Freitag, 13. Dezember 2024

Unterscheidungskraft (§ 30 HGB) bei Firmierung unter Beachtung des Gesellschaftszusatzes

Im Handelsregister des Amtsgerichts war eine „xx Investment GmbH“ eingetragen. Es erfolgte eine Anmeldung einer Firma „xx Invest UG (haftungsbeschränkt)“. Das Amtsgericht wies die Eintragung wegen fehlender Unterscheidungskraft zur am Ort bestehenden „xx Investment GmbH“ zurück. Phonetisch bestehe zwar eine Unterscheidung, entscheidend seien aber Gesamteindruck und Wortbild. Der eingelegten Beschwerde half das Amtsgericht nicht ab; sie wurde vom Kammergericht Berlin (KG) zurückgewiesen.

1. Zunächst zu den Begrifflichkeiten: „Firma“ ist der Name des Kaufmanns, unter der er seinen Geschäfts betreibt, § 17 Abs. 1 HGB. Bei der GmbH handelt es sich um eine Gesellschaft ohne vom Gesetz vorgegebene persönliche Haftung der Gesellschafter, deren Stammkapital mindestens € 25.000,00 betragen muss, § 5 Abs. 1 GmbHG; für die UG (haftungsbeschränkt), auch Unternehergesellschaft (haftungsbeschränkt), gerne auch als „kleine GmbH“ bezeichnet, gilt gleiches, allerdings liegt deren Stammkapital unterhalb des Stammkaptals nach § 5 GmbHG, § 6a Abs. 1 GmbHG, wobei das Haftungskapital bei der UG (haftungsbeschränkt) die Eintragung in das Handelsregister erst nach voller Einzahlung des Stammkapitals erfolgen darf, § 6a Abs. 2, wohingegen auf jeden Gesellschaftsanteil der GmbH mindestens 25% bei Abmeldung eingezahlt sein müssen, insgesamt aber mindestens 50% des in § 5 Abs.. 1 GmbHG benannten Kapitals, § 7 Abs. 2 GmbHG.

2. Um eine Verwechslung von Gesellschaften auszuschließen ist erforderlich, dass sich die neue Firma von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handels-, Genossenschafts-, Gesellschafts-, Partnerschafts- oder Vereinsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheidet, § 30 Abs. 1 HGB. Dies wurde hier im Hinblick auf die „xx Invest UG (haftungsbeschränkt)“ gegenüber der „xx Investment GmbH“ verneint.

2.1. Das Amtsgericht hatte zur Begründung seiner Entscheidung auf den Beschluss des BGH vom 14.07.1966 - II ZB 4/66 – verwiesen, in dem es um die Rechtsformzusätze  GmbH und GmbH & Co. KG ging. Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, dies sei nicht einschlägig, da der Verkehr ausreichend zwischen GmbH und UG (haftungsbeschränkt) unterschieden könne.

2.2. In seiner Beschwerdeentscheidung verwies das KG darauf, dass bei beiden Firmen der jeweilige Firmenbeginn mit xx identisch sei, zwei gleichlautende Buchstaben. Zu den Zusätzen Invest und Investment verwies es darauf, dass es sich um Begriffe mit demselben Wortstamm handele, wobei Invest das Verb und Investment das dazugehörige Substantiv sei, wobei Invest auch als abgekürzte deutsche Version des Wortes Investment verstanden werden könne. Die beiden Begriffe lägen nicht nur inhaltlich und phonetisch nahe beieinander, sondern seien auch bei flüchtiger Betrachtung kaum zu unterscheiden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Verkehr zu Verkürzungen tendiere. Gerade bei (wie hier) Überschneidungen im Tätigkeitsbereich und gewählten Sachfirmen seien deutlichere Abstände der Firmen erforderlich (KG, Beschluss vom 17.05.2024 - 22 W 10/14 -).

Damit könne sich der geringe Unterschied allenfalls dann auswirken (also letztlich auf sich beruhen), wenn der Rechtsformzusatz beachtet würde. Auch ausgehend von der Annahme, Rechtsformzusätze würden nie eine Rolle spielen, wäre hier aber die sich aus der Gesetzeslage ergebende Verwechslungsgefahr zu beachten, da eine UG keine GmbH sei, weshalb angenommen werden könnte, die (bestehende) GmbH sei aus der UG erwachsen (§ 5a Abs. 5 GmbHG;  wonach, wie der Verfasser anmerkt,  bei einer Erhöhung des Stammkapitals bei der UG auf oder über den Betrag von § 5 Abs. 1 GmbHG die Sondervorschriften der Abs. 1 bis 5 des § 5a für die UG keine Anwendung mehr finden würden, ohne dass die Firma geändert werden müsse). In diesem Fall, so das KG, käme es auch nicht darauf an, dass perspektivisch aufgrund der Thesaurierungspflicht nach § 5a Abs. 3 GmbHG  bei einem erfolgreichen Geschäftsverlauf davon ausgegangen werden müsse, dass die Beschwerdeführerin später ohnehin den Rechtsformzusatz GmbH tragen würde; in diesem Fall wäre keine Möglichkeit mehr gegeben, die Firma der Gesellschaft zu beanstanden.  Von daher käme es nicht auf eine von der Beschwerdeführerin für notwendig erachtete Beweisaufnahme an, wie deutlich der Verkehr Rechtsformzusätze unterscheide.

3. Das KG hat bei seiner Entscheidung im Wesentlichen auf die fehlende Unterscheidungskraft der Firma ohne Berücksichtigung des Rechtsformzusatzes abgestellt und die Frage, ob dem Zusatz UG (haftungsbeschränkt) eine Unterscheidungskraft zukommt, zunächst ausgeblendet. Die Unterscheidungskraft zwischen „xx Invest“ und „xx Investment“ hat es – zutreffend – verneint. Damit wäre die erforderliche Unterscheidungskraft der Firma nach § 30 Abs. 1 HGB nicht gegeben.

Ob im Verkehr die Unterscheidung anhand von Rechtsformzusätzen vornehmen würde, ließ das KG offen. Denn darauf käme es nicht an, da die UG zur Thesaurierung verpflichtet sei (§ 5a Abs. 3) und so gegebenenfalls in eine GmbH umwandeln könne, ohne dass dann noch die Formierung „xx Invest“ beanstandet werden könnte (§ 57c GmbHG: entstandene Rücklagen werden in Stammkapital umgewandelt) und mithin zu diesem Zeitpunkt das mögliche Unterscheidungsmerkmal UG (haftungsbeschränkt) entfallen würde (was zudem auch durch Erhöhung des Stammkapitals erfolgen kann). Vor diesem Hintergrund ist der Entscheidung des KG zuzustimmen.  

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 24.05.2024 - 22 W 14/24 -

Donnerstag, 12. Dezember 2024

Sichtbehinderung bei „Grün“ und Nachzügler, Haftung nach § 17 Abs. 1 StVG

Die Situation: Der Kläger fuhr bei Umschalten auf „Grün“ in den Kreuzungsbereich hinein. Links von ihm befand sich ein Lkw, der nach links abbiegen wollte. Die Beklagte befand sich (eventuell) noch im Kreuzungsbereich (sogen. Nachzügler), konnte aber vom Kläger infolge der Sichtbehinderung durch den abbiegenden Lkw nicht gesehen werden; sie umfuhr den Lkw auf einer nicht von ihr zu nutzenden Fahrspur und stieß so mit dem klägerischen, von rechts kommenden Fahrzeug des Klägers zusammen. Das OLG ging von einer Haftungsverteilung von 2/3 zu Lasten der Beklagten zu 1/3 zu Lasten des Klägers aus.

Rechtlicher Ausgangspunkt sei hier, dass beide Verkehrsteilnehmer für die Folgen des Unfallgeschehens nach §§ 7, 17, 18 StVG einzustehen hatten, da die Unfallschäden bei dem Betrieb der Fahrzeuge entstanden seien und keine höhere Gewalt vorläge, ferner es sich für keine der Parteien um höhere Gewalt iSv. § 17 Abs. 3 StVG handele. Diese Haftungsverteilung nach § 17 StVG würde aufgrund festgestellter (also unstreitiger, zugestandener oder nach § 286 ZPO bewiesener) Umstände nicht zur Alleinhaftung der Beklagten führen:

Ein Rotlichtverstoß sei für die Beklagte nicht bewiesen. Es streite dafür auch kein Anscheinsbeweis. Der Anscheinsbeweis setze eine Geschehensablauf voraus, bei dem sich nach allgemeiner Lebenserfahrung der Schluss aufdränge, dass ein Verkehrsteilnehmer seine im Verkehr erforderlichen Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt habe und das Unfallgeschehen dafür typisch sei (BGH, Urteil vom 10.10.2023 - VI ZR 287/22 -).  Der Umstand, dass der Kläger erst nach Grünanzeige für ihn losgefahren sei ließe nicht den Schluss zu, dass die Beklagt bei Rot in den Kreuzungsbereich reingefahren sei; da der Lkw die Beklagte an der Überquerung der Kreuzung gehindert habe, sei es mithin auch möglich, dass sie auch bei Grün in die Kreuzung einfuhr und dort den Abbiegevorgangs des Lkw abgewartet habe.

Allerdings sei bei der Beklagten ein Verstoß gegen § 1 As. 2 StVO zu berücksichtigen, da selbst dann, wenn es sich bei ihr um einen echten Nachzügler handele (was nicht feststünde), hätte sie die Kreuzung nur vorsichtig und unter sorgfältiger Beachtung des einsetzenden Gegen- oder Querverkehrs verlassen dürfen (OLG Hamm, Urteil vom 26.08.2016 - 7 U 22/16 -). Die Beklagte habe aber ein besonders gefährliches Fahrmanöver vorgenommen, indem sie eine dem Linksabbiegerverkehr aus einer anderen Straße vorbehaltenen Bereich trotz der Sichtbehinderung durch den Lkw nutzte und die Kreuzung ohne Beachtung des von rechts kommenden Verkehrs überquerte. Damit habe sie die ihr obliegende Sorgfalt in erheblichen Maße vermissen lassen.

Auch bei dem Kläger sei ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO festzustellen. Zwar müsste er im Allgemeinen nicht damit rechnen, dass bei einem Einfahren bei Grün in die Kreuzung Querverkehr unter Missachtung des Rotlichts für diesen von der Seite in die Kreuzung einfahre. Das ihm zustehende Vorfahrtsrecht entbinde aber nicht von der Verpflichtung, den aufgrund vorangegangener Lichtphase der Ampeln in die Kreuzung eingefahrenen Verkehrsteilnehmern, die diese nicht mehr rechtzeitig hätten räumen können, das Vorrecht einzuräumen (BGH, Urteil vom 09.11.1976 - VI ZR 264/75 -). Auch bei Grün dürfe daher eine unübersichtliche Kreuzung nur vorsichtig mit Anhaltebereitschaft durchfahren werden, da mit Nachzüglern zu rechnen sei. Auf einen Vertrauensgrundsatz, dass sich keine Nachzügler mehr im Kreuzungsbereich aufhalten würden, könne er sich nicht berufen (BGH, Urteil vom 20.12.1967 – 4 StR 382/67 -).

Hier habe sich der Kläger, dessen Sicht nach links durch den Lkw versperrt gewesen sei, nicht vergewissert, ob sich von dort kommend Nachzügler im Kreuzungsbereich befanden (die Vorrang hätten). Der Umstand, dass der Lkw zum Zeitpunkt des Anfahrens des Klägers noch die Spur nach links blockierte und das Fahrmanöver der Beklagten unter Umfahrung desselben sorgfaltswidrig gewesen sei, käme es nicht an, da es nicht so atypisch gewesen sei, dass der Kläger mit einem solchen Fahrmanöver nicht hätte rechnen müssen.  Dieses sorgfaltswidrige Verhalten sei zu Lasten des Kläger unabhängig davon zu berücksichtigen, ob es sich bei der Beklagten um einen „echten Nachzügler“ handele.

Bei der Abwägung dieser Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Beteiligte nach § 17 Abs. 1 StVG nahm das OLG eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten an.

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom  20.09.2024 - 3 U 28/24 -

Dienstag, 10. Dezember 2024

Rücktritt vom Kaufvertrag: Umweltbonus Teil des Kaufpreises

Streit bestand nach dem Rücktritt des Klägers von einem Kaufvertrag über ein Elektroauto darüber, ob der Verkäufer die staatliche Förderung („Umweltbonus“) an den Käufer erstatten muss. Das Landgericht hat die Zahlungspflicht aus dem Gesichtspunkt der geschuldeten Kaufpreisrückerstattung gem. §§ 346 Abs. 1, 440, 323 Abs. 1. 437, Nr. 2 Fall 1, 433 f BGB bejaht. Die Berufung des Verkäufers (Beklagte) war erfolglos.  

Nach § 346 Abs. 1 BGB seien im Falle eines Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gezogene Nutzungen herauszugeben. Nach dem Rücktritt des Klägers lägen die Voraussetzungen auch in Bezug auf den nicht ausgekehrten streitgegenständlichen Teilbetrag vor, den der Kläger als staatliche Förderbeihilfe bei dem Erwerb auf seinen Antrag erhalten habe.  Zu der vom Verkäufer „empfangenen Leistung“ iSv. § 346 Abs. 1 BGB gehöre auch der an die Beklagte ausgekehrte Umweltbonus entsprechend Ziffer 5.1 der Richtlinie, der auf deren Antrag nach Zulassung des Fahrzeugs erstatten wurde. Fehlerhaft sei die Annahme der Beklagten, mit der Förderrichtlinie sei (unabhängig von der privatrechtlichen Beziehung der Parteien) nicht vereinbart, dass der Kläger den Bonus behalten könne bei einem Rücktritt vor Ablauf der Mindesthaltedauer. Hier sei aber nur das (öffentlich-rechtlich geprägte) Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Subventionsgeber betroffen. Ferner bestünde auch kein Anspruch der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der „gezogenen Nutzung“ (§ 346 Abs. 1 BGB). Vorteile, die nicht durch Gebrauch sondern nur mittels der Sache gewonnen würden, würden nicht darunter fallen. Die Förderbeihilfe in Form des Umweltbonus würde nicht einen Gebrauch des Kaufgegenstandes anknüpfen, sondern an davon unabhängige Voraussetzungen.

Der Kaufvertrag zwischen den Parteien enthalte hier auch keine Regelungslücke. Es sein keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte eine mit dem Erwerb erlangte staatliche Beihilfe bei einer Rückabwicklung auf die Beklagte übertragen wollten.

Richtig sei allerdings die Auffassung der Beklagten, der Umweltbonus habe nur einen den Marktpreis für Neufahrzeuge begünstigenden Faktor dargestellt, weshalb die Beklage nach Rückerhalt bei Weiterverkauf ohne weitere Fördermöglichkeit und ohne die Möglichkeit, den vom Kläger vereinnahmten Umweltbonus an einen Neukäufer weiterzureichen, voraussichtlich einen Verlust erleiden würde. Dies zu berücksichtigen wäre aber Sache des Richtliniengebers gewesen.

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 03.09.2024 - 6 U 79/23 -

Samstag, 7. Dezember 2024

Doppelkündigung des Mietvertrages nach Zahlungsverzug

oder: Ein Streit zwischen dem 66. Zivilkammer des LG Berlin und dem VIII. Zivilsenat des BGH

Der BGH hat bestätigt, dass bei einer Doppelkündigung bei Zahlungsverzug (d.h. eine fristlose Kündigung und hilfsweise eine ordentliche Kündigung) trotz zwischenzeitlicher Zahlung innerhalb der gesetzlichen Schonfrist (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) wirksam bleibt. Dem Rechtsstreit lag wiederholt eine Entscheidung des LG Berlin zu dieser Frage zugrunde, die das LG Berlin (partout) anders beurteilt wissen will als vom BGH (dem zuständigen Senat für Mietsachen) gesehen.

Die Beklagten waren ihren Mietzahlungsfristen aus einem Mietverhältnis aus dem Jahr 1994 in den Monaten Oktober 2019, Januar 2020 und Mai 2021 nicht nachgekommen. Da auch nach mehrmaliger vergeblicher Mahnung durch die Vermieterin (Klägerin) Zahlung nicht erfolgte, kündigte diese mit Schreiben vom 08.06.2021 das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB) und hilfsweise ordentlich. Am 30.06.2021 wurden die Mietrückstände ausgeglichen. Die Klägerin erhob gleichwohl Räumungsklage, gestützt auf die hilfsweise Räumungsklage. Während das Amtsgericht er Räumungsklage stattgab, wurde sie auf die Berufung der Klägerin durch das Landgericht Berlin abgewiesen, welches zur Begründung darauf verwies, dass eine rechtzeitige Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB neben der außerordentlichen Kündigung auch die (wie hier) auf denselben (ausgeglichenen) Zahlungsrückstand gestützte hilfsweise ordentliche Kündigung heile. Die Rechtsauffassung des BGH in seinen Urteilen vom 13.10.2021 - VIII ZR 91/20 - und vom 05.10.2022 - VIII ZR 307/21 -, gestützt auf eine vom BGH angenommene bindende Gesetzgebung, greife nicht, da es dafür an einem verfassungsrechtlich maßgeblichen Bezugspunkt, nämlich einem vom Gesetzgeber stammenden Gesetz, ermangele.  Die vom Landgericht zugelassene Revision der Klägerin war erfolgreich.

Der BGH verwies darauf, dass die nach der Kündigung erfolgte Zahlung lediglich Auswirkung auf die fristlose Kündigung) Auswirkung habe, nicht auf eine zum Kündigungszeitpunkt zum Kündigungszeitpunkt bestehenden Mietrückstand zugleich gestützte ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB von der Schonfristzahlung nicht berührt wird. § 569 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 BGB sei auf diese weder unmittelbar noch analog anwendbar. Vorausgehende entsprechende Urteile des Landgerichts habe der BGH bereit mit Urteilen vom 13.10.2021 - VIII ZR 91/20 - und vom 05.10.2022 - VIII ZR 307/21 - aufgehoben. Auch die jetzige Rechtsansicht des Landgerichts böten keine Veranlassung von der bisherigen Rechtsprechung des BGH abzuweichen.

Entgegen der Annahme des Landgerichts habe der Senat  nicht auf ein bloßes Verhalten des Gesetzgebers (seine ins Stocken geratene Überlegungen zur Änderung der Rechtslage in Bezug auf die Schonfristzahlung und deren Auswirkung auf die hilfsweise ordentliche Kündigung) abgestellt (dazu BGH, Urteil vom 05.10.2022 - VIII ZR 307/21 -), weshalb auch der Einwand fehl gehe, der methodische Ansatz des Senats habe „äußerst bedenkliche Konsequenzen für die Rechtsklarheit“ und könne zu „untragbaren Verwerfungen in der parlamentarischen Arbeit“ führen. Die Beurteilung des Senats würde weder jeder parlamentarischen Äußerung ohne weiteres für eine historische Auslegung einer Norm eine Relevanz beigemessen noch davon ausgegangen, dass der Ablehnung oder Nichtverfolgung von Gesetzesvorhaben generell Bedeutung bei der Gesetzesauslegung zukommen.

Eine Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung ergäbe sich auch nicht daraus, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der ordentlichen Kündigungsfrist die Zahlungsrückstände ausgeglichen gewesen wären. Die Pflichtverletzung, die Grundlage der ordentlichen Kündigung sei, würde durch die nachträgliche Zahlung nicht geheilt (BGH, Urteil vom 16.02.2005 - VIII ZR 6/04 -). Die Würdigung, ob diese Pflichtverletzung im Rahmen einer notwendigen Gesamtwürdigung als nicht unerheblich iSv. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB anzusehen sei, obliege der Beurteilung der Tatsacheninstanz, wobei Dauer und Höhe des Zahlungsverzug zu ermitteln seien (BGH, Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12 -), wozu das Landgericht keine Feststellungen getroffen habe. Auch habe das Landgericht keine Prüfung vorgenommen, ob bei einem Ausgleich eine Treuwidrigkeit iSv. § 242 BGB angenommen werden könne.

Der BGH hob damit das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Berlin auf. Es machte bei der Zurückverweisung von der Möglichkeit Gebrauch, dem Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landgerichts Berlin als die 66. Zivilkammer zurückzuverweisen.

Anmerkung: Es ist sicherlich das Recht des Gerichts von höchstrichterlicher Rechtsprechung abzuweichen und mit eigenen Argumenten eine andere Rechtsansicht zu vertreten. So ist im Grundsatz nichts dagegen einzuwenden, wenn hier die 66. Zivilkammer von der Rechtsprechung des BGH abweicht. Doch irgendwann muss auch dieses Gericht einsehen, dass diese Rechtsprechung gefestigt ist und neue Umstände/Gründe eine Abänderung nicht herbeizuführen mögen. So war vorliegend die Argumentation des Landgerichts im Wesentlichen bereits in den zwei Vorverfahren abgehandelt worden und es hätte auch dem LG Berlin klar sein müssen, dass eine Abänderung nicht zu erreichen ist. Die Zulassung der Revision durch das Landgericht war im Hinblick auf § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO geboten, da von einer Entscheidung des BGH abgewichen wurde. Hier hat das LG Berlin mit seinem Urteil den Parteien Steine statt Brot gegeben – austragen muss dies letztlich kostenmäßig derjenige, der den Rechtsstreit verliert.

Die Entscheidung der Zurückverweisung an eine andere Zivilkammer des LG Berlin war sicherlich aus Bedacht und zutreffend getroffen worden.

BGH, Urteil vom 23.10.2024 - VIII ZR 106/23 -

Donnerstag, 5. Dezember 2024

Auswirkung der Reform des GbR-Rechts auf ein Teilungsversteigerungsverfahren nach Kündigung

Der Antrag des Beschwerdeführers, der neben der Beschwerdegegnerin Gesellschafter einer immobilienhaltenden GbR zu 50% war, auf Teilungsversteigerung, wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Seine Beschwerde dagegen war auch nicht erfolgreich.

Von dem Beschwerdeführer wurde das Gesellschaftsverhältnis gekündigt und gleichzeitig die freihändige Verwertung der Immobilie angeboten. Die Parteien einigten sich nicht über eine freihändige Verwertung, weshalb der Beschwerdeführerin die Zwangsversteigerung beantragte.

Der Antrag auf Teilungsversteigerung wäre nach altem Recht (§ 731 BGB a.F.) zulässig gewesen, da § 731 BGB a.F. auf das Recht der Gemeinschaft und mithin § 753 BGB und damit auf § 180 ZVG verwies. Diese Verweisungsnorm, auf die sich der BGH stützte (Beschluss vom 16.05.2013 – V ZV  198/12 -), ist mit der Gesetzesänderung zur GbR durch das MoPeG fortgefallen. Die Auseinandersetzung der GbR sei, so das Landgericht in seiner Beschwerdeentscheidung, in den jetzigen §§ 735 ff BGB neu geregelt worden, weshalb nur die Beschwerdeführerin mit er Beschwerdegegnerin als Liquidatoren antragsbefugt wären. Dies würde aber hier den Beschwerdeführer im Falle der Verweigerung des freihändigen Verkaufs oder der Versteigerung nicht schutzlos stellen. Zwar könne er nicht unmittelbar die Teilungsversteigerung beantragen, aber nach § 736a Abs 1 S. 1 BGB bewirken, dass die Beschwerdegegnerin als Liquidatorin (nach § 736 Abs. 1 BGB sind alle Gesellschafter Liquidatoren, es sei denn, der Gesellschaftervertrag enthält eine anderweitige Regelung oder es wurde ein davon abweichender Beschluss gefasst, § 736 Abs. 4 BGB) abberufen wird, § 736a Abs. 1 S. 1 BGB. Mit dieser Norm würde sichergestellt, dass eine Liquidation der Gesellschaft auch erfolgen könne, wenn eine gedeihliche Durchführung der Liquidation durch die Liquidatoren oder (ggf. nach § 736 Abs. 4 BGB) berufenen Liquidatoren nicht zu erwarten sei.

Allerdings ist hier Voraussetzung, dass die GbR im Gesellschaftsgregister eingetragen ist. Diese Eintragung könnte allerdings der die Liquidation hindernde Gesellschafter durch fehlende Mitwirkung verhindern. Dies sah auch das Landgericht und verwies darauf, dass nach den gesetzgeberischen Erwägungen im Einzelfall bei einer vergleichbaren Interessenslage dennoch § 736a BGB entsprechend angewandt werden könne, wie es bereits vor dem Inkrafttreten des die Rechtsgrundlagen für die GbR ändernden MoPeG für eine unternehmenstragende GbR angenommen worden sei.

Auch aus § 736d Abs. 2 BGB sei keine Antragsbefugnis des Beschwerdeführers abzuleiten. Danach seien im Zweifel alle Vermögensgegenstände freihändig zu verkaufen oder, wenn dies sinnvoll ist, zu versteigern. Da bedeute aber nicht, dass nach einer Kündigung (wie hier) keine Gesellschafterbeschlüsse mehr erforderlich wären. Widerspräche ein Liquidator dem Verkauf oder einer Versteigerung (wofür auch vernünftige Gründe vorliegen könnten) wäre im Rahmen eines Verfahrens nach § 736a BGB (gerichtliche Entscheidung) festzustellen, ob dieser Liquidator die Durchführung der Liquidation durch sein Verhalten verhindern will und damit ein Grund besteht, ihn abzuberufen. Entstünde durch die Verweigerungshaltung den anderen Liquidatoren ein Schaden /z.B. durch einen niedrigeren Verkaufspreis), wäre dieser ggf. durch ihn zu ersetzen.

Eine Notgeschäftsführung käme mangels einer Regelungslücke in Ansehung der gesetzgeberischen Intention der Anlehnung an das Recht der OHG und KG nicht in Betracht.

LG Hamburg, Beschluss vom 11.06.2024 - 328 T 16/24 -

Mittwoch, 4. Dezember 2024

Darlegungsumfang zur Kompatibilität von Schäden nach Kfz-Unfall

Streitig war, ob ein Fahrzeugschaden, den der geschädigte Kläger gerichtlich geltend machte, durch den dort streitigen Unfall verursacht wurde.  Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, die Berufung wurde im Beschlussweg nach § 522 ZPO zurückgewiesen. Dabei wies das Berufungsgericht darauf hin, dass bei Richtigkeit der Angaben des erstinstanzlich vernommenen Zeugen zum Zustand des Klägerfahrzeugs vor Fahrtantritt die nicht kompatiblen Schäden nicht im Nachhinein entstanden sein; es stünde die ernsthafte Möglichkeit einer Manipulation im Raum, was gestützt würde durch die Verweigerung der von der beklagten Haftpflichtversicherung erbetenen Besichtigung des beschädigten Fahrzeugs vor dessen Verkauf durch den Kläger gestützt würde. Auch wenn der Sachverständige ausgeführt habe, bestimmte abgrenzbare Schäden (Türaußengriff, Beifahrertür, rechter Außenspiegel, Scheinwerfer, rechte Seitenwand) seien auf das Schadensereignis zurückzuführen, ändre dies nichts, da der Klägerdarzulegen habe, dass und in welchem Umfang ein Vermögensnachteil entstanden sei.

Mit dieser Entscheidung sah der BGH durch das OLG das rechtliche Gehör des Klägers (Art. 103 GG) als verletzt an. Danach sei das Gericht verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge gehöre dazu. Dies gelte auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung darauf beruhen würde, dass das Gericht wie hier (verfahrensfehlerhaft) überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei stelle (BGH, Beschluss vom 06.06.2023 – VI ZR 197/21 -).

Das OLG habe alleine darauf abgestellt, der Kläger habe nicht dargelegt, welche der behaupteten Schäden an seinem Fahrzeug durch die Kollision mit dem gegnerischen Fahrzeug entstanden seien und welche nicht. Ferner sei das OLG der Annahme, der Kläger müsse zu vom Sachverständigen als kompatibel festgestellten Schäden vortrage, welche in dem von ihm vorgelegten Schadensgutachten enthaltenen Positionen (Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung erforderlich seien.

Dieser Vortrag durch den Kläger sei nicht erforderlich. Der Sachverständige habe dargestellt, welche Schäden durch die Kollision verursacht seien. Damit aber sei die Abgrenzung oder Abgrenzbarkeit keine Frage der Darlegung, sondern gegebenenfalls ein Gesichtspunkt der Beweiserhebung und richterlichen Überzeugungsbildung, ob der Kläger den ihm obliegenden Beweis zumindest teilweise erbracht habe (BGH, Beschluss vom 06.06.2023 - VI ZR 197/21 -).

Ebenfalls als überspannt sah der BGH die Anforderung des OLG an, der Kläger habe darzulegen, welche der in dem von ihm vorgelegten Sachverständigengutachten benannten Positionen (Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung der Schäden an dem klägerischen Pkw, deren Kompatibilität der Sachverständige festgestellt habe, erforderlich seien und klar eine Abgrenzung vorzunehmen. Der BGH verwies darauf, dass hier nicht der Vollbewies nach § 286 ZPO zu erbringen sei, sondern das Beweismaß des § 287 ZPO ausreichend sei, wodurch nicht nur die Beweisführung, sondern auch bereits die Darlegung erleichtert würde (BGH, Beschluss vom 15.10.2019 - VI ZR 377/18 -).  Weder müsse der Geschädigte zur substantiierten Darlegung eines geltend gemachten Schadens ein Privatgutachten vorlagen, noch ein vorgelegtes Privatgutachten dem Ergebnis der Beweisaufnahme oder der gerichtlichen Überzeugungsbildung gemäß ergänzen. Vielmehr könne der Geschädigte durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen aufklären lassen, in welcher geringeren als von ihm ursprünglich angenommenen Höhe Reparaturkosten anfallen (BGH, Beschluss vom 06.06.2023 – VI ZR 197/21 -).

BGH, Urteil vom 25.09.2024 - VIII ZR 58/23 -

Samstag, 30. November 2024

Grundbuchumschreibung, notarielles Testament und Pflichtteilsstrafklausel

Am 27.09.2004 errichteten die Eheleute eine notarielles gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen und uneingeschränkten Erben einsetzten. Der Längerlebende sollte durch die Beteiligten (ihre Kinder) zu gleichen Teilen beerbt werden; im Falle des Vorversterbens eines der Kinder sollten dessen Abkömmlinge an seine Stelle treten, für die Beteiligte zu 4, die keine Ankömmlinge hatte, sollte deren Anteil den übrigen Beteiligten bzw. deren Abkömmlingen anwachsen. Weiter wurde im Testament aufgenommen, dass derjenige Erbe, der nach dem Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, nach dem Zuletztversterbenden auch lediglich seinen Pflichtteil verlangen könne und im Übrigen der freiwerdende Nachlass den übrigen Beteiligten bzw. deren Abkömmlingen zu gleichen Teilen zufließen sollte, die im ersten Erbgang keinen Pflichtteil verlangten.

2014 verstarb der Vater, der Eigentümer eines Grundstücks war; die Mutter wurde als Eigentümerin Im Grundbuch eingetragen. In 2022 verstarb die Mutter. Am 09.05.2023 schlossen die Beteiligten einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag, demzufolge der Beteiligte zu 3 das Grundstück übernehmen sollte; die Eigentumsänderung wurde bewilligt und beantragt und am 15.06.2023 beantragte die Notarin die Eigentumsumschreibung. Das Grundbuchamt erließ am 28.06.2023 eine Zwischenverfügung, da das Testament als Erbnachweis nicht genüge, da dieses eine Pflichtteilsstrafklausel enthalte. Der Erbnachweis könne durch Vorlage eines Erbscheins oder durch notariell beurkundete eidesstattliche Versicherungen aller Erben, dass keiner von ihnen nach dem Tod des Erstverstorbenen den Pflichtteil geltend gemacht habe, erfolgen. Daraufhin formulierte die Notarin eine Erklärung „Zur Vorlage bei dem Amtsgericht … - Grundbuchamt  -“, „dass nach dem Tod des Erstversterbenden unserer Eltern – keinerlei Pflichteilsansprüche geltend gemacht worden seien“ und sie damit die Mutter zu je 1/5 beerbt hätten. Sodann versicherten die Beteiligten, über die Folgen einer vorsätzlich oder fahrlässig abgegebenen falschen eidesstattlichen Versicherung belehrt worden zu sein und versicherten die Richtigkeit der Erklärung an Eides statt. Diese Erklärung sandte sie den Beteiligten mit dem Hinweis, dass die Erklärung in öffentlich beglaubigter Form abzugeben sei und in Hessen daher entweder die Unterschrift durch ein Ortsgericht oder einen Notar beglaubigt werden müsse, wobei sie aus Kostengründen zur Beglaubigung durch das Ortsgericht anriet. Die Beteiligten ließen ihre Unterschrift (vier Beteiligte in Hessen durch den Ortsgerichtsvorsteher, ein Beteiligter in Baden-Württemberg durch einen Notar) beglaubigen. Die Schriftstücke wurden bei dem Grundbuchamt eingereicht.

Mit weiterer Zwischenverfügung vom 16.08.2023 wies das Grundbuchamt darauf hin, dass das Eintragungshindernis nicht behoben worden sei. Die eidesstattlichen Versicherungen sämtlicher Miterben seien in notarieller Form vorzulegen, Unterschriftsbeglaubigen würden nicht ausreichen. Die Notarin legte gegen die Zwischenverfügung Beschwerde für die Beteiligten ein. Dieser half das Grundbuchamt nicht ab und leget die Beschwerde zur Entscheidung dem Oberlandesgericht (OLG) vor, welches sie zurückwies. Es sah die Beschwerde zwar als zulässig, in der Sache als nicht begründet an.

Die nach § 18 Abs. 1 S. 1 GBO veranlasste Zwischenverfügung sei zutreffend durch ein Eintragungshindernis veranlasst worden, da nicht mit den im Grundbuchverfahren zulässigen Mitteln nachgewiesen worden sei, dass die die Eigentumsübertragung bewilligenden Beteiligten in Erbengemeinschaft die Eigentümer seien, deren Recht durch die Übertragung betroffen würde.

Die Bewilligung müsse gem. § 19 GBO durch denjenigen erfolge, dessen Recht betroffen sei. Damit müssten die Bewilligenden die Erben der noch im Grundbuch eingetragen Mutters ein. Der Nachweis habe grundsätzlich durch öffentliche Urkunden zu erfolgen, § 28 Abs. 1 GBO. Ein Nachweis der Erbfolge könne durch einen Erbschein oder (vorliegend nicht in Betracht kommend) ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden, aber auch, beruhe die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten sei, durch die Verfügung von Todes wegen, die die Erbfolge nachweise, § 35 Abs. 1 S. 2 GBO.

In Form des notariellen Testaments läge eine öffentliche Urkunde vor. Allerdings würde dieses die Erbfolge nicht nachweisen, da aus ihm nicht ersichtlich sei, ob nach dem Tod des Vaters ein Pflichtteil begehrt wurde und damit Erben der Mutter ausgeschieden seien. Sollten alle Beteiligten ihren Pflichtteil nach dem Tod des Vaters geltend gemacht haben, wäre nicht ersichtlich, dass die Berechtigten die Eigentumsübertragung bewilligt hätten. Dieser Fall sei im Testament nicht geregelt worden und deshalb seien zwei Auslegungsmöglichkeiten gegeben: Entweder greife die gesetzliche Erbfolge, dann wäre der Nachweis nicht durch Testament erbracht, oder es erben die Abkömmlinge der eingesetzten Erben, dann hätten nicht die Berechtigten die Eigentumsänderung bewilligt.

Das OLG setzte sich sodann damit auseinander, wie der Nachweis einer (hier) negativen Tatsache der fehlenden Geltendmachung des Pflichtteils erfolgen kann und vertritt mit einer verbreiteten Ansicht in der Rechtsprechung die Auffassung, dass dafür die von einem Notar aufgenommene eidesstattliche Versicherung genüge (z.B. OLG Hamm, Beschluss vom 17.08.2011 - I-15 W 242/11-; OLG Braunschweig, Beschluss vom 30.08.2012 - 2 W 138/12 -). Im Regelfall habe nur die eidesstattliche Versicherung einen hinreichenden Beweiswert, da im Unterschied zur einfachen Erklärung nur die falsche Versicherung an Eides statt nach § 156 StGB strafbar sei. In Ansehung des zu erreichenden Beweiswertes nach § 35 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GBO müsse die Erklärung eine möglichst hohe Gewähr der inhaltlichen Richtigkeit bieten; die eine Erklärung falschen Inhalts sei nicht ohne weiteres strafbar und biete daher nicht dieselbe und damit ausreichende Gewähr für die Richtigkeit wie die notarielle Erklärung (anders u.a. OLG Schleswig, Beschluss vom 16.08.2024 - 2x W 46/24 -).

Es sei auch erforderlich, dass die Erklärung von einem Notar aufgenommen wird, da nur dann von einer angemessenen Belehrung über die Bedeutung der eidesstattlichen Versicherung ausgegangen werden könne (§ 38 Abs. 2 BeurkG). Diese Belehrung sie erforderlich, um den dargelegten notwendig möglichst hohen Beweiswert zu erzielen. Erfolge lediglich eine Unterschriftsbeglaubigung durch einen Notar, bestünde nach § 49 Abs. 2 BeurkG keine Beratungspflicht. Eine anderweitig vorformulierte Belehrung, wie hier, biete schon wegen der fehlenden Möglichkeit zu Rückfragen (der Erklärenden an den Notar) keine der Aufnahme durch den Notar gleichwertige Alternative.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.09.2024 - 20 W 212/23 -