Die Klägerin, deren Fahrzeug einen
Unfallschaden erlitt, war Betreiberin einer eigenen, gewinnorientierten
Kfz-Werkstatt. Nach dem Verkehrsunfall veräußerte sie das unreparierte
Fahrzeug. Sie machte gegen die beklagte Haftpflichtversicherung
des den Verkehrsunfall alleine verursachenden Fahrzeugs fiktiven Schadenersatz
(berechnet auf Basis eines von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens) geltend.
Die Haftpflichtversicherung zog von dem Schadensbetrag 20% mit Hinweis darauf
ab, dabei handele es sich um den (unterstellten) Unternehmensgewinn der
Klägerin, der dieser nicht zustehe, da ihr Reparaturbetrieb nicht ausgelastet
gewesen sei. Das Amtsgericht wies die Klage ab, das Landgericht gab ihr statt
und ließ dies Revision zu. Die von der Klägerin eingelegte Revision wurde vom
BGH zurückgewiesen.
Zunächst fasste der BGH die Grundsätze
zusammen, nach denen der Geschädigte im Rahmen fiktiven Schadensersatzes nach
einem Verkehrsunfall den Unternehmensgewinn als Teil der Reparaturkosten
ersetzt verlangen kann.
Nach § 249 Abs. 1 BGB habe der Schädiger
den Zustand wiederherzustellen, der dem Zustand ohne das Schadenereignis entspräche.
Er könne bei der Beschädigung einer Sache gem. § 249 Abs. 2 S. 2 BGB statt der
Herstellung auch den dazu erforderlichen Geldbetrag leisten. Der Geschädigte
wäre infolge seiner Dispositionsfreiheit in der Verwendung der von ihm vom
Schädiger verlangten Mittel frei, sei also insbesondere nicht zur Reparatur
verpflichtet (BGH, Urteil vom 17.09.2019 - VI ZR 396/18 - mwN.). Allerdings
habe der Geschädigte unter mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten
diejenige zu wählen, die den geringeren Aufwand erfordere; nur der für diese
Art der Schadensbehebung notwendige Geldbetrag sei im Sinne des § 249 Abs. 2 S.
1 BGB zur Herstellung erforderlich (BGH, Urteil vom 29.10.2019 - VI ZR 45/19
-).
Dies bezeichnet der BGH als
Wirtschaftlichkeitsgebot, welches allerdings nicht absolut gelte, sondern nur
im Rahmen des dem Geschädigten Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner
individuellen Lage. Nähme der Geschädigte die Schadensbehebung selbst vor, sei
im Rahmen der sogen. subjektbezogenen Schadensbetrachtung der zur Herstellung
erforderliche Aufwand nach der besonderen Situation des Geschädigten zu bemessen.
Auf seine evtl. beschränkten Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie für
ihn bestehende Schwierigkeiten sei zu seinen Gunsten Rücksicht zu nehmen. Andererseits
sei zugunsten des Schädigers darauf Rücksicht zu nehmen, wenn der Geschädigte
über besondere Expertise, erhöhte Einflussmöglichkeiten oder sonstige Vorteile
oder Erleichterungen verfüge, was sich anspruchsverkürzend für den Geschädigten
auswirken könne (BGH vom 19.10.2019 - VI ZR 45/19 -).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze
habe der Geschädigte regelmäßig Anspruch auf Ersatz der in einer
markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten, unabhängig davon,
on er das Fahrzeug voll oder minderwertig oder gar nicht reparieren lasse. Dem
Wirtschaftlichkeitsgebot genüge der Geschädigte idR., wenn er der
Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze Ersatzteilkosten auf
dem allgemeinen regionalen Markt einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde lege.
Die so ermittelten Reparaturkosten würden auch demjenigen zustehen, der kraft
eigener Fähigkeiten oder aus sonstigen individuellen Gründen zu einer
kostengünstigeren Eigenreparatur imstande sei (BGH, Urteil vom 16.05.1970 - VI
ZR 168/69 -).
Auch wenn der Geschädigte einen
eigenen auf Gewinnerzielung ausgerichteten Reparaturbetrieb führe, habe er
Anspruch auf diese Kosten einschließlich des darin enthaltenen Gewinnanteils
des Reparaturbetriebes. Nach dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht gem. §
254 Abs. 2 S. 1 BGB müsse sich der Geschädigte allerdings in diesem Fall auf
eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit in seiner eigenen Werkstatt verweisen
und es ihm zumutbar sei, ansonsten ungenutzte Kapazitäten für die notwendige
Reparatur zu nutzen lassen, wenn sein Betrieb nicht ausgelastet sei (BGH,
Urteil vom 19.11.2013 - VI ZR 363/12 -). Würde man in einem solchen Fall § 254
Abs. 2 S. 1 BGB nicht anwenden, stünde der Geschädigte bei der fiktiven
Abrechnung besser als er bei einer konkreten Schadensberechnung (Durchführung
der Reparatur und Geltendmachung der Kosten) stehen würde (BGH, Urteil vom
29.10.2019 - VI ZR 45/19 -), weshalb auch bei der fiktiven Abrechnung (wie bei
der konkreten Schadensabrechnung) die konkrete Ausgangssituation der Werkstatt
des Geschädigten zu berücksichtigen sei.
Die Darlegungs- und Beweislast zu
§ 254 BGB trifft allerdings auch hier dem Schädiger. Da es sich aber um
Umstände außerhalb der Sphäre des Geschädigten handele, obliege dem Schädigten
eine sekundäre Darlegungslast, seine betriebliche Auslastungssituation
darzustellen (BGH, Urteil vom 19.11.2013 - VI ZR 363/12 -) und ggf. Umstände anzuzeigen,
die eine Reparatur in der eigenen Werkstatt unzumutbar erscheinen lassen
würden. Vom Geschädigten aufgezeigte Umstände habe der Schädiger zu widerlegen.
Nach diesen Grundsätzen verneinte
der BGH einen Anspruch der Klägerin auf den Unternehmensgewinn.
Grundsätzlich könne die Klägerin
fiktiv abrechnen und, obwohl sie einen gewinnorientierten Reparaturbetrieb
betreibe, eine Abrechnung auf Basis des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens
vornehmen. Allerdings müsse sich hier
die Klägerin aus der ihr obliegenden Schadensminderungspflicht heraus auf eine
Reparaturmöglichkeit in der eigenen Werkstatt verweisen lassen. Danach könne
offen bleiben ob (wie vom Berufungsgericht angenommen) für die
Auslastungssituation des Betriebs der maßgebliche Zeitraum mit der Veräußerung
des Fahrzeugs ende, denn die Klägerin habe zu dieser nichts vorgetragen und auch
keine Anhaltspunkte aufgezeigt, die gegen die Anwendung des § 254 Abs. 2 S. 1
BGB sprechen würden.
Zu Recht habe das Berufungsgericht
eine sekundäre Darlegungslast der Klägerin zu dem Einwand der beklagten Versicherung,
die Klägerin könne aufgrund freier Kapazitäten in der eigenen Werkstatt den
Unternehmensgewinn nicht verlangen, angenommen. Dem Geschädigten dürfe bei
seiner Darlegungslast nichts Unmögliches abverlangt werden. Er könne
beanspruchen, dass der Geschädigte an der Beweisführung mitwirke, soweit es
sich um Umstände aus seiner Sphäre handele (BGH, Urteil vom 20.07.2006 - IX ZR
94/03 -). Dieser sekundären Darlegungslast zur Auslastungssituation sei die
Klägerin nicht nachgekommen. Die beklagte Versicherung habe nicht aus eigenem
Wissen zur Dauer der Reparatur noch dazu, wann der Weiterverkauf erfolgt sei,
vortragen können. Nur die (Anm.: voraussichtliche) Reparaturdauer habe sich aus
dem klägerseits vorgelegten Sachverständigengutachten (Grundlage der fiktiven
Schadensabrechnung) ergeben; zu allen anderen Umständen stünde die beklagte
Versicherung - anders als die Klägerin - außerhalb des Geschehensablaufs und
verfüge über keine Erkenntnismöglichkeiten für einen konkreten Vortrag, der der
Klägerin möglich und zumutbar gewesen wäre.
BGH, Urteil vom 26.05.2023
- VI ZR 274/22 -