Die Klägerin stürzte auf einem Gehweg in N. und machte gegen die Gemeinde (der die Straßenbaulast gem. § 47 Abs. 1 StrWG NRW oblag) materielle sowie immaterielle Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (§§ 9, 9a StrWG NRW) geltend, §§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB iVm. Art. 34 GG. Zu dem Sturz kam es infolge einer Auslassung in dem Gehwegpflaster bei der Erstellung desselben. Ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil führte nur zu einem teilweisen Erfolg, insoweit ein 50%-iges Mitverschulden berücksichtigt wurde.
Das Landgericht habe die Aussparung im Gehwegpflaster ausgemessen und sah darin keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle. Dem schloss sich das Oberlandesgericht im Rahmen der Berufung nicht an. Die letzte vor einem Farbwechsel des Gehwegbelags von Grau auf Rötlich gelegene Aussparung habe an zwei ihrer vier Seiten eine Tiefe von mehr als 2,5 cm aufgewiesen, an der parallel zum Gehweg verlaufenden und zu dessen Seite hin gelegenen Seite habe die Aussparung an ihrem Ende eine Tiefe von 2,8 bis 2,9 cm und an ihrem anderen Ende eine Tiefe von 3,1 bis 3,2 cm gehabt. Die Breite und Länge der Aussparung habe knapp 20 x 20 cm betragen.
Da ein Kind als auch ein Erwachsener mit dem überwiegenden Teil des Fußes auf die parallel zum Gehweg verlaufenden Kante der Aussparung treten und wegen ihrer Tiefe von 3,1 bis 3,2 cm mit dem Fuß seitlich umknicken und dabei schwerwiegend verletzen könne, stelle eine derartige Aussparung (Vertiefung) eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dar. Dem würden auch Entscheidungen des erkennenden Senats vom 17.06.2020 - I-11 U 108/18 - und des OLG vom 24.03.2013 - I-9 U 114/14 - nicht entgegenstehen, in denen einem Höhenversatz von bis zu etwa 3 cm in normalen Fußgängerbereichen ohne Ablenkungsmöglichkeit in der Regel kein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht zuerkannt wurde, da dieser Bereich vorliegend jedenfalls teilweise überschritten worden sei und zudem die Gefahrenstelle nicht durch Naturereignisse oder durch Eingriffe Dritter entstanden sei, sondern durch den Verkehrssicherungspflichtigen selbst, weshalb ein besonders strenger Maßstab an die Sicherungspflicht anzulegen sei (OLG Hamm, Urteil vom 03.02.2009 - I-9 U 101/07 - mwN.). Die Aussparung sei bei den Arbeiten der durch die von der Beklagten beauftragten Firma verblieben, weshalb hier ein Höhenunterschied von 2,5 cm als abhilfebedürftige Gefahrenstelle zu bewerten sei.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sei diese Aussparung auch nicht deshalb hinnehmbar gewesen, da sich in der Gehrichtung der Klägerin noch weitere ähnlich aussehende Aussparungen befunden hätten. Eine Einschränkung der Verkehrssicherungspflicht für scharfkantige Höhenunterschiede im Gehwegbereich alleine wegen ihrer Erkennbarkeit käme nur bei Erkennbarkeit außergewöhnlich hoher Niveauunterschiede in Betracht, die auch bei einem beiläufigen Blick als für die Gehsicherheit gefährliche Unebenheit erkannt werden könnten. Die Kante müsste mithin in einer Größenordnung liegen, die bei normaler Sorgfalt (bei ebener Fläche nicht gezielt betrachtet) überhaupt nicht oder nicht als gefährliche Unebenheit erkannt würde (OLG Hamm, Urteil vom 17.06.2020 - I-11 U 108/19 -). Dies gelte auch für Löcher und sonstige Vertiefungen im Gehwegbereich.
Solche Umstände vermochte das OLG nicht zu erkennen. Nach Zeugenaussagen soll es 16 Aussparungen in verschiedenen Tiefen gegeben haben, teilwiese auch nur mit 1,5 cm. Damit ließe sich nicht feststellen, dass die weiteren Aussparungen eine solche Tiefe aufgewiesen hätten, die die Klägerin mit beiläufigen Blick als ihre Gehsicherheit gefährdend hätten erkennen müssen. Nach einem Foto, welches ein Zeuge unmittelbar nach dem Vorfall aufgenommen habe, war zudem die streitbefangene, vom Landgericht vermessene Aussparung mit Laub gefüllt gewesen.
Der Beklagten sei es möglich und zumutbar gewesen, den Fußgängerverkehr durch Aufstellen von Schildern oder Warnbaken vor den Gefahren. Die von der vom Landgericht vermessenen Aussparung ausgingen, zu schützen oder zumindest zu warnen.
Die Beklagte sei ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen. Sie bzw. die von ihr beauftragte Firma hätte die Unfallgefahr der fraglichen Stelle erkennen können und müssen. Die Beklagte entlaste auch nicht, dass die Aussparung nicht von ihr selbst, sondern von der von ihr beauftragten Firma geschaffen wurde, da sie die Arbeiten nach deren Beendigung unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit hätte kontrollieren und für eine Abhilfe, zumindest für eine Kennzeichnung hätte sorgen müssen.
Allerdings sei der Klägerin ein Mitverschulden (§ 254 BGB) anzulasten. In ihrer Gehrichtung hätten sich bereits vor der fraglichen Stelle einige Aussparungen befunden, die ihr (jedenfalls bei der zu fordernden Eigensorgfalt) nicht entgangen sein könnten. Trotz Laub seien die Aussparungen als solche als abgrenzbare Flächen in dem Gehwegpflaster deutlich zu erkennen gewesen. Auch wenn sich ihre Tiefe nicht habe feststellen lassen, hätte ein umsichtiger und auf seien eigene Sicherheit bedachter Gehwegbenutzer ihnen gerade deshalb besondere Aufmerksamkeit geschenkt oder ihr Betreten vermieden.
Das Mitverschuldens sei aber nicht so gravierend, dass deshalb ein Ersatzanspruch entfalle. Das anspruchsausschließende Mitverschulden käme nur in Betracht, wenn dem Geschädigten der Vorwurf eines von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichneten Handelns gemacht werden müsse (BGH, Urteil vom 20.06.2013 - III ZR 326/12 -). Dafür müsse er sich z.B. sehenden Auges in eine für ihn gefährliche Situation begeben. Dieser Vorwurf könne hier der Klägerin nicht gemacht werden, da sie die Tiefe der Aussparung nicht habe erkennen können. Da sie aber den vorher gelegenen Vertiefungen keine Beachtung geschenkt habe, wiege ihr Mitverschuldensanteil nach Auffassung des OLG gleich schwer wie der der Beklagten.
OLG Hamm, Urteil vom
01.03.2023 - I-11 U 73/22 -
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am
13.04.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des
Landgerichts Arnsberg teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die
Klägerin Schadensersatz in Höhe von 608,09 EUR sowie ein Schmerzensgeld in Höhe
von 4.500,- EUR, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 12.01.2021 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte
verpflichtet ist, der Klägerin jegliche Schäden, die ihr in Zukunft aus dem
Unfallgeschehen vom 28.10.2019 in N. entstehen werden, zu 50 % zu ersetzen,
soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte
übergehen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 77 % die Klägerin und zu 23 % die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
(ohne Tatbestand
gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1
ZPO)
II.
Die zulässige
Berufung der Klägerin hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Der Klägerin steht
wegen des von ihr am 28.10.2019 in N. auf dem Gehweg der B.-straße erlittenen
Sturzes aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG sowie
§§ 9, 9a, 47 Abs. 1 StrWG NW gegen die Beklagte ein Anspruch auf
Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 608,09 EUR sowie eines Schmerzensgeldes
in Höhe von 4.500,- EUR zu. Darüber hinaus ist die Beklagte verpflichtet, der
Klägerin 50 % aller weiteren ihr zukünftig aus dem Unfallgeschehen entstehenden
Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger
oder sonstige Dritte übergehen. Im Einzelnen:
1.
Der Beklagte
hat zum Unfallzeitpunkt für den neben dem Gebäude des Z.-Marktes gelegenen,
entlang der B.-straße verlaufenden Gehweg, auf dem sich nach den vom Senat
getroffenen Feststellungen am 28.10.2019 der Sturz der Klägerin ereignet hat,
die Verkehrssicherungspflicht oblegen. Bei der B.-straße handelt es sich um
eine im Gemeindegebiet der Beklagten gelegene, dem öffentlichen Verkehr
gewidmete Gemeindestraße, wobei gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 b) StrWG
NW auch der Gehweg zur öffentlichen Straße gehört. Als Träger der
Straßenbaulast für Gemeindestraße (§ 47 Abs. 1 StrWG NW) ist die
Beklagte damit gemäß § 9, 9a StrWG NW verpflichtet gewesen, den Gehweg in
einem verkehrssicheren Zustand zu unterhalten, wobei ihr diese Pflicht gemäß
§ 9a Abs. 1 S. 2 StrWG NW als hoheitliche Aufgabe oblag. Dass
die Beklagte die Verkehrssicherungspflicht für den Gehweg zum Unfallzeitpunkt
auf die Firma U. GmbH & Co. KG, welcher den Gehweg erst zuvor neu
hergestellt hatte, übertragen hatte, ist weder von der Beklagten geltend
gemacht worden, noch sonst ersichtlich.
2.
Die Beklagte
hat ihre Verkehrssicherungspflicht für den Gehweg dadurch in schuldhafter Weise
verletzt, dass sie den Fußgängerverkehr nicht in geeigneter Weise von den
Gefahren geschützt hat, die von der Aussparung in dem Gehwegpflaster ausgingen,
die am 08.11.2021 vom Landgericht ausgemessen wurde und entgegen dessen
Beurteilung zum Unfallzeitpunkt eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle
darstellte.
Nach den vom
Landgericht am 26.10.2021 vorgenommenen Messungen, deren Richtigkeit von keiner
der beiden Parteien in der Berufungsinstanz in Frage gestellt wird, hat die
letzte vor dem Farbwechsel des Gehwegbelages von Grau auf Rötlich gelegene
Aussparung an zwei ihrer vier Seiten eine größere Tiefe als 2,5 cm aufgewiesen.
An der parallel zum Gehweg verlaufenden und zu dessen Seite hin gelegenen Seite
hat die Aussparung an ihrem einen Ende eine Tiefe von 2,8 bis 2,9 cm und an
ihrem anderen Ende eine Tiefe von 3,1 bis 3,2 cm gehabt. Des Weiteren hat die
Aussparung auch nach den Angaben der Beklagten eine Breite und Länge von knapp
20 cm x 20 cm gehabt.
Eine parallel
zum Gehweg verlaufende scharfkantige Vertiefung von dieser Größe und Tiefe
stellt eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dar. Denn die Vertiefung ist so
lang und breit, dass ein Kind, aber auch eine erwachsene Personen mit dem
überwiegenden Teil des Fußes auf die parallel zum Gehweg verlaufenden Kante der
Aussparung treten und wegen ihrer Tiefe von bis zu 3,1 bis 3,2 cm mit dem Fuß
seitlich umknicken und sich dadurch schwerwiegend verletzen kann. Die von der
Beklagten angeführten Entscheidungen des Senats vom 17.06.2020, I-11 U 108/19,
und vom 24.03.2013, I-9 U 114/14, rechtfertigen insoweit keine abweichende
Beurteilung. Soweit der Senat in ihnen ausgeführt hat, dass ein Höhenversatz
von bis zu etwa 3 cm in normalen Fußgängerbereichen ohne Ablenkungsmöglichkeit
im Regelfall noch keinen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht darstellt,
ist dieser Bereich vorliegend jedenfalls teilweise überschritten gewesen.
Abgesehen davon ist bei Gefahrstellen, die nicht durch Naturereignisse oder
Eingriffe Dritter entstanden sind, sondern vom Verkehrssicherungspflichtigen
selbst geschaffen wurden, ein besonders strenger Maßstab an die
Sicherungspflicht anzulegen (OLG Hamm, Urteil vom 03.02. 2009, I-9 U
101/07 - Rz. 18 juris m.w.Nw.). Das gilt auch vorliegend. Denn die am
Unfalltag im Gehwegpflaster vorhanden gewesenen Aussparungen sind nicht durch
Naturgewalten oder Eingriffe Dritter entstanden, sondern waren im Auftrag der
Beklagten von der Fa. U. GmbH & Co. KG hergestellt worden, weshalb bei
ihnen jedenfalls Höhenunterschiede von mehr als 2,5 cm als abhilfebedürftige
Gefahrenstellen zu bewerten sind.
Entgegen der
Ansicht der Beklagten ist die vom Landgericht vermessene Aussparung auch nicht
etwa deshalb vom Fußgängerverkehr noch hinzunehmen gewesen, weil sich in
damaliger Gehrichtung der Klägerin gesehen vor dieser noch mehrere weitere
ähnlich aussehende Aussparungen in dem Gehwegpflaster befanden. Eine
Einschränkung der Verkehrssicherungspflicht für scharfkantige Höhenunterschiede
im Gehwegbereich allein wegen ihrer Erkennbarkeit kommt allenfalls für
außergewöhnlich hohe Niveauunterschiede in Betracht, die schon mit beiläufigem
Blick als für die Gehsicherheit gefährliche Unebenheit erkannt werden können.
Denn entscheidendes Kriterium für die Bildung eines Grenzwerts, ab dem
Höhenunterschiede im Gehwegbereich vom Fußgängerverkehr nicht mehr hinzunehmen
sind, ist, ob der Niveauunterschied im Gehwegbelag eine Größenordnung erreicht,
die auch bei einem normal sorgfältigen Gehen Ursache eines Sturzes sein kann.
Der Niveauunterschied muss sich in einer Größenordnung bewegen, bei der -
extrem hohe Niveauunterschiede ausgenommen - eine solche Kante bei normaler
Sorgfalt, die bei einem Begehen ebener Flächen nicht gezielt auf jeden Schritt
gerichtet ist und auch nicht gerichtet zu sein braucht, häufig überhaupt nicht
oder nicht als für die Gehsicherheit gefährliche Unebenheit erkannt wird
(Senatsurteil vom 17.06.2020, I-11 U 108/19 - Rz. 6 juris). Entsprechendes gilt
auch für im Gehwegbereich gelegene Löcher oder sonstige Vertiefungen. Auch
diese müssen, damit sie allein schon wegen ihrer Sichtbarkeit nicht als
abhilfebedürftige Gefahrenstellen zu bewerten sind, so beschaffen sein, dass
sie vom Gehwegbenutzter bei normaler Sorgfalt bereits mit beiläufigem Blick
ohne weiteres als für seine Gehsicherheit gefährliche Unebenheit erkannt werden
können.
Das vermag der
Senat vorliegend aber nicht festzustellen. Denn nach der erstinstanzlichen
Aussage des von der Beklagten benannten Zeuge W. hatten die von ihm vermessenen
16 Aussparungen unterschiedliche Tiefen gehabt. Auf einem der von dem Zeugen W.
zu dem Akten gereichten drei Lichtbildern ist sogar eine Aussparung mit einer
Tiefe von nur knapp 1,5 cm zu sehen (Blatt 319 LG-Akten). Lichtbilder weiterer
Aussparungen mit ähnlich geringer Tiefe finden sich auch in der vom Zeugen Y.
zu den Akten gereichten Fotodokumentation (Bl. 317 LG-Akten). Danach vermag der
Senat aber schon nicht festzustellen, dass die in der damaligen Gehrichtung der
Klägerin vor der vom Landgericht vermessenen Aussparung gelegenen weiteren
Aussparungen eine solche Tiefe aufgewiesen haben, dass die Klägerin diese
selbst mit beiläufigen Blick als ihre Gehsicherheit gefährdende Unebenheiten
hätte erkennen müssen.
Hinsichtlich
der vom Landgericht vermessene Aussparung vermag der Senat dieses hingegen
deshalb nicht festzustellen, weil aufgrund der Aussage des Zeugen Y. und des
von ihm zu den Akten gereichten Lichtbildes auf Seite 2 seiner
Fotodokumentation (Blatt 317 LG-Akten) zur Überzeugung des Senats feststeht,
dass diese Aussparung zum Unfallzeitpunkt mit Laub gefüllt gewesen ist. Der
Zeuge Y. hat auch bei seiner erneuten Vernehmung durch den Senat ausgesagt,
dieses Lichtbild unmittelbar nach dem Unfallgeschehen aufgenommen zu haben. Auf
Nachfrage des Senats, warum er gerade von dieser Aussparung das Lichtbild
gemacht habe, hat der Zeuge erklärt, dass ihm möglicherweise schon unmittelbar
nach dem Unfallgeschehen der dortige Farbwechsel in der Gehwegpflasterung
aufgefallen sei, er dies aber nicht mit Sicherzeit sagen könne. Er habe damals
aber keinen Zweifel daran gehabt, dass sich der Sturz der Klägerin in diesem
Bereich ereignet habe. Er sei sich diesbezüglich auch heute noch ganz sicher,
zumal die einzelnen Aussparungen immer ein ganzes Stück auseinander gelegen
hätten.
Der Senat hält
die Aussage des Zeugen Y. für glaubhaft. Für die Richtigkeit seiner Aussage
spricht zunächst, dass die auf dem unteren Lichtbild auf Blatt 317 der LG-Akten
zu sehende Aussparung erkennbar noch in dem Bereich des grau gehaltenen
Gehwegpflasters liegt und das Lichtbild die Aussparung zeigt, bevor an ihr
irgendwelche Messungen vorgenommen wurde. Zudem hat der Zeuge Y. freimütig
eingeräumt, nicht mit Sicherheit sagen zu können, dass ihm schon unmittelbar nach
dem Unfallgeschehen der Farbwechsel im Gehwegpflaster aufgefallen sei, was
zeigt, dass der Zeuge durchaus um eine gewissenhafte Aussage bemüht gewesen
ist. Wenn es dem Zeugen Y. darum gegangen wäre, der Klägerin mit einer
Falschaussage unberechtigte Ansprüche zu verschaffen, wäre es für den Zeugen
ein Leichtes gewesen, zu bekunden, sich mit Sicherheit daran erinnern zu
können, dass ihm der Farbwechsel sogleich unmittelbar nach dem Unfallgeschehen
aufgefallen sei. Darüber hinaus spricht aber auch für die Richtigkeit der
Aussage des Zeugen Y., dass die Klägerin bereits mit ihrem vorprozessualen
anwaltlichen Schreiben vom 27.11.2019 und damit noch vor den vom Zeugen Y. am
19.01.2020 vorgenommenen weiteren Messungen gegenüber dem GVV mitteilen ließ,
dass sich die genaue Unfallstelle vom Z. kommend an erster Stelle innerhalb der
grauen Pflasterung befinde. Dabei kann sie diese Information nur von dem Zeugen
Y. erhalten haben, weil sie selbst nach ihren Angaben wegen der von ihr sofort
verspürten starken Schmerzen keine eigene Erinnerung an den genauen Unfallort
hatte. Soweit der Zeuge Y. den auf dem Foto rechts oben auf Seite 4 seiner
Fotodokumentation zu sehenden und als Unfallstelle angegebenen Poller als
"Poller 6 gezählt vom Eingang Z." bezeichnet hat, ist hierin kein
Widerspruch zu seiner sonstigen Aussage zu sehen. Denn auch bei dem auf diesem
Lichtbild zu sehenden Poller handelt es sich vom Eingang des Z.-Marktes aus
gesehen um den ersten Poller innerhalb der grauen Pflasterung, was sich
unschwer anhand des im unteren Bildbereich noch zu erkennenden Endes der
rötlich gehaltenen Pflasterung erkennen lässt.
Der Beklagten
war es auch möglich und zumutbar, den Fußgängerverkehr durch Aufstellen von
Schildern oder Warnbaken vor den Gefahren, welche von der vom Landgericht
ausgemessenen Aussparung ausgingen, zu schützen oder zumindest zu warnen.
3.
Die Beklagte
hat die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht auch schuldhaft, nämlich
zumindest fahrlässig verletzt. Denn bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte
sie bzw. die für sie tätig gewordene Fa. U. GmbH & Co. KG die von der vom
Landgericht vermessenen Aussparung ausgehende Unfallgefahr erkennen können und
müssen. Dass die Vertiefung nicht von ihr sie selbst, sondern von der von ihr
beauftragten Fa. U. GmbH & Co. KG geschaffen wurde, vermag die Beklagte
nicht zu entlasten, weil die Beklagte die abgeschlossenen Arbeiten der Fa. U.
GmbH & Co. KG unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit hätte
kontrollieren und dann für eine Abhilfe bzw. zumindest Kennzeichnung der
Gefahrenstelle hätte Sorge tragen müssen. Allein der Umstand, dass mit der Fa.
U. GmbH & Co. KG ein Fachbetrieb beauftragt war, entbindet die Beklagte
nicht von der im Hinblick auf die Verkehrssicherung gebotenen Kontrolle der
Arbeiten dieses Betriebes.
4.
Die vom
Landgericht vermessene Aussparung war auch für das streitgegenständliche
Unfallgeschehen ursächlich. Zwar hat die Klägerin keinen unmittelbaren Beweis
dafür erbringen können, dass sie gerade infolge der vom Landgericht vermessenen
und als abhilfebedürftige Gefahrenstelle zu bewertenden Aussparung im
Gehwegpflaster gestürzt ist. Denn weder die Klägerin noch der von ihr benannte
Zeuge Y. haben während des eigentlichen Unfallgeschehens unmittelbare
Beobachtungen dazu gemacht, wodurch der Sturz verursacht wurde. Jedoch steht
aus den bereits vorstehend unter Ziffer 2 im Einzelnen dargelegten Gründen
aufgrund der Aussage des Zeugen Y. zur Überzeugung des Senats fest, dass die
Klägerin jedenfalls in unmittelbarer Nähe der vom Landgericht vermessenen und
als abhilfebedürftige Gefahrenstelle zu bewertenden Aussparung im
Gehwegpflaster gestürzt ist. Damit spricht aber zu Gunsten der Klägerin ein
Anscheinsbeweis dafür, dass ihr Sturz gerade durch diese verursacht worden ist.
Denn stürzt ein Fußgänger in unmittelbarer Nähe zu einer abhilfebedürftigen
Gefahrenstelle, legt dieser Geschehensablauf nach den Grundsätzen des
Anscheinsbeweises den Schluss nahe, dass die verkehrswidrige Gefahrenquelle
Ursache des Sturzes gewesen ist (BGH, Urteil vom 02.06.2005, III ZR 358/04 -
Rz. 7 juris).
5.
Die Klägerin
muss sich allerdings ein anspruchsminderndes Mitverschulden in Höhe von 50 % am
Zustandekommen des Verkehrsunfalls anrechnen lassen. Denn wie bereits
ausgeführt, hatte es zum Unfallzeitpunkt in der damaligen Gehrichtung der
Klägerin vor der vom Landgericht vermessenen Aussparung bereits mehrere
ähnliche Aussparungen im Gehwegpflaster gegeben, die der Klägerin
schlechterdings nicht alle entgangen können, jedenfalls aber von ihr bei
Einhaltung der von ihr zu fordernden Eigensorgfalt hätten erkannt werden
können. Dies gilt selbst dann, wenn sich in ihnen zum Unfallzeitpunkt in
ähnlicher Weise Laub und Schmutz befunden haben sollte wie in der Aussparung
auf dem unteren Lichtbild Blatt 313 LG-Akten. Denn wie das obere Lichtbild
Blatt 313 der LG-Akten, das der Zeuge Y. nach seinem Bekunden noch am Unfalltag
gefertigt hat, belegt, sind die Aussparungen gleichwohl als abgrenzbare Fläche
in dem Gehwegpflaster deutlich zu erkennen gewesen. Auch wenn sich deren Tiefe
wegen des in ihnen gesammelten Schmutzes und Laubes nicht sicher beurteilen
ließ, so hätte doch ein umsichtiger und auf seine eigene Sicherheit bedachter
Gehwegbenutzer ihnen gerade deshalb besondere Aufmerksamkeit geschenkt oder ihr
Betreten von vornherein vermieden. Dann wäre es aber nicht zu dem
streitgegenständlichen Unfall gekommen.
Allerdings
wiegt der der Klägerin anzulastenden Mitverschuldensvorwurf nicht so schwer,
dass sie deshalb - wie die Beklagte meint - mit den von ihr geltend gemachten
Ansprüchen gänzlich ausgeschlossen wäre. Denn ein anspruchsausschließendes
Mitverschulden kommt nur in Betracht, wenn der Geschädigte sich den Vorwurf
eines von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit
gekennzeichneten Handelns gefallen lassen muss (BGH, Urteil vom 20.06.2013, III
ZR 326/12 - Rz. 27 juris). Das ist etwa der Fall, wenn sich der Geschädigte
sehenden Auges in eine für ihn gefährliche Situation begibt. Ein solcher
Vorwurf kann der Klägerin vorliegend aber schon deshalb nicht gemacht werden,
weil nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin sich vor dem Sturz
zumindest der Möglichkeit, dass die mit Lauf und Schmutz verfüllte Aussparung
eine Tiefe haben könnte, die ihre Gehsicherheit gefährden könnte, bewusst
gewesen ist. Andererseits ist zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigten, dass
sie den vor der Unfallstelle gelegenen weiteren Vertiefungen ganz
offensichtlich keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt hat, weshalb nach Auffassung
des Senats ihr Mitverschuldensanteil gleich schwer wiegt wie der der Beklagten.
6.
Entsprechend
kann die Klägerin von der Beklagten hälftigen Ersatz der ihr durch den
streitgegenständlichen Unfall entstandenen materiellen Schäden verlangen, deren
erstattungsfähige Höhe sich auf 1.216,17 EUR beläuft.
a)
Die mit der
Klage geltend gemachten Aufwendungen für Heilmittel sind allein in Höhe von
701,13 EUR erstattungsfähig. Aufwendungen für die Schmerztherapie bei O. sind
mit der Rechnung vom 29.09.2020 (Blatt 271 LG-Akten) allein in Höhe 55,38 EUR
nachgewiesen. Dafür, dass durch die Untersuchung bei S. Kosten entstanden sind,
hat die Klägerin keinen Nachweis erbracht. Im Übrigen sind die mit der Klage
geltend gemachten Anwendungen mit den zu den Akten gereichten Belegen
nachgewiesen. Die Quittung der Q. Apotheke vom 07.12.2010 (Bl. 254) beläuft
sich zwar nur auf einen Endbetrag von 4,48 EUR. Jedoch ergibt sich aus der
Quittung, dass die Klägerin am 07.12.2010 dort für insgesamt 14,43 EUR
Heilmittel gekauft hat, für diese aber wegen einer Gutschrift über 9,95 EUR nur
4,48 EUR zahlten musste. Soweit die Beklagte pauschal die Erforderlichkeit der
geltend gemachten Kosten bestritten und eingewandt hat, dass beispielsweise von
der Klägerin nicht vorgetragen sei, inwiefern die mit der Rechnung der
Heilpraktikerin H. berechnete Behandlung ihren Gesundheitszustand verbessert
und die Unfallfolgen gelindert habe, reicht dies für ein wirksames Bestreiten
des unfallbedingten Anfalls der Aufwendungen nicht aus. Dieses gilt auch für
die in der Rechnung Heilpraktikerin H. vom 08.12.2019 im Einzelnen aufgeführten
Behandlungsmaßnahmen, weil es für deren Erstattungsfähigkeit nicht darauf
ankommt, zu welchen konkreten gesundheitlichen Verbesserung sie geführt haben,
sondern ob die Klägerin sie für medizinisch indiziert halten durfte, was aber
von der Beklagten nicht substantiiert in Abrede gestellt worden ist.
b)
Der der
Klägerin unfallbedingt in den Monaten Dezember 2019 bis Mai 2020 erstandene
Verdienstausfallschaden beläuft sich auf nur 515,04 EUR. Ausweislich der von
ihr vorgelegten Gehaltsabrechnung für November 2019 und den darin angegebenen
Jahreswerten hat die Klägerin in den Monaten Januar bis November 2019 nach
Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ein durchschnittliches
monatliches Nettoeinkommen von 414,11 EUR erzielt. Davon sind aus dem
Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung noch die von der Klägerin während der
Krankheitszeit ersparten berufsbedingten Aufwendungen in Abzug zu bringen,
wobei der Senat diese entsprechend den unwidersprochen gebliebenen Angaben der
Beklagten pauschal mit 5 % bemisst. Ausgehend von dem sich damit ergebenen
durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 393,41 EUR hätte die Klägerin
ohne den Unfall in der Zeit von Dezember 2019 bis einschließlich Mai 2020 ein
Nettoeinkommen in Höhe von insgesamt 2.360,46 EUR erzielt. Tatsächlich erhalten
hat sie im Dezember 2019 nur ein Nettogehalt von 121,71 EUR und im Mai 2020 von
243,71 EUR. Ferner hat sie ausweislich des Schreibens der I. vom 13.04.2021 für
die Zeit von 09.12.2019 bis 17.05.2020 ein tägliches Krankengeld von 9,25 EUR
netto und damit Krankengeld in Höhe von insgesamt 1.480,- EUR netto erhalten.
Damit ergibt sich ein unfallbedingter Verdienstausfallschaden in Höhe von
insgesamt 515,04 EUR, den die Klägerin ebenfalls in Höhe von 50 % von der
Beklagten ersetzt verlangen kann.
c)
Ein Anspruch
auf Erstattung des von ihr an die Fa. F. gezahlten Betrages von 464,- EUR sowie
auf Erstattung der mit 180,00 EUR angegebenen Fahrtkosten nach N. steht der
Klägerin nicht zu. Die Klägerin kann diese Kosten nicht als fehlgeschlagene
Aufwendungen geltend machen, weil sie nach ihren Angaben im Senatstermin den
Urlaub nicht vorzeitig abgebrochen, sondern zu Ende geführt und damit die ihr
von der Fa. F. berechneten Leistungen auch tatsächlich in Anspruch genommen
hat. Deswegen sind auch die Kosten für die Fahrt nach N. nicht als
fehlgeschlagen zu beurteilen. Dass die Klägerin infolge des
streitgegenständlichen Unfalls ihren Urlaub nicht mehr wie geplant gestalten
konnte und sie ihn deshalb für sich als vertan erlebt hat, vermag der Klägerin
keinen Anspruch auf materiellen Schadensersatz zu begründen. Wird der
Geschädigte - wie hier die Klägerin - durch eine Körperverletzung daran
gehindert, einen geplanten Urlaub zu genießen, dann führt dies - soweit nicht
darin zugleich eine Verletzung von Vertragspflichten liegt, die die Vermittlung
oder Erbringung von Sach- und Dienstleistungen für die Urlaubsgestaltung
betreffen - nicht zum Ersatz eines Vermögensschadens, sondern kann nur bei der
Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom
11.01.1983, VI ZR 222/80 - Rz. 12 ff. juris).
7.
Für die von ihr
infolge des streitgegenständlichen Unfalls erlittenen Verletzungen und
Verletzungsfolgen sowie weiteren immateriellen Schäden kann die Klägerin die Zahlung
eines Schmerzensgeldes in Höhe von 4.500,- EUR beanspruchen.
Der Senat ist
aufgrund der Aussage der Zeugen Y. sowie des von der Klägerin vorgelegten
Untersuchungsberichts der Radiologie J. vom 07.11.2019 (Blatt 22 LG-Akten)
davon überzeugt, dass die Klägerin infolge des streitgegenständlichen Unfalls
eine Ruptur des Ligamentum fibulotalare anterior und zumindest eine deutliche
Teilläsion des Ligamentum fibulokalkaneare, also einen Abriss eines Außenbandes
des oberen Sprunggelenks sowie eine Gewebeschädigung eines weiteren Außenbandes
des oberen Sprunggelenks, sowie eine mediale Kontusion mit Verdacht auf
fissurale Läsion im Bereich des Talus, also eine Prellung und Gewerbeschädigung
im Bereich des Übergangs des Unterschenkelknochens zum Fuß erlitten hat.
Infolge dieser Verletzungen ist die Klägerin ausweislich des Schreiben der I.
vom 13.04.2021 bis einschließlich zum 17.05.2020, mithin für einen Zeitraum von
über 6 ½ Monaten arbeitsunfähig krank gewesen.
Der Senat hat
keinen Zweifel daran, dass die Klägerin auch nach Wiedererlangung ihrer
Arbeitsfähigkeit weiterhin an unfallbedingten Schmerzen gelitten hat und bei
längerer starker Belastung ihres rechten Fußes auch noch heute leidet und es
bei ihr zum Eintritt eines Dauerschaden in Gestalt einer Minderbeweglichkeit
des rechten Fußgelenkes gekommen ist. Ausweislich des Berichts der C.-Klinik R.
vom 17.08.2020 (Blatt 184 f. LG-Akten) wurden bei der dortigen Untersuchung
noch eine ausgeprägte Druckschmerzhaftigkeit im Bereich des Ligamentum
fibulotalare anterior und im Verlauf der Peronealsehne sowie im geringerem
Umfang auch noch eine Druckschmerzhaftigkeit über dem Ligamentum deltoideum
festgestellt. Ferner wurden anhand bereits am 20.02.2020 gefertigter
MRT-Aufnahmen narbige Verwachsungen im Bereich des Ligamentum fibulotalare
anterius sowie eine Flüssigkeitskollektion im Bereich der Peronealsehne
diagnostiziert und danach der Grund für die von der Klägerin weiterhin
beklagten Schmerzen in einer Peronealsehnenreizung des rechten Fußes nach
stattgehabtem Distorsionstrauma gesehen. Bei ihrer Anhörung am 08.02.2023 hat
die Klägerin für den Senat glaubhaft geschildert, auch heute noch gelegentlich
unter Schmerzen zu leiden, insbesondere wenn sie den Fuß länger stark belastet.
Außerdem sei eine teilweise Versteifung des Fußgelenks eingetreten, so dass
auch eine gewisse Bewegungseinschränkung geblieben sei. Letzteres findet sich
auch in dem von der Klägerin vorgelegten Befundbericht des K. vom 17.06.2021
(Blatt 281 f. LG-Akten) bestätigt, in dem sich die Diagnose chronischer
Sprunggelenkschmerzen rechts nach Distorsionstrauma vom Oktober 2019 mit
erheblicher Bewegungseinschränkung findet und als Lokalbefund eine deutliche
Schwellung des oberen Gelenkabschnittes und eine deutliche Einschränkung der
Beweglichkeit des Sprunggelenks sowie und eine aktuelle MdE mit 10 % angegeben
wird.
Darüber hinaus
ist bei der Schmerzensgeldbemessung zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach
dem Unfallgeschehen ihre restliche Urlaubszeit bis zum 02.11.2019 nicht mehr
wie geplant für sich gestalten konnte.
Anspruchsmindernd
ist hingegen auch bei der Schmerzensgeldbemessung das der Klägerin zur Last
fallende hälftige Mitverschulden an dem Zustandekommen des Unfalls zu
berücksichtigen.
Bei umfassender
Würdigung aller vorgenannten Umstände erachtet der Senat danach auch im
Vergleich zu von der Rechtsprechung in ähnlich gelagerten Fällen zuerkannten
Schmerzensgeldbeträgen (vgl. etwa OLG Frankfurt vom 19.08.2009, 7 U 23/08)
vorliegend mit Rücksicht auf den der Klägerin entstandenen Dauerschaden und die
ihr verbliebene Schmerzproblematik ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.500,- EUR
für Ausgleich der von ihr unfallbedingt erlittenen immateriellen Schäden für
angemessen und ausreichend.
8.
Der der
Klägerin zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 286 Abs. 1
S. 2 BGB. Auch für das ihr zuerkannte Schmerzensgeld kann die Klägerin nur
die Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen verlangen. Denn es ist weder von der
Klägerin vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich, dass sie die Beklagte vor
Klageerhebung unter Fristsetzung zu der Zahlung eines bestimmten, bezifferten
Schmerzensgeldbetrages aufgefordert hat. Mit den vorprozessualen Schreiben
ihres Bevollmächtigten vom 19.12.2019 und 11.06.2020 sowie dessen
Erinnerungsschreiben vom 21.08.2020 wurde die Beklagte lediglich zum
Anerkenntnis ihrer Haftung dem Grunde nach aufgefordert.
9.
Der
Feststellungsantrag zu 2.) ist zulässig. Da vorliegend die Verletzung eines
absoluten Rechts, nämlich der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit
der Klägerin in Rede steht, reicht für die Zulässigkeit des
Feststellungsantrages bereits die bloße Möglichkeit des Eintritts weiterer
unfallbedingter materieller und immaterieller Schäden aus. Diese Möglichkeit
kann vorliegend aber allein schon im Hinblick auf die nach dem fachärztlichen
Befundbericht des K. vom 17.06.2021 bestehende Möglichkeit eines frühzeitigen
Gelenksverschleißes und die insoweit bestehende ungünstige Prognose
schlechterdings nicht verneint werden. Es ist aus heutiger Sicht auch nicht
sicher abzusehen, welche konkreten weiteren immateriellen und materiellen
Schäden der Klägerin aus einem solchen frühzeitigen Gelenkverschleiß noch
entstehen könnten.
Aus den
gleichen Erwägungen ist der Feststellungsantrag auch in der Sache begründet,
allerdings nur mit der Maßgabe, dass die Beklagte der Klägerin wegen des ihr
zur Last fallenden Mitverschuldens alle weiteren ihr zukünftig noch aus dem
streitgegenständlichen Unfall entstehenden immateriellen und materiellen
Schäden nur in Höhe von 50 % zu ersetzen hat.
10.
Der mit der
Berufungsbegründungschrift vom 27.06.2022 angekündigte Berufungsantrag zu 3.)
betreffend die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wurde von der Klägerin im
Senatstermin am 09.02.2023 nicht gestellt, weshalb über ihn nicht mehr vom
Senat zu entscheiden war.
III.
Die
Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2
ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708
Nr. 10 S. 1, 711, 713 ZPO.
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