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Donnerstag, 10. August 2023

Zustellung eines Urteilsentwurfs als Urteil

In dem Rechtstreit ging um betriebliche Altersversorgung hatte die Klage der Klägerin auf Zahlung rückständiger Versorgungsdifferenzen teilweise abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) gab mit dem den Parteien zugestellten Urteil der Klage unter Abweisung der Berufung der Beklagten vollumfänglich statt. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Revision mit dem Ziel der Klageabweisung insgesamt ein. Der Senat des BAG ließ die Berufung zu. Danach stellte er fest, dass das in der noch als Papierakte (nicht elektronisch) geführten Gerichtsakte befindliche unterschriebene Urteil nicht identisch mit dem den Parteien zugestellten Urteil war.

Anmerkung: Es ist hier keine einmalige Ausnahme, dass ein den Parteien zugestelltes Urteil inhaltlich - teilweise sogar in der Tenorierung - von dem in der Gerichtsakte befindlichen Original abweicht. Während die Abweichung  in der Tenorierung meist bei einem Rechtsmittel durch die Antragstellung offenbar wird, fällt dies in Fällen inhaltlicher Differenzen nur auf, wenn die Gerichtsakte zur Einsichtnahme von dem Prozessbevollmächtigten angefordert wird und er dabei die fehlende Übereinstimmung der Urschrift in der Gerichtsakte zum zugestellten Urteil feststellt (manchmal auch die fehlende Weiterleitung von Schriftstücken, was die Rüge wegen Verletzung rechtlichen Gehörs eröffnen könnte, Art. 103 GG), oder infolge von Hinweisen des Gerichts wird die unterschiedliche Fassung aufgedeckt; möglich wäre auch eine eigene Feststellung des Gerichts, wenn dem Rechtsmittel das vollständige Urteil beigefügt war.

Nach der Feststellung der Unstimmigkeit zwischen zugestellter Urteilsfassung und dem in der Gerichtsakte befindlichen Urteil war vom Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden, wie damit prozessual umzugehen ist. Das BAG hatte hier die zugestellte Urteilsfassung aufgehoben und lediglich zum Zwecke der Zustellung der Originalfassung des Urteils an die Parteien den Rechtstreit an das LAG zurückverwiesen.

Zunächst war zu klären, ob überhaupt eine zulässige Revision vorliegen konnte. Allgemein gilt, dass ein Rechtsmittel gegen ein Scheinurteil (nicht zu verwechseln mit einem Nichturteil, z.B. wenn bei Ablauf der absoluten Berufungs- oder Revisionsfrist Rechtsmittel eingelegt wird, da bisher eine Zustellung nicht erfolgte und sich dann herausstellt, dass im Verkündungstermin kein Urteil verkündet wurde) möglich ist (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.04.2002 - 9 UF 222/00 -; Hunke in Anders/Gehle, ZPO 81. Aufl., vor § 300 Rn. 35). Vorliegend stellte der BGH darauf ab, dass die zugestellte Urteilsfassung den Eindruck eines Urteils vermittelt habe, welches mit Rechtmitteln angefochten werden könne. Seine Existenz sei geeignet, schutzwürdige Interessen der beschwerten Partei zu beeinträchtigen. Diese mit der Scheinwirkung des Urteils zu beseitigen führe dazu, dass es mit denselben Rechtsmitteln angefochten werden könne wie ein wirksam erlassenes Urteil. Neben dem Anwendungsbereich des § 72b ArbGG (sofortige Beschwerde wegen verspäteter Absetzung des Berufungsurteils) bestünde ein Anwendungsbereich für die Revision, wenn das Urteil zwar innerhalb von fünf Monaten zur Geschäftsstelle gelange, aber nicht als solches zugestellt worden sei.  

War damit die Revision gegen das zugestellte Urteil statthaft, stellte sich die Frage, auf welcher Basis nun die Revisionsentscheidung ergehen sollte. Konnte die zugestellte Urteilsausfertigung zugrunde gelegt werden (also ein so von dem erkennenden Gericht nicht gewolltes Urteil), oder das (allerdings nicht zugestellte) Urteil in der Gerichtsakte ? Das BAG entschied dahingehend, dass beide Fassungen nicht einer Entscheidung zugrunde gelegt werden können; die zugestellte Urteilsfassung sei ein Entwurf und leide daher an einem wesentlichen Mangel, der zu einer Aufhebung von Amts wegen führe.

Ein Urteil sei von Amts wegen aufzuheben, wenn es an schweren, nicht korrigierbaren Mängeln leide, wobei maßgeblich die den Parteien zugeleitete Abschrift des Urteils sei. Dies begründet das BAG unter Verweis auf den Beschluss des BGH vom 24.05.2006 - IV ZB 47/05 - zutreffend damit, dass nur diese Urteilsfassung für die Parteien zur Beurteilung, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden soll, geeignet sei. Das zugestellte Urteil leide an einem schwerwiegenden Mangel, wenn es in weiten und maßgeblichen Teilen nicht dem von den Richtern unterschriebenen Urteil entspräche oder einen Entwurf darstelle, der in wesentlichen Punkten nicht dem unterschriebenen Urteil entspräche (BGH, Beschluss vom 03.11.1994 - LwZB 5/94 -). Das Urteil müsse aber, damit die unterliegende Partei prozessordnungsgemäß über das weitere Vorgehen entscheiden zu können, in einer Abschrift der in der Gerichtsakte verbleibenden Originalfassung zugestellt werden. Die versehentliche Zustellung einer früheren Arbeitsgrundlage als Urteilsausfertigung sei damit ein Schein- bzw. Nichturteil, welches trotz Ausfertigung und Zustellung an die Parteien keine Rechtswirkung entfalten könne (BGH, Beschluss vom 24.06.2019 - AnwZ (Brfg) 18/19 -; BVerfG, Beschluss vom 17.01.1985 - 2 BvR 498/84 -).

Vorliegend würden der Tenor und der erste Teil des Tatbestandes sowie die Unterschriftenzeilen des zugestellten Urteils mit dem Original übereinstimmen, wie z.B.: Die Anträge und das Vorbringen der Parteien seien aber nicht zutreffend wiedergegeben worden, sondern würden aus einem anderen Rechtsstreit stammen. Die im Originalurteil enthaltenen rechtlichen Ausführungen des Gerichts würden in den zugestellten Abschriften gänzlich fehlen. Auch die Berechnung des Anspruchs des Klägers würden nicht mit dem Original übereinstimmen und würden aus einem Parallelrechtstreit stammen.

Zum weiteren Prozedere nach der Zurückverweisung gab der BGH vor, dass nunmehr den Parteien das von der Berufungskammer des LAG unterschriebene Urteil den Parteien zuzustellen sei. Es sei nicht erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, da es dieser nicht bedürfe, da bereits ein unterschriebenes Urteil vorläge und die mündliche Verhandlung gem. § 310 Abs. 1 S. 1 ZPO geschlossen sei.

BAG, Urteil vom 09.05.2023 - 3 AZR 280/22 -

Montag, 12. September 2022

Probleme des Käufers bei Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch

Im Grundbuch war in Abt. II ein Nacherbenvermerk eingetragen, den der Käufer (Beschwerdeführer) als nunmehr eingetragener Eigentümer gelöscht haben wollte. Nach dem Nacherbenvermerk war die JW in E befreite (Mit-) Vorerbin nach FW, und die ehelichen Abkömmlinge von ihr sollten Nacherben sein, ersatzweise wurden Dritte als Nacharben benannt. Zur Begründung seines Löschungsantrags verwies der Beschwerdeführer darauf, dass in 1963 die die JW und eine weitere Mitvollerbin die Immobilie an G und KL veräußert und aufgelassen worden, wodurch diese aus dem der Nacherbschaft unterliegenden Nachlass ausgeschieden und der grundbuchliche Nacherbenvermerk unrichtig geworden sei. Das Grundbuchamt wies den Löschungsantrag mit der Begründung zurück, vor der Löschung sei rechtliches Gehör zu gewähren, doch seien die (insbesondere ehelichen) Abkömmlinge von JW nicht zu ermitteln und auch kein Zustellungsvertreter oder Pfleger für die unbekannten Nacherben bestellt worden und es sei Sache des Antragstellers (jetzigen Beschwerdeführers) hier die Ermittlungen durchzuführen.

Die Beschwerde dagegen war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Beschlusses des Grundbuchamtes und Zurückverweisung an dieses. Sie war zulässig, da hier in Ansehung der §§ 71 ff GBO die Beschränkungen des § 69 Abs. 1 FamFG nicht gelten würden.

Grundsätzlich zutreffend sei die Auffassung des Grundbuchamtes, dass der Nacherbenvermerk u.a. dann gelöscht werden könne, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs (§ 22 GBO) in der Form des § 29 GBO nachgewiesen sei. Wenn das Grundstück aus dem der Nacherbschaft unterliegenden Nachlass ausgeschieden sei, könne dies der Fall sein. Dass sei dann der Fall, wenn die Verfügung des Vorerben auch ohne Zustimmung der Nacherben wirksam war, da der Vorerbe in vollem Umfang entgeltlich verfügt habe (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.03.2012 - 3 Wx 299/11 -).

Ebenfalls zutreffend sei die Auffassung des Grundbuchamtes, dass die durch eine Löschung betroffenen Nacherben vor der Löschung anzuhören seien.  

Fehlerhaft sei es allerdings gewesen, dass das Grundbuchamt die Ermittlung der zu beteiligenden Nacherben dem antragstellenden Beteiligten aufgegeben habe. Die materielle Ermittlung träfe das Grundbuchamt, welches dieses von Amts wegen vorzunehmen habe (OLG Düsseldorf aaO.), und dem es bisher nicht vollumfänglich nachgekommen sei. Das Grundbuchamt habe lediglich die alten Grundbuchakten angefordert und über das Grundbuchamt versucht festzustellen, ob die befreite Mitvorerben JW noch im Melderegister eingetragen sei und dort ihre aktuelle Anschrift verzeichnet sei, ferner(vergeblich), ob Nachlassvorgänge zu JW vorhanden seien. Es habe auch die Nachlassakte des Erblassers FW angefordert. Dies sei nicht ausreichend.

So habe das Grundbuchamt nicht abgewartet, bis die angeforderte Nachlassakte des FW vorlag. Aus dessen Testament könnten sich Anschriften ergeben, weshalb sich nach der Einsicht weitere Ermittlungsansätze ergeben könnten. Ferner habe das Grundbuchamt Ermittlungen über das für JW zuständige Standesamt unterlassen (Geburtseintraf, ggf. vorhandener Eintrag in das Eheregister und dort ggf. verzeichnete eheliche Kinder). Auch wären Nachfragen bei den Erben der 2008 verstorbenen Ersatzerbin JS und dem weiteren Ersatzerben für die weitere Ermittlung erforderlich.

Wenn alle Ermittlungsmöglichkeiten fruchtlos ausgeschöpft worden seien, sei vom Grundbuchamt von Amts wegen eine Pflegschaft für unbekannte Beteiligte (§ 1913 BGB) beim zuständigen Gericht anzuregen. Lediglich wenn die Einrichtung einer Pflegschaft vom zuständigen Gericht abgelehnt würde, könne dem Beschwerdeführer im Wege der Zwischenverfügung die Möglichkeit gegeben werden, selbst für eine Pflegerbestellung zu sorgen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.09.2018 - 20 W 197/18 -; a.A. für den Fall, dass alle Nacharben erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls feststehen würden, OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.09.2018 - 20 W 197/18 -).

OLG Hamm, Beschluss vom 22.04.2022 - I-15 W 76/22 -

Mittwoch, 25. März 2020

Löschung des Geschäftsführers im Handelsregister von Amts wegen bei Ungeeignetheit (§ 6 Abs. 2 GmbHG)


Der BGH bestätigte auf eine Rechtsbeschwerde hin die Löschung des Beschwerdeführers (BF) als Geschäftsführers der GmbH, deren Mitgesellschafter und -geschäftsführer er seit Januar 2017 war. Die Löschung erfolgte von Amts wegen mit der Begründung einer Ungeeignetheit des BF. Vorangegangen war dem ein Strafverfahren gegen den BF, in dessen Rahmen der (rechtskräftige) Strafbefehl gegen den BF  u.a. wegen Insolvenzstraftat (Beihilfe zum Bankrott, §§ 283 Abs. 1 S. 1, 27 StGB)  in 2015/16 (benannt im Strafbefehl als Einzelstrafe mit 60 Tagessätzen) im April 2019 erging.

Ausschlaggebend sei, dass der BF rechtskräftig wegen Beihilfe zum Bankrott verurteilt worden sei, da er damit nicht mehr Geschäftsführer der G. GmbH sein könne. Ein Geschäftsführer verliere seine Organstellung, wenn eine Voraussetzung in seiner Person nach § 6 Abs. 2 GmbHG entfalle (BGH, Urteil vom 01.07.1991 - II ZR 202/90 -). In einem solchen Fall sei die Eintragung vom Registergericht von Amts wegen vorzunehmen (§ 395 Abs. 1 S. 1 FamFG).

Allerdings sei streitig, ob der Geschäftsführer selbst Täter sein müsse (§ 25 StGB) oder nur eine Teilnahme (§§ 26, 27 StGB) ausreiche. Dies war vom BGH zu entscheiden, da der BF nur Teilnehmer (§ 26 StGB) des Bankrotts war. Hier vertritt der BGH die Auffassung, dass bei vorsätzlich begangenen Straftaten nach § 6 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 Nr. 3 GmbHG nicht zwischen Täterschaft und Teilnahme zu unterscheiden sei und mithin die Begehungsformen gleich behandelt werden müssten.

So spreche dafür bereits der Wortlaut („wegen … Straftaten … verurteilt worden ist“) dafür, der sich an die strafgerichtliche Verurteilung in § 3 Nr. 1m § 4 Nr. 1 BZRG anlehne und beide Begehungsformen erfasse. Die Bezugnahme auf das BZRG würde auch im Anmeldeverfahren deutlich, da der Geschäftsführer nach § 8 Abs. 2 GmbHG iVm- § 53 Abs. 2 BZRG bei der Anmeldung unumschränkt auskunftspflichtig sei. Soweit in § 6 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 GmbHG von „Täter“ die Rede sei,  läge darin keine Einschränkung, da „Täter“ auch als Oberbegriff für Täterschaft und Teilnahme verwandt würde, wobei die Bestimmung auch nur einen Sonderfall der Berechnung der fünfjährigen Ausschlussfrist enthalte.  

Auch der Schutzweck, der durch die Einbeziehung bestimmter Delikte wegen Teilnahmehandlungen in § 6 Abs. 2 S. 2 2. HS Nr. 3 GmbHG bestimmt werde und die  dem Schutz fremder Vermögen dienen, lasse erkennen, dass sich die Norm auf das Erfolgs- und nicht das Handlungsunrecht beziehe und damit eine Beschränkung auf eine Verurteilung als Täter nicht zuließe.  

BGH, Beschluss vom 03.12.2019 - II ZB 18/19 -