Sonntag, 6. August 2023

Reparatur in eigener Werkstatt, fiktive Schadensberechnung und Unternehmensgewinn

Die Klägerin, deren Fahrzeug einen Unfallschaden erlitt, war Betreiberin einer eigenen, gewinnorientierten Kfz-Werkstatt. Nach dem Verkehrsunfall veräußerte sie das unreparierte Fahrzeug.  Sie machte gegen die beklagte Haftpflichtversicherung des den Verkehrsunfall alleine verursachenden Fahrzeugs fiktiven Schadenersatz (berechnet auf Basis eines von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens) geltend. Die Haftpflichtversicherung zog von dem Schadensbetrag 20% mit Hinweis darauf ab, dabei handele es sich um den (unterstellten) Unternehmensgewinn der Klägerin, der dieser nicht zustehe, da ihr Reparaturbetrieb nicht ausgelastet gewesen sei. Das Amtsgericht wies die Klage ab, das Landgericht gab ihr statt und ließ dies Revision zu. Die von der Klägerin eingelegte Revision wurde vom BGH zurückgewiesen.

Zunächst fasste der BGH die Grundsätze zusammen, nach denen der Geschädigte im Rahmen fiktiven Schadensersatzes nach einem Verkehrsunfall den Unternehmensgewinn als Teil der Reparaturkosten ersetzt verlangen kann.

Nach § 249 Abs. 1 BGB habe der Schädiger den Zustand wiederherzustellen, der dem Zustand ohne das Schadenereignis entspräche. Er könne bei der Beschädigung einer Sache gem. § 249 Abs. 2 S. 2 BGB statt der Herstellung auch den dazu erforderlichen Geldbetrag leisten. Der Geschädigte wäre infolge seiner Dispositionsfreiheit in der Verwendung der von ihm vom Schädiger verlangten Mittel frei, sei also insbesondere nicht zur Reparatur verpflichtet (BGH, Urteil vom 17.09.2019 - VI ZR 396/18 - mwN.). Allerdings habe der Geschädigte unter mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten diejenige zu wählen, die den geringeren Aufwand erfordere; nur der für diese Art der Schadensbehebung notwendige Geldbetrag sei im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Herstellung erforderlich (BGH, Urteil vom 29.10.2019 - VI ZR 45/19 -).

Dies bezeichnet der BGH als Wirtschaftlichkeitsgebot, welches allerdings nicht absolut gelte, sondern nur im Rahmen des dem Geschädigten Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage. Nähme der Geschädigte die Schadensbehebung selbst vor, sei im Rahmen der sogen. subjektbezogenen Schadensbetrachtung der zur Herstellung erforderliche Aufwand nach der besonderen Situation des Geschädigten zu bemessen. Auf seine evtl. beschränkten Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie für ihn bestehende Schwierigkeiten sei zu seinen Gunsten Rücksicht zu nehmen. Andererseits sei zugunsten des Schädigers darauf Rücksicht zu nehmen, wenn der Geschädigte über besondere Expertise, erhöhte Einflussmöglichkeiten oder sonstige Vorteile oder Erleichterungen verfüge, was sich anspruchsverkürzend für den Geschädigten auswirken könne (BGH vom 19.10.2019 - VI ZR 45/19 -).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze habe der Geschädigte regelmäßig Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten, unabhängig davon, on er das Fahrzeug voll oder minderwertig oder gar nicht reparieren lasse. Dem Wirtschaftlichkeitsgebot genüge der Geschädigte idR., wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze Ersatzteilkosten auf dem allgemeinen regionalen Markt einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde lege. Die so ermittelten Reparaturkosten würden auch demjenigen zustehen, der kraft eigener Fähigkeiten oder aus sonstigen individuellen Gründen zu einer kostengünstigeren Eigenreparatur imstande sei (BGH, Urteil vom 16.05.1970 - VI ZR 168/69 -).

Auch wenn der Geschädigte einen eigenen auf Gewinnerzielung ausgerichteten Reparaturbetrieb führe, habe er Anspruch auf diese Kosten einschließlich des darin enthaltenen Gewinnanteils des Reparaturbetriebes. Nach dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB müsse sich der Geschädigte allerdings in diesem Fall auf eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit in seiner eigenen Werkstatt verweisen und es ihm zumutbar sei, ansonsten ungenutzte Kapazitäten für die notwendige Reparatur zu nutzen lassen, wenn sein Betrieb nicht ausgelastet sei (BGH, Urteil vom 19.11.2013 - VI ZR 363/12 -). Würde man in einem solchen Fall § 254 Abs. 2 S. 1 BGB nicht anwenden, stünde der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung besser als er bei einer konkreten Schadensberechnung (Durchführung der Reparatur und Geltendmachung der Kosten) stehen würde (BGH, Urteil vom 29.10.2019 - VI ZR 45/19 -), weshalb auch bei der fiktiven Abrechnung (wie bei der konkreten Schadensabrechnung) die konkrete Ausgangssituation der Werkstatt des Geschädigten zu berücksichtigen sei.

Die Darlegungs- und Beweislast zu § 254 BGB trifft allerdings auch hier dem Schädiger. Da es sich aber um Umstände außerhalb der Sphäre des Geschädigten handele, obliege dem Schädigten eine sekundäre Darlegungslast, seine betriebliche Auslastungssituation darzustellen (BGH, Urteil vom 19.11.2013 - VI ZR 363/12 -) und ggf. Umstände anzuzeigen, die eine Reparatur in der eigenen Werkstatt unzumutbar erscheinen lassen würden. Vom Geschädigten aufgezeigte Umstände habe der Schädiger zu widerlegen.

Nach diesen Grundsätzen verneinte der BGH einen Anspruch der Klägerin auf den Unternehmensgewinn.

Grundsätzlich könne die Klägerin fiktiv abrechnen und, obwohl sie einen gewinnorientierten Reparaturbetrieb betreibe, eine Abrechnung auf Basis des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens vornehmen.  Allerdings müsse sich hier die Klägerin aus der ihr obliegenden Schadensminderungspflicht heraus auf eine Reparaturmöglichkeit in der eigenen Werkstatt verweisen lassen. Danach könne offen bleiben ob (wie vom Berufungsgericht angenommen) für die Auslastungssituation des Betriebs der maßgebliche Zeitraum mit der Veräußerung des Fahrzeugs ende, denn die Klägerin habe zu dieser nichts vorgetragen und auch keine Anhaltspunkte aufgezeigt, die gegen die Anwendung des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB sprechen würden.

Zu Recht habe das Berufungsgericht eine sekundäre Darlegungslast der Klägerin zu dem Einwand der beklagten Versicherung, die Klägerin könne aufgrund freier Kapazitäten in der eigenen Werkstatt den Unternehmensgewinn nicht verlangen, angenommen. Dem Geschädigten dürfe bei seiner Darlegungslast nichts Unmögliches abverlangt werden. Er könne beanspruchen, dass der Geschädigte an der Beweisführung mitwirke, soweit es sich um Umstände aus seiner Sphäre handele (BGH, Urteil vom 20.07.2006 - IX ZR 94/03 -). Dieser sekundären Darlegungslast zur Auslastungssituation sei die Klägerin nicht nachgekommen. Die beklagte Versicherung habe nicht aus eigenem Wissen zur Dauer der Reparatur noch dazu, wann der Weiterverkauf erfolgt sei, vortragen können. Nur die (Anm.: voraussichtliche) Reparaturdauer habe sich aus dem klägerseits vorgelegten Sachverständigengutachten (Grundlage der fiktiven Schadensabrechnung) ergeben; zu allen anderen Umständen stünde die beklagte Versicherung - anders als die Klägerin - außerhalb des Geschehensablaufs und verfüge über keine Erkenntnismöglichkeiten für einen konkreten Vortrag, der der Klägerin möglich und zumutbar gewesen wäre.

BGH, Urteil vom 26.05.2023 - VI ZR 274/22 -


Aus den Gründen:

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mosbach vom 31. August 2022 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch.

Die Klägerin betreibt eine Kfz-Reparaturwerkstatt. Ein Pkw der Klägerin wurde am 9. Juni 2021 bei einer Kollision mit einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw beschädigt. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Die Klägerin macht auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens fiktive Reparaturkosten in Höhe von 4.000,33 € netto geltend. Sie hat das Fahrzeug zwischenzeitlich unrepariert verkauft. Die Beklagte hält 20 % der geltend gemachten Reparaturkosten (800,07 €) als Unternehmergewinn für nicht erstattungsfähig. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie auf Zahlung dieses Betrags gerichtet ist. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin diesen Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in r+s 2023, 179 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Das Amtsgericht habe die Klage in Höhe von 800,07 € zu Recht abgewiesen, da auch bei der fiktiven Abrechnung des Fahrzeugschadens der Unternehmergewinn in Abzug zu bringen sei. Für die konkrete Abrechnung des Schadens sei anerkannt, dass der Geschädigte, der einen eigenen, auf Gewinnerzielung ausgelegten Reparaturbetrieb unterhalte, sich von den Reparaturkosten den Gewinnanteil in Höhe von 20 % abziehen lassen müsse, wenn der Betrieb in der Zeit der Reparatur nicht ausgelastet gewesen sei. Substantiierten Vortrag zur Auslastung müsse der Geschädigte im Wege der sekundären Darlegungslast halten. Der Unternehmergewinn sei aber auch dann in Abzug zu bringen, wenn der Fahrzeugschaden fiktiv abgerechnet werde. Nehme der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Schadensbehebung selbst in die Hand, sei der zur Herstellung erforderliche Aufwand nach der besonderen Situation zu bemessen, in der sich der Geschädigte befinde. Diese subjektbezogene Schadensbetrachtung gelte nicht nur für die konkrete, sondern auch für die fiktive Schadensberechnung. Dementsprechend habe der Bundesgerichtshof klargestellt, dass sich ein Geschädigter, dem von markengebundenen Fachwerkstätten auf dem allgemeinen regionalen Markt Großkundenrabatte für Fahrzeugreparaturen eingeräumt würden, diese Rabatte auch bei der fiktiven Schadensberechnung anrechnen lassen müsse. Diese Rechtsprechung sei auf den Abzug des Unternehmergewinns bei fiktiver Abrechnung zu übertragen. Dass Großkundenrabatte durchgehend gewährt würden, der Unternehmergewinn jedoch nur abzuziehen sei, wenn die eigene Werkstatt nicht voll ausgelastet sei, ändere nichts am Ergebnis. Der Zeitraum, in dem die Reparatur hätte durchgeführt werden können - nämlich vom Unfall bis zur Veräußerung des Fahrzeugs -, sei klar umschrieben. Für diesen Zeitraum hätte die Klägerin im Zuge ihrer sekundären Darlegungslast darlegen müssen, ob ihre Werkstatt ausgelastet gewesen sei. Ein solcher Vortrag sei ihr auch zumutbar, da durch einen Blick in ihr Auftragsbuch ein entsprechender Vortrag für den betreffenden Zeitraum leicht möglich gewesen wäre. Dadurch, dass die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen sei, sei mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Unternehmergewinn abzuziehen sei.

II.

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin im Streitfall auf der Grundlage der von ihr vorgenommenen fiktiven Schadensabrechnung keinen Anspruch auf Ersatz des Unternehmergewinns hat.

1. Ob der Geschädigte im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall den Unternehmergewinn als Teil der Reparaturkosten fordern kann, richtet sich nach folgenden Grundsätzen:

a) Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Geschädigte ist aufgrund der nach anerkannten schadensrechtlichen Grundsätzen bestehenden Dispositionsfreiheit in der Verwendung der Mittel frei, die er vom Schädiger zum Schadensausgleich beanspruchen kann; er ist nicht verpflichtet, sein Fahrzeug reparieren zu lassen (Senatsurteile vom 29. April 2003 - VI ZR 393/02, NJW 2003, 2085, juris Rn. 7; vom 17. September 2019 - VI ZR 396/18, NJW 2020, 236 Rn. 9; jeweils mwN). Unter mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten hat der Geschädigte grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringeren Aufwand erfordert. Nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Herstellung erforderlich (sog. Wirtschaftlichkeitsgebot, vgl. Senatsurteile vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 513/19, NJW 2022, 543 Rn. 16; vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 9; jeweils mwN).

Dieses Wirtschaftlichkeitsgebot gilt aber nicht absolut, sondern nur im Rahmen des dem Geschädigten Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage. Nimmt der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Schadensbehebung selbst in die Hand, ist im Rahmen der sog. subjektbezogenen Schadensbetrachtung der zur Herstellung erforderliche Aufwand nach der besonderen Situation zu bemessen, in der sich der Geschädigte befindet. Sind seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten beschränkt oder bestehen gerade für ihn Schwierigkeiten, so ist hierauf zu seinen Gunsten Rücksicht zu nehmen. Verfügt er über besondere Expertise, erhöhte Einflussmöglichkeiten oder sonstige Vorteile oder Erleichterungen, so ist hierauf auch zugunsten des Schädigers Rücksicht zu nehmen; diese Umstände können sich also anspruchsverkürzend auswirken (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 10 mwN). Die subjektbezogene Schadensbetrachtung bedeutet nicht, dass ein in der Situation des Geschädigten wirtschaftlich unangemessenes Verhalten erst unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB zu prüfen wäre; die Schadensersatzpflicht besteht vielmehr von vornherein nur insoweit, als sich das Verhalten des Geschädigten im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft hält (vgl. Senatsurteile vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 10; vom 25. Juni 2019 - VI ZR 358/18, NJW 2019, 3139 Rn. 18; jeweils mwN). Darüber hinaus gilt für die Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB das Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Der Geschädigte soll zwar volle Herstellung verlangen können (Totalreparation), aber an dem Schadensfall nicht "verdienen" (Senatsurteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 11 mwN). Diese Grundsätze gelten sowohl für die konkrete als auch für die fiktive Schadensabrechnung (Senatsurteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 12 mwN).

b) Nach diesen Grundsätzen hat der Geschädigte regelmäßig Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten, unabhängig davon, ob er das Fahrzeug voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (Senatsurteile vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 12; vom 25. September 2018 - VI ZR 65/18, NJW 2019, 852 Rn. 6; jeweils mwN). Bei der fiktiven Schadensabrechnung genügt der Geschädigte dem Gebot der Wirtschaftlichkeit nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Allgemeinen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat; dasselbe gilt für die Kosten der Ersatzteile (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 13 mwN). Reparaturkosten in dieser Höhe stehen grundsätzlich auch dem Geschädigten zu, der kraft besonderer Fähigkeiten oder aus sonstigen individuellen Gründen zu einer kostengünstigen Eigenreparatur imstande ist (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1992 - VI ZR 226/91, NJW 1992, 1618, 1619, juris Rn. 11; vom 26. Mai 1970 - VI ZR 168/68, BGHZ 54, 82, 87, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 30. Juni 1997 - II ZR 186/96, NJW 1997, 2879, 2880, juris Rn. 16; Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB Rn. 145; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl., § 249 Rn. 389).

Dies gilt auch für einen Geschädigten, der einen auf Gewinnerzielung ausgerichteten Reparaturbetrieb führt; er hat grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Fremdreparatur einschließlich des Gewinnanteils (vgl. Senatsurteile vom 19. November 2013 - VI ZR 363/12, NJW 2014, 1376 Rn. 11; vom 26. Mai 1970 - VI ZR 168/68, BGHZ 54, 82, 87, juris Rn. 11). Allerdings muss er sich unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BGB auf eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit in seiner eigenen Werkstatt verweisen lassen, wenn sein auf Gewinnerzielung ausgerichteter Betrieb nicht ausgelastet ist und es ihm zumutbar ist, ansonsten ungenutzte Kapazitäten für die notwendige Reparatur zu nutzen (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2013 - VI ZR 363/12, NJW 2014, 1376 Rn. 11 mwN; zum Fall der Verweisung auf die Reparatur in einer freien Fachwerkstatt vgl. Senatsurteile vom 25. September 2018 - VI ZR 65/18, NJW 2019, 852 Rn. 6; vom 7. Februar 2017 - VI ZR 182/16, VersR 2017, 504 Rn. 7 ff.).

Würde man - der Revision folgend - bei der fiktiven Abrechnung mit der Begründung, dass es mangels Reparatur auf die Auslastungssituation überhaupt nicht ankomme, den Unternehmergewinn ohne Rücksicht auf den Einwand des Schädigers nach § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BGB und damit stets zuerkennen, stünde der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung besser als bei der konkreten Schadensabrechnung. Ziel der fiktiven Schadensabrechnung ist es aber nicht, den Geschädigten wirtschaftlich besser zu stellen als im Rahmen der konkreten Schadensabrechnung (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 12). Entgegen der Ansicht der Revision ist es deshalb auch nicht widersprüchlich, bei der fiktiven Abrechnung die konkrete Auslastungssituation der Werkstatt des Geschädigten zu berücksichtigen.

Im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BGB ist der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der gewinnorientierte Betrieb des Geschädigten nicht ausgelastet war und er diese ansonsten ungenutzte Kapazität für die notwendige Reparatur hätte nutzen können. Dem Geschädigten obliegt es im Rahmen der sekundären Darlegungslast, seine betriebliche Auslastungssituation konkret darzustellen (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2013 - VI ZR 363/12, NJW 2014, 1376 Rn. 11; OLG Frankfurt, NJW 2012, 2977, juris Rn. 22; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2021, 1391 Rn. 6; dazu Wenker, jurisPR-VerkR 18/2021 Anm. 1; Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB Rn. 145; Katzenstein in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kapitel 3 Rn. 18; aA OLG Saarbrücken, r+s 2013, 520, 522, juris Rn. 96; OLG Karlsruhe, Schaden-Praxis 1999, 128, 129, juris Rn. 6; offengelassen OLG Hamm, VersR 1991, 349) und ggf. Umstände aufzuzeigen, die eine Reparatur in der eigenen Werkstatt unzumutbar erscheinen lassen. Etwa aufgezeigte Umstände hat der Schädiger zu widerlegen (vgl. für den Fall der Verweisung auf die Reparatur in einer freien Fachwerkstatt Senatsurteile vom 25. September 2018 - VI ZR 65/18, NJW 2019, 852 Rn. 6; vom 7. Februar 2017 - VI ZR 182/16, VersR 2017, 504 Rn. 7).

2. Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht der Klägerin zu Recht keinen Unternehmergewinn zuerkannt.

a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Klägerin eine eigene, auf Gewinnerzielung ausgerichtete Reparaturwerkstatt betreibt. Nach den unter 1. b) dargestellten Grundsätzen ist das Berufungsgericht daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Rahmen der von ihr vorgenommenen fiktiven Schadensabrechnung grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Reparaturkosten einschließlich des Unternehmergewinns hat.

b) Allerdings muss sich die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine Reparaturmöglichkeit in der eigenen Werkstatt verweisen lassen.

aa) Offen bleiben kann, ob die Annahme des Berufungsgerichts zutrifft, der für die Auslastungssituation des Reparaturbetriebs maßgebliche Zeitraum ende mit der Veräußerung des Fahrzeugs (dem Berufungsgericht zustimmend Gehrke, r+s 2023, 179, 181). Denn die Klägerin hat, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, zur Auslastungssituation ihrer Werkstatt nichts vorgetragen und auch keine weiteren Anhaltspunkte aufgezeigt, die gegen die Anwendung des § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BGB sprächen.

bb) Das Berufungsgericht hat - entgegen der Ansicht der Revision - die im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz BGB zu beachtende Darlegungslast nicht verkannt. Es hat zu Recht eine sekundäre Darlegungslast der Klägerin für die Auslastungssituation ihrer Werkstatt angenommen, der die Klägerin nicht nachgekommen ist.

Zwar trägt die Behauptungs- und Beweislast der zur Anwendung des § 254 BGB führenden Umstände grundsätzlich der Schädiger, der damit seine Ersatzpflicht mindern oder beseitigen will. Dabei darf dem Schädiger allerdings nichts Unmögliches abverlangt werden. Er kann daher beanspruchen, dass der Geschädigte an der Beweisführung mitwirkt, soweit es sich um Umstände aus seiner Sphäre handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. November 2005 - VI ZR 330/04, VersR 2006, 286 Rn. 5; BGH, Urteile vom 22. Mai 1984 - III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, 260, juris Rn. 63; vom 20. Juli 2006 - IX ZR 94/03, BGHZ 168, 352 Rn. 34; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl., § 254 Rn. 146).

Die Beklagte, die die Einwendung erhoben hat, die Klägerin könne aufgrund freier Kapazitäten in der eigenen Werkstatt den Unternehmergewinn nicht verlangen, war nach diesen Grundsätzen - entgegen der Ansicht der Revision - prozessrechtlich weder gehalten, zur Dauer einer Reparatur des Fahrzeugs näher vorzutragen, noch dazu, wann der Weiterverkauf des Fahrzeugs erfolgte; sie musste vor allem auch nicht näher darlegen, in welchem Zeitraum seit dem Unfall die Werkstatt der Klägerin nicht voll ausgelastet war und ob ihr in dieser Zeit die Durchführung der Reparatur möglich und zumutbar war. Die Reparaturdauer ergibt sich, wie die Revision selbst einräumt, im Übrigen aus dem von der Klägerin in erster Instanz vorgelegten Sachverständigengutachten, das Grundlage ihrer fiktiven Schadensabrechnung ist. Hinsichtlich der weiteren Umstände steht die Beklagte, anders als die Klägerin, außerhalb des Geschehensablaufs und verfügt über keine Erkenntnismöglichkeiten, die ihr konkreteren Vortrag dazu ermöglicht hätten. Demgegenüber war der Klägerin Vortrag dazu möglich und zumutbar.

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