGVwV habe den auch dem Kläger mitgeteilten Inhalt „Eine Auskunft kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht oder derzeit nicht erteilt werden“. Schon nach dem Wortlaut würde danach eine Auskunft nicht erteilt werden, was aber für den Anfall der Gebühr nach Nr. 2.1.1.1 des Gebührentarifs (GebOMIK) für das Entstehen der Gebühr erforderlich wäre.

Es sei im Hinblick auf die eindeutige Fassung des Gebührentatbestandes „Erteilung einer Auskunft“ nicht möglich, diesen auch dann als erfüllt anzusehen, wenn schriftlich mitgeteilt würde, dass eine Auskunft nicht erteilt wird. Eine derartige Auslegung sei mit dem Gebot der Bestimmtheit von Normen aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar. Der Normadressat müsse seine Normbetroffenheit und die Rechtslage aus der eindeutigen Fassung der Rechtsvorschrift erkennen und seine Verhalten danach ausrichten können. Er müsse daher aus der Fassung des Gebührentatbestandes erkennen können, für welche Leistung die Gebühr erhoben wird (VGH Mannheim, Urteil vom 16.08.2018 - 1 S 625/18 -). Nicht entscheidend sei, ob mit der neutralen Auskunft bzw. Bearbeitung Aufwand verursacht worden sei (a.A. VG Hannover, Urteil vom 29.09.2016 - 10 A 1739/16 -).

Nach § 1 Abs. 3 GebOMIK könnten zwar für öffentliche Leistungen, für die keine Tarifstelle vorhanden sei, wenn sie nicht im öffentlichen Interesse liege, eine Gebühr zwischen € 1,00 bis € 500,00 erhoben werden. Dabei handele es sich aber um eine für das Ob und die Höhe im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung. Weder im Gebührenbescheid noch im Widerspruchbescheid sei aber Ermessen ausgeübt worden (was dann auch entsprechend zu begründen wäre), weshalb auf diese Norm nicht abgestellt werden könne.

Der Beklagte habe allerdings im Prozess auf diese Norm hingewiesen, weshalb er möglicherweise im Verfahren nunmehr den angefochtenen Bescheid ändern wollte bzw. durch einen Ermessensentscheid ersetzt wollte. Dies aber hätte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden müssen; es hätte verdeutlicht werden müssen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handele, sondern um eine Änderung des Verwaltungsaktes selbst (BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 48.12). Das sei nicht erfolgt. Anmerkung: Diese Rechtsansicht ist zutreffend, da - sollte eine solche Erklärung im Prozess erfolgen und das Ermessen auch ausgeübt worden sein - der Kläger dann die Möglichkeit hätte, dies zu akzeptieren, die Hauptsache für erledigt erklären könnte und so die Kosten des Verfahrens der Behörde aufzuerlegen wären.

VG Potsdam, Urteil vom 25.11.2021 - 3 K 1596/18 -

Freitag, 4. Juni 2021

Anwaltliche bei Ehegattentestament und Gebühren (Beratungs- oder Geschäftsgebühr ?)

Die Kläger waren Eheleute und wollten ein Testament aufsetzen. Dazu suchten sie den beklagten Rechtsanwalt auf, von dem sie sich beraten ließen. Dieser entwarf dann ein gemeinschaftliches Testament für die Eheleute, nach dem sich diese wechselseitig als Erben einsetzten. Mit dem Entwurf überließ der Beklagte den Klägern eine Abschlagsrechnung über € 1.808,80, woraufhin die Kläger das Mandat kündigten. Nunmehr rechnete der Kläger endgültig ab und machte eine 1,0fache Geschäftsgebühr gem. § 2 Abs. 2 RVG Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer geltend; als Wert setzte er den Betrag von € 450.000,00 ein.  Den sich daraus ergebenden Betrag von € 3.704,47 zahlten die Beklagten. Danach forderten sie Rückzahlung in Höhe von 3.293,92 und macht geltend, der Beklagte hätte lediglich eine Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 1 RVG in Höhe von € 250,00 eine Mehrgebühr (Vertretung von zwei Auftraggebern) von 0,3 gem. § 2 Abs. 2 RVG Nr. 1008 VV RVG mit € 75,00 nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer (insgesamt € 410,55) berechnen dürfen. Das Amtsgericht wies die Klage ab; auf die Berufung wurde dessen Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Die zugelassene Revision wurde zurückgewiesen.

Der BGH verwies darauf, dass das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bei der außergerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit zwischen Beratung und Vertretung des Mandanten unterscheide. Die Beratung richte sich nur an den Mandanten und die Vergütung sei in § 34 RVG geregelt. Bei der Vertretung sie schon sprachlich ein Dritter erforderlich, gegenüber dem die Vertretung erfolge; diese werde mit einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 VV RVG vergütet. Ob Beratung oder Vertretung vorliege richte sich nach dem Inhalt des Auftrags.

Die auf die Erstellung eines Entwurfs eines Testaments gerichtete Tätigkeit eines Rechtsanwalts stelle sich als Beratung dar. Es läge weder das betreiben eines Geschäfts noch die Mitwirkung an der Gestaltung eines Vertrags iS. der Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG vor. Beratung und Entwurfs des Testaments beträfen nur den Mandanten, der das Testament errichten wolle. Dies würde auch dann gelten, wenn bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaf zwei aufeinander abgestimmte Testamente erstellt werden sollen.  Alleine die Kenntnis der zwei Mandanten von dem jeweiligen Testament des Anderen reiche für eine nach außen gerichtete Tätigkeit („Vertretung“) nicht aus, da beide zusammen den Auftrag erteilt hätten. Anders als bei einem Erbvertrag würde auch eine Mitwirkung an einem Vertrag iS. der Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG nicht begründen können, da jeder der Testierenden sein Testament jederzeit widerrufen oder ändern  könne (§ 2302 BGB).

Für ein gemeinschaftliches Testament sei umstritten, ob eine Geschäftsgebühr anfalle und der BGH habe dies bisher offen gelassen. Nunmehr stellte der BGH klar, dass die Mitwirkung bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments kein Betreiben eines Geschäfts sei. Sie beträfe nur die Eheleute bzw. Lebenspartner, die das Testament errichten wollen (§§ 2265 Abs. 10 BGB, 10 Abs. 4 LPartG). Der Rechtsanwalt würde hier nicht die Interessen eines Testierenden gegen den jeweils anderen vertreten, da bei Auftraggeber seien, was auch im Hinblick auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen ergäbe (§ 43a Abs. 4 BRAO) problematisch wäre.

Es handelt sich dabei auch nicht um eine Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages, selbst wenn das Testament wechselbezügliche Verfügungen (§§ 2270, 2271 BGB) enthalte. Der Vertrag würde durch korrespondierende Willenserklärungen der Vertragspartner nach §§ 145ff BGB geprägt (Angebot und Annahme), demgegenüber das Testament durch eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung errichtet würde (§ 1937 BGB). Das gemeinschaftliche Testament enthalte einseitige Verfügungen beider Eheleute/Lebenspartner, die durch wechselbezügliche Verfügungen voneinander abhängig gemacht werden könnten. Auch dies stelle einseitige Erklärungen der Eheleute dar.

Nr. 2300 VV RVG könne auch nicht durch erweiternde Auslegung über den in der Vorbemerkung zu der Bestimmung eine zusätzliche Fallgruppe, bezogen auf den Fall des gemeinschaftlichen Testaments, erfolgen. Dies schon deshalb, da auch ohne die erweiternde Auslegung über § 34 RVG eine angemessene Vergütung des Rechtsanwalts erreicht würde, da der Rechtsanwalt eine Gebührenvereinbarung vorschlagen und bei Zustimmung abschließen könne.

BGH, Urteil vom 15.04.2021  - IX ZR 143/20 -

Donnerstag, 19. März 2015

Entschädigung des Gerichtssachverständigen - Kappung der Gebühren

Häufig müssen vom Gericht Sachverständige zur Beurteilung von bestimmten Sachverhalten beauftragt werden. Sei es Bausachverständige zur Beurteilung von angeblichen Mängeln, Ärzte in Bezug auf behauptete ärztliche Kunstfehler oder zur Beurteilung von behaupteten Verletzungen und Verletzungsfolgen, Sachverständige zur Verkehrsunfallrekonstruktion uvm. Regelmäßig verlangt in diesen Fällen das Gericht von der beweisbelasteten Partei einen Kostenvorschuss. Der beauftragte Sachverständige bekommt entweder die Höhe des angeforderten Kostenvorschusses mitgeteilt oder kann ihn in der ihm überlassenen Gerichtsakte ersehen. Immer wieder kommt es vor, dass dieser Kostenvorschuss  nicht ausreicht. Häufig wird dem Gericht dies erst mit der Übermittlung des Gutachtens unter gleichzeitiger Überlassung der Rechnung offenbart. In der Regel fordert dann das Gericht eine Nachzahlung von der beweisbelasteten Partei.


Nach Auffassung des OLG Hamm kann aber hier eine Nachbelastung nicht erfolgen und hat der Sachverständige keinen weitergehenden Gebührenanspruch. Die Deckelung erfolgt auf Höhe des ursprünglich vom Gericht von der beweisbelasteten Partei angeforderten Kostenvorschusses, maximal bis 20% mehr. Insoweit verweist das OLG auf §§ 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO, 8a Abs. 4 JVEG, die die alte (bi in das Jahr 2013 reichend) Gesetzeslage geändert hätte. Es bezieht sich hier auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/11471, S. 260 linke Spalte. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8a Abs. 4 JVEG ist die Vergütung ist die Vergütung mit dem Betrag des Vorschusses zu kappen. Die Überschreitung von mehr als 20% ist erheblich, weshalb der Sachverständige nur die Vergütung verlangen kann, die als Vorschuss angefordert worden war. 

OLG Hamm, Beschlußvom 24.07.2014 - 24 U 220/12 -