Streitig war, ob ein Fahrzeugschaden, den der geschädigte Kläger gerichtlich geltend machte, durch den dort streitigen Unfall verursacht wurde. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, die Berufung wurde im Beschlussweg nach § 522 ZPO zurückgewiesen. Dabei wies das Berufungsgericht darauf hin, dass bei Richtigkeit der Angaben des erstinstanzlich vernommenen Zeugen zum Zustand des Klägerfahrzeugs vor Fahrtantritt die nicht kompatiblen Schäden nicht im Nachhinein entstanden sein; es stünde die ernsthafte Möglichkeit einer Manipulation im Raum, was gestützt würde durch die Verweigerung der von der beklagten Haftpflichtversicherung erbetenen Besichtigung des beschädigten Fahrzeugs vor dessen Verkauf durch den Kläger gestützt würde. Auch wenn der Sachverständige ausgeführt habe, bestimmte abgrenzbare Schäden (Türaußengriff, Beifahrertür, rechter Außenspiegel, Scheinwerfer, rechte Seitenwand) seien auf das Schadensereignis zurückzuführen, ändre dies nichts, da der Klägerdarzulegen habe, dass und in welchem Umfang ein Vermögensnachteil entstanden sei.
Mit dieser Entscheidung sah der BGH durch das OLG das rechtliche Gehör des Klägers (Art. 103 GG) als verletzt an. Danach sei das Gericht verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge gehöre dazu. Dies gelte auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung darauf beruhen würde, dass das Gericht wie hier (verfahrensfehlerhaft) überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei stelle (BGH, Beschluss vom 06.06.2023 – VI ZR 197/21 -).
Das OLG habe alleine darauf abgestellt, der Kläger habe nicht dargelegt, welche der behaupteten Schäden an seinem Fahrzeug durch die Kollision mit dem gegnerischen Fahrzeug entstanden seien und welche nicht. Ferner sei das OLG der Annahme, der Kläger müsse zu vom Sachverständigen als kompatibel festgestellten Schäden vortrage, welche in dem von ihm vorgelegten Schadensgutachten enthaltenen Positionen (Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung erforderlich seien.
Dieser Vortrag durch den Kläger sei nicht erforderlich. Der Sachverständige habe dargestellt, welche Schäden durch die Kollision verursacht seien. Damit aber sei die Abgrenzung oder Abgrenzbarkeit keine Frage der Darlegung, sondern gegebenenfalls ein Gesichtspunkt der Beweiserhebung und richterlichen Überzeugungsbildung, ob der Kläger den ihm obliegenden Beweis zumindest teilweise erbracht habe (BGH, Beschluss vom 06.06.2023 - VI ZR 197/21 -).
Ebenfalls als überspannt sah der BGH die Anforderung des OLG an, der Kläger habe darzulegen, welche der in dem von ihm vorgelegten Sachverständigengutachten benannten Positionen (Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung der Schäden an dem klägerischen Pkw, deren Kompatibilität der Sachverständige festgestellt habe, erforderlich seien und klar eine Abgrenzung vorzunehmen. Der BGH verwies darauf, dass hier nicht der Vollbewies nach § 286 ZPO zu erbringen sei, sondern das Beweismaß des § 287 ZPO ausreichend sei, wodurch nicht nur die Beweisführung, sondern auch bereits die Darlegung erleichtert würde (BGH, Beschluss vom 15.10.2019 - VI ZR 377/18 -). Weder müsse der Geschädigte zur substantiierten Darlegung eines geltend gemachten Schadens ein Privatgutachten vorlagen, noch ein vorgelegtes Privatgutachten dem Ergebnis der Beweisaufnahme oder der gerichtlichen Überzeugungsbildung gemäß ergänzen. Vielmehr könne der Geschädigte durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen aufklären lassen, in welcher geringeren als von ihm ursprünglich angenommenen Höhe Reparaturkosten anfallen (BGH, Beschluss vom 06.06.2023 – VI ZR 197/21 -).
BGH, Urteil vom 25.09.2024 -
VIII ZR 58/23 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des
Klägers wird der Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt
am Main vom 15. März 2023 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Wert: 29.300,95 €
Gründe
I.
Der Kläger
nimmt die Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger fuhr
am 14. Dezember 2017 mit einem Mercedes-Benz E63 AMG, der am 27. November 2017
auf ihn zugelassen worden war, auf einer Bundesstraße. Der Beklagte zu 1 ist
Halter eines bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Mercedes-Benz
Sprinter. Der Kläger behauptet, auf der Höhe einer wegen einer Baustelle
verkürzten Auffahrt habe der Fahrer des Mercedes-Benz Sprinter beim Wechsel von
der Einfädelspur auf die rechte Fahrspur nicht auf sein Fahrzeug geachtet,
weshalb es zu einer seitlichen Kollision gekommen sei. Am 18. Dezember 2017
erstellte die R. GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war, ein
Schadensgutachten über Schäden an der rechten Seite des Mercedes-Benz E63 AMG.
Das Landgericht
hat nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens
die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch
Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet sich
der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
Die
Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO
zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des
Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Das
Berufungsgericht hat im Hinweisbeschluss ausgeführt, die geltend gemachten
Fahrzeugschäden könnten nicht bei dem vom Kläger geschilderten Unfallgeschehen
entstanden sein. Die Richtigkeit der Angaben des erstinstanzlich vernommenen
Zeugen B. zum Zustand des Klägerfahrzeugs vor Fahrtantritt vorausgesetzt,
könnten die nicht kompatiblen Schäden im Nachhinein hinzugekommen sein. Es
stehe die ernsthafte Möglichkeit einer Manipulation im Raum. Dieser Verdacht
werde gestützt durch die in keiner Weise nachvollziehbare Verweigerung der von
der Beklagten zu 2 erbetenen Besichtigung des beschädigten Fahrzeugs vor dessen
Verkauf durch den Kläger. Im Zurückweisungsbeschluss hat das Berufungsgericht
ausgeführt, wenn der Kläger nun meine, bestimmte abgrenzbare Schäden
(Türaußengriff, Beifahrertür, rechter Außenspiegel, Scheinwerfer, rechte
Seitenwand) seien auch nach den Feststellungen des Sachverständigen auf das
Unfallereignis zurückzuführen, ändere dies nichts. Es sei Sache des Klägers
darzulegen, dass und in welchem Umfang ein Vermögensnachteil entstanden sei.
Dies erfordere bei einem Vorschaden die Darlegung eines bestimmten, näher
abgrenzbaren Teils des Schadens. Daran fehle es hier. Der Kläger habe nicht
dargelegt, welche der Schäden an den von ihm nun benannten Fahrzeugteilen durch
die Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug entstanden seien und welche nicht. Nach
den Feststellungen des Sachverständigen fänden sich etwa an der rechten
Seitenwand Spurenzeichnungen, die durch die Streifkollision mit dem
Mercedes-Benz Sprinter verursacht worden sein könnten, aber auch ein
Spurenbild, welches wegen des Richtungsverlaufs nicht zu dem geschilderten
Unfallhergang passe. Abgesehen davon habe der Kläger auch nicht dargelegt,
welche der zahlreichen, im Schadensgutachten vom 18. Dezember 2017
enthaltenen Positionen (Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung der
Schäden, deren Kompatibilität vom Sachverständigen festgestellt worden sei,
erforderlich seien. Es sei jedoch Sache des Klägers, auch insoweit eine
nachvollziehbare Abgrenzung vorzunehmen.
2. Die
Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht mit diesen
Ausführungen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103
Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
a)
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der
Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot
des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die
Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in
unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der
Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in
Verbindung mit den Grund-sätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung
erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen
Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im
Prozessrecht keine Stütze findet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die
Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht
verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei
gestellt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2023 - VI ZR 197/21,
NJW-RR 2023, 1038 Rn. 6 mwN).
b) Das
Berufungsgericht hat im Zurückweisungsbeschluss allein tragend darauf
abgestellt, dass der Kläger nicht dargelegt habe, welche der behaupteten
Schäden des Mercedes-Benz E63 AMG durch die Kollision mit dem Mercedes-Benz
Sprinter entstanden seien und welche nicht. Er habe auch nicht dargelegt,
welche der in dem von ihm vorgelegten Schadensgutachten enthaltenen Positionen
(Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung der Schäden, deren
Kompatibilität vom Sachverständigen festgestellt worden sei, erforderlich
seien. Es sei Sache des Klägers, auch insoweit eine nachvollziehbare Abgrenzung
vorzunehmen.
c)
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind schon keine weiteren
Darlegungen des Klägers zur Abgrenzung der Beschädigungen erforderlich gewesen.
Denn der Sachverständige hat Ausführungen dazu gemacht, welche Beschädigungen
durch die vom Kläger behauptete Kollision verursacht worden sein könnten.
Danach ist die Abgrenzung oder Abgrenzbarkeit keine Frage der Darlegung,
sondern wäre gegebenenfalls ein Gesichtspunkt der Beweiserhebung und
richterlichen Überzeugungsbildung, ob der Kläger den ihm obliegenden Beweis
zumindest teilweise geführt hat (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 6. Juni 2023 -
VI ZR 197/21, NJW-RR 2023, 1038 Rn. 12).
d) Im
Übrigen hat der Kläger konkret dargelegt, welche der ursprünglich mit der Klage
geltend gemachten Beschädigungen durch den Unfall verursacht worden sein
sollen. Er hat in seiner Stellungnahme zum Hinweisbeschluss unter Bezugnahme
auf die Erläuterung des Sachverständigen ausgeführt, über die bloße
Unfallkompatibilität hinausgehend sei nachgewiesen, dass bestimmte abgrenzbare
Beschädigungen durch das Unfallereignis verursacht worden seien. Der
Sachverständige habe die Schäden am Türaußengriff, an der Beifahrertür und am
rechten Außenspiegel zuordnen können sowie ausgeführt, dass es zu einem
Reifenkontakt des Klägerfahrzeugs mit der B-Säule des Beklagtenfahrzeugs
gekommen sein könne, dass die breite Kunststoffleiste des Beklagtenfahrzeugs
mit den Beschädigungen an den Scheinwerfern des Klägerfahrzeugs in Verbindung
gebracht werden könne und dass eine Berührung mit der hinteren rechten
Seitenwand nicht ausgeschlossen werden könne. Es ist nicht ersichtlich, was der
Kläger zur Abgrenzung der Beschädigungen hätte weiter sachdienlich darlegen
oder ausführen können.
e) Die
weitere Erwägung des Berufungsgerichts, der Kläger habe auch nicht dargelegt,
welche der in dem von ihm vorgelegten Schadensgutachten enthaltenen Positionen
(Arbeitsleistung, Ersatzteile) zur Beseitigung der Schäden des Mercedes-Benz
E63 AMG, deren Kompatibilität vom Sachverständigen festgestellt worden sei,
erforderlich seien, und es sei Sache des Klägers, auch insoweit eine
nachvollziehbare Abgrenzung vorzunehmen, überspannt ebenfalls die
Darlegungsanforderungen.
Dem
Geschädigten wird durch § 287 ZPO nicht nur die Beweisführung, sondern
bereits die Darlegung erleichtert (vgl. Senat, Beschlüsse vom 6. Juni 2023
- VI ZR 197/21, NJW-RR 2023, 1038 Rn. 13; vom 15. Oktober 2019
- VI ZR 377/18, NJW 2020, 393 Rn. 8; jew. mwN; siehe weiter
Maschwitz, NZV 2024, 268 Rn. 10 f.). Er muss zur substantiierten Darlegung des
mit der Klage geltend gemachten Schadens weder ein Privatgutachten vorlegen,
noch ein vorgelegtes Privatgutachten dem Ergebnis der Beweisaufnahme oder der
gerichtlichen Überzeugungsbildung entsprechend ergänzen. Der Geschädigte kann
durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen aufklären lassen, in
welcher geringeren als von ihm ursprünglich geltend gemachten Höhe
Reparaturkosten anfallen (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2023 - VI ZR
197/21, NJW-RR 2023, 1038 Rn. 13; siehe weiter Maschwitz, NZV 2024, 268
Rn. 19 ff., 26 ff.).
f) Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat die Möglichkeit einer Manipulation bislang nur ernsthaft angenommen, sich davon aber nicht überzeugt (vgl. dazu Senat, Urteil vom 1. Oktober 2019 - VI ZR 164/18, NJW 2020, 1072; Maschwitz, NZV 2024, 268 Rn. 28). Es kann daher nicht sicher ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, der geltend gemachte Anspruch bestehe zumindest teilweise.
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